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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 05.12.2005
Aktenzeichen: 1 B 03.2567
Rechtsgebiete: BayBO


Vorschriften:

BayBO Art. 82 Satz 2
Zu den Anforderungen an die vorbeugende Untersagung einer genehmigungspflichtigen Nutzung von Wohnraum gegenüber dem Vermieter.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 B 03.2567

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Nutzungsuntersagung betr. ****** ******* Gemarkung ********* (***);

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts ******* vom 24. Juli 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2005

am 5. Dezember 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagung.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ******* Gemarkung *********. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich am südlichen Ortsrand von ********* zwischen der Isar im Westen und der Bundesstraße ** im Osten. Das Gebiet ist im Flächennutzungsplan der Beigeladenen von 1971 als Gewerbegebiet dargestellt.

Mit Bescheid vom 24. März 1999 erhielt die Klägerin die Baugenehmigung zum Neubau eines Bürogebäudes mit fünf "Gewerbeeinheiten" und einer Betriebswohnung auf einer Teilfläche des damals noch ungeteilten Grundstücks Fl.Nr. ******* (jetzt Fl.Nr. *******). In einer Nebenbestimmung ist angeordnet, dass die Wohnung(en) nur von Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie vom Betriebsinhaber oder Betriebsleiter genutzt werden dürfen und dass eine Vermietung oder Überlassung an einen anderen Personenkreis unzulässig ist.

Bei einer Baukontrolle stellte das Landratsamt *** ******************* fest, dass die Klägerin drei "Gewerbeeinheiten" für Wohnzwecke vermietet hatte. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2001 untersagte das Landratsamt jeweils binnen eines Monats ab Bestandskraft des Bescheids der Klägerin als Vermieterin die Nutzung (Eigennutzung, Abschluss neuer Mietverträge und sonstiger Überlassungsverträge) der "Gewerbeeinheiten 1, 2 und 5" als Wohnungen (Nr. 1 des Bescheids) und den Mietern die Nutzung der jeweiligen "Gewerbeeinheit" als Wohnung (Nrn. 2 bis 4 des Bescheids). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nutzungsuntersagungen wurde jeweils ein Zwangsgeld von 5.000 DM angedroht (Nr. 5 des Bescheids).

Am 22. Oktober 2001 erhob die Klägerin Widerspruch, den die Regierung von ********** mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2002 zurückwies. Für den Erlass der Nutzungsuntersagung genüge bereits der Verstoß gegen formelles Recht. Die Nutzung der "Gewerbeeinheiten" als Wohnungen stelle eine nicht genehmigte Nutzungsänderung dar. Die Wohnnutzung sei aber auch materiell rechtwidrig. Die Eigenart der näheren Umgebung des Grundstücks entspreche einem Gewerbegebiet. In diesem seien nur betriebliche Wohnungen zulässig. Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt. Bei den von der Klägerin angeführten Bezugsfällen handle es sich ausschließlich um Betriebsleiterwohnungen. Dass die Räume für gewerbliche Zwecke schwer zu vermieten seien, sei unerheblich.

Am 7. Juni 2002 erhob die Klägerin Klage. Das Verwaltungsgericht ******* wies die Klage mit Urteil vom 24. Juli 2003 im Wesentlichen mit folgender Begründung ab: Die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig, weil die Änderung der Büronutzung in eine Wohnnutzung genehmigungspflichtig, die beantragte Baugenehmigung aber nicht erteilt worden sei. Die Nutzungsänderung sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der Ausgang des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens bezüglich der Baugenehmigung sei offen. Auf Grund des gerichtlichen Augenscheins könne nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass die Umgebungsbebauung einem Mischgebiet und damit einem Gebiet entspreche, in dem auch Wohnungen zulässig seien. Auf die Frage der mangels Kanalanschluss erschwerten Vermietbarkeit der Gewerbeeinheiten komme es nicht an. Der Gleichheitssatz sei nicht verletzt. Bei den angeführten Bezugsfällen handle es sich um Betriebsleiterwohnungen. Bei dem offensichtlich teilweise zweckentfremdeten Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ******* (****) sei die Beschränkung auf Wohnungen für Betriebsleiter sogar durch Grunddienstbarkeit abgesichert worden. Auch die Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig.

Hiergegen richtet sich die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. November 2004 zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht hätte sich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, dass die Nutzungsänderung nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei. Die Untersagung einer Wohnnutzung sei wegen der vergleichbaren Wirkungen rechtlich wie eine Baubeseitigung und nicht wie eine Baueinstellung zu behandeln. Zumindest hätte das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Bauantrag ausgesetzt werden müssen. Die Wohnnutzung sei materiell rechtmäßig, weil die Umgebungsbebauung als Mischgebiet und nicht als Gewerbegebiet einzustufen sei. Für das "Blockhaus" auf dem Nachbargrundstück Fl.Nr. ******* (****) liege eine Baugenehmigung vom 7. November 1996 für eine Wohnnutzung vor. Außerdem sei in dem Haus über einen längeren Zeitraum eine Ferienwohnung angeboten worden, ohne dass dagegen eingeschritten worden sei. Auf eine Dienstbarkeit vom 9. Mai 1986, die in dem "Blockhaus" eine nicht dem Gewerbebetrieb dienende Wohnnutzung ausschließe, könne sich das Landratsamt nicht berufen, weil die Dienstbarkeit zugunsten der Beigeladenen bestellt worden und nicht mehr rechtswirksam sei. Die Beigeladene habe die Vermietung der Ferienwohnung mehr als 15 Jahre geduldet und dadurch konkludent auf die Dienstbarkeit verzichtet oder zumindest ihre Rechte hieraus verwirkt. Die Wohnnutzung der "Gewerbeeinheit 1" sei aufgrund des Auszugs der Mieter inzwischen beendet worden. Die "Gewerbeeinheit 2" habe der im Bescheid genannte Mieter (****) nie bewohnt. Die "Gewerbeeinheit 5" werde von den Mietern teilweise gewerblich genutzt (EDV-Softwareentwicklungsunternehmen); künftig solle der Mieter als Hausmeister und technischer Betreuer für das Betriebsgelände der Klägerin beschäftigt werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts ******* vom 24. Juli 2003 zu ändern und Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts *** ******************* vom 1. Oktober 2001 und Nr. 5 des Bescheids, soweit sie sich auf die Nr. 1 bezieht, sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von ********** vom 7. Mai 2002 aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte aus: Die Nutzungsuntersagung sei formell und materiell rechtmäßig. Es genüge, dass die Wohnnutzung nicht genehmigt und auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei, weil der Charakter der Umgebungsbebauung des Grundstücks Fl.Nr. ******* nicht eindeutig zu bestimmen sei. Die nähere Umgebung entspreche wohl einem Mischgebiet. Die Bundesstraße ** habe wohl keine trennende Funktion mehr, nachdem der Verkehr seit Anfang 2005 aufgrund eines auf österreichischer Seite verhängten Transitverbots für LKW stark zurückgegangen sei. Verneine man die trennende Wirkung, dann könnten in dem Gebäude der Klägerin allenfalls 30 % der Fläche für Wohnzwecke genehmigt werden, um in dem Gebiet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe zu erhalten. Bejahe man die trennende Wirkung, käme eine Wohnnutzung von etwa 40 % der Fläche in Betracht. Für die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung sei dies aber unerheblich. Ermessensfehler lägen nicht vor. Auf dem Grundstück Fl.Nr. ******* (****) sei eine Betriebsleiterwohnung genehmigt; wegen der nicht genehmigten Nutzung einer Ferienwohnung laufe bereits seit Jahren ein Verfahren. Im Dachgeschoss des Betriebsgebäudes sei nach Aufteilung des Betriebs eine weitere Betriebswohnung genehmigt worden, die auch als solche genutzt werde. In dem Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ******* ("****-Haus") seien 552 m² Fläche für Werkstatt und Verkauf sowie ca. 300 m² Fläche für die Wohnnutzung der beiden Betriebsinhaber genehmigt.

Die Beigeladene hält die Wohnraumnutzung ebenfalls für nicht (offensichtlich) genehmigungsfähig. Das Grundstück liege in einem faktischen Gewerbegebiet. Der Flächennutzungsplan stelle das Gebiet westlich der Bundesstraße **, in dem ursprünglich ausschließlich Gewerbebetriebe angesiedelt gewesen seien, als Gewerbegebiet dar. Wohnnutzungen seien nur als Betriebswohnungen genehmigt worden. In dem Gebiet befänden sich großenteils Betriebe, die das Wohnen wesentlich störten und die somit in einem Mischgebiet nicht zulässig seien. Die Bundesstraße ** habe zweifellos trennende Funktion. Sie weise innerörtlich dieselbe Ausbaubreite von 7,60 m bis 7,80 m auf wie außerhalb des Ortes. Der Verkehr sei im gesamten Ortsdurchfahrtsbereich vorfahrtsberechtigt. Auch gebe es in diesem Bereich keine Ampel und keinen Zebrastreifen. Die Behauptung, dass die Verkehrsbedeutung nachgelassen habe, sei unzutreffend. Die Veränderungen des Transitverkehrs in Österreich spielten nur eine untergeordnete Rolle. Es handle sich bei der Straße nicht um eine "normale" Ortsdurchfahrt, sondern um die Fortsetzung einer "Schnellstraße". Messungen hätten ergeben, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen die Regel seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 19. April 2005 durch einen Augenschein Beweis erhoben.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die - vorbeugende - Nutzungsuntersagung unter Nr. 1 des Bescheides vom 1. Oktober 2001 (1.), die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 5, soweit sie sich auf Nr. 1 bezieht (2.), sowie der diese Anordnungen bestätigende Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2002 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Bei der Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides vom 1. Oktober 2001 handelt es sich um eine präventive Nutzungsuntersagung (a). Die Anordnung ist rechtmäßig; sie ist durch Art. 82 Satz 2 BayBO gedeckt (b).

a) Mit der Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides vom 1. Oktober 2001 wurde der Klägerin als Vermieterin nicht die Nutzung der "Gewerbeeinheiten 1, 2 und 5" zu Wohnzwecken untersagt, die bei Erlass der Anordnung bereits stattgefunden hat und die - in der "Gewerbeeinheit 5" - noch andauert (vgl. das Parallelverfahren 1 B 03.2608). Vielmehr handelt es sich um eine vorbeugende Regelung, die der Klägerin eine künftige Nutzung der drei "Gewerbeeinheiten" als Wohnungen verbietet. Gegen diese Auslegung spricht zwar, dass die Nutzung "binnen 1 Monats ab Bestandskraft dieses Bescheides" untersagt wurde. Diese Fristsetzung gibt bei einer vorbeugenden Regelung - auch als Vollstreckungsfrist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG (vgl. BayVGH vom 21.7.1995 26 CS 95.1316) - keinen Sinn. Für die Auslegung sprechen jedoch - nach Auffassung des Senats ausschlaggebend - die in Klammern gesetzten Begriffe im Bescheidstenor ("Eigennutzung, Abschluss neuer Mietverträge und sonstiger Überlassungsverträge"), mit denen der Gegenstand der Anordnung näher bestimmt wird. Bei allen hiermit angesprochenen Nutzungen handelt es sich um zukünftige Vorhaben. Bei der Untersagung des Abschlusses neuer Verträge versteht sich dies von selbst. Das Verbot der "Eigennutzung" ist eine vorbeugende Regelung, weil die Klägerin bei Erlass des Bescheides keine der drei "Einheiten" selbst als Wohnung genutzt hat (und dies im Übrigen bis heute nicht tut). Für die Auslegung der Anordnung als präventives Eigennutzungs- und Vermietungsverbot spricht auch, dass eine Anordnung gegenüber dem Vermieter mit diesem Regelungsgehalt zwar wohl nicht die einzige in Betracht kommende Möglichkeit des Einschreitens ist (a.A. OVG NRW vom 13.1.1993 NWVBl 1993, 232), jedenfalls aber eine geeignete und praktikable Ergänzung der Nutzungsuntersagungen gegenüber den Mietern darstellt, von denen eine Gegenstand des Parallelverfahrens 1 B 03.2608 ist (vgl. VG Neustadt [Weinstraße] vom 23.7.2004 - 4 L 1673/04.NW - Juris mit weiteren Nachweisen; VGH BW vom 19.10.1990 BRS 52 Nr. 55).

b) Die präventive Nutzungsuntersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 82 Satz 2 BayBO. Nach dieser Regelung kann die Benutzung von Anlagen - auch vorbeugend (aa) - untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein solcher Verstoß läge bei einer erneuten Vermietung oder Eigennutzung zu Wohnzwecken ohne Baugenehmigung schon deswegen vor, weil diese Nutzung einer Baugenehmigung bedarf (bb). Das Landratsamt hat auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt (cc)

aa) Voraussetzung einer Nutzungsuntersagung ist nicht, dass die rechtswidrige Nutzung bereits aufgenommen wurde. Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine rechtswidrige Nutzung bevorsteht, kann diese auch vorbeugend untersagt werden (Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Februar 2005, Art. 82 RdNr. 297 mit weiteren Nachweisen). Dies war hier der Fall. Da die Klägerin drei Nutzungseinheiten in ihrem Gebäude trotz einer entgegenstehenden Regelung in der Baugenehmigung als Wohnungen vermietet hat, durfte das Landratsamt annehmen, dass die Klägerin die Räume nach einer Beendigung dieser Mietverhältnisse wieder zu Wohnzwecken vermieten oder selbst als Wohnung nutzen würde.

bb) Die Voraussetzung des Art. 82 Satz 2 BayBO, dass die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen muss, ist hier schon deswegen erfüllt, weil die Nutzung der drei "Gewerbeeinheiten" zu Wohnzwecken ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben ist und die Klägerin mit einer Eigennutzung oder einer erneuten Vermietung ohne vorherige Genehmigung gegen Art. 72 Abs. 5 BayBO verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf mit einem genehmigungspflichtigen Vorhaben nicht vor Bekanntgabe der Baugenehmigung begonnen werden.

Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinn von Art. 82 Satz 2 BayBO, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann vor, wenn das Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Da die Nutzungsuntersagung - insofern der Baueinstellung (Art. 81 Abs. 1 BayBO) entsprechend - in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt und somit nicht genehmigungsfähig ist. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit darf eine wegen Verstoßes gegen die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aber im Allgemeinen nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Auch wenn die Folgen einer Nutzungsuntersagung für den Betroffenen in der Regel weniger gravierend sind als die einer Beseitigungsanordnung, ist es im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher - vergeblich - gemäß Art. 82 Satz 3 BayBO aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen (BayVGH vom 4.8.2004 BayVBl 2005, 369; vom 23.3.1992 2 B 89.818; vom 29.9.1981 BayVBl 1982, 51; OVG RhPf vom 22.5.1996 BRS 58 Nr. 202). Bei einer vorbeugenden Nutzungsuntersagung hat dieser Gesichtspunkt aber weniger Gewicht. Da nicht in eine schon ausgeübte Nutzung eingegriffen wird, sondern der Bauherr nur präventiv auf das Genehmigungsverfahren verwiesen wird, darf eine vorbeugende Anordnung in der Regel allein schon wegen des drohenden Verstoßes gegen formelles Recht ergehen.

Ein solcher Regelfall liegt hier vor. Ein die vorbeugende Nutzungsuntersagung rechtfertigender Verstoß gegen formelles Recht war zu befürchten. Die Nutzung der als Büro genehmigten "Gewerbeeinheiten 1, 2 und 5" für allgemeine Wohnzwecke ist gemäß Art. 62, Art. 63 Abs. 4 Nr. 1 BayBO genehmigungspflichtig, weil für die Wohnnutzung andere öffentlich-rechtliche bauordnungsrechtliche (z. B. Art. 46 BayBO) und bauplanungsrechtliche Anforderungen (z. B. im Hinblick auf das Einfügen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) gelten als für die gewerbliche Büronutzung.

cc) Ein Ermessensfehler liegt nicht vor. Das Landratsamt hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck des Art. 82 Satz 2 BayBO ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG).

Wie das "Beseitigungsermessen" gemäß Art. 82 Satz 1 BayBO (BayVGH vom 24.2.2005 - 1 ZB 04.276) so wird auch die Ausübung des durch Art. 82 Satz 2 BayBO beim Erlass einer Nutzungsuntersagung eingeräumten Eingriffsermessens vor allem durch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt. Die Behörde muss so vorgehen, dass sie die ihr obliegende Aufgabe, für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen (Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayBO), möglichst gut erfüllt. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung erfüllt, dann muss die Behörde in aller Regel nicht besonders begründen, weshalb sie von der Eingriffsbefugnis Gebrauch macht. Nur in Ausnahmefällen können weiter gehende Erwägungen erforderlich sein. Solche Besonderheiten liegen hier nicht vor. Die Nutzungsuntersagung erforderte keine besonderen Ermessenserwägungen.

Das Landratsamt hat auch nicht deswegen ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es im Bescheid vom 1. Oktober 2001 nicht nur auf die formelle, sondern - letztlich zu Unrecht (vgl. das Urteil im Parallelverfahren 1 B 03.2608) - auch auf die materielle Rechtswidrigkeit der Wohnnutzung abgestellt hat. Wenn dieser Mangel für die Ermessensausübung erheblich gewesen sein sollte (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Februar 2005, Art. 82 RdNr. 302 f.), so wäre der Fehler durch den insoweit maßgeblichen Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) korrigiert, in dem die formelle Rechtswidrigkeit als ausreichende Rechtfertigung für die Nutzungsuntersagung angesehen wird. Davon abgesehen läge auch auf der Ebene des Landratsamts kein Ermessensfehler vor, weil nicht anzunehmen ist, dass die Behörde die vorbeugende Nutzungsuntersagung, die, wie dargelegt wurde, schon wegen des drohenden formellen Rechtsverstoßes angeordnet werden durfte, gerade im Hinblick auf die vermeintliche materielle Rechtswidrigkeit der Nutzung erlassen hat.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Nutzungsuntersagung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil das Landratsamt nicht auch gegen die Wohnnutzung in dem "Blockhaus" auf dem Grundstück Fl.Nr. ******* (****) eingeschritten ist. Abgesehen davon, dass eine Behörde grundsätzlich nicht fehlerhaft handelt, wenn sie bei Einzelfällen, die wegen ihrer geringen Zahl noch kein Konzept für planmäßiges Vorgehen erfordern, neue Rechtsverstöße sofort unterbindet, sind die Verhältnisse bei dem Bezugsfall nicht vergleichbar. Denn für das "Blockhaus" wurde im Jahr 1996 eine Baugenehmigung für eine Wohnnutzung erteilt und es erscheint zweifelhaft, ob die genehmigte Nutzung durch die im Jahr 1986 gegenüber der Beigeladenen eingeräumte Dienstbarkeit wirksam auf eine betriebliche Wohnnutzung beschränkt wurde. Die illegale Ferien-Wohnnutzung auf diesem Grundstück hat das Landratsamt inzwischen unterbunden.

2. Die auf Art. 29 ff. VwZVG gestützte Androhung des Zwangsgeldes in Nr. 5 des Bescheids, soweit sie sich auf Nr. 1 bezieht, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.000 Euro festgesetzt (§ 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F., § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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