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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 1 N 03.2347
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB 1998, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 155 Abs. 1 Satz 1
BauGB 1998 § 1 Abs. 6
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 10
BauGB § 34
BauGB § 35
Zu den Anforderungen an die Festsetzung von Flächen, die frei von jeglicher Bebauung zu halten sind.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 03.2347

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit des Bebauungsplans "************ Straße / **************";

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer,

ohne mündliche Verhandlung

am 16. Juni 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Bebauungsplan "H******** Straße / K********weg" des Marktes M***** ist unwirksam, soweit er im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. ****, ******, **** und **** Flächen, die frei von jeglicher Bebauung zu halten sind, festsetzt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller ein Fünftel und der Antragsgegner vier Fünftel.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich als Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **** Gemarkung M***** gegen den Bebauungsplan "H******** Straße/K********weg" des Antragsgegners.

1. Das unbebaute Grundstück des Antragstellers liegt am südlichen Stadtrand von M***** zwischen der H******** Straße im Norden und dem K********weg im Süden. Auch die westlich angrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. ****** und **** sind unbebaut; zusammen mit dem Grundstück des Antragstellers werden sie als Wiese genutzt. Noch weiter westlich fällt das Gelände zur Bundestrasse 2 ab. Das östlich an das Grundstück des Antragstellers grenzende Grundstück Fl.Nr. **** und die Grundstücke, die südlich des K********wegs sowie in östlicher und - im weiteren Verlauf - südöstlicher Richtung entlang der H******** Straße liegen, sind mit Wohnhäusern bebaut. In nordöstlicher Richtung stehen zwischen der H******** Straße und der von Nordwesten kommenden Bahnlinie **************** einige Häuser. Das Gelände fällt von dem Abschnitt der H******** Straße, der nördlich des Grundstücks des Antragstellers sowie der Grundstücke Fl.Nrn. ****** und **** verläuft, nach Süden ab. Von der H******** Straße aus blickt man über die südlich des K********wegs und entlang der H******** Straße stehenden Häuser auf das M******* Moos und die Berge.

Der Bebauungsplan setzt das Grundstück des Antragstellers, die Grundstücke Fl.Nrn. ****** und **** und etwa drei Viertel des südlich an letzteres grenzenden Grundstücks Fl.Nr. **** als "Flächen, die von jeder Bebauung freizuhalten sind", fest. Der Geltungsbereich umfasst ferner vier Grundstücke südlich des K********weges. Die bebauten nördlichen Teilflächen dieser Grundstücke sind als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen; die restlichen Flächen sind als private Grünflächen festgesetzt, die frei von jeglicher Bebauung zu halten sind. "Für den Geltungsbereich der Grünordnung" ist - mit Ausnahme von Großbäumen entlang der H******** Straße - jegliche Bepflanzung ausgeschlossen. Nach der Begründung des Bebauungsplans wurden die frei von Bebauung zu haltenden Flächen festgesetzt, weil "eine Bebauung an dieser Stelle ... die noch intakte Landschaft erheblich beeinträchtigen, wenn nicht sogar aus ortsgestalterischer Sicht verunstalten" würde. Außerdem trage die Festsetzung dazu bei, Grünflächen in den Randbereichen des Ortes zu erhalten, "um den Übergang von dichter Bebauung im Ortskern zum Außenbereich locker gestalten zu können". Als vordringliches Ziel der Festsetzungen zur Grünordnung wird der "Erhalt der Aussicht von der H******** Straße nach Süden für die Allgemeinheit" bezeichnet.

Der Antragsgegner leitete das Verfahren für die Aufstellung des Bebauungsplans im März 2001 ein, nachdem der Antragsteller im Februar 2001 einen Vorbescheid für die Bebauung seines Grundstücks mit einem Ein- oder Zweifamilienhaus beantragt hatte. Der Antragsteller erhob Einwände. Die Behandlung dieser Einwände fand in der Sitzung des Bauausschusses vom 6. Dezember und der Marktgemeinderatssitzung vom 13. Dezember 2001 statt. Grundlage der Abwägung war die Feststellung, dass die Frage, ob sich ein Wohngebäude auf dem Grundstück des Antragstellers ohne eine Beeinträchtigung der Planungsziele einfügen würde, nicht geprüft werden müsse, weil das Grundstück im Außenbereich liege. Sollte es sich entgegen der Auffassung des Marktes um Innenbereich handeln, müsse keine Entschädigung geleistet werden, weil die Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 BauGB abgelaufen sei. Am 18. April 2002 beschloss der Marktgemeinderat den Bebauungsplan als Satzung; die Bekanntmachung erfolgte am 25. April 2002.

Im Flächennutzungsplan des Antragsgegners ist das Grundstück des Antragstellers seit einer im Jahre 1997 wirksam gewordenen Änderung als "Fläche für die Landwirtschaft" dargestellt. Früher war es zusammen mit den südlich und östlich anschließenden bebauten Flächen als Wohnbaufläche ausgewiesen.

2. Zur Begründung des Normenkontrollantrags macht der Antragsteller Verstöße gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz und gegen das Abwägungsgebot geltend.

Der Bebauungsplan sei nicht erforderlich, weil alle Planungsziele auch dann erreicht werden könnten, wenn eine - nach § 34 BauGB mögliche - Bebauung des Grundstücks FlNr. **** zugelassen werde. Angesichts der Geländeverhältnisse würde ein Wohngebäude im südlichen Teil des Grundstücks den freien Blick von der H******** Straße nach Süden nicht beeinträchtigen. Das Abwägungsgebot sei verletzt, weil der Antragsgegner bei der Abwägung der Eigentümerbelange des Antragstellers zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das Grundstück FlNr. **** im Außenbereich liege. Wie der Gutachterausschuss beim Landratsamt G****** -************* bereits im Jahre 1988 bei der Festlegung der Bodenrichtwerte bestätigt habe, liege das Grundstück im Innenbereich. Anstatt die Eigentumsbelange angemessen zu gewichten, habe sich der Antragsgegner bei seiner Abwägung davon leiten lassen, ob infolge der geplanten Festsetzungen Ersatzansprüche gemäß den §§ 39 ff. BauGB zu befürchten seien. Bei einer zutreffenden Gewichtung der privaten Belange sei das Abwägungsergebnis nicht zu halten. Da die für die Planung ins Feld geführten öffentlichen Belange nicht einmal deren städtebauliche Erforderlichkeit begründen könnten, hätten sie offensichtlich nicht ausreichend Gewicht, um das Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der bestehenden Bebauungsmöglichkeit zu überwinden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, festzustellen, dass der Bebauungsplan "H******** Straße/K********weg" des Marktes M***** insgesamt, hilfsweise: im Bereich des Grundstücks FlNr. ****, unwirksam ist;

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er tritt den Einwänden des Antragstellers Punkt für Punkt entgegen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hält den Normenkontrollantrag für unbegründet.

Der Senat hat am 19. April 2005 durch Augenschein Beweis erhoben. Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Bebauungsplanakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag, über den gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden darf, hat teilweise Erfolg. Er ist nur zum Teil zulässig (1.); soweit er zulässig ist, ist er auch begründet (2.).

1. Der Antrag ist nur insoweit zulässig, als der Antragsteller die Festsetzung von Flächen, die frei von Bebauung zu halten sind, angreift. Nur insoweit ist der Antragsteller antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Hinsichtlich der übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans fehlt die Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren antragsbefugt, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder durch deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Voraussetzung ist beim Antragsteller nur hinsichtlich der auch sein Grundstück erfassenden Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB erfüllt. Die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 4 BauNVO) mit weiteren Regelungen zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit für die vier Grundstücke südlich des K********wegs berührt die Belange des Antragstellers ebenso wenig wie die Festsetzung der südlichen Teile dieser Grundstücke als private Grünfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB). In Bezug auf diese Regelungen macht der Antragsteller auch keine Rechtsverletzung geltend.

Zwar hat allein die Tatsache, dass der Antragsteller insoweit nicht betroffen ist, noch nicht die teilweise Unzulässigkeit des Antrags zur Folge. Im Normenkontrollverfahren werden vom Antragsteller nämlich grundsätzlich keine Überlegungen zur vielfach nicht ohne weiteres zu beantwortenden Frage der Teilbarkeit der angegriffenen Norm erwartet. Ist ein Bebauungsplan jedoch offensichtlich teilbar und kommt eine Verletzung von Rechten des Antragstellers nur bei einem Teil der Regelungen in Betracht, dann muss der Antrag von vornherein auf diesen Teil beschränkt werden. Greift ein Antragsteller auch offensichtlich abtrennbare Teile der Norm an, die ihn nicht belasten, ist der Antrag insoweit unzulässig (BVerwG vom 4.6.1991 E 88, 268 = NVwZ 1992, 373 = DVBl 1991, 1153).

Nach diesem Maßstab hätte der Antragsteller seinen Antrag auf die Festsetzung von frei von Bebauung zu haltenden Flächen beschränken müssen. Der Bebauungsplan ist nämlich zwischen dieser Festsetzung, die nur das Grundstück des Antragstellers sowie die Grundstücke Fl.Nrn. ******, **** und **** berührt, einerseits und der Ausweisung eines Wohngebiets für vier (bebaute) Grundstücke südlich des K********wegs sowie der Festsetzung privater Grünflächen auf südlichen Teilen dieser "Wohngrundstücke" andererseits offensichtlich teilbar. Beide Regelungskomplexe sind nicht nur räumlich klar voneinander getrennt; sie hängen auch sachlich nicht miteinander zusammen. Dies kommt auch in den Festsetzungen und der Begründung zum Bebauungsplan (§ 9 Abs. 8 BauGB) unmittelbar zum Ausdruck, in denen jeweils von drei Bereichen, in die sich der Geltungsbereich gliedert (frei zu haltende Flächen, Wohngebiet und Grünflächen), die Rede ist.

2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Festsetzung von Flächen, die frei von Bebauung zu halten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB), ist für unwirksam zu erklären, weil sie ungültig ist (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Festsetzung beruht zwar - auch soweit sie das Grundstück des Antragstellers betrifft - nicht auf einer unzutreffenden Beurteilung des bauplanungsrechtlichen Status dieser Flächen (2.1.). Die Festsetzung ist aber deswegen unwirksam, weil sie die Rechte der Grundstückseigentümer unverhältnismäßig stark einschränkt (2.2.).

2.1. Der Festsetzung der frei zu haltenden Flächen liegt auch hinsichtlich des Grundstücks des Antragstellers nicht schon deswegen ein durchgreifender Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 6, § 214 Abs. 3 Satz 2 des Baugesetzbuches in der insoweit für den Bebauungsplan noch maßgebenden Fassung vom 27.8.1997, BGBl I. S. 2141 [BauGB 1998]) zugrunde, weil der Antragsgegner bei der Abwägung in erster Linie von einer Lage im Außenbereich (§ 35 BauGB) ausgegangen ist.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB 1998 (= § 1 Abs. 7 BauGB) müssen bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn eine Abwägung nicht vorgenommen wurde, wenn in die Abwägung nicht alle von der Planung berührten Belange eingestellt wurden oder wenn die Bedeutung betroffener Belange verkannt wurde und infolgedessen das Abwägungsergebnis deren objektivem Gewicht widerspricht (vgl. BVerwG vom 5.7.1974 E 45, 309). Zu den regelmäßig betroffenen privaten Belangen gehört das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum. Ein auf den überplanten Grundstücken bestehendes Baurecht muss die Gemeinde im Rahmen der Abwägung berücksichtigen. Das private Interesse am Erhalt dieses Rechts muss mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden (BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727 = DÖV 2003, 376). Das setzt eine zutreffende Beurteilung des bauplanungsrechtlichen "Status" der überplanten Grundstücke voraus; denn das Gewicht der Eigentumsbelange ist bei einer Lage im Innenbereich oder in einem Baugebiet größer als bei einer Außenbereichslage.

In dieser Hinsicht begegnet die Abwägung keinen Bedenken. Die Richtigkeit der für sie in erster Linie maßgebenden Einstufung des Grundstücks des Antragstellers (sowie der westlich angrenzenden Grundstücke) als Außenbereich, die schon nach den vorliegenden Plänen und Luftbildern kaum fraglich erscheint, hat sich beim Augenschein bestätigt. Die benachbarte Bebauung - auf dem unmittelbar östlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. **** und auf den Grundstücken südlich des K********wegs - bildet im fraglichen Bereich eine klare Grenze des im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Abs. 1 BauGB), der sich vom Grundstück des Antragstellers aus gesehen in südlicher, südöstlicher und östlicher Richtung erstreckt. Das gilt auch für die südöstliche Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. ****. Trotz der - verglichen mit den übrigen Gebäuden in der Nachbarschaft - massiven Wohnbebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. **** erscheint auch diese Fläche an Ort und Stelle eindeutig als Teil der im Außenbereich liegenden Wiesenfläche, die sich in westlicher Richtung bis zu der bewaldeten Hangkante erstreckt, und nicht als Teil des Bebauungszusammenhangs. Die wenigen Gebäude, die nordöstlich der H******** Straße inselartig zwischen dieser Straße und dem Bahngleis stehen, sind nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck für die bauplanungsrechtliche Einstufung der unbebauten Flächen südlich der Straße ohne Bedeutung. Dies gilt erst recht für die Bebauung nordöstlich der Bahnlinie.

Ist aber die für den Antragsgegner in erster Linie maßgebende Einstufung als Außenbereich nicht zu beanstanden, dann kann dahinstehen, ob sich auch die Erwägungen, die der Antragsgegner für den Fall angestellt hat, dass das Grundstück des Antragstellers im Innenbereich liegen sollte, bei näherer Überprüfung als tragfähig erweisen würden. Vor allem muss nicht entschieden werden, ob an der im Urteil des Senats vom 3. September 2002 (BayVBl 2003, 273) vertretenen, vom Antragsgegner zitierten Rechtsprechung festzuhalten wäre, dass sich das Gewicht privater Eigentumsbelange nach Ablauf der Frist des § 42 Abs. 2 BauGB verringert.

2.2. Die Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB ist jedoch deswegen abwägungsfehlerhaft, weil sie die Befugnisse der betroffenen Grundstückseigentümer zu stark einschränkt.

Wenn die Gemeinde durch Bebauungsplanfestsetzungen Inhalt und Schranken des Eigentums an den überplanten Grundstücken bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), muss sie die mit der Planung verfolgten Belange des Gemeinwohls und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998 = § 1 Abs. 7 BauGB) in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727). Dem genügt eine Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB nur, wenn für sie gewichtige Gründe sprechen. Denn die Festsetzung, die auf den überplanten Flächen jede Bebauung - bei Außenbereichsflächen auch dort grundsätzlich zulässige Vorhaben, wie beispielsweise einem landwirtschaftlichen Betrieb dienende bauliche Anlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) - ausschließt, schränkt die Eigentumsbefugnisse sehr weitgehend ein. Diese einschneidende Folge ist nur verhältnismäßig, wenn für die Regelung gewichtige Belange sprechen. Die Tatsache, dass nach § 40 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB im Fall der Festsetzung einer frei von Bebauung zu haltenden Fläche ein Übernahmeanspruch bestehen kann, bestätigt, dass es sich um eine besonders weitgehende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums handelt (vgl. zum Ganzen: BVerwG vom 27.1.1999 NVwZ 1999, 878 = BayVBl 1999, 410, vom 17.12.1998 NVwZ 1999, 984 und vom 24.2.2003 NuR 2004, 310). Das mit der Planung verfolgte Ziel, den Blick auf das M******* Moos und die dahinter liegenden Berge frei zu halten, kann eine Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB zwar grundsätzlich rechtfertigen. Die Festsetzung frei von Bebauung zu haltender Flächen kann zu dem Zweck erfolgen, eine besondere Aussicht zu sichern (allgemeine Ansicht: vgl. beispielsweise Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2005, § 9 RdNr. 97). Die Festsetzung jeweils der gesamten Fläche des Grundstücks des Antragstellers sowie der Grundstücke Fl.Nrn. ******, **** und **** erscheint aber als unverhältnismäßige Einschränkung der betroffenen Eigentumsrechte, weil sie in räumlicher Hinsicht weiter ausgreift als dies zur Erreichung des Ziele erforderlich ist. Insoweit ist das Zurückstellen der privaten Eigentumsbelange nicht durch ausreichend gewichtige öffentliche Belange gerechtfertigt.

Der Augenschein und die vom Antragsgegner vorgelegten Fotografien haben zwar bestätigt, dass der Blick von der H******** Straße auf das M******* Moos und die dahinter liegenden Berge trotz der Beeinträchtigung durch die Bebauung südlich des K********wegs von besonderem Reiz ist. Die strittige Festsetzung beschränkt sich aber nicht darauf, den Blick von ein oder zwei besonders geeigneten Stellen auf dem parallel zur Straße verlaufenden Fußweg aus in südlicher Richtung auf diese markante Aussicht zu lenken. Vielmehr hält Bebauungsplan ohne jede Gewichtung und Differenzierung ein weites, von Südosten bis nach Südwesten reichendes Blickfeld frei, das auch weniger eindrucksvolle Perspektiven umfasst. So hat sich beim Augenschein gezeigt, dass die südöstlich gelegene Bebauung von H****** und die in weiterer Entfernung zu sehende Bebauung von O******, die aus dieser Perspektive nicht besonders reizvoll erscheinen, umso mehr in das Blickfeld geraten und den Gesamteindruck mitbestimmen, je weiter man sich auf der H******** Straße entlang der nördlichen Grenze des Plangebiets in westlicher Richtung bewegt. Hinzu kommt, dass eine Bebauung im südlichen Drittel des Grundstücks des Antragstellers den schützenswerten Blick wohl nicht stärker einschränken würde als die Gebäude auf der Südseite der Straße. Eine solche Bebauung könnte sogar dazu beitragen, das von Norden bzw. Westen aus gesehen unbefriedigende, den Vordergrund des geschützten Blickfeldes störende Bild der Bebauungszeile südlich des K********wegs bzw. der Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. **** zu verbessern.

Der Abwägungsfehler, der in der fehlerhaften Gewichtung der betroffenen Belange liegt, ist erheblich, weil er offensichtlich ist und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte (§ 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Offensichtlich ist der Fehler, weil sich die Überbetonung des öffentlichen Belangs unmittelbar aus der Begründung des Bebauungsplans ergibt. Die auf die Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 bezogene Feststellung, dass "eine Bebauung an dieser Stelle die noch intakte Landschaft erheblich beeinträchtigen, wenn nicht sogar aus ortsgestalterischer Sicht verunstalten (würde)" (Seite 1 der Begründung), wird den örtlichen Verhältnissen nicht gerecht. Von der H******** Straße aus blickt man nämlich nicht nur auf eine "intakte Landschaft", sondern auch auf die ortsplanerisch zumindest problematische, nach Norden hin nicht in die Landschaft eingebundene Bauzeile entlang des K********wegs. Auch würde das Ortsbild durch eine weitere Bebauung nicht verunstaltet, wenn diese so geplant wird, dass die Sicht nach Süden nicht zusätzlich beeinträchtigt wird. Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte der Fehler, weil anzunehmen ist, dass der Antragsgegner bei Umsetzung seines Planungsziels weniger schematisch vorgegangen wäre, wenn er die für seine Planung sprechenden öffentliche Belange richtig gewichtet hätte.

3. Zu den Teilen des Bebauungsplans, hinsichtlich deren der Antrag unzulässig ist, weist der Senat darauf hin,

- dass die Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets fraglich ist, weil die in diesem Teil des Plangebiets vorhandene und wohl auch die in absehbarer Zeit zu erwartende Nutzung der eines reinen Wohngebiets (§ 3 BauNVO) entspricht,

- dass die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung unwirksam sind, weil zwar eine Geschossflächenzahl (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 BauNVO) festgesetzt wurde, die nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BauNVO zwingend erforderliche Festsetzung der Grundflächenzahl oder der zulässigen Grundfläche jedoch fehlt, und

- dass die unter B.3. der Festsetzungen vorgesehene Begrenzung der Wohnungszahl "je Grundstück" nicht von der Ermächtigung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, die höchstzulässige Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden festzusetzen, gedeckt ist (BayVGH vom 12.9.2000 BayVBl 2001, 630 = BRS 63 Nr. 76 = DÖV 2001, 565).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 VwGO. Die Kosten sind verhältnismäßig zu teilen, weil der Antragsteller teilweise unterlegen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 4.6.1991 BVerwGE 88, 268 = NVwZ 1992, 373) obsiegt ein Antragsteller im Normenkontrollverfahren zwar auch dann in vollem Umfang, wenn sein gegen den gesamten Bebauungsplan gerichteter Antrag nur hinsichtlich der sein Grundstück betreffenden Festsetzungen Erfolg hat (a. A. wohl Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand Juli 2005, § 47 RdNr. 117). Diese Entscheidung bezieht sich aber nicht auf den hier vorliegenden Fall, dass der Normenkontrollantrag teilweise unzulässig ist, weil er sich auch gegen offensichtlich abtrennbare Teile der Norm richtet, durch die der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt sein kann. Jedenfalls in einem solchen Fall obsiegt der Antragsteller nur teilweise (vgl. auch VGH BW vom 28.6.1996 - 8 S 1431/96 - Juris). Im Hinblick darauf, dass das Unterliegen nur Festsetzungen betrifft, die den Antragsteller nicht berühren, erscheint es aber gerechtfertigt, ihm nur ein Fünftel der Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nr. I Satz 1 der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht gemäß der Übergangsvorschrift des § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F. auf § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 GKG a. F.. Ausgehend von dem im Streitwertkatalog 1996 unter Nr. II.7.6.1 für Normenkontrollanträge gegen einen Bebauungsplan empfohlenen Rahmen von 10.000 DM bis 100.000 DM, an dem sich der Senat bei Sachen, auf die das Gerichtskostengesetz a. F. anzuwenden ist, grundsätzlich orientiert, erscheint ein Betrag von 10.000 Euro (entspricht etwa 20.000 DM) angemessen. Der Anregung der Bevollmächtigten des Antragstellers, bei der Festsetzung von einem durch den Bebauungsplan verursachten Wertverlust in Höhe von 500.000 Euro auszugehen, folgt der Senat nicht. Zwar ist ein Wertverlust grundsätzlich ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Bewertung der Bedeutung der Sache im Sinn von § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. (vgl. BayVGH vom 20.2.2001 BayVBl 2002, 156 = NVwZ-RR 2001, 614 [zu dem Fall einer Wertsteigerung bei einer Bauvoranfrage]). Maßgebend ist aber eine objektivierte Beurteilung. Danach ist bei der Abschätzung des Wertverlusts hier nicht von dem Bodenwert eines Innenbereichsgrundstücks in einem Wohngebiet, sondern vom Wert eines Außenbereichsgrundstücks, von dem eine Teilfläche aufgrund ihrer Lage eine gewisse "Bauerwartung" aufwies, auszugehen. Außerdem ist der Wertverlust nicht mit dem vollen Betrag, sondern mit einem Zehntel des Wertes anzusetzen (BayVGH vom 20.2.2001 a. a. O.). Nach diesem Maßstab ist der festgesetzte Betrag auch durch die Annahme gerechtfertigt, dass infolge der Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB bei etwa einem Drittel des 3360 m² großen Grundstücks des Antragstellers ein Wertverlust von 90 Euro pro Quadratmeter eingetreten wäre.

Ende der Entscheidung

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