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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 14.07.2006
Aktenzeichen: 1 N 05.300
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, GO


Vorschriften:

VwGO § 47
VwGO § 86 Abs. 3
BauGB § 14 Abs. 1
BauGB § 14 Abs. 2
BauGB § 14 Abs. 3
BauGB § 16 Abs. 1
BauGB § 16 Abs. 2
GO Art. 30 Abs. 2
GO Art. 37 Abs. 3
1. Das Recht des ersten Bürgermeisters, dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO), erfasst auch den Erlass einer Veränderungssperre.

2. Die Dringlichkeit einer Angelegenheit in zeitlicher Hinsicht ist nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Anordnung zu beurteilen. Es ist unerheblich, ob die Sache infolge eines Versäumnisses der Gemeinde dringlich geworden ist.

3. Je gebundener und unbedeutender eine an sich in die Zuständigkeit des Gemeinderats (oder eines Ausschusses) fallende Angelegenheit ist, desto eher kann sie vom ersten Bürgermeister im Wege einer dringlichen Anordnung geregelt werden; je größer der Gestaltungsspielraum der Gemeinde und das Gewicht der Sache sind, desto weniger kommt eine solche Entscheidung in Betracht.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 05.300

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit der Veränderungssperren zur Sicherung der Änderung des Bebauungsplans Nr. 3 ("******** *** ********");

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Juli 2006

am 14. Juli 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Anträge werden abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen zwei Veränderungssperren der Antragsgegnerin.

1. Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ******* Gemarkung P*****. Das Grundstück gehört zu einer im Wesentlichen einheitlich mit Doppelhäusern bebauten Bauzeile zwischen der Straße H****** und der Bahnlinie ******* - **********. An die südwestliche Hälfte der Doppelhäuser ist jeweils eine ursprünglich für beide Haushälften bestimmte Doppelgarage angebaut. Die Bauzeile liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 3 ("H****** und F******").

Im Januar 2004 beantragten die Antragsteller die Baugenehmigung für einen (weiteren) Umbau und eine Nutzungsänderung des auf ihrem Grundstück stehenden und nur von ihnen genutzten Garagengebäudes zu Wohnräumen. Einen Teil der Garage hatten die Antragsteller schon früher mit Genehmigung des Landratsamts ****** für Wohnzwecke umgebaut. Die Antragsgegnerin verweigerte mit Beschluss des Bauausschusses vom 2. Februar 2004 das Einvernehmen. Das Vorhaben halte zwar die Festsetzungen des einfachen Bebauungsplans ein, es widerspreche aber § 34 BauGB, weil sich die nach dem Umbau "talseitig" zweigeschossig wirkende Garage nicht in das harmonische Gesamtbild der Doppelhausbebauung einfüge. Das Landratsamt hielt das Vorhaben hingegen bauplanungsrechtlich für zulässig und kündigte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 5. März 2004 die Erteilung der Baugenehmigung unter Ersetzung des Einvernehmens an. Daraufhin beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 19. April 2004 für die Bauzeile zwischen der Straße H****** und der Bahnlinie die Einleitung eines Verfahrens zur Änderung des Bebauungsplans. Als Planungsziel wurde angegeben, dass sowohl eine Nutzungsänderung der Doppelgaragen als auch eine Bebauung oder Errichtung von Stellplätzen im Vorgartenbereich unzulässig sein solle. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 19. April 2004 bekannt gemacht.

Auf Antrag der Antragsgegnerin stellte das Landratsamt mit Bescheid vom 17. Mai 2004 die Entscheidung über den Bauantrag der Antragsteller bis zum 12. Oktober 2004 zurück. Nach einer entsprechenden Empfehlung des Bauausschusses erließ der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin am 11. Oktober 2004 im Wege einer dringlichen Anordnung eine Veränderungssperre für das Plangebiet. Die Satzung wurde am selben Tag ausgefertigt und bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2004 kündigte das Landratsamt den Antragstellern die Ablehnung des Bauantrags an. In der Sitzung vom 14. Oktober 2004 beschloss der Gemeinderat, dass die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 "nachträglich genehmigt" wird. Am 15. Oktober 2004 wurde die Veränderungssperre noch einmal ausgefertigt und bekannt gemacht. Mit Bescheid vom 24. November 2004 lehnte das Landratsamt den Bauantrag im Hinblick auf die am 11. Oktober 2004 in Kraft getretene Veränderungssperre ab. Die Antragsteller erhoben Widerspruch.

2. Mit ihrem am 1. Februar 2005 eingegangenen Normenkontrollantrag wandten sich die Antragsteller zunächst nur gegen die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004. Mit Schriftsätzen vom 19. August und 21. September 2005 bezogen sie die Veränderungssperre vom 15. Oktober 2004 in ihr Begehren ein. Zur Begründung der Anträge machen sie geltend: Die zweite Veränderungssperre sei nicht von einem Beschluss des Gemeinderats gedeckt, weil dieser am 14. Oktober 2004 keinen Satzungsbeschluss gefasst, sondern lediglich die erste Veränderungssperre bestätigt habe. Die Bekanntmachung vom 15. Oktober 2004 sei unwirksam, weil der bei einer Bekanntmachung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB erforderliche Hinweis darauf, wo die Satzung eingesehen werden könne, fehle. Zudem gebe die Bekanntmachung, dass die Gemeinde eine Veränderungssperre erlassen habe, den Inhalt des Beschlusses vom 14. Oktober 2004 nicht richtig wieder. Schließlich handele es sich um eine wortgleiche Wiederholung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 2004, der nicht zu entnehmen sei, dass eine neue Satzung bekannt gemacht werden solle. Die erste Veränderungssperre sei unwirksam, weil der Satzungsbeschluss nicht vom dem hierfür zuständigen Gemeinderat gefasst worden sei. Die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO für eine dringliche Anordnung seien nicht erfüllt gewesen. Es wären keine erheblichen Nachteile entstanden, wenn der Bauantrag der Antragsteller genehmigt worden wäre. Auch die Bekanntmachung der ersten Satzung sei fehlerhaft. Beide Veränderungssperren seien zu unbestimmt, weil sie den Inhalt der Satzung nicht selbst regelten, sondern hierzu lediglich auf § 14 BauGB verwiesen.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),

in erster Linie

1. die Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 15. Oktober 2004 und

2. die Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 11. Oktober 2004 für unwirksam zu erklären;

hilfsweise (für den Fall, dass der Hauptantrag bereits auf der ersten Stufe keinen Erfolg hat)

festzustellen, dass die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 unwirksam war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Sie hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, soweit er sich gegen die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 richtet. Diese sei durch die Veränderungssperre vom 15. Oktober 2004 "überholt". Die Voraussetzungen für einen Feststellungsantrag in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO lägen nicht vor, weil die Sache bereits vor der Antragstellung erledigt gewesen sei. Der Inhalt der Veränderungssperre sei durch die Bezugnahme auf § 14 BauGB ausreichend bestimmt geregelt. Die Bekanntmachung der Satzungen sei wirksam, weil jeweils auch der Satzungstext bekannt gemacht worden sei; damit seien jedenfalls die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB erfüllt. Die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO seien erfüllt gewesen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin sowie dem Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Anträge sind zwar sachdienlich (1.). Weder der Hauptantrag (2.) noch der Hilfsantrag (3.) hat aber Erfolg.

1. Die Anträge sind in der zuletzt gestellten Form sachdienlich (§ 86 Abs. 3 VwGO).

Die Antragsteller wollen in erster Linie erreichen, dass die beiden Veränderungssperren, die in dieser Sache - am 11. und am 15. Oktober 2004 - bekannt gemacht wurden und die der Erteilung der beantragten Baugenehmigung entgegenstehen, für unwirksam erklärt werden. Im Hinblick auf dieses Ziel ist es sachgerecht, dass sich die Antragsteller mit ihren Anträgen vom 21. Januar 2005 und 19. August/21. September 2005 gegen beide Satzungen wenden und dass sie ihre Hauptanträge in ein Stufenverhältnis (vgl. § 254 ZPO) gebracht haben: Zunächst soll die Unwirksamkeit der am 15. Oktober 2004 bekannt gemachten Satzung festgestellt werden, mit deren Inkrafttreten - im Fall ihrer Wirksamkeit - die Satzung vom 11. Oktober 2004 gemäß dem Grundsatz, dass das spätere Gesetz das frühere außer Kraft treten lässt - ungültig geworden wäre. Wenn der Antrag auf dieser "ersten Stufe" Erfolg hat, soll auf der "zweiten Stufe" auch die Satzung vom 11. Oktober 2004, die im Fall der Unwirksamkeit der Satzung vom 15. Oktober 2004 Geltung beanspruchen würde, für unwirksam erklärt werden. Für den Fall, dass der Hauptantrag schon auf der "ersten Stufe" abzulehnen ist, soll hilfsweise festgestellt werden, dass die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 unwirksam war.

2. Der zulässige Hauptantrag ist in vollem Umfang abzulehnen, weil die am 15. Oktober 2004 ausgefertigte und am selben Tag bekannt gemachte Veränderungssperre wirksam ist. Der erforderliche Satzungsbeschluss lag vor (a). Die Veränderungssperre wurde ordnungsgemäß bekannt gemacht (b) und ist auch materiell wirksam (c).

a) Es liegt kein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 BauGB vor.

Nach dieser Vorschrift wird die Veränderungssperre von der Gemeinde als Satzung beschlossen. Mit dem Satzungsbeschluss wird der Inhalt der Satzung mit bindender Wirkung festgestellt. Das setzt voraus, dass der Bindungswille des gemäß Art. 29, Art. 30 Abs. 2 GO grundsätzlich zuständigen Gemeinderats (bzw. eines nach Art. 32 Abs. 2 Nr. 2 GO zuständigen beschließenden Ausschusses) in dem Beschluss eindeutig zum Ausdruck kommt. Denn die formelle Gültigkeit einer Norm darf aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zweifelhaft sein (vgl. HessVGH vom 25.2.2004 NVwZ-RR 2004, 732 = DÖV 2004, 671).

Nach diesem Maßstab kann in dem Beschluss, den der Gemeinderat am 14. Oktober 2004 gefasst hat, ein Satzungsbeschluss gesehen werden. Nach dem Wortlaut des Beschlusses hat der Gemeinderat, dem von der dringlichen Anordnung Kenntnis gegeben werden musste (Art. 37 Abs. 3 Satz 2 GO), zwar die Veränderungssperre nicht noch einmal als Satzung beschlossen, sondern die vom ersten Bürgermeister erlassene Veränderungssperre "nachträglich genehmigt". Ausschlaggebend erscheint dem Senat aber nicht der formale Gesichtspunkt der Bezeichnung der Entscheidung des Gemeinderats als (im Gesetz nicht vorgesehene) "nachträgliche Genehmigung", sondern die der Niederschrift über die Sitzung vom 14. Oktober 2004 zu entnehmende Tatsache, dass der Satzungstext den Gemeinderatsmitgliedern bei der Abstimmung in seinem vollen Wortlaut vorlag und Bestandteil des am 14. Oktober 2004 gefassten Beschlusses war. Aus diesem Grund ist in der "Genehmigung" nicht nur eine "qualifizierte", über das nach Art. 37 Abs. 3 Satz 2 GO Gebotene hinausgehende Form der Kenntnisnahme von der dringlichen Anordnung zu sehen. Vielmehr kommt durch diese Verfahrensweise auch hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sich der Gemeinderat die Satzung uneingeschränkt zueigen gemacht hat. Dies lässt den Schluss zu, dass die erneute Bekanntmachung der Veränderungssperre am 15. Oktober 2004 von einem "Bindungswillen" des Gemeinderats getragen war. Der Gemeinderat hat das Vorgehen des ersten Bürgermeisters nicht nur gebilligt, sondern zum Ausdruck gebracht, dass die Veränderungssperre auch als seine Entscheidung gelten soll. Dass der in der Niederschrift vom 14. Oktober 2004 wiedergegebene Satzungstext auch den Ausfertigungsvermerk mit der Angabe "P*****, den 11. Oktober 2004" umfasst, zwingt nicht zu dem gegenteiligen Schluss, weil dieser Vermerk keine Regelung enthält. Ausschlaggebend ist, dass die Regelungen der am 15. Oktober 2004 ausgefertigten und am selben Tag bekannt gemachten Satzung dem Text entsprechen, der dem Gemeinderat bei dem Beschluss vom 14. Oktober 2004 vorlag und mit dem sich das Gremium durch die "nachträgliche Genehmigung" identifiziert hat. b) Die Veränderungssperre wurde durch Veröffentlichung des vollständigen Satzungstextes (§ 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB) ordnungsgemäß bekannt gemacht.

§ 16 Abs. 2 BauGB gibt der Gemeinde für die Bekanntmachung einer Veränderungssperre zwei Möglichkeiten: Sie kann entweder gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB den vollen Satzungstext ortsüblich bekannt machen oder gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB die Tatsache, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden ist. Im letzteren Fall ist nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB die Vorschrift des § 10 Abs. 3 BauGB entsprechend anzuwenden. Somit muss in der Bekanntmachung auch darauf hingewiesen werden, wo die Satzung über die Veränderungssperre eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB).

Die Antragsgegnerin hat glaubhaft versichert, dass sie von beiden Möglichkeiten kumulativ Gebrauch gemacht und auch den vollen Satzungstext einschließlich des in § 1 Abs. 1 der Satzung in Bezug genommenen Lageplans bekannt gemacht hat. Mit diesem Teil der "Doppelbekanntmachung" wurde den Anforderungen des § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsprochen. Damit bleibt es ohne Folgen, dass der Antragsgegnerin bei dem anderem Teil ein Fehler unterlaufen ist, weil der § 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB geforderte Hinweis unterblieben war (vgl. Krautzberger/Schliepkorte in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand September 2005, § 10 RdNr. 125).

c) Die Veränderungssperre verstößt auch nicht gegen materielles Recht.

aa) Der nach § 14 Abs. 1 BauGB erforderliche Aufstellungsbeschluss (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB) war bereits am 19. April 2004 gefasst und noch am selben Tag öffentlich bekannt gemacht worden (zur Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses als materiell-rechtlicher Wirksamkeitsvoraussetzung einer Veränderungssperre vgl. BVerwG vom 9.2.1989 NVwZ 1989, 661/662).

bb) Mit den Zielen, eine Nutzungsänderung der Doppelgaragen und die Errichtung von Stellplätzen in den "Vorgärten" zu unterbinden, ist die Planungsabsicht der Antragsgegnerin ausreichend konkretisiert (vgl. BVerwG vom 19.2.2004 NVwZ 2004, 984 mit weiteren Nachweisen). Diese Planungsziele lassen sich mit dem städtebaulichen Instrumentarium des § 9 Abs. 1 BauGB grundsätzlich verwirklichen. Es erscheint auch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass entsprechende Festsetzungen das Ergebnis einer gerechten Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) sein können. Ob die für die Planungsziele sprechenden Gründe in Abwägung mit den privaten Belangen der Grundstückseigentümer und den Belangen bzw. Geboten des § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB (Berücksichtigung der Fortentwicklung, der Anpassung und des Umbaus vorhandener Ortsteile) sowie des § 1 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB (Nutzung der Möglichkeiten der Nachverdichtung und anderer Maßnahmen im Rahmen eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden) ausreichend Gewicht haben, um die Planung zu tragen, ist im Bebauungsplanverfahren zu entscheiden.

cc) Die Satzung verstößt nicht deswegen gegen das Bestimmtheitsgebot, weil sie die Rechtswirkungen der Veränderungssperre nur durch eine Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 bis 3 BauGB regelt. Im Interesse der Betroffenen ist es sicher wünschenswert, wenn auch eine Veränderungssperre, die - wie die Satzung der Antragsgegnerin - die gesetzlichen Vorschriften uneingeschränkt übernimmt, die maßgebenden Regelungen mit ihrem vollen Wortlaut wiedergibt. Aus rechtsstaatlichen Gründen geboten ist dies aber nicht, weil auch die in Bezug genommenen Vorschriften veröffentlicht und damit zugänglich sind (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2005, § 16 RdNr. 13 unter Hinweis auf das zu einer vergleichbaren Frage bei § 39 h BBauG [entspricht im Wesentlichen § 172 BauGB] ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.7.1987 BVerwGE 78, 23 = NVwZ 1988, 357). Darin, dass § 2 der Satzung hinsichtlich der nicht von der Veränderungssperre erfassten "Änderungen" nicht auf § 14 Abs. 3 BauGB verweist, sondern auf "§ 14 Abs. 1 BauGB" sieht der Senat ein für die Gültigkeit der Satzung unerhebliches Redaktionsversehen.

3. Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet, weil die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 wirksam war. Die Satzung durfte als dringliche Anordnung vom ersten Bürgermeister erlassen werden (a). Die übrigen Fragen der Wirksamkeit sind nicht anders zu beurteilen als bei der Veränderungssperre vom 15. Oktober 2004 (b).

a) Die Veränderungssperre vom 11. Oktober 2004 ist nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht von dem hierfür an sich zuständigen Gemeinderat, sondern vom ersten Bürgermeister erlassen wurde. Dessen Befugnis ergab sich aus Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO. Nach dieser Vorschrift kann der erste Bürgermeister an Stelle des Gemeinderats oder eines Ausschusses dringliche Anordnungen treffen und unaufschiebbare Geschäfte erledigen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO ermächtigt auch zum Erlass von Satzungen (aa). Die Angelegenheit war in zeitlicher (bb) und in sachlicher Hinsicht (cc) dringlich.

aa) Ein Rechtsverstoß liegt nicht schon deswegen vor, weil Gegenstand der Anordnung der Erlass einer Satzung war. Die Befugnis des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO erstreckt sich auf sämtliche Angelegenheiten, für die sonst der Gemeinderat oder ein Ausschuss zuständig ist. Die Befugnis erfasst somit auch den Erlass von Satzungen (allgemeine Ansicht; vgl. beispielsweise Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand Januar 1983, Anm. IV zu Art. 37 GO).

bb) Die Angelegenheit war eilbedürftig.

Die Dringlichkeit einer Anordnung in zeitlicher Hinsicht ist nur nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Anordnung zu beurteilen. Es ist unerheblich, ob die Sache infolge eines Versäumnisses der Gemeinde eilbedürftig geworden ist (allgemeine Ansicht; vgl. beispielsweise Glaser, Bayerische Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung und Landkreisordnung, Stand März 2006, Art. 37, RdNr. 14). Somit war der Erlass einer Veränderungssperre - als weiteres Mittel zur Sicherung des eingeleiteten Bebauungsplanverfahrens - am 11. Oktober 2004 dringlich (bzw. unaufschiebbar), weil die Zurückstellung am 12. Oktober 2004 ablief. Dem steht nicht entgegen, dass die Dringlichkeit auf einem Versehen der Antragsgegnerin beruhte. Wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, hatte die Gemeindeverwaltung übersehen, dass das Landratsamt den Bauantrag nicht für ein Jahr, sondern nur für zehn Monate, gerechnet ab Eingang des Antrags bei der Antragsgegnerin am 12. Januar 2004, zurückgestellt hatte.

cc) Die Angelegenheit war auch von der Sache her dringlich.

Alle Angelegenheiten, für die an sich der Gemeinderat oder ein Ausschuss zuständig sind, können in sachlicher Hinsicht dringlich bzw unaufschiebbar im Sinn von Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO sein. Eine Eilanordnung kommt zwar schon deswegen von vorneherein nur bei bedeutsameren Angelegenheiten in Betracht, weil die laufenden Angelegenheiten vom ersten Bürgermeister ohnehin in eigener Zuständigkeit erledigt werden (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO). Innerhalb des Spektrums der bedeutsameren Angelegenheiten beschränkt sich die Eilzuständigkeit des ersten Bürgermeisters aber nicht auf die besonders gewichtigen Sachen. Allerdings hängen die Anforderungen an die Dringlichkeit bzw. Unaufschiebbarkeit von der Bedeutung der Sache ab. Je gebundener und unbedeutender die Angelegenheit ist, desto eher kann sie im Wege einer dringlichen Anordnung geregelt werden; je größer der Gestaltungsspielraum der Gemeinde und das Gewicht der Sache sind, desto weniger kommt eine Entscheidung durch den ersten Bürgermeister in Betracht (Hölzl/Hien/Huber, a. a. O., Anm. IV zu Art. 37 GO; Glaser, a. a. O., Art. 37, RdNr. 15; Bauer/Böhle, Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand Mai 1998, Art. 37 GO, RdNr. 12).

Nach diesem Maßstab war der Erlass der Veränderungssperre dringlich. Zwar sind beim Erlass einer Satzung im Wege einer Anordnung nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO grundsätzlich strenge Anforderungen an die Dringlichkeit in sachlicher Hinsicht zu stellen. Denn der Erlass von Rechtsvorschriften ist schon als solcher in der Regel eine Angelegenheit von besonderem Gewicht. Aber auch im Hinblick auf den Entscheidungsspielraum, der bei der Rechtssetzung im Allgemeinen besteht, darf der erste Bürgermeister dem Gemeinderat (bzw. dem Ausschuss) nur beim Vorliegen besonders gewichtiger Gründe vorgreifen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, a. a. O., Anm. IV zu Art. 37 GO). Beim Erlass einer ersten Veränderungssperre liegen jedoch Besonderheiten vor, die es rechtfertigen, einen weniger strengen Maßstab anzulegen. Zum einen handelt es sich bei einer Veränderungssperre um eine Sicherungsmaßnahme mit einer kraft Gesetzes zeitlich begrenzten Geltungsdauer (§ 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB). Außerdem ist der mögliche Inhalt der Satzung durch § 14 Abs. 1 und 2 BauGB weitgehend festgelegt. Schließlich hat der Gemeinderat (oder ein Ausschuss) in der Angelegenheit, zu der die Veränderungssperre beschlossen wird, in aller Regel insofern die Weichen selbst gestellt hat, als er den das Bebauungsplanverfahren einleitenden Aufstellungsbeschluss gefasst hat.

Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten durfte der erste Bürgermeister die Veränderungssperre am 11. Oktober 2004 erlassen, weil ein erheblicher Nachteil für die Planungshoheit der Gemeinde, nämlich eine Beeinträchtigung des am 19. April 2004 eingeleiteten Bebauungsplanverfahrens drohte, wenn sich an die Zurückstellung des Bauantrags nicht "nahtlos" eine Veränderungssperre als weitere Sicherungsmaßnahme angeschlossen hätte. Nach der Ankündigung des Landratsamts vom 5. März 2004 musste die Antragsgegnerin nach Ablauf der Zurückstellungszeit mit der Erteilung der Baugenehmigung für das ihren Planungsvorstellungen zuwiderlaufende Vorhaben der Antragsteller rechnen. Der von den Antragstellern herausgestellte Umstand, dass ihr Vorhaben "nur" eines von insgesamt 17 Grundstücken im geplanten Geltungsbereich betrifft, steht dem nicht entgegen. Das Vorhaben war Anlass für die Einleitung des Bebauungsplanänderungsverfahrens und hat somit eine herausgehobene Bedeutung für den Planungsvorgang. Im Hinblick hierauf hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zu Recht sinngemäß geltend gemacht, dass ihr Spielraum bei der Abwägung der Planungsziele mit ähnlichen Bauwünschen anderer Grundeigentümer von vorneherein jedenfalls "faktisch" erheblich eingeschränkt worden wäre, wenn gerade auf dem Grundstück der Antragsteller vor Abschluss des Planungsprozesses "vollendete Tatsachen" geschaffen worden wären. Die Bewertung, dass diese Erschwernisse ausreichend Gewicht haben, um den Erlass der Veränderungssperre im Wege einer "Eilanordnung" zu rechtfertigen, wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Antragsteller einen Teil der Doppelgarage auf ihrem Grundstück bereits mit Genehmigung des Landratsamts für Wohnzwecke umgebaut haben. Vielmehr hätte sich die Wahrscheinlichkeit, dass im Aufstellungsverfahren der Einwand einer Ungleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte erhoben und die Planung dadurch erschwert wird, vergrößert, wenn die Antragsgegnerin den Umbau des bisher noch nicht zu Wohnzwecken genutzten Teil der ehemaligen Doppelgarage nicht vorläufig unterbunden hätte.

b) Hinsichtlich der Bekanntmachung und der materiell-rechtlichen Anforderungen an die Satzung kann auf das oben zur Veränderungssperre vom 15. Oktober 2004 Ausgeführte verwiesen werden.

4. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens - gemäß § 159 Satz 2 VwGO als Gesamtschuldner - zu tragen, weil sie unterlegen sind (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht erfüllt.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 7 sowie § 45 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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