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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 1 ZB 05.1014
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 05.1014

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung für eine Einfriedung auf Fl.Nr. ** Gemarkung **************;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne mündliche Verhandlung am 25. April 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Baugenehmigung für die Errichtung einer Einfriedung.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. **, des im Norden auf einer Länge von insgesamt circa 12 m angrenzenden Grundstücks Fl.Nrn. ** und des im Südosten an dieses Grundstück grenzenden Grundstücks Fl.Nr. ** Gemarkung G*******. Das Grundstück Fl.Nr. ** ist von dem Grundstück Fl.Nr. ** durch das 4,8 m breite Grundstück Fl.Nr. ** getrennt. Das Grundstück Fl.Nr. ** ist unbebaut; das Grundstück Fl.Nr. ** ist mit einem 1,45 m hohen Holzlattenzaun mit Betonsäulen eingefriedet, für dessen Errichtung der Kläger im Jahr 1985 nachträglich eine Baugenehmigung erhalten hat. Es wird als Garten zu dem Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ** genutzt. Die Grundstücke liegen nordöstlich der B******* Straße im Ortsteil G******* des Marktes W***** im Außenbereich. Die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** grenzen mit ihrer Nordostseite unmittelbar an das Ufer der W*****.

Im Juni 2000 beantragte der Kläger die Baugenehmigung für die Erweiterung der auf dem Grundstück Fl.Nr. ** bestehenden Einfriedung auf das Grundstück Fl.Nr. **. Nach den Antragsunterlagen soll der Holzlattenzaun zwischen den beiden Grundstücken entfernt und an der Südwestgrenze des Grundstücks Fl.Nr. ** neu errichtet werden. An der Nordwestgrenze des Grundstücks Fl.Nr. ** war zunächst ein grobmaschiger Wildgeflechtzaun vorgesehen; aufgrund einer Anregung des Wasserwirtschaftsamts I******* änderte der Kläger den Bauantrag dahingehend ab, dass an dessen Stelle ein dreireihiger Stacheldrahtzaun errichtet werden soll. Mit Bescheid vom 19. Februar 2003 lehnte das Landratsamt Pfaffenhofen a. d. Ilm den Antrag ab.

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat als maßgebliche Begründung für seine Entscheidung angeführt, dass ein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung nicht bestehe, weil das genehmigungspflichtige Bauvorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche. Der geplante Zaun beeinträchtige als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Bereits die Einfriedung auf dem Grundstück Fl.Nr. ** hätte nicht genehmigt werden dürfen. Aus dem Bestandsschutz für diesen Zaun könne der Kläger keinen Anspruch auf Genehmigung einer weiteren Einzäunung auf dem Grundstück Fl.Nr. ** herleiten.

Der Kläger beantragt, die Berufung zuzulassen. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.

Der Beklagte wendet sich gegen den Zulassungsantrag.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Es ist nicht fraglich, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung für die Grundstückseinfriedung zu Recht verneint hat, weil das Vorhaben den im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften widerspricht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBO). Das genehmigungspflichtige Bauvorhaben (a) ist bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es als sonstiges Vorhaben im Sinn von Art. 35 Abs. 2 BauGB (b) die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alternative 4 BauGB) als öffentlichen Belang beeinträchtigt (c).

a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass das Vorhaben gemäß Art. 62 Satz 1 BayBO einer Baugenehmigung bedarf. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach Art. 63 BayBO ist nicht gegeben. Die geplante Einfriedung auf dem Grundstück Fl.Nr. ** gehört weder zu den genehmigungsfreien Vorhaben nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a BayBO, weil sie im Außenbereich errichtet werden soll, noch stellt sie eine nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 b BayBO im Außenbereich zulässige Einfriedung dar, da sie keinem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinn dieser Bestimmung dient. Dies wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt.

b) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass es sich bei dem Bauvorhaben um ein nichtprivilegiertes "sonstiges Vorhaben" handelt, dessen Zulässigkeit nach 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, weil die Einfriedung weder einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient noch unter die übrigen Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB fällt. Auch insoweit sind im Zulassungsantrag Einwände nicht vorgebracht.

c) Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch die Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Einfriedung die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alternative 4 BauGB). Das Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der öffentliche Belang der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes dient dem Schutz der naturgegebenen Bodennutzung und der Erholungsfunktion des Außenbereichs vor dem Eindringen einer der freien Landschaft "wesensfremden" Bebauung. Der öffentliche Belang wird beeinträchtigt, wenn das Vorhaben der naturgegebenen (land- und forstwirtschaftlichen) Bodennutzung des Außenbereichs oder seiner Funktion als Erholungsraum für die Allgemeinheit widerspricht und deshalb einen Fremdkörper in der Landschaft bildet. Eine Beeinträchtigung durch ein nichtprivilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich scheidet nur dann aus, wenn das Baugrundstück sich wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung eignet noch einen Erholungswert hat oder wenn es seine Schutzwürdigkeit bereits durch andere Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG vom 11.4.2002 NVwZ 2002, 1250; vom 16.6.1994 NVwZ 1995, 64; vom 8.7.1996 Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 323 [jeweils zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Spiegelstrich 7 BauGB 1986/1996]; vom 3.5.1974 DÖV 1974, 566 [zu § 35 Abs. 3 BBauG]).

Nach diesen Maßstäben ist es nicht ernstlich fraglich, dass die geplante Einfriedung die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt.

Das Grundstück Fl.Nr. ** wird nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts beim Augenschein als Wiesenfläche genutzt, die nach dem Vortrag im Zulassungsantrag mit zahlreichen Sträuchern und Bäumen bewachsen ist. Das Grundstück liegt am Ufer der W***** in einer überwiegend von landwirtschaftlicher Nutzung geprägten Umgebung. Der 1,45 m hohe Holzlattenzaun, der auf der Südwestseite des Grundstücks errichtet werden soll, stellt ebenso wie der an der Nordwestseite vorgesehene (Stacheldraht-)Zaun ein dieser Umgebung "wesensfremdes" Vorhaben dar, weil die Zäune das Grundstück aus der freien Landschaft "ausgrenzen", ohne selbst einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zu dienen. Die Zäune erscheinen als Fremdkörper in der Landschaft und beeinträchtigen ihre Erholungsfunktion (BayVGH vom 14.4.1981 BayVBl 1981, 433). Dabei ist unerheblich, ob die Einfriedung als Stacheldrahtzaun oder, wie im Zulassungsantrag geltend gemacht wird, als einfacher Drahtzaun an dünnen Holzpfosten ausgeführt wird. Auch mit einer solchen Umzäunung würde das Grundstück aus der freien Landschaft "herausgenommen". Die konkrete Ausgestaltung des Zauns und das Maß seiner Auffälligkeit sind insoweit nicht ausschlaggebend (vgl. BVerwG vom 30.7.1971 RdL 1972, 65 und BayVGH vom 24.11.1976 BayVBl 1977, 180 [Maschendrahtzaun]; HessVGH vom 26.9.1990 RdL 1991, 230 [Maschendrahtzaun/Stacheldrahtzaun]; VGH BW vom 10.6.1977 BRS 32 Nr. 72 [Holzlattenzaun]).

Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch, dass in der Umgebung des Baugrundstücks bereits bauliche Anlagen vorhanden sind, die nicht der landwirtschaftlichen Nutzung dienen, nämlich der auf dem Grundstück Fl.Nr. ** errichtete Holzlattenzaun sowie das Wohngebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ** (die Gebäude auf den Grundstücken Fl.Nrn. **** und **** dienen nach den Angaben in den Bauakten ebenso wie die Lagerfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. **** einer im Außenbereich privilegierten Baumschule). Durch diese baulichen Anlagen wird das Grundstück nicht so stark geprägt, dass es seine natürliche Eigenart verloren hätte. Wie sich den Fotografien und Luftbildern in den Bauakten entnehmen lässt, wird die Eigenart des Grundstücks vielmehr noch von der landwirtschaftlichen Nutzung der nordwestlich anschließenden Flächen und dem Baum- und Strauchbestand entlang der W***** und auf dem südöstlich anschließenden Grundstück des Klägers bestimmt. Eine Beeinträchtigung speziell des Erholungswerts der Landschaft wäre auch dann nicht zu verneinen, wenn das Grundstück Fl.Nr. ** tatsächlich nicht ohne weiteres für die Allgemeinheit zugänglich sein sollte. Der Erholungswert einer von baulichen Anlagen freien Landschaft hängt nicht davon ab, dass jedes einzelne Grundstück betreten werden kann. Schließlich lässt sich die Beeinträchtigung des Belangs entgegen der Auffassung des Klägers nicht dadurch kompensieren, dass auf dem Grundstück eine "Bachaue" angelegt und damit möglicherweise andere öffentliche Interessen gefördert werden sollen (BVerwG vom 8.11.1999 BRS 62 Nr. 100).

2. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen können ohne besondere Schwierigkeiten im Zulassungsverfahren geklärt werden. Die für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens notwendigen Erkenntnisse über die örtlichen Verhältnisse lassen sich aus den in den Bau- und Gerichtsakten vorhandenen Fotografien und Luftbildern gewinnen, ohne dass es einer weiteren Aufklärung durch einen Augenschein bedarf. Die Streitigkeit wirft auch keine überdurchschnittlich schwierigen Rechtsfragen auf, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.

3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

Die Frage, ob "eine geplante Neueinfriedung, selbst wenn sie möglicherweise einen Belang nach § 35 Abs. 3 BauGB minimal beeinträchtigen sollte, nach § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall trotzdem zulässig ist, wenn sie zugleich einen anderen öffentlichen Belang, insbesondere den Belang der massiv im öffentlichen Interesse stehenden Renaturierung einer bisher brach liegenden, schwer belasteten Grundstücksfläche hin zu einer Bachaue einschließlich des Schutzes der insoweit neu geschaffenen Landschaft (Landschaftsschutz), als sog. positive Kehrseite der Medaille fördert", hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ohne weiteres anhand des Gesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung entschieden werden kann und daher nicht klärungsbedürftig ist (vgl. BVerwG vom 24.8.1999 BVerwGE 109, 268). Die Frage ist - wie ausgeführt (vgl. Nr. 1 c) - zu verneinen. Wird durch ein sonstiges Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB ein öffentlicher Belang beeinträchtigt, ist das Vorhaben unzulässig (BVerwG vom 8.11.1999 BRS 62 Nr. 100).

4. Schließlich ist die Berufung auch nicht aufgrund eines Verfahrensmangels wegen eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen.

Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe die speziellen örtlichen Verhältnisse (faktische Parzellierung des Grundstücks Fl.Nr. **, mangelnde Begehbarkeit durch Allgemeinheit) und die konkreten Umstände des Falles (Beschaffenheit des geplanten Zauns, Ausmaß und Umfang der Neueinfriedung, Zweck der Neueinfriedung) nicht hinreichend berücksichtigt, macht der Kläger keinen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht, sondern gegen die richterliche Tatsachen- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und damit gegen materielles Recht geltend. Damit kann ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden (BVerwG vom 12.1.1995 BauR 1995, 365).

5. Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 9.1.9. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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