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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: 1 ZB 05.42
Rechtsgebiete: VwGO, WEG, BauGB, BauNVO, BayBO


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 65 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 3
VwGO § 144 Abs. 4 (analog)
WEG § 1 Abs. 2
WEG § 1 Abs. 5
WEG § 20 Abs. 1
WEG § 21 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2
BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 2 Satz 1
BayBO Art. 71 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 71 Abs. 3 Satz 2
BayBO Art. 73 Abs. 1
1. Zu den baurechtlichen Nachbarrechten aus Wohnungseigentum.

2. Ein einzelner Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) ist aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) nicht berechtigt, wegen Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums eigenen Namens Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (vgl. BGH vom 11.12.1992 NJW 1993, 727). Er kann solche Abwehrrechte nur in den engen Grenzen der Notgeschäftsführung (§ 21 Abs. 2 WEG) und nur Namens der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. BGH vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061/2062) geltend machen (teilweise Änderung der Rechtsprechung des Senats; vgl. BayVGH vom 2.10.2003 BayVBl 2004, 664; vom 11.11.2004 - 1 N 03.983).

3. Ob sich baurechtliche Nachbarrechte gegen eine Baugenehmigung aus dem Sondereigentum ergeben können, bleibt offen (teilweise Änderung der Rechtsprechung des Senats; vgl. BayVGH vom 2.10.2003 BayVBl 2004, 66).


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 05.42

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung (Fl.Nr. **** Gemarkung *********);

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller

ohne mündliche Verhandlung

am 12. September 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die durch die Beiladung der Gemeinde Sauerlach (Beigeladene zu 2) im Klageverfahren und im Zulassungsverfahren entstandenen Auslagen werden nicht erhoben.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. **** Gemarkung S******** und Sondereigentümer einer auf der Westseite im ersten und zweiten Obergeschoss gelegenen Eigentumswohnung in diesem Gebäude. Er wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1 vom Landratsamt ******* mit Bescheid vom 9. Oktober 2003, berichtigt am 20. Februar 2004, erteilte Baugenehmigung für den Umbau des Gebäudes auf dem angrenzenden Grundstück Fl.Nr. ****. Das Vorhaben umfasst die Umwandlung von früher gewerblich genutzten, zuletzt zum größten Teil leer stehenden Räumen im Erdgeschoss und in den beiden Obergeschossen in 18 Appartements. Beide Gebäude sind als Teile eines größeren Gebäudekomplexes an einer gemeinsamen Grundstücksgrenze zusammengebaut. Die westliche Außenwand des im Miteigentum des Klägers stehenden Gebäudes, in der sich die Fenster der Wohnung des Klägers befinden, und die südliche Außenwand des Gebäudes der Beigeladenen zu 1 mit dem Hauseingang und den Fenstern von sieben Appartements stoßen im rechten Winkel aufeinander.

Widerspruch und Klage gegen die Baugenehmigung hatten keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung seines Urteils vom 27. Oktober 2004 im Wesentlichen aus: Das Baugrundstück liege in einem faktischen Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 6 BauNVO). In diesem sei das Vorhaben zulässig. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 BauNVO, den der Kläger - gestützt auf sein Sondereigentum - abwehren könnte, liege nicht vor. Entgegen den Befürchtungen des Klägers seien unzumutbare Lärm- und Geruchsbelästigungen nicht zu erwarten. Von der behaupteten Verletzung der Abstandsflächenvorschriften und der Befürchtung, dass ein Notwegerecht entstehe, sei nur das Gemeinschaftseigentum betroffen. Insoweit könne die Klage schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die engen Voraussetzungen, unter denen ein Miteigentümer eine Rechtsverletzung für die Eigentümergemeinschaft abwehren könne, nicht erfüllt seien.

Der Kläger beantragt, die Berufung zuzulassen. Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist schon deswegen nicht zuzulassen, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis richtig ist (1.). Im Übrigen sind die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ausreichend dargelegt oder sie liegen nicht vor (2.).

1. Der Zulassungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 144 Abs. 4 VwGO ohne Prüfung der geltend gemachten Zulassungsgründe als unbegründet abzulehnen, weil sich bereits im Zulassungsverfahren ohne weiteres feststellen lässt, dass die Klage unzulässig und das angefochtene Urteil somit jedenfalls im Ergebnis richtig ist (Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Stand 2004, RdNr. 125 mit weiteren Nachweisen). In dem angestrebten Berufungsverfahren käme es damit auf die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht an. Da diese Gründe zudem nicht ausreichend dargelegt sind oder nicht vorliegen, darf die Entscheidung auf die Unzulässigkeit der Klage gestützt werden, ohne dass der Kläger hierzu vorher gehört worden ist.

Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger nicht klagebefugt ist. Der Kläger kann nicht hinreichend substantiiert geltend machen, durch die Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Das gilt nicht nur für das Gemeinschaftseigentum (1.1.), sondern auch für sein Sondereigentum (1.2.).

1.1. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Baugenehmigung gegen Vorschriften des Genehmigungsmaßstabs (Art. 73 Abs. 1 BayBO) verstoße, die nicht nur öffentlichen Interessen, sondern auch dem Schutz des Gemeinschaftseigentums dienen. Der Kläger ist nicht befugt, Rechte aus seinem ideellen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum, das gemäß § 1 Abs. 5 WEG das Grundstück Fl.Nr. 1/51 sowie die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehenden Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes umfasst, geltend zu machen (1.1.1.). Er ist auch nicht befugt, eigenen Namens Rechte der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft im Hinblick auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend zu machen (1.1.2.).

1.1.1. Für das Geltendmachen von Rechten aus seinem ideellen Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum fehlt dem Kläger die Befugnis. Er ist insoweit kein Nachbar im Sinn des Art. 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BayBO. Bei der Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Anders als bei einer Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG, § 744 Abs. 2, § 1011 BGB) ist der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 21 Abs. 1 WEG nicht berechtigt, aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentums wegen Beeinträchtigungen dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (vgl. BGH vom 11.12.1992 NJW 1993, 727/728 ff.). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschließt Verwaltungsmaßnahmen, wenn nichts anderes vereinbart ist, gemäß § 21 Abs. 3 WEG durch Stimmenmehrheit. Soweit (und nur soweit) die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und dabei am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie rechtsfähig (BGH vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061/2062). Als teilrechtsfähige Vereinigung ist sie im Verwaltungsverfahren (Art. 11 Nr. 2 BayVwVfG) und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 61 Nr. 2 VwGO) beteiligtenfähig.

1.1.2. Der Kläger ist auch nicht berechtigt, eigenen Namens Nachbarrechte der Eigentümergemeinschaft als Notgeschäftsführer (§ 21 Abs. 2 WEG) geltend zu machen. Der Senat hält die Auffassung, dass ein Notgeschäftsführer in Prozessstandschaft - und damit eigenen Namens - für die Eigentümergemeinschaft tätig werde (BayVGH vom 2.10.2003 - 1 CS 03.1785, BayVBl 2004, 664; vom 11.11.2004 - 1 N 03.983), nicht aufrecht, weil sie die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (BGH vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061/2062) nicht ausreichend berücksichtigt. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Notgeschäftsführer - wie der Verwalter, wenn er als Organ der Gemeinschaft handelt (BGH vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061/2063) - Namens der Gemeinschaft tätig wird.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Notgeschäftsführung nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Gemeinschaftseigentum durch das Vorhaben der Beigeladenen unmittelbar ein Schaden droht (§ 21 Abs. 2 WEG). Die Tatsache, dass mit Ausnahme des Klägers alle anderen Wohnungseigentümer die Bauvorlagen unterschrieben haben (Blatt 4 der Bauakten des Landratsamts) und somit die Mehrheit der Wohnungseigentümer (§ 21 Abs. 3 WEG) der Auffassung ist, dass die Baugenehmigung nicht angefochten werden soll, bestätigt dies.

1.2. Der Kläger kann auch nicht unter Berufung auf sein Sondereigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) geltend machen, durch die Baugenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Es kann offen bleiben, ob an der im Beschluss des Senats vom 2. Oktober 2003 (1 CS 03.1785 - BayVBl 2004, 665) vertretenen, die Entscheidung nicht tragenden Auffassung, dass ein Wohnungseigentümer baurechtliche Nachbarrechte wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums in vollem Umfang und aus eigenem Recht geltend machen könne, festzuhalten ist. Auch wenn sich aus dem Sondereigentum Abwehransprüche gegen eine Baugenehmigung ergeben können, kommt nämlich eine rechtserhebliche Beeinträchtigung des Sondereigentums des Klägers nicht in Betracht.

1.2.1. Es ist auszuschließen, dass das Sondereigentum des Klägers durch einen Verstoß gegen nachbarschützendes Bauplanungsrecht verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.2.1.1. Die Verletzung eines auf das Sondereigentum des Klägers gestützten Anspruchs auf Bewahrung des Gebietscharakters kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die der Beigeladenen zu 1 genehmigte Wohnnutzung in einem faktischen Mischgebiet allgemein zulässig ist (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO).

1.2.1.2. Auch ein auf das Sondereigentum gestützter Abwehranspruch wegen eines Verstoßes gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) besteht offensichtlich nicht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BauNVO ist ein in einem Baugebiet an sich zulässiges Vorhaben im Einzelfall unzulässig, wenn von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Welches Maß an Belästigungen oder Störungen noch zumutbar ist, ergibt sich aus dem Verhältnis der geplanten Nutzung zu der von ihr betroffenen Umgebung (Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 15 RdNr. 30). Trifft - wie hier - eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Solche liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die vom Kläger befürchteten Beeinträchtigungen bereits die Schwelle der bauplanungsrechtlichen Erheblichkeit nicht überschreiten (vgl. Roeser a. a. O., RdNr. 24).

Vor unerwünschten Blicken aus den nächstgelegenen Fenstern kann sich der Kläger durch Vorhänge oder Jalousien schützen. Küchen- und Toilettengerüche muss der Kläger hinnehmen, soweit sie sich im üblichen Rahmen halten. Dass dieser überschritten werden könnte, ist in Anbetracht der Grundrisse der Appartements auf der Südseite auszuschließen. Bei dem von der Wohnung des Klägers aus gesehen nächstgelegenen Appartement im ersten Obergeschoss (Appartement Nr. 3) befindet sich die Kochnische in dem fensterlosen Flur, der von dem im Gebäudeinnern liegenden Treppenhaus erreicht wird. Die gleichfalls fensterlose Toilette liegt nördlich des Flurs. Bei diesem Grundriss erscheint es ausgeschlossen, dass störende Küchen- und Toilettengerüche über das Doppelfenster des Wohnraums oder eine Lüftungsanlage bis zu den Fenstern der Wohnung des Klägers gelangen könnten. Entsprechendes gilt für das in den Bauvorlagen gleichfalls mit Nr. 3 bezeichnete, nächstgelegene Appartement in zweitem Obergeschoss, das einen ähnlichen Grundriss hat. Bei dem im zweiten Obergeschoss östlich anschließenden Appartement (Nr. 2) hat das Bad, in dem sich auch die Toilette befindet, zwar ein Fenster in der südlichen Außenwand. Dieses Fenster ist von den Fenstern der Wohnung des Klägers aber mindestens rund 11 m entfernt. Jedenfalls aus diesem Grund ist auch hier eine Belästigung durch Gerüche nicht zu erwarten. Bei dem entsprechenden Appartement im ersten Obergeschoss (Nr. 2) hat das Bad nach dem "Berichtigungsplan" keine Fenster. Eine durch die Außenwand geführte Lüftungsanlage wäre gleichfalls rund 11 m von den Fenstern des Klägers entfernt. Die Kochnischen befinden sich auch bei diesen Appartements im Flur. Bei den drei weiteren, jeweils mit Nr. 1 bezeichneten Appartements auf der Südseite des Gebäudes sind die Bäder mit den Toiletten und die Kochnischen so angeordnet, dass eine Beeinträchtigung der Wohnung des Klägers ausgeschlossen ist.

1.2.2. Die Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus einem möglichen Verstoß gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO.

Eine Verletzung von Rechten des Klägers kommt insoweit schon deswegen nicht in Betracht, weil der genehmigte "Innenausbau" ohne Änderung der für die Lage und die Bemessung der Abstandsflächen relevanten Gebäudeteile entgegen der vom Verwaltungsgericht bestätigten Annahme des Landratsamts wohl keine Veranlassung gab, die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des Gebäudes neu zu prüfen. Es spricht viel dafür, dass die mit dem Umbau verbundene Nutzungsänderung von einer gewerblichen Nutzung zu einer Wohnnutzung nur bauplanungsrechtlich, nicht auch abstandsflächenrechtlich von Bedeutung ist (vgl. ThürOVG vom 25.6.1999 ZfBR 1999, 359; OVG MV vom 27.08.1998 BauR 1999, 624; VGH BW vom 10.9.1998 BauR 1999, 1282; Jeromin, BauR 2000, 510; Hauth, BayVBl 2000, 545/548). Die mit der Baugenehmigung zugelassene Abweichung (Art. 70 Abs. 1 BayBO), durch die die Abstandsfläche vor der südlichen Außenwand auf das Maß des auf dem Baugrundstück vorhandenen Grenzabstands verkürzt wurde, dürfte somit "ins Leere gehen".

Jedenfalls wäre der Kläger durch die Abweichung nicht in seinen Rechten verletzt. Abstandsflächen sind "vor" den Außenwänden von Gebäuden einzuhalten (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO). Somit fällt die auf der Südseite des Gebäudes der Beigeladenen zu 1 vor dem freistehenden Teil der Wand anfallende Abstandsfläche zwar auch auf die kleine, zwischen dem Baugrundstück (Fl.Nr. 1/57) und der Martinstraße liegende Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 1/51. Denn der vor der Außenwand liegende unbebaute Teil des Baugrundstücks ist nicht groß genug, um die Abstandsfläche auf diesem Grundstück einzuhalten (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Das gilt unabhängig davon, ob die Tiefe der Abstandsfläche gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 BayBO 8,81 m beträgt oder, wovon das Landratsamt ausgegangen ist, in Anwendung des sog. 16 m-Privilegs (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO) die Hälfte dieses Maßes. Die von der Abstandsfläche betroffene Fläche des Grundstücks Fl.Nr. 1/51 ist aber Teil des Gemeinschaftseigentums. Das Sondereigentum des Klägers wird nicht berührt.

2. Unabhängig davon hat der Zulassungsantrag auch deshalb keinen Erfolg, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ausreichend dargelegt ist (2.1.) und weil die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (2.2.) und der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (2.3.) nicht vorliegen.

2.1. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht ausreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 VwGO). Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine für die Entscheidung der Rechtsstreitigkeit erhebliche konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage aufgeworfen werden und ihre Klärungsbedürftigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung aufgezeigt werden. Dem genügt das Vorbringen nicht. Der Kläger hat schon keine konkrete Frage formuliert, sondern nur ein "Problem" angesprochen, das er im Zusammenhang mit einer "Verdichtung der Wohnbebauung" sieht. Davon abgesehen hat er weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Verallgemeinerungsfähigkeit des "Problems" aufgezeigt.

2.2. Die vom Kläger behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 Alt. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich weder, dass die Baugenehmigung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts verstößt (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 6, § 15 Abs. 1 BauNVO), noch rechtfertigt das Vorbringen die Annahme, dass die Baugenehmigung Rechte des Klägers durch einen Verstoß gegen die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO verletzt. Das ergibt sich aus dem zu 1. Dargelegten.

2.3. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 Alt. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt ist überschaubar. Die tatsächlichen Verhältnisse lassen sich den Plänen und Fotografien entnehmen. Eine weitere Aufklärung ist nicht erforderlich. In rechtlicher Hinsicht handelt es sich um einen allenfalls durchschnittlich schwierigen Fall. Entscheidungserheblich sind nur Vorschriften, deren Anforderungen weitgehend geklärt sind.

3. Die inzwischen vor der südlichen Außenwand des Gebäudes der Beigeladenen zu 1 angebrachte Lüftungsanlage, auf die die Bevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 26. August 2005 hinweisen, ist nicht Gegenstand der Baugenehmigung.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, weil sein Zulassungsantrag keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladene zu 1 hat zwar einen erfolgreichen Gegenantrag gestellt. Es wäre aber nicht billig, ihre außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 Alt. 1 VwGO dem unterlegenen Kläger aufzuerlegen, denn sie ist mit dem Antrag kein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen. Bei einem erfolgreichen Zulassungsantrag wären nämlich keine Kosten angefallen, weil die Kosten in diesem Fall Teil der Kosten des Berufungsverfahrens sind. Deshalb bleibt es im Zulassungsverfahren auch bei einer erfolgreichen Antragstellung in aller Regel bei dem kostenrechtlichen Grundsatz, dass ein Beigeladener seine Kosten selbst trägt (BayVGH vom 11.10.2001 DVBl 2002, 345; vom 11.4.2002 - 1 ZS 01.3179). Dass die Beigeladene zu 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, erscheint billig, weil ihr im Zulassungsverfahren keine nennenswerten Kosten entstanden sind. Die Beiladung der Gemeinde ist zwar zu Unrecht erfolgt. Rechtliche Interessen (§ 65 Abs. 1 VwGO) einer Gemeinde werden nämlich nicht berührt, wenn ein Dritter eine im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilte Baugenehmigung anficht (BayVGH vom 18.2.1997 NVwZ-RR 1998, 389; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 65 RdNr. 12). Die außergerichtlichen Kosten eines zu Unrecht Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 Alt. 2 VwGO der Staatskasse aufzuerlegen, ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn dem Beigeladenen durch eine verständliche Reaktion auf die Beiladung, etwa durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts, die er für erforderlich halten durfte, größere Aufwendungen entstanden sind.

Durch die Beiladung der Gemeinde (Beigeladene zu 2) im Klageverfahren und im Zulassungsverfahren angefallene Auslagen des Gerichts, die an sich zu den vom Kläger zu tragenden Kosten des Verfahrens gehören (§ 162 Abs. 1 VwGO), werden nicht erhoben. Da die Beiladung zu Unrecht erfolgt ist, sind diese Auslagen durch eine unrichtige Sachbehandlung des Verwaltungsgerichts entstanden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327), der für eine baurechtliche Nachbarklage einen Betrag von 7.500 Euro empfiehlt (Nr. 9.7.1.) In Anbetracht der - objektiv gesehen - geringen Betroffenheit des Klägers erscheinen als Streitwert zwei Drittel dieses Betrags (5.000 Euro) angemessen (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 Satz 1 des Streitwertkatalogs).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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