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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.05.2007
Aktenzeichen: 1 ZB 07.341
Rechtsgebiete: VwGO, BauNVO, BayBO


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BauNVO § 11 Abs. 2 Satz 1
BayBO Art. 82 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 07.341

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzung von Lagerflächen als Verkaufsfläche und Anfechtung einer Nutzungsuntersagung (Fl.Nr. **** Gemarkung ************);

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kiermeir

ohne mündliche Verhandlung am 18. Mai 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin begehrt nachträglich eine Baugenehmigung für die Nutzung eines Teils der Lagerflächen eines Verbrauchermarktes als Verkaufsfläche; außerdem wendet sie sich gegen eine Anordnung, die ihr die strittige Nutzung untersagt.

Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück Fl.Nr. **** Gemarkung ********** einen Verbrauchermarkt. Die Beteiligten des Rechtstreits gehen übereinstimmend davon aus, dass der Verbrauchermarkt - entsprechend einer mit Bescheid des Landratsamts **************** vom 14. März 2001 erteilten Tekturbaugenehmigung - unter anderem folgende Flächen umfasst: einen "Verkaufsraum allgemein" (2691,9 m²), Flächen für den Fleisch- und Wurstverkauf (19,7 m²) sowie den Käseverkauf (11,9 m²) und die Kassenzone (119,9 m²). Zu dem Eingangsbereich des Marktes gehört - neben den Kunden nicht zugänglichen Räumen und einem Friseurladen - auch eine als "Mall" bezeichnete Verkehrsfläche (156,0 m²). Diese Fläche erschließt den Eingang und die Kassenzone des Marktes sowie Flächen für Verkaufskonzessionäre (Metzger mit 43,8 m² und Bäcker mit 47,8 m²), einen Friseurladen und einen weiteren Laden (69,7 m²), in dem Feinkost, Zeitschriften und Tabakwaren verkauft werden (zum Zeitpunkt der Tekturgenehmigung: Foto-/Lotto- und Zeitschriftenladen).

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 8 der Beigeladenen. Aufgrund einer im Juli 1999 in Kraft getretenen Änderungssatzung weist der Bebauungsplan die Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. ****, auf dem sich das Gebäude des Verbrauchermarktes und dessen Stellplätze befinden, als Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe aus. Zur zulässigen Verkaufsfläche trifft der Bebauungsplan folgende Festsetzungen:

"Als Verkaufsfläche für den Verbrauchermarkt werden maximal 2.900 m² festgesetzt. Davon sind maximal 70 % Anteil food zulässig. Die Vorkassenzone von 100 m² wird dabei nicht berücksichtigt."

Anfang des Jahres 2004 beantragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin nachträglich die Baugenehmigung für die Nutzung einer 176,3 m² großen Teilfläche der Lagerräume des Verbrauchermarktes als Verkaufsraum ("Schnäppchenmarkt"). Die Beigeladene erteilte das Einvernehmen. Das Landratsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Juni 2005 ab; außerdem untersagte es der Rechtsvorgängerin der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 Euro, die fragliche Fläche nach Ablauf eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft der Anordnung weiterhin für Verkaufszwecke zu nutzen. Die nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid der Regierung von ********** vom 15.9.2005) erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 14. Dezember 2006 ab.

Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen; sie macht geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden.

Der Beklagte beantragt, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Mit Bescheid vom 6. März 2007 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 6. Juni 2005 dahingehend, dass die untersagte Nutzung bereits innerhalb eines Monats nach Zustellung des Änderungsbescheides beendet werden muss; außerdem wurde die Nutzungsuntersagung für sofort vollziehbar erklärt. Die Klägerin legte Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgerichtshof die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Über den Antrag (Aktenzeichen: 1 AS 07.732) wurde noch nicht entschieden.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Es ist nicht fraglich, dass der Klägerin kein Anspruch auf nachträgliche Genehmigung der Nutzung von Lagerflächen des Verbrauchermarktes als Verkaufsfläche eines das Angebot des Marktes ergänzenden "Schnäppchenmarktes" zusteht (1.). Ebenso wenig erscheint es fraglich, dass die Klägerin durch die Nutzungsuntersagung nicht in ihren Rechten verletzt wird (2.).

1. Was die Klägerin zur Begründung des Zulassungsantrags vorbringt, ist nicht geeignet, die Richtigkeit des angefochtenen Urteils hinsichtlich des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Genehmigungsanspruchs ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht dürfte den Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu Recht verneint haben. Die Nutzungsänderung kann wohl nicht nachträglich genehmigt werden, weil sie öffentlich rechtlichen Vorschriften, nämlich den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 8, widerspricht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBO, § 30 Abs. 1 BauGB).

Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans, weil es zu einer Überschreitung der auf 2.900 m² begrenzten zulässigen Verkaufsfläche führt. Die Überschreitung ergibt sich auch dann, wenn man die Flächen im Eingangsbereich ("Mall", Läden der Verkaufskonzessionäre, weitere Läden), deren Zuordnung von den Beteiligten unterschiedlich beurteilt wird, unberücksichtigt lässt und nur die Flächen des Verbrauchermarktes betrachtet. Dessen Verkaufsfläche beträgt nämlich schon jetzt (mindestens) 2843,4 m². Mit der 176,3 m² umfassenden Verkaufsfläche des "Schnäppchenmarktes" wird die Grenze von 2.900 m² somit auf jeden Fall um (mindestens) 119,7 m² überschritten wird.

Die vor der Nutzungsänderung vorhandene Verkaufsfläche beträgt (mindestens) 2843,4 m², weil nicht nur - unbestritten - der "Verkaufsraum allgemein" mit einer Fläche von 2691,9 m² und die zusammen 31,6 m² (19,7 m² + 11,9 m²) großen Flächen für den Fleisch- und Wurstverkauf sowie den Käseverkauf anzurechnen sind. Auch die Kassenzone mit einer Fläche 119,9 m² ist Teil der Verkaufsfläche im Sinn der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 8. Der Auffassung der Klägerin, dass der "ortsrechtliche Begriff der Verkaufsfläche" (BVerwG vom 27.4.1990 NVwZ 1990, 1071) hier einen anderen, die Kassenzone nicht umfassenden Inhalt habe, ist nicht zu folgen.

Der bauplanungsrechtliche Begriff Verkaufsfläche wird allgemein so verstanden, dass er jedenfalls auch die Kassenzone umfasst (BVerwG vom 24.11.2005 BVerwGE 124, 376 = NVwZ 2006, 455; BayVGH vom 5.2.2007 - 2 BV 05.1571 - juris). Es kann offen bleiben, ob die Gemeinde als Satzungsgeberin den Begriff in einem Bebauungsplan mit einem anderen, in diesem Punkt von dem allgemeinen Verständnis abweichenden Inhalt verwenden darf. Auch wenn man dies unterstellt, ist nicht anzunehmen, dass dies bei dem Bebauungsplan Nr. 8 geschehen ist. Dem Schreiben der Beigeladenen vom 14. Oktober 2004 (Blatt 68 der Bauakten des Landratsamts), auf das sich die Klägerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht in erster Linie beruft, ist lediglich zu entnehmen, dass die Verwaltung der Beigeladenen (der Gemeinderat als satzungsgebendes Organ wurde wohl nicht beteiligt) die Festsetzung so versteht, "dass die Verkaufsfläche(n), die sich vor der Kassenzone befinden, ... bei den 2900 m² Verkaufsfläche nicht eingerechnet werden". Diese Auskunft ist eher geeignet, im Gegenschluss die zutreffende Ansicht, dass die Kassenzone Teil der Verkaufsfläche ist, zu bestätigen. In dem Schreiben der **** * ******* ******** * *** ** vom 26. Juni 1998 an die Beigeladene (Blatt 71 der Bauakten), auf das sich die Klägerin auch beruft, wird zwar zwischen "Verkaufsfläche (ca. 2900 m²)" und "Kassenzone (ca. 140 m²)" unterschieden. Weder dieses Schreiben noch die hierauf Bezug nehmende, in einem sehr frühen Stadium des Bebauungsplanänderungsverfahren (nämlich zur Vorbereitung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung) erstellte Beschlussvorlage vom 7. Oktober 1998 (Blatt 69 der Bauakten) lassen aber den Schluss zu, dass sich die Beigeladene diese im Rahmen einer "Grobplanung" (Schreiben vom 26.6.1998) getroffene Unterscheidung bei der Festsetzung des Begriffes Verkaufsfläche zu eigen machen und damit dem Begriff einen im Hinblick auf die bereits damals vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG vom 27.4.1990 a. a. O.) kaum vertretbaren Inhalt geben wollte. Davon abgesehen geht die Klägerin in der mit dem Bauantrag für den "Schnäppchenmarkt" vorgelegten "Nutzflächenaufstellung nach DIN 277" (Blatt 27 der Bauakten) selbst davon aus, dass die Kassenzone Teil des Verkaufsraums ist (zu dem im Übrigen auch die von den Beteiligten nicht berücksichtigte "Eingangsinformation" mit einer Fläche von 10,5 m² gehören dürfte).

Führt aber der "Schnäppchenmarkt" schon dann zu einer Überschreitung der zulässigen Verkaufsfläche von 2.900 m², wenn man nur den Verkaufsraum des Verbrauchermarktes betrachtet, dann kann offen bleiben, ob der Verkaufsflächenbegriff des Bebauungsplans, wie in dem bereits erwähnten Schreiben der Beigeladenen vom 14. Oktober 2004, so ausgelegt werden darf, dass auch Flächen des Eingangsbereichs, die zweifelsfrei dem Verkauf dienen (Metzger, Bäcker, Laden für Feinkost, Zeitschriften und Tabakwaren), nicht mitrechnen, obwohl dieses ergänzende Angebot zweifelsfrei dazu beiträgt, "in städtebaulicher Hinsicht die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit" (BVerwG vom 24.11.2005 a. a. O.) des Marktes zu erhöhen. Nicht entschieden werden muss ferner, wie Satz 3 der fraglichen Festsetzungen ("Die Vorkassenzone von 100 m² wird dabei nicht berücksichtigt") zu verstehen ist. Die Auslegung der Klägerin, dass mit dieser Festsetzung eine Anrechnung der Verkaufsflächen für "Metzger" und "Bäcker" ausgeschlossen werden sollte, überzeugt den Senat allerdings schon deswegen nicht, weil sie nicht mit dem Wortlaut der Regelung in Einklang zu bringen ist. Näher liegt die Annahme, dass mit dieser Festsetzung erreicht werden soll, dass die (etwa 100 m² umfassenden) Teilflächen der "Mall", die "vor" den Kassen bzw. vor dem Eingang zu dem Verbrauchermarkt liegen und die nach dem allgemeinen Verständnis des Begriffs Verkaufsfläche an sich anzurechnen wären (BVerwG vom 24.11.2005 a. a. O.), unberücksichtigt bleiben.

2. Es ist nicht ernstlich fraglich, dass das Verwaltungsgericht auch die Anfechtungsklage gegen die Nrn. II und III des Bescheids vom 6. Juni 2005 zu Recht abgewiesen hat. Die Nutzungsuntersagung und die hierzu ergangene Zwangsgeldandrohung (Art. 36 VwVZG) verletzen die Klägerin aller Voraussicht nach nicht in ihren Rechten, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Art. 82 Satz 2 BayBO gibt der Bauaufsichtsbehörde die Befugnis, eine den öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechende Nutzung von Anlagen zu untersagen. Ein derartiger Widerspruch liegt hier jedenfalls deswegen vor, weil die Nutzung einer Teilfläche der Lagerräume des Verbrauchermarktes als Verkaufsraum nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht und damit materiellrechtlich unzulässig ist. Hierzu wird auf das Vorstehende verwiesen. Davon abgesehen war die Nutzungsuntersagung wohl schon deswegen gerechtfertigt, weil die strittige Nutzung ohne die erforderliche Baugenehmigung (Art. 62, Art. 63 Abs. 4 BayBO) durchgeführt wurde. Eine Nutzung darf nur dann - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nicht nur wegen eines formellen Verstoßes untersagt werden, wenn sie offensichtlich materiell rechtmäßig ist. Wie dargelegt wurde, ist dies hier nicht der Fall.

Der gleichfalls die Verhältnismäßigkeit betreffende Einwand der Klägerin, dass das Landratsamt die neue Nutzung nur in dem Umfang hätte untersagen dürfen, in dem sie die zulässige Verkaufsfläche von 2.900 m² überschreitet, greift nicht durch. Die Behörde muss von sich aus eine teilweise Untersagung nur dann in Erwägung ziehen, wenn die strittige Nutzung offensichtlich teilbar ist (vgl. BayVGH vom 29.9.2003 VGH n. F. 56, 223 = NVwZ-RR 2004, 238 = BayVBl 2004, 213 [zu einer Beseitigungsanordnung]). Dies ist hier nicht der Fall, weil schon angesichts der Tatsache, dass der nachträgliche Bauantrag nur für die gesamte Fläche gestellt wurde, nicht anzunehmen ist, dass die Klägerin den 176,3 m² großen "Schnäppchenmarkt" auch auf einer Fläche von 56.6 m² (2.900 m² - 2843,4 m²) bzw., wenn man die "Eingangsinformation" mit einer Fläche von 10,5 m² als Teil der schon vorhandenen Verkaufsfläche mitrechnet, von 46,1 m² errichtet hätte.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil sie mit ihrem Zulassungsantrag unterlegen ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, erscheint schon deswegen billig (§ 162 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 VwGO), weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit schon aus diesem Grund keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nrn. 9.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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