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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 21.10.2008
Aktenzeichen: 11 B 06.30084
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG, GFK, Richtlinie 2004/83/EG, EMRK


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
AufenthG § 60 Abs. 8 Satz 2
AsylVfG § 3 Abs. 2
GFK Art. 1 F
Richtlinie 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4
EMRK Art. 3

Entscheidung wurde am 25.03.2009 korrigiert: das Wort "Ta?delen" wurde durch "Tasdelen" an 3 Stellen ersetzt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

11 B 06.30084

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Asylrechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 11. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ertl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Beck,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2008

am 21. Oktober 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. November 2005 wird in den Nummern II bis IV abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Soweit das Begehren des Klägers abgewiesen wurde, ihm Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren, wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

1. Der Kläger wurde am 4. November 2004 durch die Bayerische Landespolizei am Münchener Hauptbahnhof aufgegriffen. Am 5. November 2004 erklärte er gegenüber der Landespolizei, er wolle in Deutschland politisches Asyl beantragen.

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 15. November 2004 gab er an, Kurde zu sein. Seit seinem 15. Lebensjahr sei er bei der PKK gewesen. Im Juni 1991 habe er sich im Auftrag dieser Organisation in der Stadt Derik aufgehalten, um neue Leute anzuwerben. Dort habe man ihn festgenommen und zwei Tage lang auf der Polizeistation unter Folter verhört. Dann habe man ihn zur politischen Abteilung der Polizei in Mardin gebracht, wo er einen Monat lang unter Folter vernommen worden sei. Dem hätten sich Gefängnisaufenthalte in Mardin und Diyarbakir angeschlossen. 1992 sei er gemäß § 168 Abs. 2 des türkischen Strafgesetzbuchs (tStGB) als Mitglied der PKK zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Am 22. Dezember 2000 habe man ihn aus dem Gefängnis entlassen.

In der Folgezeit habe er sich innerhalb der Türkei zunächst zu seinen Eltern und dann zu einer Schwester begeben. Der Aufforderung, sich beim Kreiswehrersatzamt zu melden, um den Wehrdienst anzutreten, sei er aus Angst nicht nachgekommen, da er als ehemaliger PKK-Kämpfer während des Militärdienstes hätte getötet werden können. Aus diesem Grund habe er sich im Sommer 2001 erneut der PKK angeschlossen und sich zu den im Gebiet Kandil zwischen der türkischen Grenze, iranischem und irakischem Gebiet (mehr aber im Nordirak) befindlichen Kämpfern begeben. In dieser Zeit habe nur politische Ausbildung stattgefunden, da die PKK den bewaffneten Kampf eingestellt gehabt habe.

Auf die Frage, ob er ab 2001 einen Rang innerhalb der PKK bekleidet habe, gab der Kläger nach anfänglichem Zögern an, er sei zum Kommandeur des Bölük bestimmt worden. Er habe dieses Amt jedoch nicht übernommen, da er schon damals die politische Linie nicht für richtig erachtet habe. Als er sich der PKK angeschlossen habe, habe sie sich für die Freiheit des kurdischen Volkes eingesetzt. Nach seinem erneuten Eintritt in diese Organisation habe er gemerkt, dass sie "durch die Abweichung der politischen Linie" dieses Ziel nicht mehr vertreten habe. Aus diesem Grund habe er sich im Juli 2004 von der PKK getrennt.

Da er nicht mehr im Gebiet der PKK habe bleiben können, habe er sich über den Iran illegal in die Türkei begeben. Dort sei sein Leben jedoch trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen. Er wäre zum Militärdienst geschickt worden; außerdem würde er seine kurdische Identität verleugnen, nähme er das Reuegesetz in Anspruch. Seit der Entlassung aus dem Gefängnis sei nach ihm in der Türkei zunächst wegen des nicht abgeleisteten Wehrdienstes, später deswegen gesucht worden, weil die Sicherheitskräfte erfahren hätten, dass er sich wieder der PKK angeschlossen habe. Im Laufe des Jahres 2003 habe er einen Sympathisanten der PKK zu seinem in Diyarbakir lebenden Bruder geschickt, um ein Radiogerät und Kleidung abzuholen. Während der Übergabe dieser Gegenstände durch den Bruder an den Boten seien beide Personen festgenommen worden. Spätestens von da an hätten die türkischen Sicherheitskräfte offiziell gewusst, dass er selbst wieder für die PKK tätig sei.

Seine Ausreise aus der Türkei sei Ende Oktober 2004 erfolgt; in einem Lastkraftwagen versteckt habe man ihn nach Deutschland gebracht.

Er sei nicht nur seitens der türkischen Sicherheitskräfte, sondern auch der PKK hoch gefährdet. Müsste er in die Türkei zurückkehren, würde er sofort verhaftet und gefoltert werden. Man würde erneut gegen ihn Anklage wegen Mitgliedschaft in der PKK erheben. Auch würde er seine Reststrafe verbüßen müssen. Eine extralegale Hinrichtung sei seiner Einschätzung nach dann nicht zu befürchten, wenn er von Deutschland aus offiziell rücküberstellt würde. Seinem Bruder habe man bei dessen Inhaftierung jedoch erklärt, man werde den Kläger sofort töten, wenn man seiner habhaft werde. Seitens der PKK fühle er sich deshalb gefährdet, da der Kongra-Gel nach der Sezession Osman Öcalans neue Gesetze erlassen habe. "Abschwörer" würden besonders von der Gruppierung um Osman Öcalan als Verräter bezeichnet. Verräter aber hätten bekanntermaßen Konsequenzen zu erwarten, auch wenn sie einer anderen Gruppierung angehört hätten.

Wegen der Unterlagen, die der Kläger am 22. November 2004 dem Bundesamt übergeben hat, wird auf Blatt 50, Blatt 53 bis 69 und Blatt 76 bis 78 der Akte dieser Behörde verwiesen. Ebenfalls Bezug genommen wird auf die Anfrage, die das Bundesamt im Asylverfahren des Klägers am 3. März 2005 an das Auswärtige Amt richtete (Bl. 82 f. der Bundesamtsakte), und das Antwortschreiben der Deutschen Botschaft Ankara vom 13. Juli 2005 (Bl. 85 bis 87 der Bundesamtsakte).

Durch Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten als offensichtlich unbegründet ab (Nummer 1 des Bescheidstenors), sprach aus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorlägen (Nummer 2 des Tenors), und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Nummer 3 des Tenors). Unter der Nummer 4 des Bescheidstenors wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; andernfalls werde er in die Türkei oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zu seiner Rückübernahme verpflichteten Staat abgeschoben.

Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen, da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG (in der Fassung des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950, nachfolgend "AufenthG a.F." genannt) vorlägen. Ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG bestehe, bedürfe keiner Entscheidung, da auch die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 8 Satz 2, zweite und dritte Alternative AufenthG a.F. ausgeschlossen sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. verneinte das Bundesamt mit der Begründung, der türkischen Regierung sei es bis zum Ende des Jahres 2004 zwar nicht gelungen, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden. Seit fast vier Jahren sei dem Auswärtigen Amt jedoch kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter, abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden sei. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen hätten ausdrücklich erklärt, dass diesem Personenkreis aus ihrer Sicht keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohten.

2. Mit der am 16. August 2005 zum Verwaltungsgericht Würzburg erhobenen Klage beantragte der Kläger bei Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, die Nummern 2 bis 4 des Bescheids vom 28. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorlägen.

Dem gleichzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, gab das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. August 2005 (Az. W 4 S 05.30391) statt.

In der im Klageverfahren am 22. November 2005 vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, da in dem Gebiet, in dem er gelebt habe, sehr viele Auseinandersetzungen stattgefunden hätten und eigentlich Krieg geherrscht habe, sei er "nicht so richtig freiwillig" für die PKK tätig gewesen; er habe sich ihr sozusagen unter Zwang angeschlossen. Er habe bei dieser Organisation weder eine Funktion bekleidet noch sich an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt. Auch in dem in der Türkei gegen ihn erlassenen Urteil sei festgehalten worden, dass er nicht bewaffnet unterwegs gewesen sei. Nach längerer Diskussion in der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger schließlich, er habe von 1989 bis zu seiner Inhaftierung 1991 zwar eine Waffe besessen, sie aber nicht immer getragen. Auf Vorhalt bestätigte er es als richtig, dass er z.B. an der Kalaschnikow, an der "Bixi" und am Revolver ausgebildet worden sei. Er habe jedoch nie eine Waffe benutzt, um jemanden zu töten. Dass er Leute für die PKK habe anwerben sollen, treffe nicht zu. Der Terminsbevollmächtigte des Klägers machte in diesem Zusammenhang geltend, hätte man dem Kläger eine Beteiligung am bewaffneten Kampf nachweisen können, hätte er nicht nach § 168 Abs. 2, sondern nach § 168 Abs. 1 tStGB bestraft werden müssen.

Vor seiner Freilassung sei er von der Staatsanwaltschaft und dem Militär mit dem Ziel "bearbeitet" worden, Spitzeldienste zu leisten. Da er kein Verräter habe sein und keinen Wehrdienst habe ableisten wollen, eine Rückkehr zur PKK für ihn zudem auch wirtschaftlich das Beste gewesen sei und er sich dort in Sicherheit geglaubt habe, habe er sich wieder zu dieser Organisation bringen lassen. Anfangs habe er gedacht, dass vielleicht ein Friedensprozess einsetzen und sich die Lage beruhigen würde. Als die PKK aber erneut Diskussionen über eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes geführt habe, habe er das nicht mehr ertragen können. Er sei "ethisch und moralisch am Ende" gewesen und habe nur als normaler Mensch in Ruhe leben wollen. Unter der Auflage, dass er keine Aktivitäten und keine Propaganda gegen die PKK entfalte, habe man ihn ziehen lassen.

Durch Urteil vom 22. November 2005 hob das Verwaltungsgericht die Nummer 2 des Bescheids vom 28. Juli 2005 auf und verpflichtete die Beklagte, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen. Ebenfalls aufgehoben wurde die Nummer 4 des Bescheids vom 28. Juli 2005, soweit dem Kläger darin die Abschiebung in die Türkei angedroht worden war. Hinsichtlich der Nummer 1 des Bescheids wurde das Verfahren eingestellt, da der Kläger den diesbezüglichen Teil der Klage zurückgenommen habe. Zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung führte das Verwaltungsgericht aus, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung, da er nach einer Wiedereinreise voraussichtlich die Reststrafe aus der bereits erfolgten Verurteilung verbüßen müsste; zudem sei zu erwarten, dass gegen ihn wegen Unterstützung der PKK eine weitere Freiheitsstrafe verhängt würde. Obwohl einer der Terrorismusbekämpfung dienenden Bestrafung nicht ohne weiteres politischer Charakter zukomme, besitze sie wegen der vom türkischen Staat gegen Angehörige der PKK praktizierten Härte, insbesondere wegen der im Polizeigewahrsam häufig vorkommenden Folter, Asylrelevanz. Die Gewährung von Abschiebungsschutz sei weder nach der zweiten noch nach der dritten Alternative des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG a.F. ausgeschlossen. Die PKK habe sich in der Vergangenheit zwar auch terroristischer Mittel bedient. Die Angabe des Klägers, nie am bewaffneten Kampf teilgenommen zu haben, sei jedoch deshalb glaubwürdig, weil er nach § 168 Abs. 2 - und nicht nach § 168 Abs. 1 - tStGB verurteilt worden sei. Zumindest in der Zeit nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis könne er deshalb nicht am bewaffneten Kampf teilgenommen haben, weil die PKK damals einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen habe. Die bloße Mitgliedschaft in der PKK sei noch nicht als "schweres nichtpolitisches Verbrechen" im Sinne von § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG a.F. anzusehen. Desgleichen könne nicht angenommen werden, dass sich der Kläger Handlungen habe zuschulden kommen lassen, die gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen würden. Zudem würden die zweite und die dritte Alternative des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG a.F. voraussetzen, dass von dem Ausländer weiterhin Gefahren ausgingen, wie sie sich in seinem früheren Verhalten manifestiert hätten. Der Kläger habe jedoch glaubhaft gemacht, dass er sich von der PKK und ihrer Ideologie abgewandt habe.

3. Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten, vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte, die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. November 2005 abzuweisen. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Verfahren über die Zulassung der Berufung (vgl. den Schriftsatz des Bundesamtes vom 13.1.2006). Auf diese Unterlage und die im Schreiben des Bundesamtes vom 11. Juni 2008 ergänzend vorgetragenen Gesichtspunkte wird verwiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält an seinem Standpunkt fest, außerhalb Deutschlands kein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen zu haben. Die Mitgliedschaft eines Kurden in der PKK sei alles andere als nichtpolitisch, da es sich bei der PKK um eine politische Partei bzw. politische Organisation handele. Wenn versucht werde, sie weiterhin als terroristische Gefahr einzustufen, so bleibe außer Betracht, dass sie seit ihrem Bestehen nicht nur inneren Wandlungen unterworfen gewesen sei, sondern dass auch die Bewertung durch die Staatengemeinschaft einer Entwicklung unterliege, die allerdings "nicht so schnell" auf die inneren Strukturveränderungen der PKK reagiere. Tatsächlich stelle die PKK weder "führungstechnisch noch ausführend" eine Gefahr für die innere Sicherheit der Türkei dar. Die Führer der PKK würden keines der ehemaligen Ziele dieser Vereinigung verfolgen; die Mitglieder dieser Organisation säßen in den Bergen, wollten ihre Waffen abgeben und Frieden schließen, doch nehme niemand ihr Angebot an.

Dem Vorhalt, er habe sich Handlungen zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen würden, tritt der Kläger mit dem Argument entgegen, mit der Resolution 1373 des Sicherheitsrats vom 28. September 2001 hätten die Vereinten Nationen nicht das Asylrecht der Mitgliedstaaten einschränken, sondern diese zur aktiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus aufrufen und vor allem dem deutschen Staat "ins Gewissen reden" wollen, in dessen Gebiet die Anschläge vom 11. September 2001 wohl zumindest teilweise hätten vorbereitet werden können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bundesrepublik Deutschland das zum Anlass nehme, um kurdische Guerillakämpfer als internationale Terroristen zu behandeln. Diese hätten nicht als Terroristen, insbesondere nicht als internationale Terroristen agiert. Guerillakämpfer hätten in den Bergen Kurdistans gegen türkische Soldaten gekämpft. Zivilpersonen seien weder ihr Ziel gewesen, noch seien sie bei den Kämpfen in den Bergen verletzt worden. Der Kampf in den Bergen sei nur zwischen der Armee eines anerkannten und der Guerilla eines zu gründenden Staates geführt worden. Durch diesen Befreiungskampf hätten sich die kurdischen Guerillakämpfer das Recht auf Selbstbestimmung verschaffen wollen. Das Recht auf Selbstbestimmung für jedes Volk aber gehöre zu den Zielen der Vereinten Nationen.

Bei einer Rückkehr in die Türkei drohe dem Kläger politische Verfolgung, da nach ihm gefahndet werde und man ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogleich bei der Einreise festnehmen würde. Die Gefahr der Inhaftierung und erneuten Verurteilung knüpfe an seine ehemalige politische Überzeugung an. Auch wenn Folter und Misshandlung in der Türkei in der letzten Zeit deutlich zurückgegangen seien, ergebe sich aus einem Gutachten, das Serafettin Kaya am 2. Juli 2005 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden erstattet habe, dass die im Rahmen der "Null-Toleranz-Politik" neu eingeführten Bestimmungen noch nicht überall konsequent angewendet würden. Es könne nicht erwartet werden, dass die türkischen Sicherheitsbehörden ihre traditionellen, tief verwurzelten Verhörmethoden plötzlich aufgäben. Insbesondere im Osten und Südosten des Landes werde bei Verhören in derselben Art und Intensität wie früher Druck ausgeübt. Amnesty International habe im Juli 2005 darauf hingewiesen, dass die strengeren Vorschriften über die Polizeihaft die weit verbreitete Praxis der Folter nicht verhindert, sondern dazu beigetragen hätten, dass in letzter Zeit vorrangig Foltermethoden angewandt worden seien, die keine längerfristig nachweisbaren physischen Spuren hinterlassen würden. Jeder PKK-Guerillero werde im Polizeigewahrsam und in der Strafhaft über Verstecke der Kämpfer, über Informationsstrukturen, logistische Wege usw. befragt. Erbringe das Verhör nicht das gewünschte Ergebnis, werde oftmals Folter angewendet.

Ergänzend beruft sich der Kläger auf zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. Februar 2006 (Az. 7 E 220/05.A (2); Az. 7 E 222/05.A (2)) sowie zwei Beschlüsse des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Mai 2006 (Az. 4 UZ 728/06.A; Az. 4 UZ 737/06.A). Durch die letztgenannten Entscheidungen wurden Anträge der Beklagten abgelehnt, die Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. Februar 2006 zuzulassen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz darüber eingeholt, ob dort Erkenntnisse über etwaige Kontakte vorliegen, die der Kläger seit seiner Einreise in das Bundesgebiet zur PKK oder zu anderen extremistischen Organisationen unterhalten hat. Auf das der Erledigung dieses Ersuchens dienende Schreiben des Landesamtes vom 19. März 2008 wird verwiesen. Wegen der zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemachten Erkenntnismittel wird auf die gerichtlichen Schreiben vom 24. Juni 2008, 14. Juli 2008, 30. September 2008, 1. Oktober 2008 und 13. Oktober 2008 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof am 15. Oktober 2008 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Übrigen, die Akten der verwaltungsgerichtlichen Verfahren W 4 K 05.30390 und W 4 S 05.30391, die Akte des Bundesamtes und die den Kläger betreffende Ausländerakte der Stadt Aschaffenburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das mit der Berufung verfolgte Rechtsschutzbegehren der Beklagten zielt nur darauf ab, eine Aufhebung der Nummern II bis IV des erstinstanzlichen Urteils zu erreichen. Denn bereits der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen diese Entscheidung zuzulassen, klammerte denjenigen Teil des Urteils vom 22. November 2005 aus, durch den das Verfahren teilweise eingestellt wurde (vgl. S. 1 des Schriftsatzes des Bundesamts vom 13.1.2006). Das Schreiben des Bundesamtes vom 7. März 2006, in dem der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof der Sache nach unverändert wiederholte Berufungsantrag der Beklagten angekündigt wurde, bezieht sich ausdrücklich auf den Schriftsatz vom 13. Januar 2006.

Das so auszulegende Berufungsbegehren ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen Schutzanspruch nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuerkannt (1). Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 AufenthG liegen in der Person des Klägers ebenfalls nicht vor (2.).

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger in seinem Heimatland den in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Bedrohungen ausgesetzt sein wird und er deshalb einen Anspruch besitzt, als Flüchtling im Sinn des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560; nachfolgend Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - genannt) und der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12; nachfolgend "Qualifikationsrichtlinie" - QRL - genannt) anerkannt zu werden, ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass er nach einer Rückkehr in die Türkei dort zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden wird (1.1). Sollte darin eine politische Verfolgung liegen, stünde einer Anerkennung des Klägers nach § 60 Abs. 1 AufenthG und Art. 1 A GFK jedenfalls entgegen, dass er den Ausschlusstatbeständen des § 3 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG sowie des Art. 1 F GFK unterfällt (1.2).

1.1 Nach der Auskunft, die die Deutsche Botschaft Ankara am 13. Juli 2005 dem Bundesamt erteilt hat, wird in der Türkei nach dem Kläger wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet. Grund hierfür sei eine Aussage, zu der es in dem gegen seinen Bruder Bedir durchgeführten Strafverfahren gekommen sei. In einem hierüber erstellten Protokoll sei festgehalten, dass sich der Kläger nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen und er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Die türkischen Behörden wissen mithin nicht nur um die erneute Zugehörigkeit des Klägers zur PKK seit dem Jahr 2001, sondern sind auch darüber unterrichtet, dass er sich damals erneut den bewaffneten Freischärlern dieser Organisation angeschlossen hatte.

Kehren Personen, von denen bekannt ist, dass sie "bei der Guerilla" waren, in die Türkei zurück oder werden sie dorthin abgeschoben, so werden sie mit Sicherheit festgenommen, verhaftet und vor Gericht gestellt (Kaya in dem am 1.2.2007 für das VG Weimar erstatteten Gutachten, S. 2). Als "Guerilla" bezeichnet Kaya hierbei die Kämpfer des ehedem ARGK und seit 2002 HPG genannten bewaffneten Arms der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen KADEK, Kongra-Gel und KKK (S. 1 des Gutachtens vom 1.2.2007).

Hat eine Person dieser "Guerilla" angehört, ohne in ihr eine Leitungsfunktion bekleidet und ohne sich an bewaffneten Aktionen beteiligt zu haben (hiervon muss im Fall des Klägers in Bezug auf seine Mitgliedschaft in den Streitkräften der PKK ab dem Sommer 2001 bis zum Sommer 2004 ausgegangen werden, da er selbst jede Beteiligung an Kampfhandlungen während dieser Zeit in Abrede gestellt hat und damals der von der PKK verkündete Waffenstillstand galt), so hat er sich durch dieses Verhalten nach dem Verständnis der türkischen Strafverfolgungsorgane gemäß § 314 Abs. 2 des türkischen Strafgesetzbuchs in der am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Neufassung (tStGB 2005) strafbar gemacht (vgl. zu der zu erwartenden Bestrafung eines "einfachen" PKK-Kämpfers nach dieser Bestimmung S. 7 f. des von Osman Aydin am 20.9.2007 gegenüber dem VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens).

§ 314 Abs. 2 tStGB 2005 (eine Übersetzung dieser Vorschrift ins Deutsche findet sich u. a. auf S. 23 des im Januar 2005 erschienenen Hefts der "Erkenntnisse des Bundesamtes") eröffnet einen von fünf bis zehn Jahren reichenden Strafrahmen. Da es sich bei den in § 314 tStGB 2005 bezeichneten Straftaten nach türkischem Recht um solche terroristischer Art handelt (vgl. auch dazu S. 8 des von Aydin am 20.9.2007 für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens), erhöht sich der gesetzliche Strafrahmen gemäß Art. 5 des Antiterrorgesetzes um die Hälfte, so dass der Kläger mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe rechnen muss, die sich zwischen siebeneinhalb und fünfzehn Jahren bewegen wird (S. 9 des von Aydin am 20.9.2007 erstatteten Gutachtens).

Der Einschlägigkeit des § 314 tStGB 2005 steht es nicht entgegen, dass diese Bestimmung erst am 1. Juni 2005 in Kraft getreten ist (S. 20 des Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 3.5.2005), wohingegen die Zugehörigkeit des Klägers zu den Streitkräften der PKK, die im Rahmen eines erneuten Strafverfahrens gegen ihn nur noch geahndet werden kann, in den Jahren von 2001 bis 2004 lag. Während dieser Jahre galt zwar noch das türkische Strafgesetzbuch von 1926, das in § 168 Abs. 2 (also in der Vorschrift, auf deren Grundlage gegen den Kläger am 24.1.1992 eine Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren verhängt wurde) für die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande - ohne die obligatorische Erhöhung des Strafrahmens nach den Art. 3 und 5 des Antiterrorgesetzes - eine zwischen zehn und 15 Jahren liegende Zuchthausstrafe vorsah (Silvia Tellenbach auf S. 2 des am 26.11.2006 für das VG Osnabrück erstatteten Gutachtens; S. 3 der von der gleichen Autorin am 4.6.2007 für das VG Freiburg erstellten Ausarbeitung). Da nach § 7 Abs. 2 tStGB 2005 (in deutscher Übersetzung abgedruckt auf S. 41 des Lageberichts vom 3.5.2005) bei nach einer Straftat eintretenden Veränderungen der Rechtslage die dem Täter günstigere Regelung anzuwenden ist, kommt im Fall des Klägers das neue Recht zum Zuge.

Die Straftat, derer er sich durch seine erneute Mitgliedschaft in den Streitkräften der PKK vom Sommer 2001 bis zum Sommer 2004 nach türkischem Recht schuldig gemacht hat, unterliegt nicht der Verjährung. Denn der Eintritt dieser Rechtsfolge ist nach § 66 Abs. 7 tStGB 2005 bei im Ausland begangenen Staatsschutzdelikten, die mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, ausgeschlossen (Tellenbach im Gutachten vom 26.11.2006, S. 2). § 314 Abs. 2 tStGB 2005 selbst sieht zwar nur eine Höchststrafe von zehn Jahren vor. Da nach § 66 Abs. 4 tStGB 2004 jedoch die mögliche Strafobergrenze maßgeblich ist (Tellenbach vom 26.11.2006, ebenda) und diese wegen der obligatorischen Erhöhung des Strafrahmens um 50 % nach Art. 3 und Art. 5 des Antiterrorgesetzes bei 15 Jahren liegt, scheidet eine Verjährung von Taten nach § 314 tStGB 2005 bei Begehung dieses Delikts außerhalb der Türkei aus (Tellenbach, ebenda). Die letztgenannte Voraussetzung ist im Fall des Klägers erfüllt, da seine gegenüber dem Bundesamt aufgestellte Behauptung, er habe sich im Rahmen seiner erneuten Zugehörigkeit zu den Guerillagruppen der PKK zwischen dem Sommer 2001 und dem Sommer 2004 überwiegend im Nordirak sowie teilweise auch im Iran aufgehalten, glaubhaft ist (vgl. zur damals schwerpunktmäßigen Stationierung der Kämpfer der PKK im Nordirak an der Grenze zum Iran S. 21 des Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 12.8.2003).

Zusätzlich zur Verhängung einer Freiheitsstrafe aus einem von siebeneinhalb bis 15 Jahre reichenden Strafrahmen muss der Kläger damit rechnen, dass die im Jahr 2000 vorgenommene Aussetzung der Vollstreckung des Rests der am 24. Januar 1992 gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe widerrufen werden wird. Denn nach der Auskunft, die die Deutsche Botschaft Ankara am 13. Juli 2005 dem Bundesamt erteilt hat, "muss" der Rest dieser auf Bewährung ausgesetzten Strafe vollstreckt werden, wenn die in der erneuten Mitgliedschaft in der PKK liegende Straftat während der bis zum 10. Dezember 2003 dauernden Bewährungszeit begangen wurde. Da sich der Kläger nach seinem insoweit glaubhaften Vortrag ab der Jahresmitte 2001 wieder der PKK angeschlossen hat, ist diese Voraussetzung erfüllt. Dass die Freilassung des Klägers gegen Ende des Jahres 2000 eine Entlassung auf Bewährung darstellte, hat die Botschaft auf Seite 2 der gleichen Auskunft festgehalten. Die bei der Anhörung vor dem Bundesamt aufgestellte Behauptung des Klägers, auf ihn warte in der Türkei eine mindestens zehnjährige Haftstrafe, muss nach alledem als zutreffend angesehen werden.

1.2 Es kann dahinstehen, ob die Verhängung und Vollstreckung einer solchen Freiheitsstrafe Verfolgung im Sinn von § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 9 f. QRL und im Sinn von Art. 1 A Nr. 2 GFK darstellt. Auf sich beruhen kann namentlich, ob der Bejahung einer Verfolgung vorliegend entgegensteht, dass die strafrechtliche Sanktion, die der Kläger in der Türkei zu erwarten hat, im Einklang mit der Rechtsordnung dieses Landes steht (vgl. § 60 Abs. 6 AufenthG), oder ob darin gleichwohl eine Verfolgungsmaßnahme gesehen werden muss, weil diese an die betätigte politische Überzeugung des Klägers anknüpfende Bestrafung u. U. als unverhältnismäßig oder diskriminierend im Sinn von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anzusehen ist (hierfür könnte sprechen, dass das Strafmaß trotz des Verzichts der PKK auf Terrorakte im fraglichen Zeitraum nach dem Antiterrorgesetz obligatorisch erhöht wird). Denn einem Anspruch des Klägers auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG und auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus steht jedenfalls entgegen, dass er sich während seiner Zugehörigkeit zu den bewaffneten Kräften der PKK in den Jahren von 1987 bis 1991 im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG "in sonstiger Weise" an Handlungen beteiligt hat, die allen in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und in Art. 1 F GFK aufgeführten Tatbeständen (mit Ausnahme von Verbrechen gegen den Frieden) unterfallen.

1.2.1 Krech (Der Bürgerkrieg in der Türkei 1978 - 1999, 1999, S. 51) fasst das Verhalten der PKK ab den 1984 bzw. 1987 zwischen der Türkei und dem Irak bzw. Syrien geschlossenen, der Bekämpfung der PKK dienenden Abkommen und dem Beginn des 2. Golfkrieges am 2. August 1990 wie folgt zusammen: "Die PKK eskalierte den Terror weiter, indem sie gezielt Jagd auf türkische Lehrer, Wirtschaftsmanager, kurdische Dorfschützer und deren Familien machte. Sie ermordete ohne Skrupel Hunderte von Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und sogar Babies."

Die von Krech auf den Seiten 61 bis 70 der vorerwähnten Monografie geschilderten Vorgänge (sie betreffen die Zeit von 1987 bis zur Mitte des Jahres 1991 und damit die Phase, in der der Kläger erstmals für die PKK tätig war) bestätigen die Richtigkeit dieser zusammenfassenden Darstellung. So griff die PKK am 22. Februar 1987 das Dorf Tasdelen an und tötete 14 Zivilisten, darunter neun Frauen und Kinder (Krech, a.a.O., S. 61). Im März des gleichen Jahres ermordete die PKK 34 türkische Dorfbewohner (Krech, ebenda). Im Juni 1987 griff eine 60 Mann starke, aus Syrien kommende PKK-Einheit das in der Provinz Mardin liegende Dorf Pìnarcìk an und ermordete 31 Bewohner (darunter 16 Kinder und sechs Frauen), indem sie die Bevölkerung, die sich auf dem Dorfplatz versammeln musste, mit Handgranaten bewarf und mit Maschinengewehren beschoss. Fliehende Personen wurden erschossen, Häuser mit Granaten und Molotowcocktails in Brand gesteckt (Krech, a.a.O., S. 62; Archiv der Gegenwart Nr. 31165). In der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1987 griff die PKK das 10 km von der syrischen Grenze entfernte Dorf Peçenek an und tötete 23 Zivilisten, darunter elf Kinder (Krech, ebenda). Am 10. Juli 1987 ermordete die PKK in der in der Provinz Mardin liegenden Ortschaft Hanin eine vierköpfige türkische Familie, darunter einen drei Monate alten Säugling (Krech, ebenda). Am 19. August 1987 tötete die PKK in dem Dorf Kilickaya 23 Menschen und verletzte 30 Bewohner (Krech, a.a.O., S. 63). Gegen Ende des Jahres 1987 überfiel die PKK in der Nähe von Derik eine Tankstelle und steckte sie in Brand (Krech, a.a.O., S. 64). Bis zum 10. April 1990 fielen 40 türkische Lehrer sowie neun Manager von im Südosten der Türkei tätigen türkischen Bergbaugesellschaften den Anschlägen der PKK zum Opfer (Krech, a.a.O., S. 69). Am 13. Juni 1990 ermordete die PKK in einem im Grenzdreieck zwischen Syrien, der Türkei und dem Irak liegenden türkischen Dorf 27 Menschen, darunter zwölf Kinder und sieben Frauen (Krech, ebenda). Am 15. November des gleichen Jahres tötete sie vier Bewohner eines im Südosten der Türkei liegenden Dorfes (Krech, ebenda).

Nach der Darstellung in dem Wikipedia-Artikel "Arbeiterpartei Kurdistans" berichtete das Außenministerium der Vereinigten Staaten über ein im Jahr 1989 von der PKK unter Bewohnern des Dorfes Ikiyaka verübtes Massaker, dem 28 Menschen - die meisten davon Frauen und Kinder - zum Opfer fielen.

Die unter der Bezeichnung "Global Terrorism Database" seitens der University of Maryland erstellte Materialsammlung bestätigt das Bild, das sich aus dem Vorstehenden über die Betätigung der PKK in der Türkei während der Phase der ersten aktiven Mitgliedschaft des Klägers in dieser Organisation ergibt. Für die Zeit zwischen dem Beginn des Jahres 1987 und dem 10. Juni 1991 (also dem Tag vor der Festnahme des Klägers) verzeichnet diese Zusammenstellung 30 in der Türkei selbst verübte Anschläge der PKK, die Privatpersonen bzw. ihr Eigentum sowie Geschäfte, Transport- oder Erziehungseinrichtungen sowie Journalisten und Medien zum Ziel hatten. Angriffe auf Institutionen oder Personen, die - wie die Streitkräfte, die Polizei oder Regierungsstellen - als Repräsentanten des türkischen Staates angesehen werden müssen, lässt das Gericht hierbei unberücksichtigt. Diesen 30 Anschlägen fielen 64 Personen zum Opfer; 33 Menschen wurden hierbei verletzt. In diese Zahlen haben jene 19 Vorfälle keinen Eingang gefunden, bei denen die Art des Ziels in der "Global Terrorism Database" mit dem Begriff "other" gekennzeichnet wurde oder bei denen sie nach Darstellung der University of Maryland unbekannt ist. Nach Sachlage muss jedoch damit gerechnet werden, dass es sich bei einem Teil der 58 Toten und 44 Verletzten, die bei diesen 19 Anschlägen der PKK zu verzeichnen waren, ebenfalls um Zivilpersonen gehandelt hat.

1.2.2 Diese Taten erfüllen die Voraussetzungen aller drei Alternativen des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und des Art. 1 F GFK.

Zur Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften können die vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) am 4. September 2003 herausgegebenen "Richtlinien zum internationalen Schutz: Anwendung der Ausschlussklauseln - Art. 1 F des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" (Az. HCR/GIP/03/05, in geringfügig überarbeiteter und gekürzter Fassung abgedruckt in ZAR 2004, 207 ff.) herangezogen werden. Richtlinien des UNHCR entfalten zwar keine rechtliche Bindung und müssen deshalb der Auslegung weder des materiellen Flüchtlingsrechts noch des Asylverfahrensrechts zugrunde gelegt werden (BVerfG vom 12.3.2008 InfAuslR 2008, 263); sie stellen aber regelmäßig eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention dar (BVerfG vom 12.3.2008, ebenda).

1.2.2.1 Bereits nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG und des Art. 1 F Buchst. a GFK ist zur Konkretisierung der in diesen Bestimmungen verwendeten Begriffe des "Kriegsverbrechens" und des "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" auf diejenigen internationalen Übereinkommen zurückzugreifen, die sich mit der Ahndung derartiger Delikte befassen. Als das insoweit aktuellste Regelwerk kann das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl. 2000 II S. 1394; nachfolgend "Rom-Statut" genannt) gelten (vgl. zur Bedeutung des Rom-Statuts als Hilfsmittel zur Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG und des Art. 1 F Buchst. a GFK Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, RdNr. 20 zu § 3; Zimmermann, DVBl 2006, 1478/1481). In Betracht kommen u. a. ferner die vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zum Schutz von Kriegsopfern (vgl. die Aufzählung in der Anlage zum deutschen Völkerstrafgesetzbuch vom 26.6.2002, BGBl I S. 2254/2258). Auch können alle Handlungen, die in den §§ 8 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuchs umschrieben werden, zum Ausschluss nach Art. 1 F Buchst. a GFK führen (Marx, a.a.O., RdNr. 24 zu § 3; Zimmermann, a.a.O., S. 1482).

Kriegsverbrechen können, wie sich aus § 8 des Völkerstrafgesetzbuchs und aus den in Art. 8 Abs. 2 des Rom-Statuts behandelten verschiedenen Fallgruppen ergibt, sowohl im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts als auch im Rahmen rein innerstaatlicher Auseinandersetzungen begangen werden (so auch Nummer 12 der Richtlinien des UNHCR vom 4.9.2003). Das gilt jedenfalls dann, wenn ein innerstaatlicher Konflikt von seiner Art und Intensität her über die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und f des Rom-Statuts erwähnten inneren Unruhen, Spannungen, Tumulte oder vereinzelten Gewalttaten hinausgeht. Dass die Kämpfe zwischen der türkischen Staatsmacht und der PKK in den Jahren von 1987 bis 1991 die Erscheinungsformen eines "Bürgerkriegs" angenommen haben (sie mithin über einen Konflikt der in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und f des Rom-Statuts erwähnten Art hinausgingen), zeigt bereits der Umstand, dass die Koordination der Bekämpfung der PKK am 25. September 1989 von der Gendarmerie auf die Streitkräfte überging (Krech, a.a.O., S. 68), die Türkei im gleichen Jahr mit der Ausbildung von 10.000 Soldaten der Gendarmerie zu Spezialisten in der Terroristenbekämpfung begann (Krech, a.a.O., S. 66), und der Konflikt im Zeitraum von August 1984 bis zum 10. April 1990 2.100 Todesopfer gefordert hat (Krech, a.a.O., S. 68). Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kampf zwischen der PKK und der türkischen Republik von 1987 bis 1991 deshalb auch zwischenstaatlichen Charakter aufwies, weil die PKK die an die Türkei angrenzenden Gebiete Syriens, des Irak und des Iran als Rückzugsräume und als Operationsbasen nutzte (vgl. Krech, a.a.O., S. 61 - 70), und Truppen der vorgenannten Staaten aus diesem Grund verschiedentlich kriegerische Aktionen auf fremdem Hoheitsgebiet durchführten (vgl. z.B. den bei Krech, a.a.O., S. 61, referierten Angriff der türkischen Luftwaffe auf PKK-Stellungen im Nordirak am 4.3.1987 und die vom gleichen Autor auf S. 63 erwähnte Besetzung eines türkischen Grenzdorfes durch irakische Soldaten am 15.9.1987).

Die vorsätzliche Tötung von Personen, die nach einem der Genfer Abkommen vom 12. August 1949 zu schützen sind, ferner die schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit solcher Menschen sowie die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigte, rechtswidrige und willkürliche Zerstörung ihres Eigentums stellen nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i, iii und iv des Rom-Statuts Kriegsverbrechen dar. Zu den - auch in einem nicht internationalen - bewaffneten Konflikt geschützten Personen gehören nach Art. 3 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl. 1954 II S. 917) u. a. diejenigen Menschen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen. Auch nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs begeht ein Kriegsverbrechen, wer eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet.

Ebenfalls Kriegsverbrechen stellen vorsätzliche Angriffe auf Gebäude dar, die der Erziehung dienen (vgl. zur Rechtslage in internationalen Konflikten Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Ziff. ix des Rom-Statuts, im Bürgerkrieg Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Ziff. iv des Rom-Statuts). Dass die PKK im fraglichen Zeitraum Anschläge auf Erziehungseinrichtungen verübt hat, zeigen die in der "Global Terrorism Database" erwähnten Vorfälle am 29. März 1990 in Cennetpinar, am 7. Oktober 1990 in Ciftlikai und am 10. Oktober 1990 in Yukaridamlipinar. Dass es sich bei derartigen Maßnahmen nicht um ungewollte Nebenfolgen z.B. eines Angriffs auf eine Einrichtung der türkischen Streitkräfte, der Gendarmerie usw. handelte, sondern dass die PKK Erziehungseinrichtungen vorsätzlich beschädigte oder zerstörte, muss daraus geschlossen werden, dass sie sich damals rühmte, u. a. Schulen angegriffen zu haben, da es sich bei ihnen um Zentren der moralischen und ideologischen Zersetzung der kurdischen Jugend handele (Lothar A. Heinrich, Die kurdische Nationalbewegung in der Türkei, 1989, S. 59).

Die zahlreichen Morde, die die PKK zwischen 1987 und der Jahresmitte 1991 an Zivilpersonen begangen hat, stellen ferner Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG und Art. 1 F Buchst. a GFK dar. Als ein solches Verbrechen werten Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Statuts und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs jede vorsätzliche Tötung, wenn sie im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen wird. Zusätzlich fordert Art. 7 des Rom-Statuts, dass Handlungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 mehrfach und in Kenntnis des Angriffs begangen worden sein müssen und sie in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik einer Organisation erfolgten, die einen solchen Angriff zum Ziel hat. Wenn die PKK ihre Angriffe in mehreren Fällen (so z.B. in Pìnarcìk, Peçenek und Tasdelen) so durchgeführt hat, dass die Angehörigen von Dorfschützern den größten Teil der Opfer bildeten (Heinrich, a.a.O., S. 55), so lässt dieses Vorgehen Methode erkennen und muss deshalb als "systematisch" im Sinn von Art. 7 Abs. 1 des Rom-Statuts und § 7 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuchs gewertet werden. Da diese Anschläge zudem erkennbar dem Ziel dienten, Kurden von der Übernahme des Dorfschützeramtes abzuhalten und bereits aktive Dorfschützer für ihre Kooperation mit dem türkischen Staat zu bestrafen, dienten sie im Sinn von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a des Rom-Statuts der Durchsetzung der Politik der PKK. Lässt man es in Übereinstimmung mit der Nummer 13 der Richtlinien des UNHCR vom 4. September 2003 genügen, dass ein einzelnes Tötungsverbrechen Bestandteil eines kohärenten Systems oder einer Reihe systematischer und wiederholter Handlungen ist, so würde das damalige Vorgehen der PKK gegen die Angehörigen von Dorfschützern diese Voraussetzung ebenfalls erfüllen.

Taugliche Täter von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, wie sich auch aus Art. 27 Abs. 1 Satz 1 des Rom-Statuts ergibt, nicht nur Personen, die in einem Staatswesen eine amtliche Funktion innehaben. Denn die Möglichkeit der Verfolgung derartigen Unrechts kann nicht davon abhängen, ob der Täter als Repräsentant einer Staatsgewalt gehandelt hat, oder ob einschlägige Delikte - wie in der Lebenswirklichkeit gleichfalls häufig zu verzeichnen - von in Opposition zur Staatsgewalt stehenden Kräften verübt wurden. Der Auffassung, die in Art. 1 F Buchst. a GFK bezeichneten Verbrechen könnten nur Personen verüben, die eine hohe Stellung innerhalb der Machtstruktur eines politischen Systems innehaben und einen Staat oder ein staatsähnliches Gebilde vertreten (Marx, a.a.O., RdNr. 21 zu § 3), kann deshalb nur insoweit gefolgt werden, als Verbrechen gegen den Frieden in Frage stehen.

1.2.2.2 Die in Abschnitt 1.2.1 referierten Verhaltensweisen der PKK stehen ferner in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG, Art. 1 F Buchst. c GFK).

Welche Handlungen mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen unvereinbar sind, ergibt sich nicht nur aus der Präambel sowie den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (so Art. 12 Abs. 2 Buchst. c QRL), sondern auch aus denjenigen Resolutionen der Vereinten Nationen, in denen die Unvereinbarkeit bestimmter Verhaltensformen mit den Zielen und Grundsätzen dieser internationalen Organisation festgestellt wurde (vgl. den Erwägungsgrund 22 der Qualifikationsrichtlinie). Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang vor allem der Resolution 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 28. September 2001 zu, in deren Nummer 5 ausgesprochen wurde, dass sowohl die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus als auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen. Da der Sicherheitsrat die Resolution 1373 auf der Grundlage des Kapitels 7 der Charta der Vereinten Nationen erlassen hat, entfaltet sie unmittelbar normative Wirkung (Herdegen, Völkerrecht, 7. Aufl. 2008, § 20, RdNr. 3).

Obgleich es bisher an einer völkerrechtlich anerkannten Definition fehlt, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind (vgl. BVerwG vom 14.10.2008 Az. 10 C 48.07, RdNr. 20), steht doch außer Frage, dass jedenfalls Angriffe auf das Leben "unschuldiger Menschen" (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) auch aus der Sicht der Vereinten Nationen zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten gehören, die als terroristisch eingestuft werden müssen. Denn in zahlreichen der Resolutionen der Generalversammlung, in denen der Terrorismus verurteilt bzw. zu seiner Bekämpfung aufgerufen wurde, wird auf die Verflechtung zwischen terroristischen Aktivitäten und dem Verlust an unschuldigen Menschenleben hingewiesen (vgl. z.B. den dritten Erwägungsgrund der Resolution 36/109 vom 10.12.1981: "Deeply concerned over continuing acts of international terrorism which take a toll of innocent human lives"; ähnlich der vierte Erwägungsgrund der Resolution 40/61 vom 9.12.1985: "Deeply concerned about the world-wide escalation of acts of terrorism in all its forms, which endanger or take innocent human lives"; vgl. ferner die wortgleichen Formulierungen im achten bzw. siebten Erwägungsgrund der Resolutionen 44/29 vom 4.12.1989 und 46/51 vom 9.12.1991: "Deeply disturbed by the world-wide persistance of acts of international terrorism in all its forms, ..., which endanger or take innocent lives"; ebenso der zweite Erwägungsgrund der Anlage zur Resolution 49/60 vom 9.12.1994). Auch wenn Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen grundsätzlich nur empfehlenden Charakter besitzen, so können sie insbesondere dann, wenn es - wie hier - zu einer Abfolge inhaltlich deckungsgleicher Resolutionen kommt, als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft verstanden werden (vgl. Herdegen, a.a.O., § 20, RdNr. 2).

Dass Angriffe auf das Leben Unbeteiligter in Verfolgung politischer Ziele neben dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen als eine Erscheinungsform terroristischen Handelns anzusehen sind, entspricht auch gefestigter Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 30.3.1999 BVerwGE 109, 12/20; vom 15.3.2005 BVerwGE 123, 114/129 f.; vom 14.10.2008, a.a.O., RdNr. 20).

Nach Auffassung des Rates der Europäischen Union sind vorsätzliche Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person dann als terroristische Handlungen anzusehen, wenn sie durch ihre Art oder ihren Kontext ein Land ernsthaft schädigen können, sie im innerstaatlichen Recht als Straftaten definiert sind und sie u. a. mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27.12.2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus [2001/931/GASP], ABl. EG Nr. L 344 vom 28.12.2001, S. 93). Die von der PKK zwischen 1987 und der Jahresmitte 1991 verübten Morde erfüllen angesichts ihrer Auswirkungen auf die Sicherheitslage zumal in der Südosttürkei sowie die Bereitschaft der dortigen Bevölkerung, sich als Dorfschützer in den Dienst des Staates zu stellen, diese Voraussetzungen.

Sollten von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG und Art. 1 F Buchst. c GFK nur Handlungen erfasst werden, die dem internationalen Frieden und der zwischenstaatlichen Völkerverständigung zuwiderlaufen (vgl. zu den insoweit vertretenen, divergierenden Auffassungen BVerwG vom 14.10.2008, a.a.O., RdNr. 24), so hätten die von der PKK in der Zeit von 1987 bis zur Jahresmitte 1991 unternommenen terroristischen Aktionen solche Auswirkungen gezeitigt, da sowohl die türkischen als auch die irakischen Streitkräfte die damaligen Aktivitäten der PKK zum Anlass für Angriffe auf das Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates genommen haben (vgl. den zweiten Absatz in Abschnitt 1.2.2.1 dieses Urteils).

Täter von Handlungen, die in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen, kann grundsätzlich jedermann sein (OVG RhPf vom 6.12.2002 NVwZ-RR 2003, 596/597; Hailbronner, Ausländerrecht, RdNr. 28 zu § 3 AsylVfG; Zimmermann, a.a.O., S. 1485). Einer Beschränkung des Anwendungsbereichs dieses Ausschlussgrundes auf Personen, die eine Machtposition in einem Staat oder in einem staatenähnlichen Gebilde innehaben (so Nummer 17 der Richtlinien des UNHCR vom 4.9.2003; Marx, a.a.O., RdNr. 51 zu § 3; wohl auch OVG NRW vom 27.3.2007 Az. 8 A 4728/05.A, Juris, RdNr. 132), steht der klar erkennbare Wille der Generalversammlung und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen entgegen, alle Formen der Involvierung in den Terrorismus zu ächten und die den Staaten namentlich in der Resolution 1373 des Sicherheitsrates auferlegten Verpflichtungen zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus möglichst umfassende Wirksamkeit zu verschaffen.

Bereits die Verurteilungen des Terrorismus, die sich in den jeweiligen Nummern 1 der Resolutionen der Generalversammlung vom 9. Dezember 1985 (Nr. 40/61), vom 7. Dezember 1987 (Nr. 42/159), vom 4. Dezember 1989 (Nr. 44/29), vom 9. Dezember 1991 (Nr. 46/51) und in der Nummer 1 der Anlage zur Resolution vom 9. Dezember 1994 (Nr. 49/60) finden, hielten ausdrücklich fest, dass sie sich auf alle Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus beziehen, "wo und durch wen immer sie begangen wurden". Die Resolution 1269 des Sicherheitsrates vom 19. Oktober 1999 wiederholte diese Verurteilung mit identischen Worten. Wenn der Sicherheitsrat sodann in der Resolution 1373 u. a. die Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu als mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen unvereinbar erklärte, so kann sich diese Aussage nicht nur auf Personen bezogen haben, die Machtpositionen in einem staatlichen oder staatsähnlichen Apparat bekleiden; denn die Geldgeber und Drahtzieher des Terrorismus finden sich zu einem erheblichen Teil nicht in Politik, Militär und Verwaltung. Die in der Nummer 3 Buchst. f und g der Resolution 1373 statuierte Verpflichtung, sich vor der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus über eine etwaige Verstrickung des Asylsuchenden in den Terrorismus zu vergewissern und sicherzustellen, dass der Flüchtlingsstatus nicht in Zusammenhang mit terroristischen Handlungen missbraucht wird, richtet sich zwar unmittelbar an die Staaten. Der Sache nach setzen die Vereinten Nationen damit aber voraus, dass es den einzelnen Individuen auch kraft Völkerrechts verboten ist, terroristische Handlungen zu begehen, sie zu planen, zu erleichtern, zu organisieren oder sich daran zu beteiligen. Auch die den Staaten in der Nummer 2 Buchst. c der Resolution 1373 auferlegte Verpflichtung, u. a. denjenigen Personen einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern, die den Tätern terroristischer Handlungen Unterschlupf gewähren, setzt erkennbar voraus, dass Privatpersonen - unabhängig von einzelstaatlichen Normierungen - dann rechtswidrig handeln, wenn sie Terroristen beherbergen.

1.2.2.3 Bei den von der PKK zwischen 1987 und der Jahresmitte 1991 an Zivilpersonen begangenen Morden handelt es sich ferner um schwere nichtpolitische Straftaten im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG bzw. um schwere nichtpolitische Verbrechen im Sinn von Art. 1 F Buchst. b GFK.

Dass Morde schwerwiegende Delikte im Sinn dieser Bestimmungen darstellen (so auch die Nummer 14 der Richtlinien des UNHCR vom 4.9.2003), steht außer Frage, da sie nach den insoweit maßgeblichen internationalen Standards (vgl. auch diesbezüglich die Nummer 14 der Richtlinien vom 4.9.2003) in wohl allen Rechtsordnungen mit besonders gravierenden Strafen bedroht sind. Obwohl die PKK mit der vorsätzlichen Tötung von Zivilisten ein politisches Ziel - nämlich die Loslösung der kurdischen Siedlungsgebiete aus dem türkischen Staatsverband - verfolgte, handelt es sich bei diesen Taten um Delikte "nichtpolitischer" Art im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG und Art. 1 F Buchst. b GFK.

Die diesen Bestimmungen zugrunde liegende Unterscheidung zwischen politischen und nichtpolitischen Delikten ist vor dem Hintergrund der historisch gewachsenen Rechtsauffassung zu verstehen, dass politischen Straftätern - anders als nicht politisch motivierten Kriminellen - grundsätzlich der Schutz des Asyl-, Flüchtlings- und Auslieferungsrechts zugute kommen soll. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Durchbrechung in Bezug auf bestimmte politisch motivierte Verbrechen, deren Begehung von nationalen oder supranationalen Normgebern mit einem gesteigerten Unwerturteil belegt wird. Die Einordnung derartiger politischer Delikte als "nichtpolitisch" erweist sich damit als Ausdruck der Wertung der jeweiligen Rechtsgemeinschaft, gewissen Straftätern die Inanspruchnahme des Asyl-, Flüchtlings- oder Auslieferungsrechts wegen der besonderen Verwerflichkeit ihres Verhaltens zu verwehren. Zu den Taten, die dergestalt geächtet werden, gehören jedenfalls die - auch politisch motivierte - vorsätzliche Tötung und Verwundung von Menschen, die sich nicht an Kampfhandlungen beteiligen, sowie Delikte, die unter Verwendung gemeingefährlicher Mittel begangen wurden. Der Unterstellung, bei den Tätern solcher Verbrechen liege ein Motivbündel vor, innerhalb dessen die nichtpolitischen Beweggründe überwiegen würden (so aber Nummer 15 der Richtlinien des UNHCR vom 4.9.2003), bedarf es mithin nicht.

a) Den Kernbestand des Asylrechts bilden in rechtsgeschichtlicher Sicht die Auslieferungsverbote (vgl. BVerfG vom 10.7.1989 BVerfGE 80, 315/336). Diese galten seit dem 19. Jahrhundert zugunsten der "politischen" Straftäter, also solcher Ausländer, die ihre oppositionelle politische Überzeugung betätigt und hierbei gegen Strafgesetze verstoßen hatten, mit denen ihr Heimatstaat seine politische Grundordnung und seine territoriale Integrität verteidigte (BVerfG vom 10.7.1989, a.a.O., S. 336 f.). Bereits § 3 des Deutschen Auslieferungsgesetzes vom 23. Dezember 1929 (RGBl. I S. 239), der in seinen Absätzen 1 und 2 das Verbot der Auslieferung wegen politischer Straftaten normierte, ließ in Absatz 3 jedoch eine Ausnahme von dieser Regel dann zu, "wenn sich die Tat als ein vorsätzliches Verbrechen gegen das Leben darstellt, es sei denn, dass sie im offenen Kampf begangen ist." Der heimtückisch handelnde Mörder genoss mithin auch dann keinen Auslieferungsschutz, wenn seine Tat politisch motiviert war.

b) Wesentlich ausgeweitet wurde der Kreis der Delikte, die nicht als politische Straftaten, als damit zusammenhängend oder auf politischen Beweggründen beruhende Taten gewertet wurden, durch das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 (BGBl. 1978 II S. 322). Art. 1 dieses Abkommens nennt insoweit u. a. Straftaten, bei deren Begehung eine Bombe, Handgranate, Rakete, eine automatische Schusswaffe oder Sprengstoff verwendet werden, sofern hierdurch Personen gefährdet werden (Art. 1 Buchst. e). Art. 2 des gleichen Übereinkommens ermächtigt die Vertragsstaaten, darüber hinaus zu bestimmen, dass auch nicht unter Art. 1 fallende schwere Gewalttaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit einer Person sowie schwere gegen Sachen gerichtete Straftaten, wenn hierdurch eine Gemeingefahr für Personen entsteht, nicht als politische Straftaten sowie als damit zusammenhängende oder auf politischen Beweggründen beruhende Straftaten angesehen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Regelungsmöglichkeit in Art. 2 des Gesetzes vom 28. März 1978 (BGBl. II S. 321) dergestalt Gebrauch gemacht, dass Taten im Sinn von Art. 2 Abs. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus dann als "nichtpolitische" Delikte anzusehen sind, wenn sie bei Abwägung aller Umstände, insbesondere der Beweggründe des Täters sowie der Art ihrer Ausführung und ihrer verschuldeten Auswirkungen, kein angemessenes Mittel darstellen, um das mit ihnen erstrebte Ziel zu erreichen. Das ist nach Art. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 28. März 1978 in der Regel dann der Fall, wenn durch die Tat der Tod oder eine schwere Körperverletzung des Opfers verursacht wurde, die Tat das Leben oder die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet hat oder sie grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln begangen wurde.

c) Dass u. a. Mord und Totschlag sowie die Beteiligung hieran einer Auslieferung auch dann nicht entgegenstehen, wenn der Täter wegen einer "politischen" Tat gesucht wird, bringt heute § 6 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. Dezember 1982 (BGBl. I S. 2071), das mit Wirkung ab dem 1. Juli 1983 an die Stelle des Deutschen Auslieferungsgesetzes getreten ist, zum Ausdruck.

d) Im Urteil vom 10. Juli 1989 (a.a.O., S. 339) hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass die Asylverheißung für politische Straftäter ihre Grenze dort findet, wo das Tun des Asylsuchenden wegen der von ihm eingesetzten Mittel von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt wird. Diese Grenze ist überschritten, wenn der Asylsuchende seine politische Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel betätigt hat, also insbesondere unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter (BVerfG vom 10.7.1989, ebenda).

Damit aber kommt dem Gesichtspunkt, dass eine Verhaltensweise als "terroristisch" zu qualifizieren ist, nicht nur im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG und des Art. 1 F Buchst. c GFK, sondern auch bei der Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG und des Art. 1 F Buchst. b GFK Bedeutung zu (vgl. dazu auch BVerwG vom 14.10.2008, a.a.O., RdNr. 20). Der UNHCR geht in der Nummer 15 der Richtlinie vom 4. September 2003 ebenfalls davon aus, dass Gewalttaten von der Art, die gemeinhin als "terroristisch" bezeichnet werden, zumindest in der Regel als schwere nichtpolitische Verbrechen im Sinn von Art. 1 F Buchst. c GFK gewertet werden müssen.

Die im vorstehenden Abschnitt 1.2.1 erwähnten Straftaten, bei denen Zivilisten entweder getötet oder schwer verletzt wurden, müssen trotz der politischen Motivation der handelnden Personen nach alledem als nichtpolitische Delikte im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG und Art. 1 F Buchst. b GFK angesehen werden. Wenn die PKK zum Zweck der Ermordung von Bewohnern Pìnarcìks u. a. Handgranaten und Maschinengewehre eingesetzt hat, so zeigt das, dass sie auch vor dem Gebrauch gemeingefährlicher Mittel der in Art. 1 Buchst. e des Europäischen Abkommens zur Bekämpfung des Terrorismus bezeichneten Art nicht zurückschreckte.

1.2.3 Es lässt sich nicht nachweisen, dass der Kläger auch nur an einer der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und Art. 1 F GFK tatbestandsmäßigen Handlungen, die Aktivisten der PKK zwischen seinem Beitritt zu dieser Organisation und seiner Festnahme am 11. Juni 1991 begangen haben, als (Mit-)Täter oder als Gehilfe im strafrechtlichen Sinne beteiligt war. Insbesondere lässt sich nicht dartun, dass er positiv Kenntnis davon hatte, dass eine der Nachrichten oder Waffen, die er damals nach eigener Darstellung für die PKK befördert hat, die Begehung einer solchen Straftat ermöglichen oder erleichtern sollte, oder dass die Freischärler, denen er bei der Orientierung im Gelände Hilfe leistete, sich auf dem Weg zu einem solchen Verbrechen befanden. Der in § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG verwendete Begriff der Beteiligung "in sonstiger Weise" an den in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG aufgeführten Handlungen muss im Licht der einschlägigen international-rechtlichen Bestimmungen jedoch so verstanden werden, dass dafür jedes aktive Mitwirken in einer Gruppierung ausreicht, die von § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG erfasste Handlungen plant, sofern der Betroffene diese generelle Absicht der Gruppe kennt, sein Beitrag objektiv geeignet ist, derartige Handlungen zu fördern, und die Unterstützungshandlung im Wissen darum vorgenommen wird, dass durch sie u. U. einer von § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG erfassten Verhaltensweise objektiv Vorschub geleistet wird.

Die Notwendigkeit, im Rahmen des § 3 Abs. 2 AsylVfG von einem weit gefassten Beteiligungsbegriff auszugehen, folgt zunächst aus der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft, bei der Ausgestaltung sowohl des nationalen als auch des gemeinschaftsrechtlichen Flüchtlingsrechts den Handlungs- und Unterlassungsgeboten Rechnung zu tragen, die sich aus den Resolutionen 1269 und 1373 des Sicherheitsrates ergeben. Aus ihnen lässt sich der Wille des Sicherheitsrates entnehmen, den Kreis der Handlungen, bei deren Vornahme eine Person als in den Terrorismus verstrickt angesehen wird, so weit wie möglich zu fassen. Bereits die Resolution 1269 erwähnte neben dem "Begehen" terroristischer Handlungen als Arten entfernterer Mitwirkung das "Vorbereiten" und "Finanzieren" (vgl. Nr. 4, zweites Tiret), das "Planen" (Nr. 4, drittes Tiret) derartiger Delikte sowie die (sonstige) "Beteiligung" an ihnen (Nr. 4, viertes Tiret). Die Resolution 1373 erweiterte die Formen möglicher Involvierung um die versuchte Begehung terroristischer Handlungen (Nr. 1 Buchst. c und d), ihre "Erleichterung" (Nr. 1 Buchst. c und d, Nr. 2 Buchst. d, Nr. 3 Buchst. f und g), ihre "Unterstützung" (Nr. 2 Buchst. c), das "Organisieren" terroristischer Handlungen (Nr. 3 Buchst. g) sowie das Gewähren von Unterschlupf (Nr. 2 Buchst. c). Die gesonderte Erwähnung des Vorbereitens, Unterstützens, Planens, Organisierens, Finanzierens, Erleichterns und Unterschlupfgewährens neben den Handlungsmodalitäten des "Begehens" und des "Sich-Beteiligens" kann nur so verstanden werden, dass nicht nur Betätigungen erfasst werden sollten, die aus der Sicht des (deutschen) Strafrechts als Beihilfe zu terroristischen Handlungen zu qualifizieren sind, sondern dass die Resolution auch Verhaltensmodalitäten in ihren Regelungsgehalt einbezieht, die strafrechtlich deshalb noch keine Beihilfe darstellen, weil der Handelnde die Tat, deren Begehung er fördert, nicht einmal in groben Umrissen kennt. Denn terroristische Aktivitäten "erleichtert" z.B. auch, wer eine Infrastruktur schafft, die der Begehung von Terrorakten förderlich ist (z.B. in Gestalt eines Vorrätighaltens von als Zufluchts- oder Ruheorte bzw. als Waffendepots geeigneten Räumen), ohne dass er bereits weiß, welcher konkrete Täter zu welcher Zeit diese Infrastruktur zur Vorbereitung oder im Nachgang zu welcher Tat nutzen wird. Da das Gewähren von Unterschlupf an einen Terroristen aus strafrechtlicher Sicht ebenfalls nicht notwendig Beihilfe zu einer begangenen oder zu begehenden Tat darstellen muss (sie kann, wenn die Tat bereits beendet ist, auch als Begünstigung oder Strafvereitelung zu werten sein), deutet die Erwähnung dieses Tuns gleichfalls darauf hin, dass der Regelungsgehalt der Resolution 1373 über diejenigen Verhaltensformen hinausreicht, die nach deutschem strafrechtlichem Verständnis als "Beteiligung" an einer Tat im Sinn von § 28 Abs. 2 StGB (d.h. als Täterschaft oder Teilnahme) zu werten sind.

In Übereinstimmung mit dem Ansatz, der den Resolutionen 1269 und 1373 des Sicherheitsrates zugrunde liegt, geht auch das internationale Strafrecht davon aus, dass eine Person für von der Staatengemeinschaft geächtete Verbrechen u. a. dann zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn ihre Mitwirkung die Schwelle zur Beihilfe im strafrechtlichen Sinn nicht erreicht hat. Art. 25 des Rom-Statuts kennt als Formen der individuellen Verantwortlichkeit einer Person für Verbrechen, die der Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs unterliegen, die Täterschaft (und zwar als unmittelbare, Mit- und mittelbare Täterschaft; vgl. Art. 25 Abs. 3 Buchst. a), das Anordnen, Auffordern und Anstiften zu einem solchen Verbrechen (Art. 25 Abs. 3 Buchst. b) sowie die "Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei seiner Begehung oder versuchten Begehung" (Art. 25 Abs. 3 Buchst. c). Die in Art. 25 Abs. 3 des Rom-Statuts enthaltene Aufzählung der Voraussetzungen, unter denen eine Person im Sinn von Art. 25 Abs. 2 dieses Statuts für die Begehung eines der Jurisdiktion des Gerichtshofs unterliegenden Delikts individuell verantwortlich ist, erschöpft sich indes nicht in der Erwähnung dieser drei, den Beteiligungsformen des deutschen Strafrechts im Wesentlichen entsprechenden Fallgestaltungen. Nach Art. 25 Abs. 3 Buchst. d Ziff. i des Rom-Statuts macht sich eine Person vielmehr auch dann strafbar, wenn sie "auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt", sofern ihr Beitrag vorsätzlich und mit dem Ziel geleistet wurde, die (der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs unterfallende) kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit derartiger völkerstrafrechtlicher Regelungen im Rahmen des Art. 1 F Buchst. a GFK Zimmermann, a.a.O., S. 1481).

Die in der Nummer 18 der Richtlinien des UNHCR vom 4. September 2003 erhobene Forderung, ein Ausschluss des flüchtlingsrechtlichen Schutzanspruchs sei nur gerechtfertigt, wenn die "persönliche Verantwortung" für ein Verbrechen nach Art. 1 F GFK nachgewiesen sei, muss vor dem Hintergrund der Vorgaben der Resolutionen 1269 und 1373 des Sicherheitsrats und angesichts der im internationalen Strafrecht erfolgten Ausweitung des Teilnahmebegriffs auf Unterstützungshandlungen, die sich noch nicht als Beihilfe zu einer bestimmten Straftat darstellen, im Einklang mit dem Begriff der "individuellen Verantwortung" verstanden werden, wie er nach dem Vorgesagten Art. 25 Abs. 2 des Rom-Statuts zugrunde liegt. Hiervon geht nach dem Verständnis des Senats auch der UNHCR aus. Denn bereits in der Nummer 18 der Richtlinien vom 4. September 2003 wurde die vorstehende Aussage dahingehend eingeschränkt, dass eine "persönliche Verantwortung" nur im Allgemeinen voraussetzt, dass der Betroffene die Straftat (selbst) begangen oder er in dem Bewusstsein, dass seine Handlung oder Unterlassung die Ausübung des Verbrechens erleichtern würde, wesentlich zu seiner Durchführung beigetragen hat. In den Nummern 19 und 26 der gleichen Richtlinie wurde sodann anerkannt, dass die Ziele, Aktivitäten und Methoden mancher Gruppen so außerordentlich gewalttätig sind, dass aus der freiwilligen Mitgliedschaft in einer solchen Gruppierung die Vermutung einer persönlichen Verantwortung abgeleitet werden kann.

Grundsätzlich zu Recht fordert der UNHCR in diesem Zusammenhang allerdings, dass eine Person nur dann für von Art. 1 F GFK erfasste Verhaltensweisen einer Organisation verantwortlich gemacht werden kann, wenn der Betroffene freiwillig Mitglied einer solchen Gruppierung war (vgl. auch dazu Nummer 26 der Richtlinie vom 4.9.2003). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht hat, sein Beitritt zur PKK sei "nicht so richtig freiwillig" erfolgt, muss diese - ohnehin nur halbherzig aufgestellte - Behauptung als unglaubhaft angesehen werden. Dafür spricht nicht nur, dass der Kläger nicht dargetan hat, durch wen er gezwungen wurde, sich der PKK anzuschließen. Auch der Umstand, dass er dieser Organisation alsbald nach seiner Entlassung aus der Strafhaft erneut beigetreten ist, deutet darauf hin, dass er ihr bereits in den Jahren von 1987 bis 1991 aufgrund eigener politischer Überzeugung angehört hat. Generell kann den Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deshalb nicht gefolgt werden, weil sie erkennbar von dem Bestreben getragen sind, sein Verhältnis zur PKK und die Rolle, die er in ihr bekleidet hat, in möglichst harmlosem Licht erscheinen zu lassen. Während er z.B. bei der Anhörung vor dem Bundesamt sein vorgebliches Ausscheiden aus dieser Organisation im Sommer 2004 damit begründete, dass es zu einer Abweichung von der politischen Linie gekommen sei und sich die PKK in der vorangegangenen, von dem "Waffenstillstand" mit dem türkischen Staat geprägten Zeit nicht mehr für die Freiheit des kurdischen Volkes eingesetzt habe (er mit anderen Worten einen entschlossener geführten Kampf für geboten hielt), motivierte er diesen angeblichen Schritt vor dem Verwaltungsgericht mit dezidiert gegenläufigen Beweggründen (nämlich mit einem Hinweis auf die seinerzeit geführte Diskussion über eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes, seine enttäuschte Hoffnung auf einen Friedensschluss und seinen Wunsch nach einem "normalen", ruhigen Leben). Das kann nur so verstanden werden, dass der Kläger aufgrund der ihm im Bescheid des Bundesamtes entgegengehaltenen Vorschrift des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG a.F. bestrebt war, sein Verhalten so darzustellen, dass der Anwendung der flüchtlingsrechtlichen Ausschlussklausel auf ihn die tatsächliche Grundlage entzogen werden sollte. Die erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgebrachte Andeutung, er sei in gewisser Weise unfreiwillig Mitglied der PKK geworden, muss ebenfalls vor diesem Hintergrund gesehen werden.

Auch das Bundesverwaltungsgericht geht offenbar davon aus, dass die flüchtlingsrechtlichen Ausschlusstatbestände nicht nur durch Personen verwirklicht werden können, die Täter oder - im strafrechtlichen Sinn - Teilnehmer eines einschlägigen Delikts sind. Denn im Beschluss vom 14. Oktober 2008 (a.a.O., RdNr. 21) hat es zur näheren Erläuterung des Obersatzes, der Schutzsuchende müsse für eine "schwere nichtpolitische Straftat" persönlich verantwortlich sein, in Anknüpfung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1989 (a.a.O., S. 339) ausgeführt, von den Ausschlussklauseln würden außer aktiven Terroristen und Teilnehmern im strafrechtlichen Sinn auch Personen erfasst, die im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten vorgenommen haben. Für den Bereich des deutschen Asylgrundrechts setzte mithin auch das Bundesverfassungsgericht voraus, dass bereits Verhaltensformen, die noch im Vorfeld der Anstiftung oder Beihilfe zu terroristischen Taten liegen, einem Schutzanspruch nach dieser Verfassungsbestimmung entgegenstehen können. Im Beschluss vom 25. April 1991 (DVBl 1991, 697/698) ließ das Bundesverfassungsgericht ferner erkennen, dass es genügen kann, wenn Unterstützungshandlungen für eine terroristische Organisation (auch in jener Entscheidung war über Aktivitäten zu befinden, die zugunsten der PKK entfaltet worden waren) terroristische Handlungen "abstrakt" fördern oder sie ein vom Terrorismus geprägtes Klima verschärfen. Das bloße Bekunden von Sympathie, die einseitige Parteinahme, das Werben um Verständnis für die von politisch Gleichgesinnten verfolgten politischen Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung des "Meinungsklimas" ausgerichtete Verhaltensweisen sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts demgegenüber noch nicht geeignet, einen Asylanspruch auszuschließen (BVerfG vom 20.12.1989 BVerfGE 81, 142/153).

Wenn in Art. 12 Abs. 3 QRL bestimmt wurde, dass Art. 12 Abs. 2 QRL u. a. auf Personen Anwendung findet, die sich "in sonstiger Weise" an den in Art. 12 Abs. 2 QRL genannten Handlungen beteiligen, so wollte der gemeinschaftsrechtliche Normengeber damit ebenfalls Verhaltensmodalitäten einbeziehen, die über den Beihilfetatbestand im Sinn der strafrechtlichen Terminologie hinausgehen. Denn der Wortlaut der englischen und französischen Fassung des Art. 25 Abs. 3 Buchst. c und d des Rom-Statuts (abgedruckt in BGBl. 2000 II, S. 1413) zeigt, dass außer dem Deutschen auch die beiden Arbeitssprachen der Europäischen Gemeinschaft terminologisch zwischen dem in Art. 25 Abs. 3 Buchst. c geregelten Rechtsinstitut der Beihilfe und der in Art. 25 Abs. 3 Buchst. d behandelten Rechtsfigur des "in sonstiger Weise" geleisteten Beitrags zu einem Verbrechen unterscheiden. Hätte der gemeinschaftsrechtliche Richtliniengeber in Art. 12 Abs. 3 QRL nur die Beihilfe im strafrechtlichen Sinne erfassen wollen, hätte es deshalb nahe gelegen, auf die auch außerhalb des Deutschen verfügbaren Begriffe zur Umschreibung von Beihilfe zurückzugreifen; das ist indes gerade nicht geschehen.

Dem Kläger mussten die zwischen 1987 und der Jahresmitte 1991 entfalteten terroristischen Aktivitäten der PKK und die Tatsache, dass Mitglieder dieser Organisation damals Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, bereits seinerzeit bekannt sein. Dieser Schluss rechtfertigt sich schon daraus, dass sich ein Teil der in Abschnitt 1.2.1 dieses Urteils geschilderten Vorfälle in der Provinz Mardin und damit in dem Gebiet der Türkei abspielte, aus dem der Kläger stammt, in dem er sich der PKK angeschlossen hat und in dem er seine Ausbildung an der Waffe erhielt (neben den von der PKK in Pìnarcìk und Hanin verübten Massakern fand zumindest auch der am 16.4.1990 durchgeführte, unter der Nummer 23331 der "Global Terrorism Database" aufgeführte, mit drei Toten und vier Verletzten einhergehende Anschlag auf eine Transporteinrichtung in der Provinz Mardin statt). Das Attentat auf Privatpersonen vom 5. Mai 1990, das zwei Todesopfer und einen Verletzten forderte (Nr. 20911 in der "Global Terrorism Database"), trug sich sogar unmittelbar in der Stadt Derik zu, in der der Kläger wenig später festgenommen wurde. Da Massaker von der Größenordnung, wie die PKK sie 1987 in Tasdelen, Pìnarcìk und Peçenek an Zivilisten begangen hat, in der Bevölkerung der betroffenen Region nicht ohne Resonanz bleiben können, muss ferner davon ausgegangen werden, dass der Kläger bereits vom Beginn seiner Mitgliedschaft in der PKK an wusste, einer Organisation anzugehören, die terroristische Verbrechen sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging.

Die Aktivitäten, die er ab 1987 bis zu seiner Festnahme am 11. Juni 1991 für die PKK entfaltet hat, waren geeignet, solche Straftaten zu unterstützen und zu erleichtern. Zugleich erfüllt sein damaliges Tun den Beteiligungstatbestand des Art. 25 Abs. 3 Buchst. d Ziff. i des Rom-Statuts. Da - wie im vorstehenden Abschnitt 1.2.1 ausgeführt - die Vornahme terroristischer Akte sowie die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seinerzeit das Vorgehen des bewaffneten Arms der PKK gerade im Südosten der Türkei (also in der Region, in der der Kläger damals für diese Organisation tätig war) kennzeichnete, muss er sich deren Verhalten auch nach der Auffassung des UNHCR, wie sie in den Nummern 19 und 26 der Richtlinien vom 4. September 2003 zum Ausdruck kommt, zurechnen lassen. Wenn er nach eigener Darstellung ab der Aufnahme seiner Betätigung für die PKK im Jahr 1987 bis zu dem 1989 erfolgten formellen Eintritt in die Reihen der "Kämpfer" zunächst als Nachrichtenkurier zwischen verschiedenen Guerillaeinheiten unterwegs war und er die Freischärler der PKK als Ortskundiger in der ländlichen Umgebung (gemeint erkennbar: seines Heimatortes) begleitete, so musste er damit rechnen, dass er mit dieser Tätigkeit nicht nur Angriffe der PKK auf die türkischen Streitkräfte, die Gendarmerie oder andere Organe des türkischen Staates förderte, die der PKK in kombattantenähnlicher Weise entgegentraten. Er musste vielmehr stets auch davon ausgehen, dass die Einheit, die er durch das ihm vertraute Gelände lotste, sich auf dem Weg zu einer Handlung befand, die als terroristischer Akt, als Kriegsverbrechen oder als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu qualifizieren ist, oder dass die Nachricht oder die Waffe, die er beförderte, der Durchführung einer solchen Straftat dienen sollte. Das musste sich ihm umso mehr aufdrängen, als er bei seiner Festnahme im Besitz einer Handgranate war, die er nach eigenem Bekunden für die PKK transportieren sollte. Derartige Waffen können zwar auch im offenen Kampf mit den Streitkräften und der Gendarmerie des türkischen Staates zum Einsatz gelangen. Da der Einsatz von Sprengmitteln wie Handgranaten andererseits zum klassischen Instrumentarium von Terroristen gehört, die eine möglichst große Zahl von Menschen töten oder verletzen wollen (vgl. ihre Erwähnung in Art. 1 Buchst. e des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus), und die PKK zumindest beim Massaker in Pìnarcìk tatsächlich Handgranaten eingesetzt hat, konnte der Kläger nie sicher sein, dass er nicht eine terroristische Aktion unterstützte, wenn er derartige Waffen transportierte.

Auf sich beruhen kann aus Anlass des vorliegenden Falles, ob Unterstützungshandlungen, die sich auf den geistig-intellektuellen Bereich beschränken oder sich in gewaltfreien Handlungen erschöpfen, ebenfalls die Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 AsylVfG und des Art. 1 F GFK nach sich ziehen. Denn der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt eingeräumt, eine Ausbildung auch an der Waffe erhalten zu haben. Dieser Umstand und seine Bereitschaft, gemeingefährliche Mittel wie eine Handgranate für die PKK zu transportieren, zeigen, dass er das Handlungsrepertoire der PKK in seiner Gesamtheit in seinen Willen aufgenommen hatte.

Nur ergänzend ist bei alledem anzumerken, dass § 3 Abs. 2 AsylVfG und Art. 1 F GFK nicht den strikten Nachweis fordern, dass eine Person tatsächlich eine der Handlungen begangen hat, die einer Anerkennung als Flüchtling entgegenstehen. Diese Bestimmungen begnügen sich vielmehr damit, dass aus schwerwiegenden Gründen eine dahingehende Annahme gerechtfertigt ist. Da § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG auf § 3 Abs. 2 Satz 1 in seiner Gesamtheit verweist, muss auch eine Anstiftung, eine Beihilfe oder eine sonstige Unterstützungsmaßnahme zu Handlungen im Sinne des Satzes 1 dann nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden, wenn jedenfalls ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Betroffene Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder (sonstige) terroristische Aktivitäten objektiv gefördert hat und ihm bewusst war, dass die Organisation, für die er tätig ist, von § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG bzw. Art. 1 F GFK erfasste Handlungen plant und sein Beitrag der Durchführung einer derartigen Tat förderlich sein konnte.

Der Umstand, dass der Kläger während eines Teils der Zeit, in der er vor dem 11. Juni 1991 der PKK angehörte, noch nicht volljährig war, führt nicht dazu, dass ihm insoweit die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG und des Art. 1 F GFK nicht entgegengehalten werden dürfen. Der UNHCR geht in der Nummer 28 der Richtlinien vom 4. September 2003 zu Recht davon aus, dass die Ausschlussklauseln auch für Minderjährige gelten, sofern sie - wie beim Kläger im Zeitpunkt seines Eintritts in die PKK bereits der Fall - strafmündig sind und sie die geistigen Fähigkeiten besitzen, um für ein Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Da der Kläger ausweislich des Eindrucks, den das erkennende Gericht von ihm in der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2008 gewinnen konnte, geistig regsam ist (darauf deuten auch seine ausgeprägte mündliche Darstellungsfähigkeit, wie sie bei den Anhörungen vor dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht deutlich wurde, und der Umstand hin, dass ihn die PKK als zur Übernahme von Führungsaufgaben befähigt angesehen hat), hätte ihm bei gehöriger Anspannung seines Gewissens bereits damals bewusst sein müssen, dass er durch sein Tun stets Gefahr lief, schwerem Unrecht Vorschub zu leisten.

1.2.4 Der vorliegende Fall erfordert keine Entscheidung der Frage, ob es für das Eingreifen des § 3 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG und des Art. 1 F GFK genügt, dass der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in der Vergangenheit verwirklicht hat (so nunmehr BVerwG vom 14.10.2008, a.a.O., RdNrn. 28 - 30), oder ob darüber hinaus erforderlich ist, dass vom Betroffenen weiterhin Gefahren ausgehen (so OVG RhPf vom 6.12.2002, a.a.O., S. 599; vom 10.3.2006 Az. 10 A 10665/05, Juris, RdNr. 35; OVG NRW vom 27.3.2007, a.a.O., RdNrn. 90 ff.). Denn im Fall des Klägers kann nicht davon gesprochen werden, er habe sich sowohl äußerlich endgültig und auf Dauer von der PKK abgewandt als sich auch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Aus der Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 19. März 2008 ergibt sich vielmehr, dass er am 16. Januar 2005 - mithin bereits kurz nach seiner Einreise in das Bundesgebiet - an einer Versammlung von Aktivisten des Kongra-Gel (einer Nachfolgeorganisation der PKK) in Nürnberg teilgenommen hat, die ein führender Funktionär des Kongra-Gel eröffnet hat und in deren Verlauf eine Gedenkminute für gefallene Kämpfer eingelegt sowie u. a. die Festnahme eines Kongra-Gel-Aktivisten in Stuttgart thematisiert sowie Planungen hinsichtlich beabsichtigter Demonstrationen und Protestaktionen besprochen wurden. Im Jahr 2006 fungierte der Kläger nach Darstellung des Landesamtes für Verfassungsschutz ferner als Leiter des Kongra-Gel-Gebiets Offenbach; daneben habe er ab 2006 eine Kontrollfunktion innerhalb des Kongra-Gel in Aschaffenburg ausgeübt. Seine Aufgabe habe vor allem darin bestanden, den Verkauf von Publikationen, das Einsammeln von Parteibeiträgen und den Verlauf einer Spendenkampagne zu überwachen.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet diese Angaben für zutreffend. Hierfür sprechen nicht nur ihre Detailgenauigkeit, sondern auch der Umstand, dass der Kläger der Darstellung des Landesamtes nur mit der pauschalen Einlassung entgegengetreten ist, die Auskunft vom 19. März 2008 beruhe auf falschen Angaben bzw. Bewertungen (vgl. das Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 9.4.2008). Einwände gegen die Ausführungen des Landesamtes hat er auch dann nicht vorgebracht, nachdem er mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juni 2008 unter Präklusionsandrohung hierzu aufgefordert worden war. Auch hat der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beantragt, den Beamten des Landesamtes, den das Gericht vorsorglich als Zeugen geladen hatte, über das Ob oder die Art seiner Betätigung für die PKK im Bundesgebiet einzuvernehmen. Das kann nur so verstanden werden, dass er der behördlichen Auskunft vom 19. März 2008 nichts entgegenzusetzen hat. Auch die Tatsache, dass der Kläger am Tag nach seiner Ankunft in München durch zwei Landsleute in Empfang genommen wurde, die beide bereits in Zusammenhang mit der PKK in Erscheinung getreten waren und die ihn erkennbar nach Düsseldorf hätten weiterschleusen sollen, spricht dafür, dass er nicht aus der PKK ausgetreten war, sondern er sich in ihrem Auftrag nach Deutschland begeben hat, um in ihrer Auslandsorganisation tätig zu sein. Damit aber kann bei ihm weder von einer äußeren noch einer inneren Distanzierung von dieser terroristischen Gruppierung gesprochen werden. Die von vorbehaltloser Sympathie getragenen Ausführungen, mit denen er sich in der Berufungserwiderung seiner Bevollmächtigten vom 2. Mai 2006 über die PKK äußerte ("sie ist die politische Ader, das politische Fundament und der politische Weg der in der Türkei lebenden oder in der Türkei geborenen Kurden gewesen"), bestätigen zusätzlich, in welchem Ausmaß er sich dieser Partei weiterhin verbunden weiß.

Der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz ein gegen den Kläger durchgeführtes Ermittlungsverfahren wegen Zuwiderhandlung gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz eingestellt hat, rechtfertigt keine gegenteilige Beurteilung. Denn die Einstellung erfolgte ausweislich des Schreibens dieser Behörde vom 2. Juli 2008 nicht deswegen, weil sich der gegen den Kläger bestehende Tatverdacht als unzutreffend oder als nicht beweisbar herausgestellt hat (unter dieser Voraussetzung hätte die Einstellung auf § 170 Abs. 2 StPO gestützt werden müssen), sondern nach § 153 b StPO (d.h. deswegen, weil die Staatsanwaltschaft und das zuständige Gericht die Voraussetzungen bejahten, unter denen von Strafe abgesehen werden kann).

Ist nach alledem aber davon auszugehen, dass der Kläger die Ziele der PKK nach wie vor - und nunmehr sogar als Funktionär - unterstützt, so kommt es auf die Frage 2, zu der das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2008 (a.a.O.) eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt hat, im gegebenen Fall nicht an. Sollte ein Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nämlich voraussetzen, dass von dem betroffenen Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgeht, so wäre dieses Erfordernis im vorliegenden Fall deshalb erfüllt, weil der Kläger die nach wie vor terroristisch agierende PKK (vgl. dazu S. 16 des Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei vom 11.9.2008, insbesondere den dort erwähnten Autobombenanschlag in Diyarbakir am 3.1.2008 mit sieben Toten - darunter sechs Schülern - und 67 zum Teil Schwerverletzten sowie das am 22.5.2007 in Ankara verübte Selbstmordattentat, dem neun Menschen zum Opfer fielen) in einer Weise unterstützt, die dem weiten Teilnahmebegriff des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG unterfällt. Denn wer - wie der Kläger - für eine solche Organisation das Einsammeln von Parteibeiträgen und den Verlauf einer Spendenkampagne überwacht, muss mit der Möglichkeit rechnen, dass die auf diese Weise akquirierten Gelder u. U. für Ziele verwendet werden, die einem der Tatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und des Art. 1 F GFK unterfallen.

Ebenfalls nicht vorgreiflich ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, soweit in ihrem Rahmen eine Antwort des Gerichtshofs auf den Teil der Vorlagefrage 1 im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (a.a.O.) zu erwarten ist, der sich mit der rechtlichen Bedeutung der Aufnahme einer Organisation in die von der Europäischen Union geführte Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind, befasst. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat seine Überzeugung, dass die PKK in den Jahren von 1987 bis 1991 eine terroristisch handelnde Organisation darstellte, nicht daraus hergeleitet, dass sie erstmals durch den Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 2. Mai 2002 (ABl. EG L 116 vom 3.5.2002, S. 75) in das Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgenommen wurde, für die der Gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP vom 27. Dezember 2001 (a.a.O.) gilt. Vielmehr hat das erkennende Gericht seine Überzeugung, dass das Agieren der PKK im Südosten der Türkei zwischen 1987 und 1991 wesentlich durch das Begehen von Handlungen geprägt war, die alle drei Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG und des Art. 1 F GFK erfüllen, durch Auswertung einschlägiger Quellen gewonnen. Unbehelflich ist im vorliegenden Rechtsstreit schließlich die im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2008 (a.a.O.) formulierte Vorlagefrage 5, weil der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits keinen Anspruch nach Art. 16 a Abs. 1 GG mehr geltend macht (der ihm wegen seiner Einreise auf dem Landweg gemäß Art. 16 a Abs. 2 AsylVfG zudem keinesfalls zusteht).

1.2.5 Ebenfalls dahinstehen kann, ob ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetzt, und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ausschluss ggf. unverhältnismäßig ist (vgl. die Vorlagefragen 3 und 4 im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.10.2008, a.a.O.). Führt man eine solche Prüfung nämlich vorsorglich durch (vgl. zur gebotenen Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anwendung des Art. 1 F GFK Nummer 24 der Richtlinien des UNHCR vom 4.9.2003), so ergibt sie, dass es keine unbillige Härte darstellt, wenn dem Kläger der Flüchtlingsstatus versagt bleibt.

Zu seinen Gunsten muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass dem Kläger - bezogen auf die Zeit von 1987 bis zum Juni 1991 - eine Verstrickung in den Terrorismus der PKK nur in Gestalt "sonstiger" Unterstützungshandlungen nachgewiesen werden kann, die im Vorfeld einer Beihilfe im strafrechtlichen Sinn verblieben sind. Nicht außer Betracht bleiben darf ferner, dass er diese Handlungen zum Teil noch in minderjährigem Alter vorgenommen und er wegen seiner Mitgliedschaft in der PKK von 1987 bis 1991 bereits eine knapp neunjährige Freiheitsstrafe verbüßt hat, der zusätzlich ein Polizeigewahrsam und eine Untersuchungshaft von mehr als sieben Monaten Dauer vorangingen. Ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden darf im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass die Aktivitäten des Klägers in der Zeit von 1987 bis 1991 zum Teil mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegen. Andererseits reichte die neuneinhalbjährige Inhaftierung des Klägers ersichtlich nicht aus, um seine Bindung an die PKK entfallen zu lassen. Nach seiner Freilassung schloss er sich ihr nicht nur alsbald erneut an, sondern übernahm in der Folgezeit in der deutschen Auslandsorganisation der PKK sogar eine Funktionärstätigkeit. Bereits diese Umstände reichen aus, um in seinem Fall die Versagung des Flüchtlingsstatus als verhältnismäßig ansehen zu können. Denn eine Person, die bereit ist, für eine schwerkriminelle, terroristische Organisation Opfer der hier in Frage stehenden Größenordnung auf sich zu nehmen, identifiziert sich mit ihren Zielen so stark, dass damit gerechnet werden muss, sie würde für diese Vereinigung aus gegebenem Anlass auch Handlungen vornehmen, die mit konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland einhergehen.

Der UNHCR geht im Übrigen ebenfalls davon aus, dass das bloße Verbüßen einer strafgerichtlich verhängten Sanktion nicht in allen Fällen ausreicht, um die Anwendung der Ausschlussklausel als ungerechtfertigt erscheinen zu lassen. Zu Recht sieht er es neben der Schwere der vom Betroffenen verübten Tat und der seit ihrer Begehung verstrichenen Zeit als maßgeblich an, ob der Betroffene sein Bedauern über die Verstrickung in Aktivitäten zum Ausdruck gebracht hat, die zumindest im Regelfall zum Verlust des flüchtlingsrechtlichen Schutzes führen (vgl. die Nummer 23 der Richtlinien vom 4.9.2003). Zu einem solchen Bedauern aber hat sich der Kläger bisher nicht verstanden.

Erschwerend kommt in seinem Fall hinzu, dass er die Behörden und Gerichte seines Gastlandes arglistig über die wahren Ziele getäuscht hat, derentwegen er sich nach Deutschland hat einschleusen lassen. Wenn er bei der Anhörung vor dem Bundesamt behauptete, er habe sich von der PKK distanziert, wolle keinen politischen Betätigungen mehr bei irgendwelchen Organisationen nachgehen und nicht einmal mehr Kontakt zu politischen Ideen haben, so entsprach das angesichts der Teilnahme an einer Kongra-Gel-Veranstaltung bereits zu Beginn des Jahres 2005 von Anfang an nicht der Wahrheit. Vorsätzlich über die wahren Beweggründe seines flüchtlingsrechtlichen Schutzbegehrens getäuscht hat der Kläger auch das Verwaltungsgericht, wenn er in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausführte, er wolle nichts mehr mit der PKK zu tun haben und nur noch ein normales, ruhiges Leben führen. Die Zielsetzung des § 3 Abs. 2 AsylVfG und des Art. 1 F GFK sowie der verpflichtende Auftrag, den der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Nummer 3, Buchst. f und g der Resolution 1373 erteilt hat, würden verfehlt, wollte man einem Ausländer, der seine wahren, auf fortgesetzte Unterstützung einer terroristischen Organisation gerichteten Absichten auf diese Weise verschleiert, den Flüchtlingsstatus zuerkennen.

Unverhältnismäßig ist eine Versagung dieser Rechtsstellung umso weniger, als sich ein Ausländer auch bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 AsylVfG und des Art. 1 F GFK auf Abschiebungshindernisse berufen kann, die sich zu seinen Gunsten ggf. aus § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 AufenthG ergeben. Er muss deshalb auch bei Anwendung der Ausschlussklauseln nicht befürchten, gegen seinen Willen in einen Staat verbracht zu werden, in dem er gefoltert, in sonstiger Weise menschenunwürdig behandelt oder hingerichtet wird bzw. erheblichen und konkreten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt ist. Zwar sieht Art. 17 Abs. 1 Buchst. a bis c, Abs. 2 QRL vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser unter Voraussetzungen, die mit den Tatbestandsmerkmalen des § 3 Abs. 2 AsylVfG und des Art. 1 F GFK weithin übereinstimmen, auch von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen ist. Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, einer Person dann den subsidiären Schutzstatus vorzuenthalten, wenn sie die Kriterien des Art. 12 Abs. 2 oder 3 QRL erfüllt, hindert jedoch die Zuerkennung subsidiären Abschiebungsschutzes, wie er sich in Deutschland aus § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 AufenthG ergibt, nicht (vgl. auch BVerwG vom 14.10.2008, a.a.O., RdNr. 33). Denn nach § 60 Abs. 11 AufenthG gehört Art. 17 QRL nicht zu den Bestimmungen, die für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (diese Bestimmungen entsprechen den drei Fallgestaltungen, bei deren Vorliegen gemäß Art. 15 QRL subsidiärer Schutz zu gewähren ist) gelten. Der deutsche Gesetzgeber hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der Flüchtlingsstatus nur im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts versagt werden darf (vgl. Nummer 3 Buchst. f der Resolution 1373 des Sicherheitsrates). Zu den zu beachtenden völkerrechtlichen Vorgaben gehört u. a. das Verbot der Abschiebung einer Person in einen Staat, in dem ihr Folter oder eine sonstige unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen (vgl. zum ausnahmslosen Geltungsanspruch des sich aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebenden Schutzanspruchs selbst gegenüber Personen, die im Aufnahmeland in besonders schwerer Weise straffällig geworden sind, EGMR vom 17.12.1996 NVwZ 1997, 1100/1101). Eine weitere Schranke für aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die wegen ihres unabdingbaren Charakters auch gegenüber Personen eingreift, denen aufgrund von Ausschlusstatbeständen der Flüchtlingsstatus verwehrt bleiben muss, ergibt sich aus dem Gebot, die Menschenwürde eines jeden Individuums zu achten (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Bestimmungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, die gerade auch auf erfolglose Asylbewerber ohne Rücksicht auf die Versagung asylrechtlichen Verfolgungsschutzes anzuwenden sind (BVerwG vom 30.3.1999 BVerwGE 109, 1/5 zu den in § 53 AuslG enthaltenen Vorläuferregelungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG), begrenzen mithin die Folgen einer Entscheidung nach § 3 Abs. 2 AsylVfG bzw. nach Art. 1 GFK. Der sich aus Art. 17 Abs. 1 und 2 QLR ergebenden Verpflichtung, den subsidiären Schutzstatus zu versagen, hat die Bundesrepublik Deutschland insoweit Rechnung getragen, als einer Person, die einen der Tatbestände des Art. 17 Abs. 1 oder 2 QRL verwirklicht hat, gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch dann keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, wenn zu ihren Gunsten ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG eingreift.

2. Im Fall des Klägers ist jedoch keiner der vorgenannten Absätze des § 60 AufenthG erfüllt.

2.1 § 60 Abs. 3 AufenthG kann schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Todesstrafe in der Türkei vollständig abgeschafft ist (vgl. S. 27 des Lageberichts vom 11.9.2008).

2.2 Da der Kläger nach einer Rückkehr in die Türkei dort eine langjährige Haftstrafe wird verbüßen müssen, ist es ausgeschlossen, dass er im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt ist, die sich aus den seit dem Jahr 2004 wieder ausgebrochenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften für die Zivilbevölkerung ggf. ergibt (vgl. zu den Auswirkungen dieses innerstaatlichen Konflikts auf die Zivilbevölkerung S. 16 des Lageberichts vom 11.9.2008). 2.3 Auch das sich aus § 60 Abs. 2 AufenthG und aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergebende Abschiebungshindernis greift nicht zugunsten des Klägers ein. Denn auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung, die zu seinen Gunsten aus Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG folgt (vgl. dazu nachfolgend unter 2.3.1), ist er in der Phase unmittelbar nach der Einreise bis zum Abschluss des Strafverfahrens, das er in der Türkei zu erwarten hat, keiner konkreten bzw. ernsthaften oder realen Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder sonst in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt oder bestraft zu werden (2.3.2). Für die Zeit der sich anschließenden Strafhaft lässt sich eine Gefahr von Folter und unmenschlicher Behandlung - auch im Licht des Art. 4 Abs. 4 QRL - ebenfalls nicht bejahen. Dahinstehen kann, ob der Kläger während der längeren Zeit, die er voraussichtlich in türkischen Justizvollzugsanstalten zu verbringen haben wird, auch davor gefeit ist, erniedrigend behandelt zu werden. Denn aus einer solchen Entwicklung ergäbe sich kein Abschiebungsverbot. Der Kläger ist insoweit auf die Möglichkeit zu verweisen, in der Türkei bzw. von der Türkei aus selbst um Schutz gegen derartige Beeinträchtigungen nachzusuchen, was in zumutbarer und effektiver Weise möglich ist (2.3.3). 2.3.1 § 60 Abs. 2 AufenthG verlangt, dass für den Ausländer die "konkrete" Gefahr besteht, im Zielstaat der Abschiebung der Folter bzw. unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 21.2.2006 Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 323) hat diesen Maßstab dahingehend konkretisiert, eine solche Gefahr müsse - ebenso wie bei § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG - mit "beachtlicher Wahrscheinlichkeit" drohen. Auch das sich aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ergebende Abschiebungsverbot greift nur ein, wenn "begründete Tatsachen" dafür vorliegen, dass der Betroffene einem "tatsächlichen Risiko" der Folter bzw. unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen ist (EGMR vom 7.7.1989 NJW 1990, 2183/2185); es muss die "reale" (EGMR vom 20.3.1991 NJW 1991, 3079/3085) bzw. "ernsthafte" (EGMR vom 30.10.1991 NVwZ 1992, 869) Gefahr solcher Maßnahmen bestehen.

Nicht anwendbar ist im Rahmen der Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG der für das deutsche Asylgrundrecht und das Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Bundesrepublik Deutschland bei erlittener Vorverfolgung herangezogene Prognosemaßstab der herabgestuften Wahrscheinlichkeit (BVerwG vom 4.6.1996 InfAuslR 1996, 289 f.). Nach § 60 Abs. 11 AufenthG kommt es in den Fällen, in denen eine Person bereits einen ernsthaften Schaden im Sinn von Art. 15 QRL erlitten oder sie von einem solchen Schaden ummittelbar bedroht war, bei Anwendung des § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL zu ihren Gunsten jedoch zu einer Beweiserleichterung (vgl. zu dieser Rechtsnatur des Art. 4 Abs. 4 QRL BVerwG vom 7.2.2008 DVBl 2008, 1255/1258 ff.).

Art. 4 Abs. 4 QRL greift zugunsten des Klägers ein, da er zur Überzeugung des Gerichts im Anschluss an seine Festnahme am 11. Juni 1991 Folter erlitten hat. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger angegeben, er sei damals zunächst zwei Tage auf der Polizeistation in Derik und sodann einen Monat lang bei der politischen Abteilung der Polizei in Mardin jeweils unter Folter verhört worden. Man habe ihn während dieses Monats in einer nur 1 m² großen Zelle in Gewahrsam gehalten, in der er nur habe stehen können. Zudem sei er u. a. an der Decke aufgehängt und (insbesondere auf die Genitalien) geschlagen worden; ferner habe man ihm gezielt Stromschläge verabreicht.

Das Gericht hält diese Darstellung nicht nur deshalb für glaubhaft, weil die diesbezügliche Schilderung des Klägers konkret und detailreich war. Für ihre Richtigkeit spricht auch, dass sie den damaligen Praktiken der türkischen Sicherheitsorgane im Umgang mit Gefangenen - insbesondere solchen, die einer politisch motivierten Tat verdächtigt wurden - entspricht. Kaya hat in dem am 28. Januar 2007 für das Verwaltungsgericht Aachen erstatteten Gutachten (vgl. dort S. 10) angemerkt, vor dem Jahr 2000 seien auf den Polizei- und Gendarmeriewachen sowie in den Verhörzentren zur Terrorbekämpfung schwere Folterungen verbreitet gewesen; sie seien u. a. insbesondere bei Guerillakämpfern angewendet worden. Das Auswärtige Amt hat in Abschnitt I.1 des Lageberichts vom 20. Februar 1992 darauf hingewiesen, u. a. in Fällen mit politischem Einschlag, in denen Geständnisse und sonstige Erkenntnisse schwer zu gewinnen seien, fänden Misshandlungen "fast traditionell" statt. Wenn das Auswärtige Amt gleichzeitig ausführte, derartige Übergriffe würden sich - soweit ersichtlich - auf die ersten Tage des Polizeigewahrsams beschränken, so spricht das ebenfalls für die Richtigkeit der Schilderungen des Klägers, der einschlägige Vorfälle nur für die Phase zwischen der Festnahme bis zu seiner Vorführung an die Staatsanwaltschaft und den Erlass eines Haftbefehls behauptet hat. Da der Haftbefehl gegen den Kläger am 8. Juli 1991 erging, ist auch seine Angabe glaubhaft, er habe sich ca. einen Monat lang im Polizeigewahrsam befunden.

2.3.2 In der Zeit, die zwischen dem Eintreffen des Klägers in der Türkei und dem Abschluss des Strafverfahrens vergehen wird, besteht keine konkrete bzw. reale oder ernsthafte Gefahr, dass er gefoltert oder in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt werden könnte. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 11 AufenthG führt zu keinem anderen Ergebnis, da stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während dieser Phase erneut Rechtsgutsverletzungen der bereits erlittenen (oder einer milderen) Art zu befürchten hat.

Von erheblichem Gewicht für die anzustellende Prognose ist zunächst, dass dem Auswärtigen Amt in jüngerer Zeit kein Fall bekannt geworden ist, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter, abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert und misshandelt wurde (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 32). Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben nach der Darstellung in dem gleichen Lagebericht (S. 32 f.) explizit erklärt, dass diesem Personenkreis aus ihrer Sicht keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen.

Hierbei wird nicht verkannt, dass es der türkischen Regierung nach der Darstellung im Lagebericht vom 11. September 2008 (S. 25) bisher nicht gelungen ist, Folter und Misshandlung vollständig zu unterbinden, und dass 2007 nach übereinstimmenden Aussagen von Menschenrechtsorganisationen sogar eine Zunahme der Foltervorwürfe zu verzeichnen war. Zusätzliche stichhaltige Gründe, die gegen eine konkrete Bedrohung des Klägers durch Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bzw. Bestrafung zwischen seinem Eintreffen in der Türkei und dem Abschluss des Strafprozesses sprechen, ergeben sich jedoch aus dem Umstand, dass solchen Maßnahmen, soweit sie in der Türkei heute noch zu verzeichnen sind, ganz bestimmte Gruppen von Personen zum Opfer fallen, zu denen der Kläger nicht gehört. Er ist während der genannten Zeitspanne vielmehr unter mehrfachem Blickwinkel vor Maßnahmen jedweder Art sicher, denen nach § 60 Abs. 2 AufenthG und nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK Rechtserheblichkeit zukommt.

2.3.2.1 Soweit in der Türkei in jüngerer Zeit noch Misshandlungen durch die Polizei oder andere Sicherheitskräfte zu verzeichnen waren, lagen ihnen zumindest ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht "offiziell" (d.h. auf rechtlicher Grundlage und in aktenmäßig dokumentierter Weise) in Gewahrsam befand, sondern in denen staatliche Organe außerhalb gesetzlicher Verfahren auf seine Person Zugriff genommen haben. Nach Darstellung von Hennecke und Mueller-Thuns (Bericht über eine Informationsreise nach Istanbul vom 2. bis zum 9.9.2007, S. 3) werden viele Festnahmen nicht in der Polizeistation registriert. Teilweise bringe man die Betroffenen gar nicht dorthin, sondern auf das "freie Feld". Hennecke und Mueller-Thuns referieren in diesem Zusammenhang die öffentliche Erklärung des Polizeichefs von Ankara, der geäußert habe: "Wenn Ihr sie schlagt, dann nehmt sie nicht fest, und wenn Ihr sie festnehmt, schlagt sie nicht." Der von Oberdiek (S. 13 des am 15.8.2007 für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens) berichtete Fall eines von Polizisten schwer misshandelten Journalisten fügt sich in dieses Verhaltensmuster, da der Betroffene nicht offiziell festgenommen, sondern von der Polizei "entführt" wurde.

Das zeigt, dass Polizisten und andere Sicherheitsorgane die langjährigen Haftstrafen, die nach heutigem türkischem Recht auf Folter stehen (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 25), durchaus fürchten, und sie nur noch dann zu derartigen oder verwandten Verhaltensformen greifen, wenn der Nachweis, dass eine Person polizeilichen Misshandlungen ausgesetzt war, nicht oder nur schwer geführt werden kann, weil sich der Kontakt zur Staatsmacht nicht in rechtsförmlichen Bahnen bzw. nicht unter der Kontrolle von Gericht oder Staatsanwaltschaft vollzogen hat. Da der Kläger im Rahmen einer Abschiebung durch die ihn begleitenden deutschen Polizisten am Zielflughafen in der Türkei unmittelbar den dortigen Sicherheitskräften übergeben bzw. er bei einer freiwilligen Rückkehr sogleich am Flughafen - mithin unter den Augen von Zeugen - festgenommen würde, käme er von Anfang an in die "offiziellen Strukturen", nicht aber in einen rechtsfreien Raum, in dem nach dem Vorgesagten auch heute noch Misshandlungen durch Sicherheitsorgane u. U. nicht auszuschließen sind.

2.3.2.2 Bei den Personen, die sich derartigen Übergriffen ausgesetzt sehen, handelt es sich typischerweise um Menschen, bei denen die handelnden Amtsträger - sei es wegen der sozialen Randstellung des Opfers, sei es, weil dieses eine Anzeige aufgrund eigener rechtlicher Verfehlungen scheut - nicht befürchten müssen, dass der Betroffene wegen erlittener Misshandlungen Schritte zu ihrem Nachteil einleitet. Hennecke und Mueller-Thuns (S. 3 des Berichts über die Informationsreise nach Istanbul) weisen darauf hin, dass es zu Gewalthandlungen von Sicherheitsorganen oft in "unpolitischen" Fällen komme, wobei vor allem inoffiziell festgenommene Afrikaner hiervon betroffen seien. So handelte es sich bei den Personen, die am 20. August 2007 bzw. Anfang September 2007 im Istanbuler Polizeipräsidium eine tödliche Schussverletzung erlitten haben bzw. im dortigen Vernehmungszimmer unter Folter zu Tode gekommen sind, bezeichnenderweise um einen nigerianischen (S. 31 des Lageberichts vom 25.10.2007) bzw. einen ghanaischen Staatsangehörigen (S. 10 des von Aydin am 20.9.2007 für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens). Der von Hennecke und Mueller-Thuns (ebenda) erwähnte Fall eines körperlich misshandelten Sinti fügt sich gleichfalls in dieses Muster des potenziellen Opfers polizeilicher Übergriffe: Dieser Betroffene gehörte nicht nur einer gesellschaftlichen Randgruppe an, sondern sah sich zudem dem polizeilichen Vorwurf ausgesetzt, eine illegale Person beherbergt zu haben. Auch in dem Bericht über die am 15. November 2007 mit Frau Cetin durchgeführte Veranstaltung weist Hennecke darauf hin, dass sich Misshandlungen häufig gegen "normale Kriminelle" richten würden, da sie derartige Taten oft nicht anzeigen würden; im Verhältnis zu "politischen" Gefangenen sei der Einsatz der Folter demgegenüber rückläufig, weil sich solche Personen gegen derartige Übergriffe zur Wehr setzen würden.

2.3.2.3 Soweit (ehemalige) PKK-Aktivisten vor diesem Hintergrund überhaupt mit einem Fehlverhalten staatlicher Organe rechnen müssen, das die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG und des Art. 3 EMRK erfüllt, kann das allenfalls in den Fällen angenommen werden, in denen sich Ermittlungsbeamte vor die Notwendigkeit gestellt sehen, ein Geständnis des Betroffenen zu erlangen. Da in Gerichtsverfahren nach wie vor Geständnisse als Beweismittel eine wesentliche Rolle spielen, wird die Polizei nach Auffassung von Amnesty International (Schreiben an das VG Sigmaringen vom 15.11.2007, S. 5) bei Verhören versuchen, ein Geständnis zu erhalten; hierbei werde auch heute noch psychischer und physischer Druck angewandt (Schreiben vom 15.11.2007, ebenda). Hennecke und Mueller-Thuns (Bericht über die Informationsreise nach Istanbul, S. 3) weisen ebenfalls darauf hin, dass es das Ziel polizeilicher Misshandlungen sei, Geständnisse zu erlangen. In Übereinstimmung damit steht es, wenn Kaya in dem am 20. Juni 2007 für das Sächsische Oberverwaltungsgericht erstatteten Gutachten (S. 7) davon ausgeht, es sei damit zu rechnen, dass eine Person, die wegen des Vorwurfs festgenommen wird, der PKK oder einer ihrer Nachfolgeorganisationen anzugehören oder sie zu unterstützen, "unter Anwendung psychischen und physischen Drucks verhört wird, um sie zum Eingeständnis der ihr vorgeworfenen Straftat zu bewegen". In dem am 15. August 2007 für das Verwaltungsgericht Sigmaringen erstatteten Gutachten (S. 14) leitete Oberdiek die seiner Auffassung nach im zugrunde liegenden Fall bestehende Foltergefahr ebenfalls aus dem Umstand her, dass gegen den Kurden, über dessen Schutzgesuch das Verwaltungsgericht Sigmaringen zu befinden hatte, in Ermangelung konkreter Beweise ein Strafverfahren erst eröffnet werden könne, wenn von ihm ein Geständnis vorliege. Auch die Einschätzung Kayas (S. 7 des am 26.9.2007 in dem gleichen Rechtsstreit für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens), auf den Kläger des dortigen Rechtsstreits werde bei einem Verhör körperlicher und psychischer Druck ausgeübt werden, um ihn zu Geständnissen zu zwingen und Informationen über seine Aktivitäten, seine Kameraden und seine Unterstützer aus der Bevölkerung sowie über die Verstecke von Nahrungsmitteln und Waffen zu erhalten (vgl. S. 7 dieses Gutachtens), muss nach Auffassung des Senats vor dem Hintergrund der Tatsache gesehen werden, dass der Betroffene wegen seiner Herkunft aus einer "patriotischen Familie" und einer als Hochburg der PKK bekannten Ortschaft der Zugehörigkeit zur kurdischen Guerilla nur verdächtig war (vgl. S. 3 f. des Gutachtens vom 26.9.2007).

Im Fall des Klägers besteht für türkische Amtsträger demgegenüber nicht die Notwendigkeit, sich einer für sie existenzgefährdenden Strafdrohung auszusetzen, um vom Kläger ein Geständnis seiner Zugehörigkeit zur PKK und Informationen über die Art seiner Betätigung in dieser Organisation zu erlangen. Denn da im Rahmen des Strafverfahrens gegen seinen Bruder Bedir eine Aussage zu Protokoll genommen wurde, aus der sich ergibt, dass sich der Kläger nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wiederum der PKK angeschlossen und er sich in einem Ausbildungslager im Iran aufgehalten hat (vgl. die Ausführungen zur Frage 3 des Bundesamtes im Schreiben der Deutschen Botschaft Ankara vom 13.7.2005), ist ein Geständnis von seiner Seite nicht unabdingbar, um ihn strafrechtlich belangen zu können.

2.3.2.4 Entscheidend gegen eine Gefährdung des Klägers durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in der Zeit ab seinem Wiedereintreffen in der Türkei bis zum Ende des Strafprozesses spricht schließlich auch, dass in seiner Heimat zahlreiche Personen leben, von denen als gesichert gelten kann, dass sie sich seiner annehmen und darüber wachen werden, dass er keinen nach § 60 Abs. 2 AufenthG und nach Art. 3 EMRK relevanten Übergriffen ausgesetzt sein wird. In der Südosttürkei, in der die Mehrzahl der Verhöre stattfinden wird, mit denen der Kläger im Rahmen des Strafprozesses zu rechnen hat (vgl. zur Frage der örtlichen Zuständigkeit zur Durchführung derartiger Verfahren S. 13 f. des von Oberdiek am 15.8.2007 für das VG Sigmaringen erstatteten Gutachtens), leben seine Eltern und seine zahlreichen Angehörigen. Wie die rasche Nachsendung der von ihm aus der Heimat angeforderten und am 22. November 2004 - also nur eine Woche nach der Anhörung - dem Bundesamt übergebenen Dokumente zeigt, unterhält der Kläger zu ihnen engen Kontakt. Da ein Ausländer, der im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung oder vor sonstigen, ihm im Herkunftsland drohenden Gefahren sucht, verpflichtet ist, zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um solche Beeinträchtigungen abzuwenden (BVerwG vom 15.4.1997 BVerwGE 104, 265/278; vom 21.2.2006, a.a.O.), kann vom Kläger erwartet werden, dass er seine Verwandten von seiner Rückkehr vorab in Kenntnis setzt. Kaya hat in dem am 28. Januar 2007 für das Verwaltungsgericht Aachen erstatteten Gutachten (S. 10) darauf hingewiesen, es sei undenkbar, dass der Bruder oder ein sonstiger Verwandter eines Kurden, der wegen Unterstützung einer prokurdischen Organisation festgenommen wurde, sich nicht um den Betroffenen kümmert.

Die Angehörigen des Klägers können insbesondere Vorsorge treffen, dass er bereits bei seiner Ankunft in der Türkei über anwaltlichen Beistand verfügt. Das gilt umso mehr, als der Kläger am 15. November 2004 anzugeben vermochte, dass die Rechtsanwälte, die ihn in dem 1991 und 1992 durchgeführten Strafverfahren verteidigt haben, immer noch in diesem Beruf tätig sind. Er oder seine Familienangehörigen könnten deshalb in zeitlichem Zusammenhang mit einer Abschiebung zu diesen mit dem Fall des Klägers bereits vorbefassten Rechtsanwälten unschwer einen erneuten Kontakt herstellen.

Vor allem aber kann als gesichert gelten, dass die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers nach einer Abschiebung aufmerksam verfolgen werden und dass sie rechtswidrige Übergriffe auf seine Person publik machen würden. Nach Darstellung von Kaya (S. 10 f. in dem am 28.1.2007 für das VG Aachen erstatteten Gutachten) war es im Jahr 2004 nicht vorstellbar, dass sich die Provinz- oder Kreisorganisation der DEHAP, die ihrerseits zum Teil die Kampagnen der PKK bzw. des Kongra-Gel unterstützt hat (vgl. S. 16 des im Januar 2005 erschienenen Hefts der "Erkenntnisse des Bundesamtes") eines festgenommenen Parteimitglieds nicht angenommen hätte. Erhalte eine solche Untergliederung der DEHAP von einem derartigen Vorfall Kenntnis, melde sie das mit Sicherheit dem Menschenrechtsverein IHD; außerdem unterrichte sie die Presse darüber. Zumindest Zeitungen, die der DEHAP nahestünden, würden ein solches Ereignis aufgreifen. Bei der Festnahme von Mitgliedern der DEP, der HADEP und der DEHAP sei das bisher stets der Fall gewesen; zudem sei hierüber im Internet berichtet worden.

Vor diesem Hintergrund darf davon ausgegangen werden, dass ein Mitglied der PKK, das sich über viele Jahre hinweg sowohl zugunsten des militärischen als auch des politischen Arms dieser Organisation betätigt und das im Bundesgebiet die Funktion eines Gebietsleiters wahrgenommen hat, im Fall seiner Rückkehr aus Deutschland in gleicher Weise Aufmerksamkeit finden wird. Zwar hat sich die DEHAP am 19. November 2005 vor dem Hintergrund des gegen sie damals anhängigen Verbotsverfahrens selbst aufgelöst; an ihre Stelle ist jedoch die am 25. Oktober 2005 gegründete DTP getreten, die zumindest teilweise ebenfalls mit der PKK sympathisiert (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 10). Sie konnte bei den letzten Parlamentswahlen zwar nicht die 10-Prozent-Hürde überwinden, ist im Parlament jedoch gleichwohl mit einer eigenen Fraktion vertreten, zu der sich diejenigen kurdischen Abgeordneten zusammengeschlossen haben, die als unabhängige Kandidaten in die Volksvertretung gewählt wurden (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 6 f. und S. 11). Da die DTP zudem zahlreiche Bürgermeister stellt (vgl. S. 10 dieses Lageberichts), ist diese prokurdische Partei im öffentlichen Leben der Türkei in nicht unerheblichem Maß präsent. Da auch die PKK selbst über ihr nahestehende Medien verfügt (vgl. S. 16 des Lageberichts vom 11.9.2008), und heute in der Türkei zunehmend über die Kurdenproblematik berichtet werden kann (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 13), ist es derzeit jedenfalls in keinem geringeren Maß als 2004 möglich, das Schicksal eines im staatlichen Gewahrsam befindlichen PKK-Aktivisten in den Medien zu erörtern.

Kann der Kläger aber während der Zeit des Strafverfahrens, das er zu erwarten hat, den Schutz seiner Angehörigen, von Rechtsanwälten, einer Menschenrechtsorganisation, einer PKK-nahen politischen Partei sowie von Medien in Anspruch nehmen, so unterscheidet sich seine Lage grundlegend von der Situation, vor die sich z.B. illegal und ohne soziale Einbindung in der Türkei lebende Schwarzafrikaner gestellt sehen, die der dortigen Polizei in die Hände fallen. Weiß ein Amtsträger nämlich, dass sowohl ein Gefangener selbst als auch das Verhalten der Staatsgewalt dieser Person gegenüber unter der Beobachtung Dritter und interessierter Teile der Öffentlichkeit stehen, so wird er jedenfalls dann davon Abstand nehmen, sich wegen einer Misshandlung dieser Person der Gefahr von Strafverfolgung auszusetzen, wenn er in Bezug auf den Betroffenen - wie beim Kläger der Fall - nicht auf die Erlangung eines Geständnisses angewiesen ist. Das gilt umso mehr, als ein z.B. von der Menschenrechtsorganisation IHD erhobener Vorwurf von Übergriffen auf den Kläger in der Öffentlichkeit aller Voraussicht nach nicht ohne Resonanz bliebe; denn diese Vereinigung, die sich schwerpunktmäßig der Rechte der Kurden annimmt, wird in der Türkei mittlerweile anerkannt und beachtet (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 8).

2.3.3 Ein solcher Schutz durch das "Herstellen von Öffentlichkeit" lässt sich allerdings nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten, die der Kläger zu erwarten hat. Auch mit Blickrichtung auf diese Zeitspanne sprechen jedoch stichhaltige Gründe im Sinn von Art. 4 Abs. 4 QRL dagegen, dass er Folter oder solchen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können (2.3.3.1). Dahinstehen kann, ob das auch für solche erniedrigenden Maßnahmen gilt, die nicht geeignet sind, bleibende Schäden zu verursachen, und die auch nicht aus sonstigen Gründen als gravierend angesehen werden müssen; denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in einen Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen (2.3.3.2).

2.3.3.1 Die Menschenrechtsorganisation TIHV referierte für das Jahr 2006 zehn Anzeigen, die Folter und Misshandlung in Haftanstalten zum Gegenstand hatten; IHD verzeichnete für 2006 63, für 2007 90 Fälle von Folter in Haftanstalten (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 26). Die Diskrepanz zwischen den von beiden Menschenrechtsvereinigungen genannten Zahlen bestätigt die Richtigkeit der Darstellung des Auswärtigen Amtes, dass der IHD unterschiedslos alle Formen von behaupteten Übergriffen in seine Statistiken aufnimmt, ohne danach zu differenzieren, ob Folter, Misshandlung, ehrverletzendes oder erniedrigendes Verhalten inmitten stand (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 25). Ebenfalls als zutreffend muss vor diesem Hintergrund die Angabe des Auswärtigen Amtes angesehen werden, dass der IHD die Angaben Betroffener sowie von Medien zum Teil ungeprüft übernimmt, während TIHV nur die in die Behandlung aufgenommenen Fälle registriert (Lagebericht vom 11.9.2008, ebenda). Nur bei Personen aber, die sich wegen behaupteter Misshandlungen einer Therapie unterziehen, liegt ein hinreichender Anhaltspunkt dafür vor, dass sie im staatlichen Gewahrsam tatsächlich Beeinträchtigungen von einer gewissen Schwere erlitten haben, die zumindest möglicherweise fortdauernde Folgen zeitigen können.

Will man das Risiko des Klägers zutreffend erfassen, in der Haft schwere, irreparable Beeinträchtigungen zu erleiden, so müssen von den zehn im Jahr 2006 vom TIHV erfassten Fällen diejenigen fünf Vorkommnisse abgezogen werden, die sich in Militärgefängnissen zutrugen (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 26), da der Kläger mit solchen Einrichtungen nicht in Berührung kommen wird. Eine weitere signifikante Relativierung erfahren die mitgeteilten Zahlen im Hinblick darauf, dass in der Türkei Ende 2007 ca. 90.800 Menschen inhaftiert waren (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 28). Selbst wenn sich alle vom IHD für das gleiche Jahr behaupteten Fälle von Folter tatsächlich zugetragen haben sollten, wäre mithin weniger als 1 Promille der in Haft befindlichen Personen betroffen gewesen.

Auch diese Relation (und erst recht die Größenordnung, die sich bei einer Zugrundelegung der Zahlen des TIHV ergibt) beschreibt aber das Risiko des Klägers noch nicht zutreffend, während der Dauer der zu verbüßenden Strafe Maßnahmen ausgesetzt zu sein, denen nach § 60 Abs. 2 AufenthG oder nach Art. 3 EMRK Rechtserheblichkeit zukommt. Denn die vom TIHV und vom IHD mitgeteilten Zahlen beziehen sich unterschiedslos auf Gefängnisse jedweder Art. Von den 391 Haftanstalten, die es im Mai 2007 in der Türkei gab, waren jedoch nur 17 solche des Typs F (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 27), in denen Personen ihre Strafe verbüßen, die wegen terroristischer Delikte verurteilt wurden. Die Haftanstalten vom Typ F weisen mitteleuropäischen Standard auf und können in vielerlei Hinsicht als vorbildlich bezeichnet werden (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 28). Auch der Anti-Folter-Ausschuss des Europarates, der die Türkei wiederholt besucht hat, und eine Ad-hoc-Delegation des Europaparlaments gelangten zu dem Ergebnis, dass die Haftbedingungen in den Gefängnissen dieses Typs europäischen Standards genügen (Lagebericht vom 11.9.2008, ebenda). Es muss vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass sich die im Jahr 2007 zu verzeichnenden Fälle von Folter, Misshandlung und sonstigen Übergriffen auf Gefangene nicht auf alle Arten von Vollzugsanstalten gleichmäßig (bzw. proportional zur Zahl der Insassen) verteilen, sondern dass sich die Gegebenheiten in den Hafteinrichtungen des Typs F auch insoweit deutlich günstiger darstellen. Das gilt nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass in anderen türkischen Gefängnissen zum Teil noch Massenzellen für bis zu 100 Personen anzutreffen sind (S. 28 des Lageberichts vom 11.9.2008), und ein Zusammenhang zwischen den äußeren Haftbedingungen und der Aggressionsbereitschaft der Gefangenen besteht, die ihrerseits wiederum geeignet ist, gewaltsame Reaktionen des Anstaltspersonals nach sich zu ziehen.

Wenn nach Darstellung von Amnesty International Insassen von Gefängnissen des Typs F im Jahr 2006 von "Misshandlungen" (von Folter spricht Amnesty International selbst nicht), harten Disziplinarstrafen, Einzelhaft und Kleinstgruppenisolation berichtet haben (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 26), so kann diese Darstellung deshalb allenfalls in Bezug auf eine verschwindend geringe Zahl von Fällen als zutreffend angesehen werden. Das gilt umso mehr, als diese Behauptung nicht von unbeteiligten, außenstehenden Personen, sondern von Betroffenen aufgestellt wurde. Der Senat hält es deshalb für glaubhaft, wenn das Auswärtige Amt die Kritik auch türkischer Menschenrechtsorganisationen, es bestehe die Gefahr einer "Isolationshaft", nach eingehender Untersuchung von Gefängnissen des Typs F und der dortigen Haftbedingungen nicht nachvollziehen konnte (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 28). Sollte es zutreffen, dass - wie von Amnesty International referiert - gegen Insassen solcher Anstalten "harte Disziplinarstrafen" verhängt wurden, so ergäbe sich daraus gemäß § 60 Abs. 6 AufenthG so lange kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 3 EMRK, als derartige Maßnahmen nicht als Folter bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu werten sind. Dass diese Grenze überschritten wurde, wird in keiner der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel in Bezug auf die letzten Jahre substantiiert dargetan.

2.3.3.2 Offen bleiben kann, ob der Kläger während der Zeit seiner künftigen Inhaftierung Handlungen ausgesetzt sein wird, die zwar die Schwelle zur erniedrigenden Behandlung - der schwächsten der drei nach § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 3 EMRK tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl. 2006, RdNr. 6 zu Art. 3) - überschreiten, die jedoch keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Zu denken ist insoweit an Vorkommnisse wie Beleidigungen, Drohungen und Einschüchterungen, Vorenthalten des Toilettenbesuchs und vergleichbare Übergriffe, wie sie der überwiegenden Zahl der Fälle zugrunde liegen, die heute als "Folter" angezeigt werden (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 26). Sollte der Kläger mit solchen Vorkommnissen rechnen müssen, ergäbe sich hieraus jedenfalls kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn der Schutz vor Abschiebung in einen Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention - hierzu zählt auch die Türkische Republik - unterliegt nicht den gleichen Voraussetzungen, die bei einer Abschiebung in einen Staat gelten, der dieser Konvention nicht beigetreten ist (BVerwG vom 7.12.2004 BVerwGE 122, 271/276). Bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention steht gemäß Art. 1 EMRK dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund (BVerwG vom 7.12.2004, a.a.O., S. 277). Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes, den menschenrechtlichen Mindeststandard im Zielstaat der Abschiebung zu wahren, besteht nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (BVerwG vom 7.12.2004, ebenda).

Folter oder irreparable bzw. aus sonstigen Gründen schwerwiegende Misshandlungen hat der Kläger nach dem Vorgesagten auch während seiner Haftzeit nicht zu befürchten. Er muss sich deshalb darauf verweisen lassen, seine Rechte gegen andere mögliche Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus zu verfolgen (BVerwG vom 7.12.2004, a.a.O., S. 278). Etwaige Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention kann er zum einen vor den türkischen Gerichten und im innerstaatlichen Rechtsmittelzug, zum anderen dadurch geltend machen, dass er Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhebt (BVerwG vom 7.12.2004, a.a.O., S. 277). Da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von ihm verfügte vorläufige Maßnahmen für rechtlich verbindlich erklärt hat (EGMR vom 6.2.2003 EuGRZ 2003, 704), und sich die Umsetzung von Urteilen dieses Gerichts durch die Türkei deutlich verbessert hat (Lagebericht vom 11.9.2008, S. 24), muss der Kläger nicht befürchten, dass ein solcher Rechtsschutz, sollte er ihn überhaupt benötigen, ineffektiv bleibt.

Diese vom Bundesverwaltungsgericht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK aufgestellten Grundsätze beanspruchen zur Überzeugung des Senats im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG in gleicher Weise Geltung. Hierfür spricht nicht nur, dass Art. 15 Buchst. b QRL, dessen Umsetzung § 60 Abs. 2 AufenthG dient, sich bereits seinem Wortlaut nach erkennbar am Vorbild des Art. 3 EMRK orientiert. Ihre sachliche Rechtfertigung findet dieses Gesetzesverständnis auch in der Tatsache, dass nach Art. 2 Buchst. e QRL eine Person nicht bereits dann Anspruch auf subsidiären Schutz besitzt, wenn sie in ihrem Herkunftsland oder im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinn von Art. 15 QRL zu erleiden. Weitere Voraussetzung für den Erwerb eines solchen Schutzanspruchs ist vielmehr, dass der Betroffene den Schutz des vorbezeichneten Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen der in Frage stehenden Gefahr nicht in Anspruch nehmen will. Stehen im Herkunftsland aber ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Verfügung, diese Gefahr abzuwenden, so kann weder davon gesprochen werden, der Betroffene könne den Schutz dieses Staates nicht in Anspruch nehmen, noch ist seine fehlende Bereitschaft hierzu rechtlich beachtlich. Denn der Umstand, dass ein Ausländer den Schutz seines Heimatstaates oder des Landes seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts nicht in Anspruch nehmen "will", ist dann unerheblich, wenn es keinen auf "begründeter Furcht" beruhenden Grund gibt, diesen Schutz abzulehnen; eine solche Person benötigt keinen internationalen Schutz (so auch der UNHCR in Nummer 100 des Handbuchs über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf 1979, in Bezug auf das in Art. 1 A Nr. 2 GFK enthaltene Tatbestandsmerkmal, dass eine Person den Schutz ihres Herkunftslandes "nicht in Anspruch nehmen will").

2.4 Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen in der Person des Klägers ebenfalls nicht vor. Da diese Vorschrift gegenüber § 60 Abs. 1 bis 5 AufenthG nachrangig ist, sind insoweit nur Abschiebungshindernisse zu prüfen, die tatbestandlich von keiner dieser Bestimmungen erfasst werden. Solche sind indes nicht ersichtlich; insbesondere kann nicht davon gesprochen werden, der Kläger sehe sich in der Türkei aus gesundheitlichen Gründen einer erheblichen, konkreten Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt.

Seitens des Verwaltungsgerichtshofs aufgefordert, bei ihm gegenwärtig bestehende, behandlungsbedürftige Erkrankungen mitzuteilen, von ihm konsultierte Therapeuten zu benennen und die in seinem Besitz befindlichen Unterlagen vorzulegen, die Aufschluss über seinen Gesundheitszustand erlauben, hat der Kläger angegeben, nach wie vor unter "Isolation", Angstzuständen, Schlafstörungen und Depressionen zu leiden. Außerdem hat er eine vom 10. März 2005 datierende Bescheinigung eines Nervenarztes sowie zwei aus dem gleichen Jahr stammende Schreiben kirchlicher Einrichtungen vorgelegt, die sich der Betreuung asylsuchender Ausländer widmen. Durch dieses Vorbringen und die beigefügten Unterlagen wurde weder dargetan, dass der Kläger unter gesundheitlichem Blickwinkel in der Türkei einer erheblichen, konkreten Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt sein wird, noch gaben seine Einlassungen und die von ihm beigebrachten Dokumente Veranlassung, von Amts wegen diesbezüglich weitere Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung durchzuführen. Insbesondere folgt aus dem nervenärztlichen Attest vom 10. März 2005 nicht, dass der Kläger auch heute noch an einer behandlungsbedürftigen Depression leidet. Das kann umso weniger angenommen werden, als der Arzt, der diese Bescheinigung ausgestellt hat, den Kläger nach dessen eigener Darstellung (vgl. den Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28.4.2008) nach etwa einjähriger Behandlung an ein kirchliches Zentrum "für Beratung und Therapie für Flüchtlinge" verwiesen hat. Diese Einrichtung hat der Kläger nach eigenem Bekunden aber nur dreimal aufgesucht. Selbst wenn für das Unterbleiben weiterer Konsultationen - wie behauptet - das Fehlen eines Dolmetschers und die Nichtübernahme der Reisekosten zu dieser Einrichtung durch den Träger der Sozialhilfe mitursächlich gewesen sein sollten, so lässt das Verhalten des Klägers nur den Schluss zu, dass er selbst eine Fortsetzung der Therapie nicht als dringlich ansah. Denn ansonsten hätte der Kläger, der bereits ab August 2005 anwaltlich vertreten war, zweifelsfrei gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel in Anspruch genommen, dass der zuständige Kostenträger entweder die Aufwendungen für die Fahrten zu dem vorerwähnten Zentrum für Beratung und Therapie übernimmt oder ihm eine andere geeignete Behandlung zugänglich macht. Aus dem Attest vom 10. März 2005 sowie der im ersten Rechtszug vorgelegten Bescheinigung des gleichen Arztes vom 11. Mai 2005 ergibt sich vielmehr, dass die Inanspruchnahme psychiatrischer Betreuung in erster Linie dem Ziel diente, Argumentationshilfe für die vom Kläger damals angestrebte Umverteilung zu seiner in Schleswig-Holstein lebenden Schwester zu erhalten; auch die im Berufungsverfahren vorgelegte Bescheinigung des Caritasverbandes vom 15. März 2005 bestätigt diese Zweckbestimmung der ärztlichen Atteste. Nachdem der Kläger mit diesem Anliegen nicht durchgedrungen war (vgl. den Bescheid des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten Schleswig-Holstein vom 19.12.2005 und die dort als Begründung referierte Behauptung des Klägers, er benötige wegen psychischer Probleme die Unterstützung seiner Schwester), hatte er kein Interesse mehr an der weiteren Inanspruchnahme psychologisch-psychiatrischer Dienstleistungen.

Auf die Behauptung, er werde seitens der PKK bzw. des Kongra-Gel bedroht, weil er sich von diesen Organisationen getrennt habe, ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nicht mehr zurückgekommen. Aus diesem Grund sowie im Hinblick darauf, dass er in Wahrheit nach wie vor Mitglied der PKK bzw. einer ihrer Nachfolgeorganisationen ist, besteht kein Grund zu der Annahme, er sei in der Türkei seitens dieser Vereinigung einer erheblichen, konkreten Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt.

Als unterlegen hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war - beschränkt auf die Verneinung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Senat sieht es als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2004 (a.a.O.) zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK entwickelten Grundsätze über die beschränkte Mitverantwortung des abschiebenden Staates für die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention bei Abschiebungen in einen anderen Signatarstaat dieses Abkommens im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG, der - anders als § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK - im Licht der Qualifikationsrichtlinie auszulegen und anzuwenden ist, in gleicher Weise Geltung beanspruchen können. Dieser Frage kommt einzelfallübergreifende Bedeutung zu; sie wurde - soweit ersichtlich - durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht beantwortet.

Ende der Entscheidung

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