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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 12 B 03.94
Rechtsgebiete: VwGO, SGB X, BSHG


Vorschriften:

VwGO § 43 Abs. 1
SGB X § 40 Abs. 1
BSHG § 92 a Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 03.94

Verkündet am 15. Februar 2006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Februar 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Nichtigkeit eines Bescheids, mit dem Ersatz zu Unrecht gewährter Sozialhilfeleistungen geltend gemacht wird.

Da der Kläger dem Sozialhilfeträger gegenüber Einnahmen aus einem Nießbrauchsrecht verschwiegen hatte, korrigierte der Beklagte mehrere Bescheide, mit denen dem Kläger und seinem Sohn Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wurde und forderte die zu Unrecht geleistete Hilfe zurück. Auf Anregung der Widerspruchsbehörde, die hinsichtlich der Einhaltung der Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X Bedenken äußerte, hob der Beklagte mit Bescheid vom 20. Oktober 1999 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid auf (Nr. 1 des Bescheids), verlangte vom Kläger Kostenersatz in Höhe von 6.130,21 DM für zu Unrecht gewährte Sozialhilfeleistungen (Nr. 2 des Bescheids) und rechnete mit dem Ersatzanspruch gegen neue Hilfeansprüche auf (Nr. 3 des Bescheids).

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht Regensburg die Anfechtungsklage sowie die hilfsweise erhobene Nichtigkeitsklage abgewiesen. Mit Beschluss vom 31. März 2003 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht die Klage, die Nichtigkeit von Nummer 2 des Bescheids festzustellen, abgewiesen hat; im Übrigen ist der Zulassungsantrag abgelehnt worden.

Zur Begründung der Berufung verweist der Kläger darauf, dass nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ersatz nach § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG nur verlangt werden könne, wenn zuvor die Bewilligungsbescheide aufgehoben seien. Wegen dieses Fehlers sei der Bescheid nichtig.

Er beantragt,

die Nichtigkeit von Nummer 2 des Bescheids des Beklagten vom 20. Oktober 1999 festzustellen und das entgegenstehende Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. November 2002 insoweit aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Bescheid sei nicht nichtig, weil er nicht gegen wesentliche Zweck- oder Wertvorstellungen der Rechtsordnung verstoße.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg, weil die Nummer 2 des angegriffenen Bescheids nicht nichtig ist. Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegend sind nur solche Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (vgl. BVerwG vom 22.2.1985 NJW 1985, 2658). Die Frage, ob die in § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG normierte Pflicht zum Ersatz von zu Unrecht erbrachten Leistungen voraussetzt, dass die Bewilligung der Leistung gegenüber dem Hilfeempfänger aufgehoben worden ist, war bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 1997 (BVerwGE 105, 374) umstritten (vgl. Linhart, NDV 1996, 354 und Zeitler, NDV 1994, 173). Ungeachtet der kontroversen Auslegung des § 92 a Abs. 4 BSHG kann aber bei der Durchsetzung des Ersatzanspruchs ohne vorherige Aufhebung des Bewilligungsbescheids von einem Verstoß gegen tragende Verfassungsprinzipien oder gegen der Rechtsordnung immanente Wertvorstellungen keine Rede sein. Denn der Gesetzgeber hätte, wie die Regelung in § 5 des Unterhaltsvorschussgesetzes zeigt, auch im Sozialhilferecht den Ersatz von Leistungen anordnen können, für deren Zahlung, unbeschadet vorhandener Bewilligungsbescheide, die materiellen Voraussetzungen wegen eines Fehlverhaltens des Hilfeempfängers oder ihm nahestehender Personen nicht vorgelegen haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Verfahrenskosten verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine ohnehin nur in geringer Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten vor Rechtskraft der Entscheidung zu vollstrecken.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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