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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 12 B 04.3126
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 27
SGB VIII § 33
SGB VIII § 34
SGB VIII § 86 Abs. 2
SGB VIII § 86 Abs. 3
SGB VIII § 86 Abs. 4
SGB VIII § 86 Abs. 6
SGB VIII § 89 a
SGB VIII § 89 e Abs. 1

Entscheidung wurde am 26.11.2007 korrigiert: im Tenor I. wurde eine fehlender Anonymisierung vorgenommen
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 04.3126

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Kinder- und Jugendhilferechts;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. September 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 27. April 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. September 2004 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 17. Januar 2002 für S. W. aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 9.926,02 € zu erstatten.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Der Kläger begehrt vom Beklagten Kostenerstattung für die der am 18. Januar 1984 geborenen S.W. in der Zeit vom 1. April 2000 bis 17. Januar 2002 gewährten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 9.926,02 €.

Die nichtehelich geborene S.W. lebte bis zum 30. August 1989 bei ihrer Mutter im Bereich des Beklagten, der die Familie seit Oktober 1988 durch die sozialpädagogische Familienhilfe betreute. Mit notarieller Einwilligungserklärung vom 8. September 1989 willigte die Kindsmutter in die Adoption ihrer drei Kinder ein. S.W. wurde am 30. August 1989 in eine Pflegefamilie im Bereich des Beigeladenen gebracht. Nachdem die Pflegefamilie von ihrer Absicht, S.W. und ihre Geschwister zu adoptieren, zurückgetreten war, wurden die Geschwister in der Zeit vom 28. Januar 1990 bis 1. Februar 1990 vorübergehend in einer anderen Pflegefamilie untergebracht. Ab dem 1. Februar 1990 gewährte der Beigeladene Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung im Kinderheim St.J.

Mit Beschluss vom 15. September 1993 entzog das Amtsgericht A. der Mutter von S.W. die seit dem 26. Januar 1990 ruhende elterliche Sorge und bestellte das Kreisjugendamt des Beigeladenen zum Vormund.

Am 18. April 1996 wechselte S.W. in eine Pflegefamilie. Das Stadtjugendamt E. gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, da zu dieser Zeit die Kindsmutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Bereich hatte. Zum 18. Juli 1998 verzog die Pflegefamilie in den Zuständigkeitsbereich des Klägers, der den Hilfefall zum 1. Januar 1999 gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII übernahm. Das Stadtjugendamt E. erstattete die bis 31. März 2000 entstandenen Aufwendungen.

Nach Mitteilung des Stadtjugendamtes E. wurde die Kindsmutter wegen versuchten Rauschgiftschmuggels am 17. März 2000 in Brasilien verhaftet und hatte mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Ihre Wohnung wurde zum 31. März 2000 aufgelöst. Der gewöhnliche Aufenthalt sei deshalb spätestens zum 31. März 2000 aufgegeben worden.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2000 bat der Kläger den Beklagten um Kostenerstattung. Der Kindsvater lebe in den USA. Die Kindsmutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt. Die örtliche Zuständigkeit richte sich nunmehr nach § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, weil S.W. vor der Erstunterbringung bis zum 30. August 1989 bei der Mutter im Bereich des Beklagten gelebt habe, so dass dessen örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gegeben sei.

Der Beklagte lehnte eine Kostenerstattungspflicht ab. Maßgeblich für die Zuständigkeit sei der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes vor Leistungsbeginn. Dies sei der 1. Februar 1990, da ab diesem Tag Hilfe zur Erziehung auf der Grundlage der §§ 27, 34 SGB VIII gewährt worden sei.

Ein an den Beigeladenen gerichtetes Kostenerstattungsbegehren des Klägers wurde von diesem abgelehnt.

2. Am 4. Dezember 2003 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihm die ihm Rahmen der Jugendhilfe im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 17. Januar 2002 durch S.W. entstandenen Kosten der Hilfe zur Erziehung in Höhe von 9.926,02 € zu erstatten. Der Beigeladene habe gemäß § 89 e Abs. 1 SGB VIII einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten, weil S.W. vor der Aufnahme in eine andere Familie zuletzt mit der Mutter in B.W. (Bereich des Beklagten) einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Der Beigeladene wäre wiederum dem Kläger gemäß § 89 a i.V.m. § 86 Abs. 4 SGB VIII zur Erstattung verpflichtet. Gemäß § 89 e Abs. 1 SGB VIII i.V.m. § 89 a Abs. 2 SGB VIII sei deshalb der Kostenerstattungsanspruch des Klägers unmittelbar an den Beklagten zu richten.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2004 wurde der Beigeladene zum Verfahren beigeladen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. September 2004 ab. Seit dem Wegfall des gewöhnlichen Aufenthalts der Kindsmutter in E. richte sich die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 4 SGB VIII. Hinsichtlich des nach § 86 Abs. 4 SGB VIII maßgeblichen Zeitpunkts des "Beginns der Leistung" sei auf das Einsetzen der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung durch den Beigeladenen zum 1. Februar 1990 abzustellen. Zwar habe der Beklagte bereits seit Oktober 1988 Jugendhilfeleistungen in Form der sozialpädagogischen Familienhilfe gewährt, die aber mit Verbringen von S.W. in die Adoptionspflegefamilie im Bereich des Beigeladenen beendet gewesen seien. Der dortige Aufenthalt bis Ende Januar 1990 stelle keine fortgesetzte Hilfeleistung dar. S.W. sei am 30. August 1989 nicht in einer Pflegefamilie im Sinn des § 33 SGB VIII untergebracht worden, vielmehr sei die Aufnahme in der Pflegefamilie zum Zweck der Adoption erfolgt. Adoptionspflege sei keine Vollzeitpflege im Sinn des § 33 SGB VIII. Bei dem annähernd fünf Monate dauernden Aufenthalt in der Adoptionspflegefamilie handele es sich auch nicht um eine unmaßgebliche Unterbrechung einer einheitlichen und andauernden Jugendhilfemaßnahme. Als zeitliche Grenze für eine unbeachtliche Dauer der Unterbrechung könne ein Zeitraum von zwischen zwei und drei Monaten angesehen werden, der hier jedoch ganz offensichtlich überschritten sei. Vor Beginn der als neue Jugendhilfemaßnahme zu qualifizierenden Leistung zum 1. Februar 1990 habe S.W. ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beigeladenen gehabt, so dass dieser der gemäß § 86 Abs. 4 SGB VIII zuständige Jugendhilfeträger gewesen sei.

Der Beklagte werde auch nicht deshalb gegenüber dem Kläger kostenerstattungspflichtig, weil der Beigeladene seinerseits ihm gegenüber einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89 e SGB VIII gehabt habe und der Kläger diesen im Wege des so genannten "Durchgriffs" gemäß § 89 a Abs. 2 SGB VIII gegenüber dem Beklagten durchsetzen könne. Unabhängig davon, dass im Fall der Vollzeitpflege gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII die Vorschrift des § 89 e SGB VIII keine Anwendung finde, könne sich der Beigeladene auch deshalb nicht auf den Schutz der Einrichtungsorte im Sinn des § 89 e SGB VIII berufen, weil die Adoptionspflege vom Regelungsgehalt dieser Vorschrift eindeutig nicht umfasst sei. Denn die Vorschrift solle kommunale Gebietskörperschaften vor einer übermäßigen Kostenbelastung schützen, in deren Einzugsbereich Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung liegen. Ausgehend von der - nicht abschließenden - Aufzählung der Aufenthaltszwecke in § 89 e Abs. 1 SGB VIII verfolge die Adoptionspflege eine völlig andere Zweckbestimmung. Sie diene der Vorbereitung der Adoption und nicht der Leistung von Hilfe zur Erziehung. Wenn die Adoptionspflegefamilie auch von ihrer bisherigen Absicht, S.W. zu adoptieren, Abstand genommen habe, so bestünden doch insgesamt an der Ernsthaftigkeit der zunächst beabsichtigten Adoption keinerlei Bedenken.

3. Mit Beschluss vom 20. Februar 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers zugelassen. Gleichzeitig lehnte er den Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung ab.

Der Kläger trägt vor, dass S.W. mit der Unterbringung am 30. August 1989 in der Pflegefamilie einen zuständigkeitsrechtlich relevanten gewöhnlichen Aufenthalt in einer anderen Familie im Sinn des § 89 e Abs. 1 SGB VIII begründet habe. Für den streitgegenständlichen Zeitraum bestehe deshalb aufgrund der Sonderzuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII gegen den Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII. Es treffe nicht zu, dass die Adoptionspflege vom Regelungsinhalt des § 89 e Abs. 1 SGB VIII nicht umfasst sei. "Andere Familie" im Sinn des § 89 e Abs. 1 SGB VIII könne jede Bezugsperson sein, die nicht Elternteil sei, unabhängig davon, ob die Aufnahme in der anderen Familie im Rahmen einer jugendhilferechtlichen Maßnahme erfolge. Vielmehr stelle § 89 e SGB VIII darauf ab, dass die andere Familie der Erziehung, Pflege, Betreuung oder Behandlung des aufgenommenen Kindes oder Jugendlichen diene. Ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII sei bzw. wäre der Beigeladene gemäß § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig. Da sich die Zuständigkeit aber nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gerichtet habe und dieser in einer anderen Familie (Adoptionspflegefamilie) begründet worden sei, die der Erziehung und Betreuung des Kindes diene, hätte der Beigeladene nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII gegen den Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch, der aufgrund der Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII im Wege des so genannten Durchgriffs nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII auf den Kläger übergehe. Mit der Erweiterung des Erstattungsanspruchs in § 89 a Abs. 2 SGB VIII auch auf örtliche Träger, würden die Pflegestellenorte bei einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII denselben Schutz genießen wie Einrichtungsorte bei unmittelbarer Anwendung des § 89 e SGB VIII.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. September 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm die entstandenen Jugendhilfeaufwendungen für S.W. zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beigeladene hält die Berufung für begründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufung konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, weil der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 17. Januar 2002 für S.W. aufgewendeten Jugendhilfeleistungen in Höhe von 9.926,02 € hat. Kostenerstattungspflichtig ist nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII der Beklagte, weil S.W. vor der Aufnahme in die Adoptivpflegefamilie ("andere Familie") ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte und deshalb der Beigeladene, der ohne die Anwendung des § 89 e Abs. 1 SGB VIII dem Kläger nach § 89 a Abs. 3 SGB VIII kostenerstattungspflichtig geworden wäre, nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII seinerseits einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten besaß.

Nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII bleibt oder wird der örtliche oder überörtliche Träger der Jugendhilfe, gegen den der nach Absatz 1 kostenerstattungspflichtig werdende örtliche Träger während der Gewährung einer Leistung selbst einen Kostenerstattungsanspruch hat oder hätte, dem nunmehr nach § 86 Abs. 6 SGB VIII zuständig gewordenen örtlichen Träger kostenerstattungspflichtig. Nach § 89 a Abs. 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Die Kostenerstattungspflicht bleibt bestehen, wenn die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt ändert oder wenn die Leistung über die Volljährigkeit nach § 41 fortgesetzt wird (§ 89 a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).

Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach Abs. 1 der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird nach § 89 a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 örtlich zuständig gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hat sich während der Gewährung von Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII für S.W. (d.h. ab dem 18.4.1996) der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt dadurch geändert, dass die Mutter von S.W. im März 2000 aus dem Bereich der Stadt E. nach Brasilien verzogen ist. Dieser Aufenthaltswechsel hätte ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit von der bisher zuständigen Stadt E. (§ 86 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) auf den Beigeladenen (§ 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII) zur Folge gehabt. Nach § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen vor Beginn der Leistung, wenn die Eltern im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Das war hier in dem streitgegenständlichen Zeitraum der Fall, weil sich der Vater von S.W. in den USA und die Mutter in Brasilien aufhielt. Der nach § 86 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII maßgebliche Zeitpunkt des Beginns der Leistung war der 1. Februar 1990, ab dem der Beigeladene für S.W. Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII gewährte. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Vor Beginn der Leistung hatte S.W. ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der im Bereich des Beigeladenen wohnenden Pflegefamilie, die sie adoptieren wollte. Somit hatte der Kläger ab dem 1. April 2000 nach § 89 a Abs. 3 SGB VIII einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beigeladenen für die von ihm aufgewendeten Jugendhilfeleistungen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Beigeladene jedoch seinerseits einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII, der dazu führt, dass der Beklagte dem Kläger nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII im Wege des sogenannten Durchgriffs kostenerstattungspflichtig ist. Richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils, des Kindes oder des Jugendlichen (wie hier gemäß § 86 SGB VIII) und ist dieser in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen Wohnform begründet worden, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung oder dem Strafvollzug dient, so ist nach § 89 e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII der örtliche Träger zur Erstattung der Kosten verpflichtet, in dessen Bereich die Person vor der Aufnahme in eine Einrichtung, eine andere Familie oder sonstige Wohnform den gewöhnlichen Aufenthalt hatte. S.W. hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt ab dem 30. August 1989 in einer "anderen Familie" im Sinn des § 89 e Abs. 1 SGB VIII begründet, da die sie aufnehmende Pflegefamilie (ab 8.9.1989 Adoptivpflegefamilie) die Voraussetzungen dieses Begriffs erfüllte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.10.2004 NJW 2005, 1593 = FEVS 56, 353) setzt eine Aufenthaltsbegründung in einer "anderen Familie" im Sinn des § 89 e SGB VIII eine Jugendhilfemaßnahme nicht voraus, liegt aber mit Blick auf den institutionellen Charakter der in § 89 e SGB VIII genannten Aufnahmeeinrichtungen nicht schon bei einer mit Rücksicht auf bestehende Familienbande erfolgten Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen in der Familie naher Verwandter vor, sondern setzt eine grundsätzlich auswahloffene Aufnahmefamilie voraus. Eine "andere Familie" kann deshalb z.B. auch eine Adoptivpflegefamilie sein (BVerwG a.a.O.). Die Familie M.D., die S.W. am 30. August 1989 aufgenommen hatte, war eine grundsätzliche auswahloffene Aufnahmefamilie, die S.W. nicht mit Rücksicht auf bestehende Familienbande aufnahm. Die Aufnahme von S.W. wies einen über eine innerfamiliäre Hilfe hinausgehenden institutionellen Charakter auf. Da S.W. vor ihrer Aufnahme in die Pflegefamilie M.D. am 30. August 1989 bei ihrer Mutter lebte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten hatte, besitzt der Beigeladene hinsichtlich der ihm für S.W. entstandenen Jugendhilfekosten einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 89 e Abs. 1 SGB VIII.

Damit sind die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII gegeben. Denn die Kosten der Jugendhilfe, hier der Hilfe zur Erziehung, werden durch § 89 e Abs. 1 SGB VIII im Wege eines nach § 89 a Abs. 2 SGB VIII zu berücksichtigenden Kostenerstattungsanspruchs von einem Träger abgewendet, wenn der für die Zuständigkeit maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt in seinem Bereich in einer anderen Familie begründet wird (vgl. BVerwG vom 11.12.2003 FEVS 55, 289/291). Dies war bei der Aufnahme von S.W. in der Pflegefamilie M.D. am 30. August 1989 der Fall, wie bereits ausgeführt wurde.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 2, § 194 Abs. 5 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf verzichtet, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil er davon ausgeht, dass der Kläger nicht beabsichtigt, aus dem Urteil vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.

3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.926,02 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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