Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 12 B 05.2059
Rechtsgebiete: BSHG, SGB X


Vorschriften:

BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 122
SGB X § 45 Abs. 1
SGB X § 45 Abs. 2
SGB X § 50
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 05.2059

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. März 2006

am 30. März 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden und die Rückforderung der ihr für April und Mai 2004 gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2004 nahm die Beklagte sämtliche gegenüber der Klägerin in der Zeit vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2004 erteilten mündlichen und schriftlichen Bescheide über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 710,34 € zurück und forderte die erbrachte Leistung von der Klägerin zurück. Die Klägerin habe bereits in der vorher bewohnten Wohnung A.-Straße 100 zusammen mit Herrn W. gewohnt. Nachdem sie eigenen Angaben zufolge als Untermieterin von Herrn W. nicht länger als drei Monate in dieser Wohnung habe bleiben dürfen, seien sie und Herr W. zusammen in die jetzige Wohnung M.-Straße 14 a gezogen. Dies deute bereits auf eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hin. Bei dem am 10. Mai 2004 durchgeführten Hausbesuch durch den Außendienst des Sozialamtes habe es keine Anzeichen für das von der Klägerin angegebene getrennte Wohnen und Wirtschaften gegeben. Für das Sozialamt stehe deshalb fest, dass hier ein eheähnliches Verhältnis nach § 122 BSHG bestehe. Die Klägerin und Herr W. seien bereits aus einer anderen Wohnung miteinander in die neue Wohnung umgezogen, obwohl die bisherige Wohnung durch einen Auszug der Klägerin für Herrn W. zu halten gewesen wäre. Da bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 BSHG beide Personen zu berücksichtigen seien, sei die Sozialhilfegewährung an die Klägerin nicht rechtmäßig gewesen. Deshalb sei auch mit Bescheid vom 22. Juni 2004 die Sozialhilfe zum 1. Juni 2004 eingestellt worden. Die nicht rechtmäßig gewährte Sozialhilfe sei zurückzufordern. Vertrauensschutz auf den Bestand der Verwaltungsakte habe der Klägerin nicht eingeräumt werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 2. September 2004 beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 aufzuheben. Sie sei im November 2003 aus Sachsen-Anhalt nach N. gekommen. Herrn W. habe sie bereits aus dem gemeinsamen Heimatlandkreis gekannt. Er habe ihr angeboten, bei ihm zu wohnen, so lange sie noch keine Wohnung habe. Der Vermieter sei nicht damit einverstanden gewesen, dass Herr W. eine Untermieterin aufgenommen habe und habe deswegen das Mietverhältnis gekündigt. Da weder Herr W. noch sie zu diesem Zeitpunkt eine Alternative gehabt hätten, habe Herr W. sie in seiner neuen Wohnung wieder aufgenommen. Man habe einen Untermietvertrag über 210 € geschlossen, d.h. 50 % der eigenen Aufwendungen. Sie und Herr W. unterhielten jedoch keine Liebesbeziehung. Herr W. sei bis einschließlich April 2004 von seinen Eltern unterhalten worden, die die Miete für die Wohnung übernommen und dafür ihre Untermietzahlungen erhalten hätten. Außerdem hätten sie ihrem Sohn einen Zuschuss zum Lebensunterhalt gegeben, der in der Regel monatlich 200 € betragen habe. Seit 17. Mai 2004 habe Herr W. eine geringfügige Beschäftigung über monatlich 400 € angenommen, aus der er im Mai 2004 176,40 € bezogen habe. Selbst wenn die Annahme einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft durch die Beklagte gerechtfertigt wäre, so hätte Herr W. mangels Leistungsfähigkeit keinerlei Unterhaltsbeiträge für sie leisten können. Es liege weder ein eheähnliches Verhältnis noch eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft vor.

Die Klägerin legte noch Bescheinigungen über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung des Herrn W. vor, aus denen sich ergebe, dass dieser bis zum Ende des Jahres 2003 662 € brutto Ausbildungsvergütung gehabt habe und ab Januar 2004 unbezahlt freigestellt worden sei.

2. Das Verwaltungsgericht Ansbach wies die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2005 ab. Die Beklagte habe die in der Zeit vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2004 erteilten mündlichen und schriftlichen Bescheide gemäß § 45 Abs. 1 und 2 SGB X zurücknehmen dürfen. Diese seien rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin ab Antragstellung unrichtige bzw. unwahre Angaben gemacht habe. Sie habe verschwiegen, dass sie mit Herrn W. in diesem Zeitraum in einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinn des § 122 BSHG gelebt habe. Der gemeinsame Umzug zum 1. April 2004 sei erfolgt, weil es in der alten Wohnung nicht erlaubt gewesen sei, länger als drei Monate zusammenzuwohnen. Bereits daraus ergebe sich das Vorliegen innerer Bindungen. Ein Wohnungswechsel für Herrn W. wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Wohnraumüberlassung an die Klägerin lediglich der Überbrückung einer vorübergehenden Wohnungslosigkeit gedient habe. Die Klägerin hätte für sich allein, gegebenenfalls mit Unterstützung der Beklagten, eine eigene Unterkunft finden können. Auch die Art und Weise der Nutzung der nunmehr ebenfalls gemeinsam bewohnten Wohnung in der M.-Straße 14 a spreche eindeutig für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. So habe man nur ein Schlafzimmer, um einen rauchfreien Raum zu haben. Die Klägerin habe selbst angegeben, meist für beide zu kochen. Auf ein der Rücknahme entgegenstehendes Vertrauen könne sie sich nicht berufen, da die Hilfebescheide auf Angaben beruhten, die sie zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Bei Eingestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Herrn W. im genannten Zeitraum hätte die Beklagte bei der Berechnung der Hilfegewährung dessen Einkommen und Vermögen mitberücksichtigen müssen.

Bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide könne es nicht darauf ankommen, dass Herr W. möglicherweise selbst nicht leistungsfähig sei und sich selbst unter Einbeziehung seines Einkommens und Vermögens im Ergebnis eventuell ein gleich hoher oder geringerer Sozialhilfeanspruch für die Klägerin errechnen würde. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide ergebe sich bereits daraus, dass die Hilfeleistung aufgrund von der Klägerin aufgestellter unwahrer Behauptungen erfolgt sei. Im Falle der Beantragung von Sozialhilfeleistungen trage der Hilfesuchende die materielle Beweislast für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit. Wolle man im Falle der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden der Beklagten die Verpflichtung auferlegen, die Hilfebedürftigkeit des Hilfesuchenden zu klären, würde dies zu einer unerträglichen Umkehrung der Beweislast führen. Da die rechtswidrigen Bescheide wirksam zurückgenommen worden seien, sei die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X gerechtfertigt.

3. Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, dass das Verwaltungsgericht keinerlei tatsächliche Feststellungen getroffen habe, den angebotenen Beweismitteln nicht nachgegangen sei und seiner Entscheidung die Behauptung zugrunde gelegt habe, dass zwischen ihr und dem Zeugen W. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Sie habe bereits bei ihrer Anhörung darauf hingewiesen, dass Herr W., selbst wenn er wolle, sie nicht unterhalten könne. Die Tatsache, dass die Behörde diesem Hinweis nicht nachgegangen sei, habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht mit der Begründung abgetan, dies würde eine unerträgliche Umkehr der Beweislast darstellen. Die im Klageverfahren ausführlich dargelegten und unter Beweis gestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen W., aus denen sich seine Unfähigkeit ergebe, sie zu unterhalten oder Beiträge zu ihrem Unterhalt zu leisten, habe das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung vollkommen unberücksichtigt gelassen. Gerade wenn es der Auffassung gewesen sei, dass die materielle Beweislast die Klägerin treffe, so hätte es die vorgelegten Darlegungen und Beweise würdigen und seiner Entscheidung zugrundelegen müssen.

Der Zeuge W. habe auf Nachfrage angegeben, dass er im gesamten maßgeblichen Zeitraum ab Anfang 2004 über keinerlei Immobilienwerte, Sparguthaben, Lebensversicherungspolicen, Aktien und Sparbriefe verfügt habe, ausgenommen einen VwL-Vertrag. Diesen habe er nunmehr aufgrund der Einkommensverringerung wegen der Arbeitslosigkeit vorzeitig kündigen müssen und daraus einen Betrag in Höhe von 1.700 € vor einigen Tagen ausbezahlt erhalten. Der Zeuge W. verfüge auch über kein eigenes Fahrzeug. Der Pkw Marke Nissan, den er benutze, gehöre seinem Vater, der auch Steuer und Versicherung trage. Herr W. habe lediglich die Spritkosten zu tragen und könne das Auto ohne Gegenleistung nützen. Dass er die Klägerin, nachdem er wegen der verbotenen Untermiete die erste Wohnung verloren habe, auch in die zweite Wohnung mitaufgenommen habe, sei kein offensichtlicher Hinweis darauf, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Sie beide hätten zum gleichen Zeitpunkt ihre Wohnung verloren, weshalb es naheliegend gewesen sei, auch die von Herr W. gefundene neue Wohnung gemeinschaftlich zu beziehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dass offensichtlich eine eheähnliche Gemeinschaft vorgelegen habe und vorliege, werde dadurch deutlich, dass die Klägerin und Herr W. gemeinsam zum 1. August 2005 in eine Wohnung in der W.-Straße 62 gezogen seien. Es sei zwar detailliert ausgeführt worden, dass Herr W. im streitgegenständlichen Zeitraum geringfügig beschäftigt gewesen sein solle und des weiteren Unterhaltsleistungen durch seine Eltern erhalten habe. Belege oder Nachweise hierfür lägen der Beklagten bislang aber nicht vor. Die Zweifel an der geltend gemachten Hilfebedürftigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum hätten nicht abschließend durch die Klägerin ausgeräumt werden können. Es sei nicht bekannt, ob neben dem vorhanden gewesenen Kraftfahrzeug im streitgegenständlichen Zeitraum weiteres Vermögen vorhanden gewesen sei, das einer Sozialhilfegewährung entgegenstehen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der mündlichen Verhandlung am 29. März 2006 Beweis erhoben über die Frage des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Klägerin und Herrn W. sowie über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse jeweils im Zeitraum vom 1. April bis 31. Mai 2004 durch Einvernahme von Herrn W. als Zeugen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 zu Unrecht abgewiesen, weil dieser Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO)

Der angefochtene Bescheid wurde auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützt, soweit mit ihm die in der Zeit vom 1. April bis 31. Mai 2004 erteilten Bewilligungsbescheide zurückgenommen wurden. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide scheitert daran, dass sie rechtmäßig sind, weil der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2004 zu Recht Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wurde.

Der Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung steht nicht entgegen, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen W. im fraglichen Zeitraum eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinn des § 122 BSHG bestanden hätte, so dass die Beklagte bei der Berechnung der Sozialhilfe das Einkommen und Vermögen des Zeugen W. hätte berücksichtigen müssen. Eine eheähnliche Gemeinschaft ist eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 264). Der Sozialhilfeträger ist nach § 20 SGB X dafür nachweispflichtig, dass eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt (LPK-BSHG/Münder, 6. Aufl. 2003, § 122 RdNr. 22).

Die in der mündlichen Verhandlung durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs ergeben, dass die Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen W. im April/Mai 2004 noch nicht vorlagen. Der Zeuge W. hat glaubwürdig erklärt, dass er die Klägerin bereits seit seiner Jugendzeit kennt, weil sie in einer Nachbargemeinde seines früheren Wohnortes in Sachsen-Anhalt wohnte. Da sie auf Arbeitssuche gewesen sei, habe er ihr angeboten, vorübergehend bei ihm zu wohnen, weil er ohnehin vorgehabt habe, nach Beendigung seiner Ausbildung den Bereich der Beklagten zu verlassen und in Sachsen-Anhalt wieder Arbeit zu finden. Nachdem der Vermieter seiner Wohnung darauf bestanden habe, dass die Wohnung auf Dauer nur von einer Person bewohnt werde, habe er gemeinsam mit der Klägerin eine neue Wohnung gesucht, weil sie damals nur auf 400 €-Basis beschäftigt gewesen sei und alleine nicht in der Lage gewesen wäre, eine eigene Wohnung zu finanzieren. Durch die gemeinsamen Erlebnisse habe sich eine engere Beziehung zwischen ihnen ergeben, die spätestens seit der Entscheidung bestehe, gemeinsam in die nunmehrige Wohnung in der W.-Straße 62 zu ziehen (die seit 1.8.2005 von der Klägerin und dem Zeugen bewohnt wird). Während des Umzugs in die Wohnung in der M.-Straße habe zwischen ihnen nur ein kameradschaftliches Verhältnis bestanden, er habe der Klägerin nur helfen wollen.

Der Verwaltungsgerichtshof hält es für glaubhaft, dass der Zeuge mit der Klägerin im April/Mai 2004 noch nicht in einer auf Dauer angelegten engeren Beziehung verbunden war, obwohl er zusammen mit ihr eine neue Wohnung gesucht hatte und diese dann auch gemeinsam bewohnte. Die Klägerin war damals aufgrund ihrer schlechten Einkommenssituation, die sich auch in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Prozesskostenhilfeverfahren widerspiegelt, tatsächlich nicht in der Lage, eine eigene Wohnung anzumieten und zu finanzieren. Der Verwaltungsgerichtshof hält auch die Aussage des Zeugen für glaubhaft, dass er der Klägerin zunächst nur helfen wollte, weil er sie bereits seit seiner Jugendzeit von zu Hause her kannte und sich mit ihr gut verstand. Es erscheint auch plausibel, dass sich die eine eheähnliche Gemeinschaft auszeichnende innere Bindung erst durch die gemeinsamen Erlebnisse während einer längeren Zeit des Zusammenlebens entwickelt hat. Die zwischen der Klägerin und dem Zeugen bereits im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft genügt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht (vgl. BVerwG NDV-RD 1996, 38).

Unabhängig hiervon war der Zeuge während des streitgegenständlichen Zeitraums von seinem Einkommen und Vermögen her auch nicht in der Lage, die Klägerin finanziell zu unterstützen. Nachdem er seit Beginn seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann bei der Spedition W. im September 2001 eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von zuletzt 662 € erhalten hatte, war er seit 1. Januar 2004 vom Ausbildungsbetrieb unbezahlt freigestellt. Dies ergibt sich sowohl aus der im Klageverfahren vorgelegten Bestätigung der Spedition W. vom 10. September 2004 als auch der glaubhaften Aussage des Zeugen. Nach seinen Angaben wurde der Zeuge dann ab Januar 2004 von seinen Eltern finanziell unterstützt, die seine Wohnungsmiete übernahmen und ihm das zum täglichen Lebensunterhalt notwendige Geld zur Verfügung stellten. Ein eigenes Einkommen hatte der Zeuge erst wieder, als er am 17. Mai 2004 eine geringfügige Beschäftigung (400 €-Basis) bei der Firma K. aufgenommen hatte, aus der er bis zum 31. Mai 2004 ein Nettoeinkommen von 176,40 € erzielte.

Über berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügte der Zeuge im streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls nicht. Der von ihm benutzte Pkw Marke Nissan gehörte seinem Vater, der auch die Kraftfahrzeugsteuer und die Haftpflichtversicherung bezahlte. Dies steht zur Überzeugung des Senat fest aufgrund der glaubwürdigen Aussage des Zeugen und des von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kraftfahrzeugscheins, in dem sein Vater als Halter eingetragen ist. Als berücksichtigungsfähiges Vermögen kann auch der vom Zeugen am 12. Dezember 2000 bei der LBS abgeschlossene Bausparvertrag nicht angesehen werden, da er zu Jahresbeginn 2004 erst einen Guthabenstand von 1.255,26 € aufwies. Dieser lag damit unter der Freibetragsgrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 a der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Höhe von 1.279 €.

Nach alledem war der Berufung stattzugeben und das angefochtene Urteil sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück