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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: 12 B 99.1700
Rechtsgebiete: BSHG, BGB


Vorschriften:

BSHG § 92 c Abs. 1 Satz 1
BSHG § 92 c Abs. 1 Satz 2
BSHG § 92 c Abs. 2
BSHG § 92 c Abs. 3 Nr. 1
BGB § 1936
BGB § 1942 Abs. 2
BGB § 1964
BGB § 1967
BGB §§ 1975 ff.
BGB § 2311
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
12 B 99.1700

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Sozialhilfe;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 1999,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 15. Juli 2003

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 1999 wird abgeändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 1997 und sein Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1997 werden aufgehoben, soweit sie dem Kläger eine Leistungspflicht in Höhe von mehr als 24.395,09 DM auferlegen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Die Beteiligten streiten über den Umfang der Pflicht des Klägers zum Ersatz von Kosten der Sozialhilfe als Erbe der Hilfeempfängerin Frau K. (HE).

Die am 8. September 1996 verstorbene HE erhielt vom Beklagten in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Januar 1992 Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten einer Heimunterbringung in Höhe von rund 100.000 DM. Sie sparte ab Januar 1992 ein Vermögen von zuletzt 31.197,61 DM an. Erbe nach der HE ist der Kläger als Fiskus.

2. Der Beklagte verlangt vom Kläger mit Bescheid vom 27. Mai 1997 den Ersatz der Kosten seiner Sozialhilfeleistungen in Höhe von 27.538,19 DM. Dabei geht er von dem Wert des Aktivnachlasses (= 31.197,61 DM) abzüglich von Erblasserschulden (Auslagen und Vergütungen des Betreuers der HE) in Höhe von 619,42 DM, also von 30.578,19 DM, aus. Zudem berücksichtigt er den Freibetrag nach § 92 c Abs. 3 Nr. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (hier: 3.040 DM) bei der Geltendmachung seines Anspruchs.

Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Verwaltungsgericht erhoben mit dem Antrag,

den Bescheid vom 27. Mai 1997 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17. Juni 1997 aufzuheben soweit diese Bescheide ihm eine Leistungspflicht in Höhe von mehr als 24.395,09 DM auferlegen.

Er ist der Auffassung, der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles habe 31.197,61 DM abzüglich der vom Beklagten berücksichtigten Erblasserschulden und abzüglich der sogenannten Erbfallschulden in Höhe von insgesamt 3.143,10 DM, nämlich (a) Gerichtskosten für eine angeordnete Nachlasspflegschaft (130 DM) und (b) eine Nachlasspflegevergütung in Höhe von 654,10 DM sowie (c) Beerdigungskosten in Höhe von 2.359 DM, betragen.

Das Verwaltungsgericht führt zur Begründung seines klageabweisenden Urteils im Wesentlichen aus: Der Kostenersatzanspruch des Beklagten, der eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB sei, gehe anderen Nachlassverbindlichkeiten, wie insbesondere Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen oder etwaigen testamentarischen Auflagen, vor, weil den Verbindlichkeiten gegenüber der Allgemeinheit grundsätzlich ein Vorrang vor den privatrechtlichen Verbindlichkeiten einzuräumen sei. Daher habe der Beklagte zu Recht die geltend gemachten sogenannten Erbfallkosten in Höhe von insgesamt 3.143,10 DM, die im Zeitpunkt des Todes der HE noch nicht entstanden gewesen seien, bei der Bemessung des Werts des Nachlasses nicht berücksichtigt. Soweit in solchen Fällen ein Erbe aus seinem Eigenvermögen belastet werde, könne das im allgemeinen durch die Härtefallregelung ausgeglichen werden. Ein Härtefall liege hier aber nicht vor.

3. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung weiter.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Die Beerdigungskosten minderten den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles nicht. Der Erbe müsse in jedem Fall die Beerdigungskosten tragen, auch wenn sie durch den Nachlass nicht gedeckt seien. In diesem Falle verbleibe dem Erben die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass. Sein (des Beklagten) Ersatzanspruch sei vorrangig. Er entstehe bereits mit dem Zeitpunkt des Todes des Hilfeempfängers kraft Gesetzes. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten entstünden jedoch erst später aus Anlass des Erbfalles.

4. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufung konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). Der Berufung war stattzugeben, weil der Bescheid vom 27. Mai 1997 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1997 des Beklagten insoweit rechtswidrig sind, als sie den Kläger zur Erstattung der Kosten der Sozialhilfe in Höhe von mehr als 24.395,09 DM verpflichten; insoweit verletzen sie den Kläger als Fiskus in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Heranziehungsbescheid des Beklagten, der zwischen den Beteiligten nicht dem Grunde, sondern nur seiner Höhe nach streitig ist, seine rechtliche Grundlage in § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG findet. Danach ist u.a. der Erbe eines Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nach § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren vor dem Erbfall rechtmäßig (vgl. BVerwG vom 21.10.1987 BVerwGE 78, 165) aufgewendet wurden und die das Zweifache des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG übersteigen. Nach § 92 c Abs. 3 Nr. 1 BSHG ist der Anspruch auf Kostenersatz nicht geltend zu machen, soweit der Wert des Nachlasses unter dem Zweifachen des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG liegt (hier: 3.040 DM). § 92 c BSHG ist wie § 92 a Abs. 1 bis 3 BSHG (Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten) eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die mit Mitteln der Allgemeinheit finanzierten Leistungen der Sozialhilfe nicht zurückverlangt werden, auch wenn Hilfebedürftigkeit nicht mehr besteht. Der Ersatzanspruch nach § 92 c BSHG richtet sich nicht gegen den Erblasser, sondern gegen den Erben und entsteht erst mit dem Erbfall. Nach § 92 c Abs. 2 Satz 1 BSHG gehört die Ersatzpflicht des Erben zwar zu den Nachlassverbindlichkeiten, zu denen nach § 1967 Abs. 2 BGB "außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen" gehören, sie ist aber keine Erblasserschuld, wie z.B. eine öffentlich-rechtliche Steuerschuld des Erblassers, sondern trifft gemäß 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG "den Erben als solchen" im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB. Der Kläger ist als Fiskus Erbe. Das hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - D. mit Beschluss vom 31. Januar 1997 gemäß § 1964 BGB festgestellt. Er konnte daher nach § 1942 Abs. 2 BGB die Erbschaft nicht wie ein sonstiger Erbe ausschlagen, obwohl er, wie jeder andere Erbe auch, privatrechtlicher Erbe, also Gesamtrechtsnachfolger der HE ist. Das gesetzliche Erbrecht des Fiskus nach § 1936 BGB hat vor allem Ordnungsfunktion. Es werden herrenlose Nachlässe vermieden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung gesichert. Daneben ist es aber auch Zweck des § 1936 BGB, freie Nachlasswerte der Allgemeinheit zukommen zu lassen (vgl. Leipold in MünchKomm, 3. Aufl. 1997, RdNrn. 1 und 6 zu § 1936). Zum Ausgleich dafür, dass dem Fiskus auch ein überschuldeter Nachlass zwangsläufig anfällt, kann er sich auf die Beschränkung seiner Haftung auch dann berufen, wenn sie ihm im Urteil nicht vorbehalten ist (§ 780 Abs. 2 ZPO). Ebenso wenig kann er sein Recht auf Haftungsbeschränkung durch eine Versäumung der Inventarfrist verlieren (§§ 1994, 2011 Satz 1 BGB).

b) Die dem Grunde nach bestehende Ersatzpflicht des Klägers ist ihrer Höhe nach nicht nur durch § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSHG eingeschränkt. Nach § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG haftet der Erbe - nur - mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses. Auch diese Einschränkung hat der Sozialhilfeträger von Amts wegen zu beachten, wenn er durch Verwaltungsakt seinen Anspruch gegenüber dem Erben geltend macht. Der in der Vorschrift verwandte Begriff "Wert des Nachlasses" ist der des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. BVerwG vom 23.9.1982 BVerwGE 66, 161 = FEVS 32, 177). Unter dem Wert des Nachlasses ist nichts anderes zu verstehen als unter dem wortgleichen Begriff in § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundegelegt. Der für die Ermittlung von Bestand und Wert des Nachlasses maßgebliche Zeitpunkt stellt somit auf die Zeit des Erbfalls, d.h. auf den Tod des Erblassers bzw. den gemäß § 9 Verschollenheitsgesetz festzustellenden Todeszeitpunkt ab (vgl. Frank in MünchKomm, RdNr. 12 zu § 2311). Damit wirken sich weder Wertsteigerungen noch Wertminderungen des Nachlasses nach dem Tod des Erblassers aus. Nach allgemeiner Meinung bestimmt sich der Wert des - bestehenden - Nachlasses im Sinne von § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB aus der Differenz von Aktiv- und Passivbestand (vgl. dazu nur Frank, a.a.O., RdNrn. 3 und 9 ff. zu § 2311; Edenhofer in Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, RdNr. 3 zu § 2311). Das gilt im Hinblick darauf, dass das Bundessozialhilfegesetz keinen eigenständigen Begriff des Wertes des Nachlasses und keine eigenständigen Regeln zur Ermittlung des Nachlasswertes feststellt, auch bei der Anwendung des § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG. Darüber besteht im Grundsatz zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Streit besteht nur darüber, welche Belastungen als zu berücksichtigender Passivbestand anzusehen sind. Der Beklagte will lediglich die "vom Erblasser herrührenden Schulden" im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB, also die sogenannten Erblasserschulden berücksichtigt wissen. Es entspricht jedoch allgemeiner Meinung in der zivilrechtlichen Literatur, dass vom Aktivbestand des Nachlasses weiter abzuziehen sind auch "den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten" im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB, also sogenannte Erbfallschulden (vgl. Frank, a.a.O., RdNr. 10 zu § 2311 und Edenhofer, a.a.O., RdNr. 11 zu § 2311). Davon geht jedenfalls bezüglich der vom Erben zu tragenden Kosten einer angemessenen Beerdigung (§ 1968 BGB) auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aus, wobei es keine Rolle spielt, dass diese Kosten nicht im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, sondern erst in den Tagen danach entstehen (BVerwG vom 23.9.1982, a.a.O.; OVG RhPf vom 5.4.2001 FEVS 52, 573). Die Verpflichtung des Erben, gemäß § 92 c BSHG die Kosten der Sozialhilfe zu ersetzen, ist zwar eine Nachlassverbindlichkeit nach § 92 c Abs. 2 Satz 1 BSHG, die mit dem Erbanfall entsteht. Dennoch ist sie keine von den Aktiva des Nachlasses abzugsfähige Verbindlichkeit bei der Ermittlung des Nachlasswertes. Denn diese Wertermittlung dient ja der Ermittlung des Umfangs der Haftung des Erben. Entsprechendes gilt auch bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2311 BGB. Der Wert des Pflichtteilsanspruchs selbst, der im Sinne von § 2311 BGB das Objekt der Berechnung ist, ist nicht abzugsfähig (Frank, a.a.O., RdNr. 11 zu § 2311). Allerdings kann der Erblasser vor seinem Tod sein Vermögen mindern und dadurch einen Nachlass mit geringerem Wert dem Erben hinterlassen. Genauso wie das den Wert des Pflichtteilsanspruchs mindert, verringern solche vermögensmindernden Verfügungen des Erblassers den Umfang der Haftung nach § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG. Das ist auch deshalb gerechtfertigt, weil der Erblasser jedenfalls grundsätzlich die Kosten der ihm materiell rechtmäßig gewährten Sozialhilfe nicht zu ersetzen hat, egal wie vermögend er nach dem Bezug der Leistungen geworden ist.

Zu den den Erben als solchen treffenden und damit zu berücksichtigenden Kosten zählen daher die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers (§ 1968 BGB) und auch die Kosten einer Nachlassverwaltung, der Nachlasssicherung (§ 1960 BGB), der Ermittlung der Nachlassgläubiger sowie der Inventarerrichtung (vgl. Frank, a.a.O., RdNr. 10 zu § 2311). Das ist auch gerechtfertigt, weil derartige Kosten in einem Erbfall anfallen oder anfallen können, ohne dass der Erblasser oder der Erbe ihre Entstehung und ihre Höhe beeinflussen könnte. Sie sind eine durch den Erbfall als solchen zwangsläufig verursachte Wertminderung des Nachlasses. Die vom Beklagten geltend gemachten Kosten (Gerichtskosten für die Nachlasspflegschaft, Nachlasspflegevergütung und Beerdigungskosten) entstanden ihm in Erfüllung derartiger Erbfallverbindlichkeiten. Sie sind somit bei der Ermittlung des Werts des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls vom Aktivbestand des Nachlasses abzuziehen. Damit kann der Beklagte bei Berücksichtigung des Freibetrages (§ 92 c Abs. 3 Nr. 1 BSHG) nur einen Betrag in Höhe von 24.395,09 DM rechtmäßig geltend machen.

c) Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen, dass ein Vorrang des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs des Beklagten dazu führen müsse, die vom Kläger geltend gemachten Beerdigungskosten und die Kosten der Nachlassverwaltung nicht als bei der Wertermittlung zu berücksichtigende Passiva zu behandeln. Denn der Vorrang und Nachrang von Ansprüchen von Nachlassgläubigern hat nichts mit der Ermittlung des Wertes des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls zu tun. Die Frage, ob und welche Nachlassverbindlichkeit im Sinne von § 1967 Abs. 2 BGB vor- oder nachrangig ist, stellt sich erst, wenn (a) der Wert des Nachlasses ermittelt worden ist, (b) der Erbe die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass gemäß §§ 1975 BGB herbeigeführt hat und (c) der Nachlass nicht ausreicht, allen Nachlassverbindlichkeiten nachzukommen. Im Übrigen weist der Kläger in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die von ihm geltend gemachten Passiva im Nachlasskonkurs vorrangig zu befriedigen sind. Schließlich überzeugt das Argument, die vorrangige Befriedigung des Erstattungsanspruchs sei durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt, im vorliegenden Fall auch deshalb nicht, weil der Zwangsanfall des Nachlassvermögens an den Kläger ebenfalls dem Allgemeininteresse dient.

d) Ein für die Ermittlung des Nachlasswertes maßgeblicher Vorrang des Kostenersatzanspruchs lässt sich auch nicht aus der Neuregelung des § 92 c Abs. 2 BSHG durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S. 2374) ableiten. Die bis dahin geltende Regelung des § 92 c Abs. 2 Halbsatz 2 BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Mai 1983 (BGBl I S. 613 - BSHG a.F. -), wonach der Erbe "nur mit dem Nachlass" haftete, wurde durch § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG abgelöst, der die Haftung des Erben auf den "Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses" begrenzt. Anlass dieser Neuregelung war das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 1992 (BVerwGE 90, 250 = FEVS 43, 321). Das Bundesverwaltungsgericht hatte in dieser Entscheidung aus dem Wortlaut des § 92 c Abs. 2 Halbsatz 2 BSHG a.F. den Schluss gezogen, der Erbe hafte nur mit dem im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vorhandenen Bestand und Wert des Nachlasses. Damit wirkten sich die Wertminderungen des Nachlasses zwischen dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und der Geltendmachung des Erstattungsanspruches im Zeitpunkt des Widerspruchs des Erlasses des Widerspruchsbescheides negativ auf die Höhe des Erstattungsanspruchs nach § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG des Sozialhilfeträgers aus. Demgegenüber bestimmt die Neuregelung ausdrücklich, dass maßgeblich der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist. Die amtliche Begründung hierzu lautet (BT-Drs. 12/3610):

"Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.6.1992 ...) lässt zu, dass der Erbe vor Geltendmachung der Kostenersatzforderung durch den Träger der Sozialhilfe das Nachlassvermögen auf einen Dritten, z.B. durch Schenkung an eine nahestehende Person mit der Folge übergehen lässt, dass der Erbe von der Haftung befreit wird. Dies führt zu einer unbilligen Bereicherung des Erben bzw. der von ihm bedachten Dritten und zu erheblichen Einnahmeausfällen bei den Trägern der Sozialhilfe. Durch die Neufassung ... wird ausgeschlossen, dass auf diese Weise der Nachlass dem Zugriff des Trägers der Sozialhilfe entzogen werden kann. Es wird geregelt, dass es hier auf den im Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls vorhandenen Nachlass ankommt. Die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts ... wird künftig nicht mehr möglich sein. Der geltenden wie der künftigen Fassung des Absatzes 2 liegt allerdings die Auffassung zu Grunde, dass dies keine abschließende, sondern eine nur in diesem Punkt vom allgemeinen Erbrecht abweichende Regelung ist. Es soll vermieden werden, dass in diesen besonderen Fällen erst eine Nachlassverwaltung angeordnet oder der Nachlasskonkurs eröffnet sein muss (§ 1976 ff. BGB). Das dient der Vereinfachung des Verfahrens, ohne den Schutz des Erben zu beeinträchtigen."

Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung klargestellt, dass der Erbe nach § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG zur Erstattung der Kosten der dem Erblasser gewährten Sozialhilfe bis zu der Höhe verpflichtet ist, die dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls entspricht. Das gilt im Übrigen auch bei der Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs nach § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB. Änderungen im Bestand oder im Wert des Nachlasses (Untergang von Nachlassgegenständen oder Wertsteigerungen von Nachlassgegenständen wie Aktien, Erfüllung von Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen oder Auflagen) werden bei der Berechnung des Pflichtteils nicht berücksichtigt (vgl. Frank, a.a.O., RdNr. 2 zu § 2311).

Ob mit der Neuregelung aber zugleich klargestellt wird, dass der Erbe nicht nur mit dem Nachlass haftet, sondern gegebenenfalls auch eigenes Vermögen zur Deckung des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs verwenden muss, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Die wohl überwiegende Meinung nimmt allerdings an, dass der Sozialhilfeträger auf das eigene Einkommen und Vermögen des Erben nicht zurückgreifen darf (vgl. W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNr. 16 zu § 92 c, Conradis in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 15 zu § 92 c). Diese Auffassung ist jedoch mit dem Wortlaut der Neufassung und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 12/3610) schwerlich vereinbar. Hat der Erbe beispielsweise den im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlass zur Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB verwandt und macht der Sozialhilfeträger sodann den Ersatzanspruch nach § 92 c Abs. 1 Satz 1 BSHG geltend, muss der Erbe zwangsläufig auf sein eigenes Einkommen und Vermögen zurückgreifen, um seine Schuld zu tilgen. Auf eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 1975 ff. BGB kann der Erbe nicht zurückgreifen, weil die Beschränkung seiner Haftung nach § 92 c Abs. 2 BSHG als eigenständige und abschließende Regelung verstanden wird (BVerwG vom 25.6.1992, a.a.O.). Dann aber verbleibt es nur für andere Verpflichtungen des Erben als die nach § 92 c BSHG bei der Erbenhaftung nach Maßgabe der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, wie insbesondere den Erblasserschulden (so Siegmann in MünchKomm, RdNr. 76 zu § 1967). Hier muss der Kläger jedoch nicht auf eigenes Vermögen zurückgreifen; vielmehr kann er die rechtmäßig geltend gemachten Kosten der Sozialhilfe ohne weiteres mit den Mitteln des Nachlasses ersetzen. Daher bedarf es auch keiner Prüfung, ob der vom Gesetz vorgesehene Schutz des Fiskus als "Zwangserbe" (vgl. § 780 Abs. 2 ZPO, §§ 1994, 2011 Satz 1 BGB) einen Rückgriff auf Eigenvermögen des Klägers verbietet oder ob auch für den Fiskus als Erben die Haftungsbeschränkung nach § 92 c Abs. 2 BSHG eine eigenständige und abschließende Sonderregelung ist, die weitere Haftungsbeschränkungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausschließt.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 188 Satz 2 VwGO in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, § 194 Abs. 5 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Kostenentscheidung nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt, weil er annimmt, dass der Kläger seine ohnehin nicht in nennenswerter Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten nicht vor Rechtskraft dieser Entscheidung zu vollstrecken beabsichtigt.

3. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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