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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 12 BV 06.382
Rechtsgebiete: UVG, NATO-TrStatZAbk


Vorschriften:

UVG § 1
NATO-TrStatZAbk Art. 13 Abs. 1 Satz 1
Kinder eines Mitglieds des Zivilen Gefolges der NATO-Truppen haben gem. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk keinen Anspruch auf Leistungen nach dem UVG.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 BV 06.382

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Unterhaltsvorschussrecht;

hier: Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Dezember 2007

am 11. Dezember 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufungen werden zurückgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Sie sind am 21. Mai 1998 bzw. 28. April 2001 als nichteheliche Kinder einer deutschen Staatsangehörigen und eines US-amerikanischen Staatsangehörigen, der Angestellter der US-Army (NAF-Programm) und Mitglied des Zivilen Gefolges ist, geboren. Hinsichtlich der Klägerin zu 1 erkannte der Vater die Vaterschaft unter dem 22. Juli 1998 an und verpflichtete sich, an die Klägerin zu 1 ab Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr den Regelbetrag nach der Regelbetragsverordnung ohne Anrechnung von Sozialleistungen nach § 1612 b und § 1612 c BGB monatlich im voraus, rückständige Beträge sofort zu zahlen. Mit Bescheid vom 14. April 2001 lehnte das Landratsamt Neustadt a.d. Waldnaab einen Antrag der Klägerin zu 1 vom 20. Oktober 2000 auf Leistungen nach dem UVG mit der Begründung ab, dass der ihr gegenüber Unterhaltsverpflichtete zum Zivilen Gefolge der NATO-Streitkräfte gehöre und deshalb Leistungen nach dem UVG nicht bewilligt werden könnten.

Die Vaterschaft hinsichtlich der Klägerin zu 2 erkannte ihr Vater unter dem 2. Dezember 2003 an. Unter dem 1. März 2004 erkannte er weiter an, dass er zur Zahlung von Unterhalt nach bürgerlichem Recht verpflichtet sei. Er verpflichtete sich, an die Klägerin zu 2 ab dem 28. April 2001 Unterhalt beziffert bzw. als Vomhundertsatz eines oder des jeweiligen Regelbetrages nach § 1612 a bis § 1612 c BGB i.V. mit der Regelbetragsverordnung in der zurzeit geltenden Fassung zu zahlen.

Beide Klägerinnen ließen mit Formularanträgen vom 6. April 2004 Anträge auf Gewährung von Leistungen nach dem UVG stellen, die mit getrennten Bescheiden jeweils vom 8. April 2004 durch die Beklagte im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt wurden, ein Kind, das gegenüber einem Mitglied der im Bundesgebiet stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte oder des Zivilen Gefolges dieser Truppe unterhaltsberechtigt sei, sei von Leistungen nach dem UVG ausgeschlossen. Über die gegen die vorgenannten Bescheide eingelegten Widersprüche wurde durch die Regierung von Oberfranken nicht entschieden.

Die gegen die vorgenannten Bescheide erhobenen Klagen wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 12. Dezember 2005 ab. Zur Begründung wurde unter Hinweis auf den bereits ergangenen Prozesskostenhilfebeschluss vom 14. Februar 2005 im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägerinnen stehe kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem UVG zu, weil sie Angehörige eines Mitgliedes des Zivilen Gefolges einer Truppe nach dem NATO-Truppenstatut (Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und c NATO-Truppenstatut) seien und deshalb die Vorschriften des UVG, die im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge gehörten, auf sie nicht anwendbar seien. Das UVG gehöre wie das im SGB VIII geregelte Kinder- und Jugendhilferecht zum Sachgebiet der Jugendhilfe i.S. des § 188 Satz 1 VwGO (BVerwG vom 14.10.1993, 5 C 10/91). Die Kinder- und Jugendhilfe sei Bestandteil der im Bundesgebiet geltenden sozialen Rechte (vgl. § 8, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Diese sozialen Rechte nach den Vorschriften des SGB I gehörten zu den Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge i.S. des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut. Es liege auch kein Ausnahmefall i.S. von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vor. Hierfür wäre Voraussetzung, dass "ausdrücklich etwas Anderes vorgesehen ist". Die Anwendung des deutschen Sozialrechts auf Mitglieder des Zivilen Gefolges und deren Angehörige sei ausgeschlossen, wenn und soweit deutsche Sozialrechtsnormen für die vorgenannten Personen sonst Rechte und Pflichten allein schon wegen des Umstandes begründeten, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhielten oder soweit sie in tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen nur zum Entsendestaat und zueinander stünden. Deutsches Sozialrecht finde hingegen Anwendung, wenn und soweit seine Normen Rechtsverhältnisse zu deutschen Leistungsträgern (§ 12 SGB I) an andere Umstände (Beziehungen dieser Person zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpften. Dies sei dann der Fall, wenn besondere Regelungen für Personen bestünden, die Angehörige des Zivilen Gefolges oder Angehörige i.S. des NATO-Truppenstatuts seien (z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Abs. 8 BErzGG). Eine "Abweichung" setze eine ausdrückliche gesetzliche Regelung voraus, was sich bereits aus dem Wortlaut ergebe. Das UVG enthalte keine derartige ausdrückliche Bestimmung. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut sei auch nicht verfassungswidrig. Dies habe das Bundessozialgericht bereits mehrfach entschieden. Insbesondere liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot nicht vor. Gerade Mitglieder des Zivilen Gefolges eines NATO-Staates seien im Inland "greifbar" und stünden regelmäßig in einem Arbeitsverhältnis. Unterhaltstitel gegen sie könnten regelmäßig durchgesetzt werden.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Erstgericht verkenne, dass das UVG nicht zu den "im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge" i.S. von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gehöre. Zudem liege auch ein Ausnahmefall i.S. von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut vor. Das UVG beschäftige sich ausdrücklich nicht mit der Staatsbürgerschaft der Antragsteller oder der Unterhaltsverpflichteten. Die vorgenannte Vorschrift schließe die Anwendung des deutschen Sozialrechts auf Angehörige des Zivilen Gefolges nur aus, wenn deutsche Sozialrechtsnormen für die Angehörigen sonst Rechte und Pflichten allein schon wegen des Umstandes begründeten, dass sie sich im Bundesgebiet tatsächlich aufhielten oder soweit sie in der tatsächlichen und rechtlichen Beziehung nur zum Entsendestaat und zueinander stünden. § 1 UVG knüpfe neben dem Aufenthaltsort an zwei weitere Voraussetzungen an, zum einen an die Nichtvollendung des 12. Lebensjahres sowie zum anderen daran, dass der Betreffende nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalte. Das UVG gelte auch für Ausländer. Es knüpfe daher nicht nur an den tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland an, sondern stelle im Unterschied beispielsweise zum SGB VIII weitergehende Anforderungen. Ein alleiniger Anknüpfungspunkt "Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland" liege damit nicht vor. Es sei eine "ausdrückliche" anderweitige Regelung i.S. des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut gegeben. Auch sei eine Auslegung der vorgenannten Vorschrift dahingehend, dass in ihren Anwendungsbereich auch die Vorschriften des UVG fielen, verfassungswidrig. Das Erstgericht habe sich darauf gestützt, dass eine Doppelversorgung durch den Entsendestaat und gleichzeitig durch den Aufnahmestaat ausgeschlossen sei. Es habe aber nicht geprüft, ob vorliegend eine "Doppelversorgung" gegeben sei. Es sei ein Beweisantrag gestellt worden, dass Hilfsangebote von Seiten der USA entsprechend einer Hilfegewährung nach den Grundsätzen des UVG nicht existierten. Dem sei das Erstgericht nicht nachgegangen. Für die Verfassungswidrigkeit komme es lediglich darauf an, ob die Klägerinnen wie andere Kinder in Deutschland behandelt würden, deren unterhaltspflichtige Väter keinen Unterhalt bezahlen. Das Erstgericht habe den für die Bestimmung einer Verletzung des Art. 3 GG notwendig zu bildenden Personenkreis falsch ermittelt. Es hätte keinen Vergleich anstellen dürfen zwischen den Klägerinnen und anderen Kindern von Truppenmitgliedern. Auch stütze sich das Erstgericht auf Mutmaßungen, wonach Zwangsvollstreckungen "regelmäßig wohl erfolgreich" seien. Jedenfalls erhielten die Klägerinnen von den USA keine den deutschen Regelungen des UVG entsprechenden Hilfeleistungen, was durch eine amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes festgestellt werden könne. Hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit werde eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angeregt.

Die Mutter der Klägerinnen habe zudem erfahren, dass im Spätsommer 2006 der Kindsvater seinen Arbeitsplatz gewechselt habe und deshalb möglicherweise nicht mehr Angehöriger der NATO-Truppen oder des Zivilen Gefolges sei. Die Kinder hätten zum letzten Mal vor rund zwei Jahren Kontakt zu dem Vater gehabt. Seit Rechtshängigkeit der Klage seien auch einige Zahlungen an die Mutter der Klägerinnen geflossen, wobei nach wie vor nicht klar sei, worauf diese Zahlungen von der Beklagten geleistet worden seien.

Die Klägerinnen lassen beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 8. April 2004 den Klägerinnen beginnend ab dem 8. April 2004 Leistungen nach dem UVG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt zur Erwiderung im Wesentlichen vor: Es handele sich vorliegend um eine Grundsatzentscheidung. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bayreuth werde verwiesen. Der Vater der Klägerinnen sei mit Wohnsitz in Grafenwöhr gemeldet. Er arbeite bei der US-Army als NAF Personnel Assistant (Ziviles Gefolge) in Vilseck. Über den Beistand der Kinder seien in der Zeit von März bis Mai 2006 und seit Januar 2007 fortlaufend alle zwei Wochen Unterhaltsbeiträge zugunsten der Kinder (auf laufenden Unterhalt und Rückstand sowie des Sozialamtes auf Rückstand aus früheren Hilfegewährungen) per Lohnpfändung erlangt worden. Für die Leistungen nach dem UVG sei es aber unerheblich, ob bzw. in welcher Höhe vom Vater der Klägerinnen Unterhaltszahlungen vereinnahmt werden könnten. Soweit seitens der Klägerinnen hinsichtlich erhaltener Unterhaltszahlungen Unklarheiten bestünden, könnten diese mit dem Beistand geklärt werden.

Mit Beschluss vom 26. April 2006 wurde den Klägerinnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen der Klägerinnen zu Recht abgewiesen, denn die Bescheide der Beklagten vom 8. April 2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten; diese haben keine Ansprüche auf Unterhaltsvorschussleistungen (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG) hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder - ausfallleistungen, wer (Nr. 1) das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der u.a. ledig ist (Nr. 2), und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens in der in § 2 Abs. 1 und 2 UVG bezeichneten Höhe erhält (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind bei den Klägerinnen erfüllt. Ihren Ansprüchen auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz steht aber Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut/NATO-TrStatZAbk) vom 3. August 1959 (BGBl 1961 II S. 1183, 1218/1232) entgegen. Danach werden, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines Zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet. Der Vater der Klägerinnen ist in Grafenwöhr gemeldet und bei der US-Army als NAF Personnel Assistant (Ziviles Gefolge) in Vilseck beschäftigt, wie die Beklagte mit Schreiben vom 12. November 2007 mitgeteilt hat. Dem sind die Klägerinnen nicht substantiiert entgegengetreten, sie haben lediglich vorgetragen, sie hätten vor rund zwei Jahren zuletzt Kontakt zum Vater gehabt und könnten die Angaben der Beklagten nicht definitiv bestätigen. Art. 1 Satz 1 Buchst. b des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 3. August 1959 (BGBl 1961 II S. 1190/1191) definiert "Ziviles Gefolge" als das die Truppe einer Vertragspartei begleitende Zivilpersonal, das bei den Streitkräften dieser Vertragspartei beschäftigt ist, soweit es sich nicht um Staatenlose handelt oder um Staatsangehörige eines Staates, der nicht Partei des Nordatlantikvertrages ist, oder um Staatsangehörige des Staates, in dem die Truppe stationiert ist, oder um Personen, die dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Vater der Klägerinnen gehört zum "Zivilen Gefolge" in diesem Sinne. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c NATO-Truppenstatut definiert als "Angehörige" den Ehegatten eines Mitglieds einer Truppe oder des Zivilen Gefolges sowie ein dem Mitglied gegenüber unterhaltsberechtigtes Kind. Letzteres trifft auf die Klägerinnen zu. Sie sind "Angehörige" eines Mitglieds des Zivilen Gefolges der US-Army.

Auf sie ist der Ausschlusstatbestand des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk anwendbar. Das Unterhaltsvorschussgesetz gehört zu den im Bundesgebiet geltenden Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge. Das Bundesverwaltungsgericht (vom 14.10.1993, DVBl 1994, 426) hat klargestellt, dass der Zweck der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz darin besteht, ebenso wie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11, 12 BSHG a.F.; §§ 27 ff. SGB XII), den Unterhalt des betroffenen Kindes zu sichern. Damit ist Zweckidentität mit den Leistungen der Sozialhilfe gegeben und die Kindern nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zustehenden Leistungen sind wie die nunmehr im SGB VIII geregelten Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zum Sachgebiet der Jugendhilfe i.S. von § 188 Satz 1 VwGO zu rechnen.

Die Unterhaltsansprüche, die Grundlage für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind, betreffen vorliegend nur die Beziehungen zwischen den Klägerinnen und ihrem Vater, der Mitglied des Zivilen Gefolges der US-Army ist. Sie betreffen nicht Beziehungen zu Dritten, also zu anderen "nicht entsandten Personen". Auch sind die Klägerinnen selbst nach dem Unterhaltsvorschussgesetz anspruchsberechtigt. Dass daneben der alleinerziehende Elternteil - hier die Mutter - begünstigt werden soll, ändert daran nichts (so BVerwG vom 14.10.1993, a.a.O.). Bei Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk handelt es sich um eine zwischenstaatliche Kollisionsnorm, die Vorrang vor inländischen Normen hat, wie sich aus § 30 Abs. 2 SGB I ergibt (vgl. u.a. BSG vom 3.11.1993, 14 b REg 5/93 - juris). Diese Kollisionsregel ist aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 18. August 1961 (BGBl II S. 1183) unmittelbar geltendes Bundesrecht geworden (vgl. u.a. BSG vom 3.11.1993). Familienangehörige eines Mitglieds der Streitkräfte einer Vertragspartei der NATO-Truppen oder dessen Zivilen Gefolges sind in den durch das multilaterale Abkommen begründeten Entsendestatus einbezogen. Nach dem Willen der Vertragsparteien sind grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die Bundesrepublik Deutschland für die soziale Sicherheit dieses Personenkreises verantwortlich (so BSG vom 3.11.1993, m.w.N.). Soweit die Klägerinnen vortragen, § 1 UVG knüpfe neben dem tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet noch an zwei weitere Voraussetzungen an, nämlich die Nichtvollendung des 12. Lebensjahres sowie die nicht oder nicht regelmäßige Gewährung von Unterhalt durch den anderen Elternteil, weshalb Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk nicht greife, folgt der Senat dem nicht. Die Kollisionsregel in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk legt fest, dass das deutsche Sozialrecht - ausnahmsweise - auf die dem internen Bereich der Streitkräfte zugeordneten Personen nicht anzuwenden ist, wenn und so lange sie sich im Bundesgebiet aufhalten und nur Beziehungen zum Entsendestaat oder untereinander haben. Das deutsche Sozialrecht ist demgegenüber uneingeschränkt anwendbar, wenn (soweit und so lange) diese Personen rechtliche oder tatsächliche Beziehungen zu Dritten, d.h. zu anderen, nicht "entsandten" Personen (Rechtssubjekten) unterhalten. Die Nichtanwendung deutschen Sozialrechts ist jeweils auf den Bereich bzw. die Rechtsstellung beschränkt, aus der eine bestimmte, die soziale Sicherheit und Fürsorge betreffende Rechtsposition hergeleitet wird (vgl. BSG vom 25.2.1992, BSGE 70, 138, m.w.N.). Das Unterhaltsvorschussgesetz knüpft gerade an die internen Familienbeziehungen zwischen "Angehörigen", also den Klägerinnen und ihrem Vater, an. Es sind keine - einschlägigen - Rechte und Pflichten unabhängig vom Status eines "Angehörigen" erworben worden (vgl. BSG vom 28.6.1990, 4 REg 36/89 - juris; vom 25.2.1992, a.a.O.). Die von den Klägerinnen genannten Umstände - Nichtvollendung des 12. Lebensjahres und keine regelmäßige Unterhaltsleistung durch den Vater - betreffen gerade das Verhältnis "Angehöriger" und Mitglied des Zivilen Gefolges, aber keine anderweitig erworbenen Ansprüche auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit.

Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk sind die Bestimmungen über die soziale Sicherheit und Fürsorge im Bundesgebiet dann auch auf den von dem Abkommen erfassten Personenkreis anzuwenden, wenn dies in einer Regelung des nationalen Rechts ausdrücklich angeordnet ist (vgl. z.B. Art. 7 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz i.d.F.d. B. vom 16.11.1995). Eine solche ausdrückliche Regelung fehlt im Unterhaltsvorschussgesetz.

Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATO-TrStatZAbk verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV). Der Gleichheitssatz wäre verletzt, wenn die Klägerinnen im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt würden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 102, 41/54), d.h., wenn die Versagung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz willkürlich wäre. Eine solche sachfremde Differenzierung zwischen deutschen Staatsangehörigen liegt nicht vor. Die Klägerinnen werden als deutsche Staatsangehörige mit anderen Angehörigen der NATO-Streitkräfte bzw. deren Zivilen Gefolges gleichbehandelt. Die Ausklammerung aus dem Bereich der sozialen Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beruht auf der sachlichen Erwägung, dass die Klägerinnen durch ihren Sonderstatus als Angehörige eines Mitgliedes des Zivilen Gefolges der NATO-Truppe sozial durch den Entsendestaat abgesichert sind. Diese von den Vertragsparteien gewollte Herausnahme aus dem Schutz des deutschen Sozialrechts stellt einen hinreichenden Grund dar, denn die Klägerinnen teilen insoweit im sozialen Bereich das rechtliche Schicksal ihres Vaters als Mitglied des Zivilen Gefolges. Dies hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden (u.a. vom 26.6.1991, 10 RKg 25/90 - juris); die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos (vgl. BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, vom 16.6.1994 - 2 BvR 1478/92). Diese Gleichstellung schließt Vor- und Nachteile ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Entsendestaat eine soziale Sicherheit und Fürsorge gewährleistet, die in jeder Hinsicht dem deutschen Sicherungsniveau entspricht, insbesondere alle Sicherungszweige und Leistungsarten umfasst, die im deutschen Sozialrecht geregelt sind (vgl. dazu BSG vom 28.6.1990, a.a.O.). Auf den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Gesichtspunkt, es solle eine "Doppelversorgung" durch den Entsendestaat und gleichzeitig den Aufnahmestaat ausgeschlossen werden, kommt es entscheidungserheblich nicht an (vgl. BSG vom 25.2.1992, a.a.O.). Auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, liegt nicht vor. Auch insoweit besteht der maßgebliche sachliche Grund für die Differenzierung darin, dass Angehörige von Mitgliedern der NATO-Streitkräfte bzw. deren Zivilen Gefolges deren Status im Hinblick auf die soziale Sicherheit teilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung verzichtet, weil er davon ausgeht, dass die Beklagte nicht beabsichtigt, ihre ohnehin nur in geringem Umfang angefallenen außergerichtlichen Kosten vor Rechtskraft zu vollstrecken.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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