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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.03.2004
Aktenzeichen: 12 CE 03.2604
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 166
VwGO § 173
ZPO § 86
ZPO § 114
ZPO § 246 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 CE 03.2604

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Sozialhilfe (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. September 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler ohne mündliche Verhandlung am 30. März 2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag, für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Tschampel, Ansbach, beizuordnen, wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der frühere Antragsteller W. verstarb am 24. Dezember 2003. Er begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zwangsvollstreckung in sein Grundeigentum auszusetzen.

1. Die Antragsgegnerin gewährte W. mit Bescheid vom 28. Dezember 1998 Hilfe zum Lebensunterhalt darlehensweise nach § 89 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und mit Bescheid vom 20. März 2000 ein Darlehen nach § 15 a BSHG zur Deckung von Wasser- und Kanalleitungsgebühren. W. war Eigentümer eines Einfamilienhauses, dessen Wert er auf 200.000 DM bis 250.000 DM einschätzte. Mit Leistungsbescheiden vom 7. Juli 1999, vom 8. Mai 2000 und vom 2. Juni 2001 forderte die Antragsgegnerin von ihm zunächst 9.035,85 DM, dann 10.595,03 DM und zuletzt 13.825,59 DM zurück. Alle drei Bescheide sind bestandskräftig. Weiter beantragt die Antragsgegnerin beim Amtsgericht Ansbach die Eintragung einer Zwangshypothek auf das Grundeigentum des W. und betrieb nach der Eintragung die Zwangsvollstreckung.

2. Den Antrag des W.,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zwangsversteigerungssache gegen ihn auszusetzen,

lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. September 2003 ab. Es komme allenfalls ein Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung nach Art. 22 VwZVG in Betracht, dessen Voraussetzungen hier offensichtlich nicht gegeben seien. Die fraglichen Leistungsbescheide seien bestandskräftig. Auch nach allgemeinen Billigkeitserwägungen sei die Antragsgegnerin nicht zur Einstellung der Zwangsvollstreckung verpflichtet. Das Hausgrundstück gehöre nicht zum geschützten Vermögen im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG, weil eine Wohnungsgröße von 140 m² nicht als sozialhilferechtlich angemessener Wohnbedarf für den allein stehenden W. angesehen werden könne. Soweit er geltend mache, die Zwangsvollstreckung sei für ihn eine große psychische Belastung und er sei zudem krank, liege es in der Natur der Sache, dass die Zwangsvollstreckung in das selbst bewohnte Eigenheim von ihm als hart empfunden werde. Einen außergewöhnlichen Sachverhalt, der über die damit verbundene Härte hinaus W. außergewöhnlich belasten würde, vermöge das Gericht nicht zu erkennen.

3. Mit seiner Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgte W. sein Begehren weiter. Hilfsweise begehrte er die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, über seinen Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück FlNr. 2297, Nordweg 5 in 91522 Ansbach unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Gleichzeitig hat er Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren beantragt. Seine Erben, die Antragsteller, haben sich nicht weiter geäußert.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

1. Der Antrag des W., ihm Prozesskostenhilfe und Rechtsanwalt Tschampel beizuordnen, war abzulehnen, weil nach seinem Tod während des Beschwerdeverfahrens eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht mehr in Betracht kommt. Prozesskostenhilfe soll der Partei, die die Prozesskosten aus eigenen Mitteln nicht bestreiten kann, die Prozessführung ermöglichen. Dieser mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck kann nach dem Tod der bedürftigen Partei nicht mehr erreicht werden. Das hat zur Folge, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach ihrem Tod kein Raum mehr ist. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Rechtsanwalt, der die Prozesskostenhilfe begehrende Partei vertritt, einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 7.12.1976 NDR 1977, 409; Olbertz in Schoch, VwGO, Stand: Januar 2002, RdNr. 57 zu § 166). Das Prozesskostenhilfegesuch des W. ist infolge seines Versterbens erledigt. Der Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist höchstpersönlicher Natur; es kommt nach dem auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 166 VwGO anwendbaren § 114 ZPO auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei an (BFH vom 3.8.1999 Juris Nr.: STRE 995101960; OLG Frankfurt/M. vom 12.11.1984 NJW 1985, 751). Deshalb erledigt sich mit dem Tod des Antragstellers das bisherige Bewilligungsverfahren (vgl. OLG Frankfurt/M., a.a.O., Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., RdNr. 26 zu § 119). Für den Fall des Todes vor einer antragsgemäßen Bewilligung folgt hieraus zugleich, dass eine nachträgliche Bewilligung zu Gunsten der verstorbenen Partei nicht mehr in Betracht kommt. Denn maßgebend für die Bewilligung ist stets, ob der Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf (Peter Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl., RdNr. 41 zu § 166). Im Übrigen wäre der Antrag auch deshalb abzulehnen, weil die Beschwerde aus den in der nachstehenden Nummer 2 dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2. Über die Beschwerde konnte trotz des Todes des W. entschieden werden. Der Verstorbene war anwaltlich vertreten. Die von ihm seinem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht besteht gemäß § 173 VwGO, § 86 ZPO zunächst über den Tod des W. hinaus fort. Nach § 173 VwGO, § 246 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Verfahren infolge der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten nicht schon kraft Gesetzes (s. § 239 ZPO) unterbrochen. Der Bevollmächtigte hat auch nicht nach § 246 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO die Aussetzung des Verfahrens beantragt. An die Stelle des Verstorbenen sind seine Erben als Antragsteller getreten (§ 192 BGB) und das Verfahren geht unbehindert weiter (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, RdNr. 8 zu § 61).

Die Beschwerde ist nicht begründet, weil jedenfalls weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht sind (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Bei der Prüfung, ob diese für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, ist auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen, wenn, wie hier, mit der Beschwerde der begehrte Erlass der Anordnung weiterhin verfolgt wird. Die fraglichen Rückforderungsbescheide der Antragsgegnerin sind bestandskräftig. W. stützte sein Begehren, die Zwangsvollstreckung auszusetzen, auf seine schwere Krankheit und damit auf Billigkeitserwägungen. Er machte insoweit einen Anspruch geltend, der höchstpersönlicher Natur war, d.h. allein auf seine Verhältnisse und Bedürfnisse ausgerichtet war. Wegen seiner höchstpersönlichen Natur war der Anspruch nicht vererblich (Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Auflage 1992, RdNr. 10 zu § 4 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Nach dem Tod des W. ging der Anspruch deshalb unter (W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNr. 39 zu § 4; vgl. auch BayVGH vom 17.5.1991 Az. 12 CE 91.1004 und vom 9.7.1991 Az. 12 CE 91.730). Mit dem Tode des W. sind seine Erben zwar Gesamtrechtsnachfolger geworden und an seiner Stelle als Verfahrensbeteiligte in das Prozessrechtsverhältnis eingetreten, sie leben deshalb aber nicht - wie früher W. - alt, krank und einkommenslos auf dem von der Zwangsversteigerung betroffenen Grundstücks. Sie hätten daher die vorliegende Streitsache für erledigt erklären können, haben das allerdings nicht getan.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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