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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 12 ZB 07.739
Rechtsgebiete: BayKiBiG, SGB VIII


Vorschriften:

BayKiBiG Art. 7 Abs. 1
BayKiBiG Art. 7 Abs. 2
BayKiBiG Art. 23 Abs. 4 Satz 1
SGB VIII § 5 Abs. 1 Satz 1
Das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt allein keinen "zwingenden persönlichen Grund" i.S.v. Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG dar.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 ZB 07.739

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Kindergartenrecht;

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Februar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

ohne mündliche Verhandlung am 23. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet, weil die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen.

1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Die Kläger haben weder einen tragenden Rechtssatz noch eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. BVerfG vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/64).

Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Zulassungsbegründung zutreffend das Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG verneint; liegen aber die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, ist die nachfolgende (vgl. BayVGH vom 25.4.2007, Az.: 12 CE 07.500) Ermessensentscheidung entbehrlich. Ausgehend vom Vortrag der Kläger und der von ihnen vorgelegten Atteste hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines "zwingenden persönlichen Grundes" i.S.v. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG mit zutreffender Begründung verneint. Hierauf nimmt der Senat Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), zumal die Kläger auf die gesundheitlichen Belange ihres Kindes nicht eingehen. Allein der Wunsch der Eltern aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt keinen "zwingenden persönlichen Grund" dar, der ohne das Vorliegen besonderer weiterer Umstände zu einer Ermessensentscheidung über die Förderung führt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern aus § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VIII unberührt lässt (Entscheidung vom 25.04.2007, a.a.O.). Die Wünsche der Eltern sind grundsätzlich im Rahmen der örtlichen Bedarfsplanung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG zu berücksichtigen, wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeht. Der prognostizierte Bedarf ist unter Berücksichtigung der Elternwünsche nach Art. 7 Abs. 2 BayKiBiG in Kindertageseinrichtungen innerhalb der Aufenthaltsgemeinde bzw. unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 BayKiBiG in solchen außerhalb der Aufenthaltsgemeinde abzudecken. Die Ausnahmevorschrift des Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG soll den Elternwünschen dann Rechnung tragen, wenn der nach Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG festgestellte Bedarf an sich gedeckt ist, aber persönliche Gründe von besonderem Gewicht im Einzelfall vorliegen. Insoweit erweitert diese Ausnahmevorschrift die Förderpflicht der Aufenthaltsgemeinde für außergewöhnliche Fälle, gerade um dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gerecht zu werden. Die Härteklausel konkretisiert das vorgenannte Recht der Eltern (vgl. auch LT-Drucksache 15, 2479, S. 24). Denknotwendig kann das Wunsch- und Wahlrecht somit nicht selbst das Tatbestandsmerkmal der "zwingenden persönlichen Gründe" ausfüllen, vielmehr ist es dessen Grundlage. Wäre die Rechtsauffassung der Kläger zutreffend, müsste die Wohnortgemeinde jeglichen Wunsch der Eltern hinsichtlich der Tagestätte, unabhängig davon, ob der festgestellte Bedarf gedeckt ist oder nicht, und sogar unabhängig von der räumlichen Entfernung erfüllen. Dies widerspricht aber der Systematik der Regelungen der Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 1 und 4 BayKiBiG. Das Ziel des Gesetzes, die für den Ausbau der Kindertageseinrichtungen unerlässliche Planungssicherheit und -hoheit zu stärken (vgl. LT-Drucksache 15/2479, S. 1), würde ins Gegenteil verkehrt. Deshalb wurde zugunsten der Träger, die auf Planungssicherheit angewiesen sind, ein Förderanspruch normiert (Art. 18 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 BayKiBiG), der durch die Bedarfdeckung begrenzt ist (Art. 22 Abs. 1 BayKiBiG). Die Ausnahmeregelung in Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG erweitert diese Grenze für ganz besondere Fälle (Entscheidung vom 25.4.2007). Bei ihr verbietet sich - wie bei Ausnahmeregelungen allgemein - eine weite ("relativ großzügige") Auslegung. Eine generalklauselartige Erweiterung - Elternwunsch - ist schon deshalb nicht zulässig und auch verfassungsrechtlich nicht geboten, worauf der Vertreter des öffentlichen Interesses zu Recht hinweist.

Der Senat hat daher keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das zutreffend bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG verneint. Die Ausführungen der Zulassungsbegründung zum Ermessen - Rechtsfolgenseite - sind daher für die Entscheidung unerheblich.

1.2 Besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind nicht gegeben. Solche bestehen nach der Zulassungsbegründung in der Auslegung des Begriffs "zwingende persönliche Gründe" (Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG). Sie sind aber aus den unter 1.1 dargelegten Gründen nicht gegeben. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und der Systematik der Regelungen in Art. 7, 22 und 23 BayKiBiG. Die Frage der verfassungsgemäßen Auslegung der Ausnahmeregelung in Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG stellt sich bei zutreffender Einordnung des Wunsch- und Wahlrechtes als Grundlage für die normierte Ausnahme nicht. Soweit Verwaltungsgerichte dies anders sehen, wie die Zulassungsbegründung vorträgt, beruht dies auf der Verkennung des Ausnahmecharakters der Regelung in Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG, die der Verwaltungsgerichtshof allerdings schon in seiner früheren Entscheidung vom 25. April 2007 ausdrücklich betont hat.

1.3 Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die insoweit von der Zulassungsbegründung formulierte Rechtsfrage lässt sich ohne weiteres aus dem Regelungszusammenhang des § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und der Art. 7, 22, 23 BayKiBiG beantworten. Die Regelungen in Art. 23 Abs. 4 Satz 1 BayKiBiG konkretisieren nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. LT-Drucksache 15/2479, S. 24) das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Der Elternwunsch allein stellt ersichtlich keinen "zwingenden Grund" dar. Wünsche der Eltern können vielfältige Motive haben, diese müssen nicht in jedem Fall "zwingend" sein, wie gerade der vorliegende Fall verdeutlicht. Der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf es daher nicht.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

3. Mit diesem Beschluss, der unanfechtbar ist (§ 152 Abs. 1 VwGO), wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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