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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.08.2007
Aktenzeichen: 14 B 04.3576
Rechtsgebiete: BayRKG, BGB


Vorschriften:

BayRKG Art. 3 Abs. 1
BayRKG Art. 3 Abs. 6
BGB § 242
Dem Dienstherrn ist es unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung grds. verwehrt, dem Anspruch der Lehrkraft auf Erstattung der tatsächlichen Auslagen nach Maßgabe des Bayerischen Reisekostengesetzes für die Durchführung einer Schüler- oder Klassenfahrt eine von der Lehrkraft abgegebene Verzichtserklärung bezüglich der Reisekostenvergütung entgegenzuhalten.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

14 B 04.3576

Verkündet am 2. August 2007

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Reisekostenvergütung;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. November 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zimniok, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Häring, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. August 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Studiendirektor am Gymnasium M.. In der Zeit vom 7. Juli bis 9. Juli 2003 nahm er, wie in den vorangegangenen Jahren, mit Schülern der 9. Klassen an einem Unterrichtsprojekt "Über Liebe reden lernen" in einer privaten Einrichtung in A. teil. Der Unterricht wurde vom Kläger und von Lehrern für die Fächer Ethik, Religion und Biologie gestaltet. Für die Veranstaltung bezahlten die teilnehmenden Lehrer und die Schüler jeweils 40,- Euro für Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung u. a. an die private Einrichtung.

Die Dienstreiseanordnung hatte der Schulleiter am 4. Juli 2003 erteilt.

Der Kläger beantragte am 20. Oktober 2003 mit Formblattschreiben die Erstattung der Reisekosten für die Klassenfahrt, wobei er die ihm entstandenen Gesamtkosten mit 40,- Euro angab.

Die Reisekostenabrechnung enthält folgenden von der Abrechnungsstelle formulierten und vom Kläger am 13. November 2003 unterschriebenen Zusatz:

"Verzichtserklärung

Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass mir die Reisekostenvergütung in

Höhe von 23,68 Euro ausbezahlt wird".

Die Regierung von Unterfranken erstattete dem Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2003 Auslagen nach dem Bayerischen Reisekostengesetz in Höhe von 23,68 Euro. Über den vom Kläger dagegen fristgerecht eingelegten Widerspruch wurde nicht entschieden.

Mit seiner beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am 10. April 2004 eingegangenen Klage beantragte der Kläger,

den Beklagten zu verpflichten, über den mit Bescheid vom 2. Dezember 2003 erstatteten Betrag von 23,68 Euro hinaus weitere Reisekosten für die dreitägige Unterrichtsveranstaltung in A. zu gewähren.

Mit Urteil vom 24. November 2004 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, unter Aufhebung des Bescheids der Regierung von Unterfranken vom 2. Dezember 2003 dem Kläger weitere Dienstreisekosten in Höhe von 16,32 Euro zu gewähren.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Kläger habe gemäß Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayRKG Anspruch auf Reisekostenvergütung für die dreitägige Dienstreise nach A.. Auf die von ihm nachträglich abgegebene "Verzichtserklärung" könne sich der Beklagte nicht berufen, weil dies ausnahmsweise eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus messe einem Schullandheimaufenthalt im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags eine zentrale Bedeutung bei. Das ergebe sich auch aus den Bekanntmachungen des Ministeriums vom 5. April 2004 und vom 5. Oktober 1979. Von den Lehrkräften einerseits die Durchführung von Schullandheimaufenthalten als dienstliche Aufgabe zu erwarten, andererseits solche Aufenthalte nur bei Verzicht auf die Reisekostenvergütung zu genehmigen, stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Der pflichtbewusste, seinen Erziehungs- und Bildungsauftrag ernst nehmende Lehrer werde hierdurch benachteiligt. Der Dienstherr verletze seine Fürsorgepflicht dem Beamten gegenüber.

Der Beklagte beantragt mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 24. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, nachdem ihm durch seine Verzichtserklärung die Geltendmachung des Anspruchs auf weitere Reisekostenvergütung verwehrt sei. Für die Klage fehle deshalb das Rechtsschutzinteresse.

Der Kläger habe gemäß Art. 3 Abs. 6 BayRKG durch seine Erklärung vom 23. November 2003 auf Reisekostenvergütung und damit auf den weiter geltend gemachten Betrag in Höhe von 16,32 Euro verzichtet. Die Berufung des Beklagten auf die Verzichtserklärung stelle - auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn - keine unzulässige Rechtsausübung dar. Von einer groben Pflichtverletzung des Dienstherrn, die Voraussetzung für eine unzulässige Rechtsausübung sei, könne keine Rede sein. Die praktizierte Vorgehensweise sei in Anbetracht der allgemeinen Mittelknappheit und des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schulen angemessen und daher auch pflichtenkonform. Die Zahl der Schülerfahrten und Schullandheimaufenthalte verringerte sich spürbar, müssten die Reisekosten in voller Höhe erstattet werden. Zudem seien bei geltend gemachten Reisekosten von 40,- Euro tatsächlich 23,68 Euro und damit 59,2 % der Kosten erstattet worden. An der betroffenen Schule hätten üblicherweise alle Lehrkräfte zu gleichen Teilen auf die Reisekostenerstattung für das betroffene Jahr verzichtet, um die durch den fehlenden Deckungsanteil entstehende finanzielle Belastung gerecht aufzuteilen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht gegeben. Von allen Lehrern in Bayern würden ähnliche Verzichtsleistungen bzw. -erklärungen verlangt.

Der Kläger sei in seiner Entscheidung frei gewesen, ob er die Klassenfahrt in Kenntnis der nur anteiligen Reisekostenerstattung habe durchführen wollen oder nicht. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebiete es nicht, den finanziellen Nachteil auszugleichen, weil dann nur weniger Schullandheimaufenthalte möglich wären, was dem Erziehungsauftrag der Schule widerspreche. Der Verzicht beruhe offensichtlich auf einem Konsens zwischen Lehrern, Eltern und Schülern, dass mehr bzw. kostspieligere Fahrten durchgeführt werden sollten, als im Rahmen der Haushaltsmittel möglich gewesen wären.

Den Aufenthalten im Schullandheim und den Klassenfahrten werde im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrags eine zentrale Bedeutung beigemessen; sie sollten besonders den Gemeinschaftsgeist in der Klasse und das soziale Verhalten der Schüler fördern. Das ergebe sich auch aus den entsprechenden Bekanntmachungen des Kultusministeriums. Die für die Reisekostenerstattung im schulischen Bereich nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel seien so bemessen, dass sie für die beiden für die meisten Schularten verpflichtend vorgeschriebenen Schülerwanderungen im Schuljahr ausreichten und darüber hinaus auch andere nach pädagogischen Gesichtspunkten empfehlenswerte Fahrten, Schullandheimaufenthalte oder Skikurse durchgeführt werden könnten. Die Schulen hätten dabei in den letzten Jahren mit Haushaltsmitteln in etwa gleichbleibender Höhe rechnen können. Da die Pauschalsätze der Reisekostenerstattung, auf die die Lehrkräfte bei Dienstreisen Anspruch hätten, oft höher lägen als die tatsächlichen Kosten, habe sich hier ein Verfahren mit Verzichtserklärungen eingebürgert und als zweckdienlich erwiesen. Somit sei gewährleistet, dass alle Fahrten sämtlicher Lehrkräfte einer Schule gleichmäßig berechnet würden. Selbst wenn die Schulen das Budget nur um weniger als 10 % überzögen, könnten schon vom Haushalt nicht gedeckte Zusatzkosten im bis zu sechsstelligen Bereich entstehen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und trägt vor, er habe als begleitende Lehrkraft des Unterrichtsprojektes "Über Liebe reden lernen" für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung den selben Betrag (40 Euro) bezahlt wie die zu betreuenden Schüler. Dass einer Lehrkraft zugemutet werde, auf die ihr zustehenden pauschalierten Tages- und Übernachtungsgelder zu verzichten, könne er noch nachvollziehen. Dass er aber aus eigener Tasche noch Geld für die notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten bezahlen müsse für eine dienstliche Veranstaltung, bei der er als Referent der Veranstaltung und als Betreuer 24 Stunden am Tag Dienst tue, sei nicht nachvollziehbar. Die Dienstreiseanordnung sei am 4. Juli 2003 erteilt, die Verzichtserklärung aber erst am 13. November 2003 unterschrieben worden. Fraglich sei auch, ob die von ihm unterzeichnete "Verzichtserklärung" überhaupt eine Verzichtserklärung im Sinn des Art. 3 Abs. 6 BayRKG darstelle. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts sei die in der Praxis häufig gewählte Form, eine Verzichtserklärung unterschreiben zu lassen, rechtlich unwirksam. Die Praxis der Regierung von Unterfranken, von den an einer Unterrichtsveranstaltung oder einer Klassenfahrt teilnehmenden Lehrern eine Verzichtserklärung zu fordern und ihnen die zustehende Reisekostenvergütung vorzuenthalten, verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der bayerischen Beamten.

Ergänzend wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die Gerichtsakten und beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Frage, ob die von ihm auf der Reisekostenabrechnung unterschriebene Verzichtserklärung einen wirksamen Verzicht auf weitere Reisekostenvergütung darstellt und seinem geltend gemachten Anspruch auf vollständige Erstattung der von ihm aufgewendeten 40 Euro entgegensteht.

2. Der Senat entscheidet nach dem Antrag des Klägers nur darüber, ob ihm eine Reisekostenvergütung von 40 Euro zusteht, die er für Hin- und Rückfahrt und für die Unterkunft und Verpflegung an die Einrichtung in A. bezahlt hatte. Ein möglicherweise die tatsächlichen Aufwendungen übersteigender Anspruch auf pauschaliertes Tagegeld (Art. 8 BayRKG) und Übernachtungsgeld (Art. 9 BayRKG) ist im vorliegenden Verfahren nicht Streitgegenstand.

Der Verwaltungsgerichtshof ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Kläger Anspruch auf volle Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen für die Klassenfahrt vom 7. Juli bis 9. Juli 2003 hat. Der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 2. Dezember 2003 verletzt, soweit er dem entgegensteht, den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die vom Kläger unterschriebene Verzichtserklärung steht dem Anspruch nicht entgegen. a) Von einer Dienstreise ist auszugehen, wenn sich ein Beamter, um bestimmte Dienstgeschäfte zu erledigen, auf schriftliche Anordnung oder Genehmigung außerhalb des Dienstorts begibt (Art. 2 Abs. 2 BayRKG). Die Dienstreise des Klägers für die Klassenfahrt zu dem Unterrichtsprojekt "Über Liebe reden lernen" war mit Schreiben der Schulleitung vom 4. Juli 2003 angeordnet worden. Die Teilnahme der Lehrkräfte an genehmigten oder angeordneten Schul- und Klassenfahrten gehört zu deren dienstlichen Aufgaben. Das wird auch von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die Schul- und Studienfahrten sind schulische Veranstaltungen, die als besondere Form des Unterrichts der Bildung und Erziehung i. S. des Art. 131 BV dienen (vgl. jetzt Nr. 1 der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 12.2.2007, KWMBl I 2007, 56). Nach Nr. 3.3.1 der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 3. August 1998 (KWMBl I 1998, 421; zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 17.6.2003, KWMBl I S. 260) über reisekostenrechtliche Regelungen für Lehrkräfte und Förderlehrer an staatlichen Schulen, Kollegs, Studienkollegs und an den Staatsinstituten für die Ausbildung von Fachlehrern und Förderlehrern handelt es sich bei Reisen von Lehrkräften und Förderlehrern außerhalb des Dienstortes u.a. aus Anlass von Lehr- und Studienfahrten, Schüler- und Lehrwanderungen und Schullandheimaufenthalten um Dienstreisen i. S. des Bayer. Reisekostengesetzes. Danach erhalten Lehrkräfte Reisekostenvergütung aus Anlass von u.a. Lehr- und Studienfahrten und Schullandheimaufenthalten nach Maßgabe des Bayer. Reisekostengesetzes (Nrn. 3.3 und 3.3.1 der Bekanntmachung). Bei Reisen aus Anlass von Schulskikursen und Schullandheimaufenthalten gelten nach der Bekanntmachung bezüglich der Tagegelder und des Übernachtungsgeldes Sonderregelungen. Abgesehen davon, dass der Kläger nur die tatsächlichen Aufwendungen geltend macht, handelt es sich bei der Einrichtung in A., in der die dreitägigen Projekttage stattgefunden haben, nicht um ein Schullandheim.

Der Kläger hat im Sinn des Art. 2 Abs. 2 BayRKG eine dreitägige Dienstreise im Rahmen der Klassenfahrt in eine private Einrichtung nach A. durchgeführt und deshalb gemäß Art. 3 Abs. 1 BayRKG nach Maßgabe des Bayerischen Reisekostengesetzes zur Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen Anspruch auf Reisekostenvergütung. Von dem Beklagten wird nicht in Zweifel gezogen, dass dem Kläger nach dem Bayerischen Reisekostengesetz die geltend gemachte Reisekostenvergütung von 40 Euro an sich zusteht, wenn er keine Verzichtserklärung abgegeben hätte.

b) Die vom Kläger unterschriebene Verzichtserklärung stellt einen Verzicht auf einen Teil der ihm zustehenden Reisekostenvergütung dar. Aus dem positiv formulierten Wortlaut der Verzichtserklärung, der Kläger sei mit dem Erhalt eines Teiles der Reisekostenvergütung einverstanden, ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, dass er auf weitere Reisekostenvergütung verzichtet. Die Auslegung der Erklärung führt aber entsprechend dem objektiven Erklärungsinhalt schon wegen der Überschrift "Verzichtserklärung" zu dem Ergebnis, dass der Kläger auf eine volle Erstattung seiner Auslagen verzichtet hat. Auf Reisekostenvergütung kann an sich ganz oder teilweise verzichtet werden, weil sie kein Besoldungsbestandteil ist und deshalb die Regelung des § 2 Abs. 3 BBesG, dass der Beamte nicht auf die ihm gesetzlich zustehende Besoldung verzichten kann, für das Reisekostenrecht nicht zur Anwendung kommt. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 6 BayRKG, nach der auf Reisekostenvergütung und Kostenerstattung ganz oder teilweise verzichtet werden kann, hat wohl nur klarstellende Bedeutung.

c) Dem Beklagten ist jedoch die Geltendmachung der Verzichtserklärung des Klägers gegenüber seinem Anspruch auf Erstattung seiner angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Dienstreise unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt. Für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung muss ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn vorliegen, das zwar nicht schuldhaft zu sein braucht, das aber nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalles den Einwand, der Beamte habe auf einen Anspruch verzichtet, als gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßend und damit als unzulässig erscheinen lässt (BVerwG vom 25.11.1982 BVerwGE 66, 256/259; vom 15.6.2006 Az. 2 C 15/05 juris RdNr. 24; BGH vom 29.6.2004 MDR 2004, 1415/1417 f.). Von einer qualifizierten Fürsorgepflichtverletzung ist im vorliegenden Fall auszugehen.

Die Fürsorgepflicht ist eine durch Art 33 Abs. 4 GG in dem gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten vorgegebene Hauptpflicht des Dienstherrn (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Stand Juni 2007, Anm. 3, 5 zu Art. 86 m. w. N.). Der Zweck des Reisekostenrechts ist nicht nur von dem Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel geprägt, sondern richtet sich auch auf die Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, seinen Bediensteten notwendige dienstlich veranlasste Reisekosten abzunehmen (vgl. BVerwG vom 3.2.1982 Buchholz 238.90 Nr. 88; vom 10.11.1992 Az. 10 E 2/91 juris RdNr. 22). Der Umfang der Fürsorgepflicht beurteilt sich zwar grundsätzlich nach den konkreten Umständen im Einzelfall. Eine Fürsorgepflichtverletzung scheidet im vorliegenden Fall aber nicht deshalb aus, weil der Kläger nur noch einen geringen Teil der Reisekostenvergütung geltend macht, ihm die Praxis der Verzichtserklärungen seit Jahren vertraut ist und weil er als erfahrener Lehrer (Studiendirektor) die Durchführung der Klassenfahrt ohne volle Reisekostenvergütung hätte ablehnen können. Zum einen ist die von den Lehrkräften abzugebende Verzichtserklärung nach Mitteilung des Beklagten generell bei fast allen Schul- oder Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalten an Gymnasien in Bayern üblich. Die Frage, ob sich der Beklagte auf die Verzichtserklärung berufen kann, ist deshalb im Interesse der Gleichbehandlung aller Lehrkräfte nach allgemeinen Kriterien zu beurteilen. Zum anderen sind die Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung auch im vorliegenden Fall konkret gegeben.

Der Verzicht auf Reisekostenvergütung ist nur im Einvernehmen mit dem Beamten und nur aufgrund der freien Willensentschließung des Beamten möglich. Die Behörde kann die Abgabe der Verzichtserklärung nicht fordern (vgl. Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Stand Juni 2007, RdNr. 9 zu § 3). Der Anspruch der Lehrkräfte auf Reisekostenvergütung entsteht nach Art. 3 Abs. 1 BayRKG ohne Rücksicht darauf, ob die zu seiner Erfüllung benötigten Haushaltsmittel zur Verfügung stehen (ein Nachtrag zum Haushaltsgesetz ist im Übrigen gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 4 BayHO bei der Erfüllung von Rechtsansprüchen nicht erforderlich).

Die an den Schulen gängige Praxis, dass Lehrer auf einen Teil der Reisekostenvergütung verzichten sollen, kann bei den Beamten zu einem Interessenwiderstreit führen, den der Dienstherr in Fällen wie dem vorliegenden im Rahmen des das Beamtenverhältnis prägenden Dienst- und Treueverhältnisses zum Schutz des Beamten gar nicht erst entstehen lassen darf. Der Dienstherr ist deshalb zum einen aufgrund seiner Fürsorgepflicht, nicht zuletzt aber auch zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und abwechslungsreichen Unterrichts im Vollzug der genannten Bekanntmachungen des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gehalten, den Beamten von vornherein nicht vor die Wahl zu stellen, ob er die Verzichtserklärung abgibt und die Klassen- oder Schülerfahrt stattfindet oder nicht. Die Geltendmachung der Verzichtserklärung bezüglich der Reisekostenerstattung stellt deshalb eine unzulässige Rechtsausübung dar. Den Kläger und die Lehrkräfte im allgemeinen vor eine derartige Entscheidung zu stellen, ist für sie aus den folgenden Gründen unzumutbar.

aa) Den Lehrern muss im Interesse einer guten und abwechslungsreichen Unterrichtsgestaltung, um die Unterrichtsziele zu erreichen und zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls und des sozialen Verhaltens der Schüler daran gelegen sein, Schüler- und Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte grundsätzlich in jedem Schuljahr durchzuführen. Die Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte sind schulische Veranstaltungen, mit denen der Unterricht in anderer Form fortgeführt wird und die dadurch der Bildung und Erziehung i.S. des Art. 131 BV dienen. Das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat in der Bekanntmachung vom 5. April 2004 (KWMBl I S. 76) folgendes ausgeführt: Der Schullandheimaufenthalt ist eine schulische Veranstaltung, die dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule dient. Unterricht und Erziehung können dabei in besonders günstiger Weise miteinander verbunden werden. Der Schullandheimaufenthalt ermöglicht in besonderem Maße situationsbezogenen und fächerübergreifenden Unterricht und wirklichkeitsnahes und handlungsbezogenes Lernen. Das ganztägige Zusammenleben von Lehrkräften und Schülern fördert das gegenseitige Verständnis und soziale Verhaltensweisen wie Toleranz und Rücksichtnahme, unterstützt selbstständiges und verantwortliches Handeln und stärkt den Zusammenhalt in der Klasse oder Gruppe. Lehrkräfte erhalten Raum für verstärktes erzieherisches Wirken und können sich vermehrt auch einzelnen Schülern zuwenden. Es bietet sich an, bei Schullandheimaufenthalten zu bestimmten Lebensfragen Orientierungshilfen zu geben.

Diese Aufgabe und Bedeutung der Schullandheimaufenthalte gilt im wesentlichen auch für Projekttage, wie die vom Kläger in der Einrichtung in A. durchgeführten, zu dem Thema "Über Liebe reden lernen", bei der neben dem Kläger auch Lehrkräfte für Biologie, Ethik und Religion Unterricht gehalten haben. Dass die vom Kläger durchgeführte Klassenfahrt zu den Projekttagen dem Anliegen des Staates zur Verwirklichung der Bildungsziele diente, ergibt sich schon daraus, dass die Schulleitung dafür die Dienstreiseanordnung erteilte. Eine Genehmigung oder Dienstreiseanordnung darf nur erteilt werden, wenn sie den von der Schule verfolgten Unterrichtszielen dient. Deshalb ist es für Lehrer unzumutbar, vor die Wahl gestellt zu werden, entweder auf einen Teil der Reisekostenvergütung zu verzichten und die schulische Veranstaltung durchzuführen, oder ohne Abgabe einer Verzichtserklärung die Veranstaltungen ausfallen zu lassen oder nicht daran teilzunehmen. Es widerspricht der Verantwortung des Lehrers für die Durchführung eines ordnungsgemäßen und abwechslungsreichen Unterrichts, solche Veranstaltungen ausfallen zu lassen, oder sich zu weigern, bei einer solchen Veranstaltung für sein Fach Unterricht zu erteilen, weil er seine tatsächlichen Aufwendungen nicht voll erstattet bekommt. Deshalb wird die Lehrkraft im allgemeinen die Verzichtserklärung abgeben, obwohl ihr an sich der Anspruch auf Reisekostenvergütung zusteht.

Stellt die Durchführung solcher Klassen- und Schulfahrten die Fortführung des Unterrichts in anderer Form dar und kommt ihnen eine zentrale Bedeutung bei der Verwirklichung der staatlichen Bildungsziele zu, gebietet es die Fürsorgepflicht, die Reisekosten zumindest insoweit nach Maßgabe des Bayerischen Reisekostengesetzes zu vergüten, als den Lehrkräften, die die Veranstaltungen durch ihre Teilnahme ermöglichen, tatsächliche Aufwendungen für Fahrt, Unterkunft und Verpflegung in dem jeweiligen Heim oder der Einrichtung entstehen. Deshalb darf von den Lehrkräften insoweit weder eine Verzichtserklärung verlangt werden, noch kann sich der Dienstherr auf einen erklärten Verzicht berufen.

Mit der Praxis der Verzichtserklärungen verletzt der Dienstherr seine Fürsorgepflicht dem Beamten gegenüber zudem auch dadurch, dass der Lehrkraft durch die an die Verzichtserklärung gekoppelte Durchführung der Schülerfahrt die alleinige Verantwortung für die Gestaltung eines guten und abwechslungsreichen Unterrichts durch Unterrichtsprojekte im Rahmen von Schülerfahrten oder Schullandheimaufenthalten überbürdet wird. Dienen die Klassenfahrten und Schullandheimaufenthalte der Verwirklichung der staatlichen Bildungsziele i.S. des Art. 131 Abs. 1 BV, wie ausgeführt, trägt die Verantwortung für die Finanzierbarkeit solcher Veranstaltungen nicht die einzelne Lehrkraft, sondern der Dienstherr und die Schulleitung, die sie im Rahmen der Entscheidung über die Dienstreiseanordnung für die jeweilige Klassenfahrt u. a. ausübt.

bb) Findet die Klassenfahrt statt, ohne dass der Lehrer eine Verzichtserklärung abgibt, kann er die volle Reisekostenvergütung beanspruchen. Das hat für die anderen Lehrkräfte, die eine Verzichtserklärung abgegeben haben, nach derzeitiger Praxis möglicherweise zur Folge, dass sie in dem jeweiligen Schuljahr einen noch geringeren Anteil der ihnen eigentlich zustehenden Reisekostenvergütung erhalten, als bei einem Verzicht aller Lehrkräfte. Dadurch setzt sich der Einzelne, der auf die Reisekostenvergütung nicht verzichten will, dem Vorwurf unkollegialen Verhaltens aus und läuft Gefahr, in eine Außenseiterrolle zu geraten; das kann dem Beamten vom Dienstherrn grundsätzlich nicht zugemutet werden.

cc) Da die Verzichtserklärungen an der Schule des Klägers und nach dem Vortrag des Beklagten auch allgemein an den Gymnasien üblich sind, ergibt sich aus der Sicht der Lehrkraft, die die Verzichtserklärung nicht abgibt, die Gefahr eines Ansehensverlusts bei der Schulleitung. Des Weiteren lassen sich nachteilige Auswirkungen auf die dienstliche Beurteilung des Beamten jedenfalls nicht mit Sicherheit ausschließen. Wer keine Verzichtserklärungen abgibt und deshalb nicht an Klassenfahrten teilnimmt, geht das Risiko einer negativen Leistungsbilanz hinsichtlich der schulischen Aktivitäten im Verhältnis zu anderen Lehrkräften ein.

dd) Die Auffassung des Beklagten, dass sich die Zahl der Klassenfahrten und anderer Veranstaltungen wegen fehlender Haushaltsmittel spürbar verringern müsste, wenn die Lehrkräfte die volle Erstattung ihrer tatsächlichen Aufwendungen beanspruchen könnten, und deshalb eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn nicht anzunehmen sei, teilt der Senat nicht. Es ist Sache des Staates, ausreichende Mittel für die Ausbildung, Erziehung und Bildung der Schüler bereit zu stellen. Denn der Durchführung solcher Veranstaltungen in den Schulen kommt - wie ausgeführt - im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule eine zentrale Bedeutung zu. Deshalb rechtfertigen es haushaltsrechtliche Belange nicht, den Anspruch der Lehrkräfte auf Erstattung lediglich ihrer tatsächlichen Aufwendungen unter Hinweis auf die abgegebene Verzichtserklärung abzulehnen.

d) Durch die Entscheidung des Senats über die die Fürsorgepflicht verletzende Praxis der generellen und üblichen Verzichtserklärungen bezüglich der tatsächlichen Auslagen für eine Schulfahrt ist nicht ausgeschlossen, dass in einem besonderen Einzelfall ein Verzicht auf Reisekosten bei einer Lehrkraft in Betracht kommen kann.

e) Der Kläger hat zwar in den vergangenen Jahren regelmäßig auf einen Teil der Reisekostenvergütung verzichtet und die streitgegenständliche Klassenfahrt durchgeführt, obwohl ihm bekannt war, er würde nur einen Teil der Reisekosten erstattet erhalten. Das steht seinem Anspruch auf weitere Reisekostenvergütung aber schon deshalb nicht entgegen, weil er erst nach Abgabe der Verzichtserklärung von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.9.2003 (BAGE 107, 272), das einen entsprechenden Verzicht einer angestellten Lehrkraft für unwirksam erklärte, Kenntnis erhielt. Schon deshalb kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte die Schulleitung vor Durchführung der Klassenfahrt davon in Kenntnis setzen müssen, dass er auf der vollen Reisekostenvergütung bestehen würde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 f. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16,32 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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