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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 14 ZB 06.1844
Rechtsgebiete: VwGO, BhV, SGB V, GG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 124a Abs. 4 Satz 4
BhV § 6 Abs. 1 Nr. 13
SGB V § 27a
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

14 ZB 06.1844

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Beihilfe;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. April 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zimniok, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Häring, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese

ohne mündliche Verhandlung am 19. September 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.537,86 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beihilfe für eine Kinderwunschbehandlung seiner Ehefrau.

1. Der beihilfeberechtigte Kläger beantragte unter dem 7. Juli 2005 die Gewährung einer Beihilfe für die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung seiner im Jahr 1962 geborenen Ehefrau entstandenen Kosten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 11.7.2005); der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 3.11.2005).

2. Die am 9. Dezember 2005 erhobene Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2005 und des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2005 zu verpflichten, dem Kläger die Behandlungskosten der Kinderwunschbehandlung in Höhe von 2.537,86 Euro zu erstatten, wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 4. April 2006 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen der Kinderwunschbehandlung, weil seine Ehefrau die in § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV i.V.m. § 27a Abs. 3 SGB V festgelegte Höchstaltersgrenze überschritten habe. Nach letztgenannter Vorschrift bestehe kein Anspruch für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten. Diese Altersbeschränkung halte sich in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten Ermessens bei der Konkretisierung der Fürsorgepflicht.

3. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

4. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

a) Soweit der Kläger vorträgt, die Rechtssache habe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung, ist der Antrag bereits unzulässig. Denn der Kläger hat diesen Zulassungsgrund nicht in einer § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es nämlich erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit ausführt, die Klärungsbedürftigkeit der Frage erläutert und darlegt, warum die Frage über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (so: Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 211 zu § 124 a; Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 72 zu § 124a). Diesen Anforderungen ist der Kläger nicht nachgekommen.

Sein Vortrag, die grundsätzliche Bedeutung sei gegeben, weil beim Bundessozialgericht ein Verfahren anhängig sei, in dem es um die Frage gehe, ob die Altersbegrenzung in § 27a SGB V verfassungsgemäß sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass es in dem beim Bundessozialgericht anhängigen Verfahren um die Altersgrenze für eine Kinderwunschbehandlung bei einem Mann geht, reicht allein der Hinweis, die Rechtsfrage sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden, nicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (BVerwG vom 9.3.1993 NJW 1993, 2825/2826; vgl. auch: Seibert, a.a.O., RdNr. 212 zu § 124a VwGO).

b) Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nämlich nur dann, wenn nach summarischer Prüfung des Urteils der Erfolg der Berufung wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. nur Seibert, a.a.O., RdNrn. 75 ff. zu § 124). Davon ist hier aber nicht auszugehen. Zur Begründung nimmt der Verwaltungsgerichtshof auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

In nicht zu beanstandender Weise kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die hier geltend gemachten Aufwendungen aus Anlass einer Kinderwunschbehandlung nicht beihilfefähig sind. Der im wesentlichen auf den Einwand gestützte Vortrag des Klägers, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 13 BhV für entsprechend anwendbar erklärte pauschalisierende Altersgrenze in § 27a SGB V verstoße gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen:

Bei der Regelung der Beihilfe - einer auf Grund der Fürsorgepflicht nur ergänzenden Hilfeleistung des Dienstherrn - kommt dem Normgeber wie auch sonst bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse von Beamten ein weites Ermessen zu. Der Normgeber muss mithin nicht jeden Unterschied zum Ansatzpunkt für eine Differenzierung nehmen. Andererseits muss der Beamte wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der - am Alimentationsgrundsatz orientierten - pauschalisierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastungen bedeuten (BVerfG vom 7.11.2002 BVerfGE 106, 225/232 f.; BVerwG vom 3.7.2003 BVerwGE 118, 277/280 ff. und vom 20.10.1976 BVerwGE 51, 193/198 ff., BayVGH vom 6.4.1994 Az. 3 B 93.909, vom 13.4.2005 Az. 14 ZB 04.1722 und vom 19.7.2005 Az. 14 ZB 05.1428; BayVerfGH vom 28.4.1992 BayVBl 1992, 463/466).

Gemessen daran ist weder die Höchstaltersbegrenzung in § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V noch ihre Übernahme in das Beihilferecht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Denn der Gesetzgeber hat - gestützt auf die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien - die Höchstaltersbegrenzung ("weiblich 40 Jahre") mit der Erwägung normiert, dass "bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten (...) und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering" sei; zudem dienten die oberen Alterbegrenzungen "auch einer starken Gewichtung des künftigen Wohls des erhofften Kindes" (S. 83 der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 8.9.2003, BT-Drs. 15/1525). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien dem Zweck dienen, die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu bieten (§ 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Den Richtlinien kommt mithin - beispielsweise auch für die Feststellung des allgemein anerkannten Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse - besondere Bedeutung zu (BSG vom 21.2.2006 Az: B 1 KR 29/04 R Juris-Dokument KSRE 102611518). Der Senat hat auch keinen Anlass, an der Richtigkeit der Richtlinie des Bundesausschusses zu zweifeln. Etwas anderes lässt sich insbesondere auch dem vom Kläger zur Untermauerung seines Standpunktes herangezogenen Jahresbericht des Deutschen IVF-Registers entnehmen. Denn zutreffend und überzeugend weist der Beklagte darauf hin, dass bei der Altergruppe der 30-40-jährigen die Erfolgsaussichten einer Kinderwunschbehandlung doppelt so hoch seien wie bei den über 40-jährigen.

Daraus folgt, dass der Gesetzgeber seiner Entscheidung, staatliche Leistungen nur bis zu bestimmten Altersgrenzen zu gewähren, nachvollziehbare medizinische und sozialpolitische Erwägungen zugrunde gelegt hat. Der Senat sieht daher - mit dem Verwaltungsgericht - auch keinen Anlass, die Sachgerechtigkeit dieser Alterbegrenzung (so auch: HessLSG vom 29.6.2006 Az: L 8 KR 87/05 Juris-Dokument JURE 060087132) bzw. deren Übernahme in das Beihilferecht in Zweifel zu ziehen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

3. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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