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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: 14 ZB 06.2351
Rechtsgebiete: SVG, VwGO


Vorschriften:

SVG § 11 Abs. 3
SVG § 98 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
Zur echten und unechten Rückwirkung des § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG i. d. F. des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes vom 4. Mai 2005 (BGBl I S. 1234) bezüglich der Herabsetzung des Bemessungssatzes für die Gewährung von Dienstzeitversorgung (Übergangsgebührnisse) der Soldaten
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

14 ZB 06.2351

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Übergangsgebührnissen;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zimniok, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Häring, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese

ohne mündliche Verhandlung am 11. Januar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.794,96 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Juli 2006 (im Rubrum heißt es versehentlich "2005") ist nicht gegeben (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Der Verwaltungsgerichtshof ist mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass dem Kläger gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG Übergangsgebührnisse von (nur) 60 v. H. der Dienstbezüge des letzten Monats zustehen, weil er aufgrund seiner Beschäftigung bei einem Unternehmen ein Erwerbseinkommen erzielt, das 15 v. H. der Dienstbezüge des letzten Monats überschreitet. Die Regelung, die im Vergleich zu der bis 31. Mai 2005 geltenden Gesetzeslage zu einer Verminderung der Übergangsgebührnisse um 15 v. H. der Dienstbezüge des letzten Monats führt, ist mit dem Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz vom 4. Mai 2005 (BGBl I S. 1234) am 1. Juni 2005 in Kraft getreten. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG sind von der Kürzung der Übergangsgebührnisse nur die am 1. Juni 2005 bereits vorhandenen Dienstzeit-Versorgungsempfänger ausgenommen. Deren Rechtsverhältnisse regeln sich nach bisherigem Recht, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist. Die Verminderung der Übergangsgebührnisse nach § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG wird auch erst dann vorgenommen, wenn die Tätigkeit, aus der das Erwerbseinkommen erzielt wird, nach dem Inkrafttreten der Neuregelung begonnen wird (§ 98 Abs. 1 Satz 3 SVG). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, für den Kläger gelte die Neuregelung, weil seine Dienstzeit bei der Bundeswehr erst am 30. Juni 2005 endete. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt zur Begründung des Beschlusses auf die Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Ergänzend dazu ist zum Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren folgendes auszuführen:

Der Kläger ist der Auffassung, die ab 1. Juni 2005 geltende Minderungsregelung greife in die der Vergangenheit angehörenden, bereits abgeschlossenen Tatbestände ein. Denn die Beschäftigungsverhältnisse, die Anlass für eine Minderung sein könnten, würden nicht von heute auf morgen abgeschlossen. So habe er das Arbeitsverhältnis, das er nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr zum 30. Juni 2005 aufgenommen habe, bereits am 4./5. April 2004 durch Abschluss des Arbeitsvertrages begründet. Dieser Sachverhalt sei also bereits abgeschlossen gewesen, bevor das neue Gesetz erlassen worden sei. Er habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen. Eine Übergangsfrist hätte verfassungsrechtlich vorgesehen werden müssen.

Der am 1. Juni 2005 in Kraft getretene § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG entfaltete - entgegen der Auffassung des Klägers - keine echte Rückwirkung. Echte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig ist, liegt nur dann vor, wenn ein bereits abgewickelter, in der Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu geregelt wird (vgl. BVerfG vom 23.3.1971 BVerfGE 30, 392/402; BVerwG vom 15.12.2005 DÖD 2006, 278 f.). Die Neuregelung hätte nur dann eine echte Rückwirkung zur Folge, wenn die Kürzung der Übergangsgebührnisse auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten eintreten sollte, was nicht der Fall ist. Die Minderung der Übergangsgebührnisse durch die Neuregelung erfasst nicht die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1. Juni 2005 bereits vorhandenen Empfänger der Dienstzeitversorgung. Sie gilt nur für die Soldaten, die erst künftig nach dem Inkrafttreten der Neuregelung - wie der Kläger - Anspruch auf Dienstzeitversorgung erlangen werden. § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG greift deshalb nicht in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände ein.

Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Die unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 30, 392/402). Wann ein belastendes Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt, lässt sich nur im Einzelfall nach dem jeweils in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbestand ermitteln. Nur auf diesem Wege wird der erforderliche Zusammenhang zwischen dem gesetzlichen Tatbestand und dem in der Entwicklung befindlichen Sachverhalt, auf den das spätere Gesetz einwirkt, aufrechterhalten. Der historische Geschehensablauf, in den die zur Prüfung stehende Norm eingreift, muss eine hinreichend nahe Beziehung zu dem gesetzlichen Tatbestand haben, der durch das spätere Gesetz geändert wird (BVerfGE vom 2.12.1969 BVerfGE 27, 231/238).

Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall eine unechte Rückwirkung zu verneinen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung noch nicht Versorgungsempfänger. § 11 Abs. 3 Satz 4 SVG knüpft an den Erhalt von Übergangsgebührnissen und die Erzielung von Erwerbseinkommen während des Bezugszeitraums an. Ein vor dem Ausscheiden des Soldaten aus dem aktiven Dienst begründetes Arbeitsverhältnis, das nach dem Ausscheiden begonnen werden soll, ist für die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands nicht maßgebend. Dabei handelt es sich nicht um einen gegenwärtigen Sachverhalt, auf den das Gesetz für die Zukunft einwirken würde. Der für die Annahme einer unechten Rückwirkung erforderliche Zusammenhang zwischen dem gesetzlichen Tatbestand und dem in der Entwicklung befindlichen Sachverhalt fehlt deshalb im Fall des Klägers. Eine unechte Rückwirkung läge vielmehr - auf den vorliegenden Fall übertragen - dann vor, wenn eine Neuregelung die Übergangsgebührnisse für die Versorgungsempfänger, die bereits Übergangsgebührnisse erhalten und Erwerbseinkommen beziehen, für die Zeit nach ihrem Inkrafttreten mindern würde.

Abgesehen davon wäre die Norm auch bei unechter Rückwirkung - wie ausgeführt wurde - grundsätzlich zulässig. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann je nach den Umständen des Einzelfalls der Regelungsbefugnis Schranken setzen (vgl. BVerfGE 27, 231/238). Die verfassungsrechtliche Beurteilung richtet sich danach, ob der Bürger im Vertrauen auf den Bestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise erwarten darf. Bei der Entscheidung über diese Frage ist zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens einerseits und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit andererseits abzuwägen (vgl. BVerfG vom 21.1.1969 BVerfGE 25, 142/154). Im Rahmen des Besoldungsrechts - auch im weiteren Sinn - steht dem Normgeber dabei eine weite Gestaltungsfreiheit zu (vgl. BVerwG vom 17.6.1993 NVwZ 1994, 495 m. w. N.) Der Bürger kann billigerweise nicht erwarten, dass der Gesetzgeber Leistungen wie die Übergangsgebührnisse, die an die spätere Dienstzeitversorgung und ein bestimmtes Erwerbseinkommen anknüpfen, in der Höhe (auf Dauer) unverändert lässt, soweit die Herabsetzung sachgemäß und eine angemessene Versorgung weiterhin gewährleistet ist (vgl. BVerwG vom 23.2.1983 Az. BVerwG 6 C 125.80). Durch die Übergangsgebührnisse soll eine durch das Ausscheiden aus dem Wehrdienst möglicherweise eintretende Bedürftigkeit vermieden werden. Deshalb ist das Vertrauen der Soldaten auf Zeit nur insoweit geschützt, als sie Anspruch auf eine angemessene, nicht aber auf eine summenmäßig bestimmte Dienstzeitversorgung haben. Die unter bestimmten Voraussetzungen lediglich um 15 v. H. gekürzten jeweiligen Übergangsgebührnisse - im Fall des Klägers beträgt die Dienstzeitversorgung noch 60 v. H. der Dienstbezüge des letzten Monats anstelle von 75 v. H. nach der früheren Regelung - werden zusätzlich zu dem vom ausgeschiedenen Soldaten erzielten Erwerbseinkommen bezahlt. Es sind deshalb keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die verhältnismäßig geringen Auswirkungen der Neuregelung zu einer nicht mehr angemessenen Dienstzeitversorgung führen würden.

Der Kläger rügte zwar im Zulassungsantrag nicht eine Verletzung seines Eigentumsrechts. Unabhängig davon ist aber darauf hinzuweisen, dass die Herabsetzung der Übergangsgebührnisse den Kernbestand des - unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG stehenden - Rechts der Soldaten auf Zeit auf Dienstversorgung nicht berührt, weil, wie ausgeführt wurde, eine angemessene Versorgung gewährleistet ist und ihnen kein Anspruch auf eine summenmäßige bestimmte Versorgung zusteht (vgl. BVerwG vom 23.2.1983).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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