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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 15 B 05.727
Rechtsgebiete: BLV


Vorschriften:

BLV § 33 Abs. 4
BLV § 33 b
Konkurrieren Kandidaten aus unterschiedlichen statusrechtlichen Ämtern einer Laufbahn im Rahmen der Vorauswahl für den Aufstieg in die höhere Laufbahn, so ist das am Maßstab des statusrechtlichen Amtes erstellte Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung der Kandidaten ohne zusätzliche Gewichtung nicht geeignet, den Wettbewerb zu entscheiden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

15 B 05.727

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Zulassung zum Auswahlverfahren für den Praxisaufstieg;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 09. Februar 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Mai 2006 am 18. Mai 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Februar 2005 erhält in Nr. I folgende Fassung:

"Es wird festgestellt, dass die Bescheide des Zollkriminalamts Köln vom 23. Mai 2003 und 20. April 2004 und der Widerspruchsbescheid dieses Amtes vom 28. Mai 2004 rechtswidrig waren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

Im Übrigen wird das Berufungsverfahren eingestellt.

II. Die Kostenentscheidung im Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Februar 2005 wird aufgehoben. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat die Beklagte zwei Drittel, der Kläger ein Drittel zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Dem Kläger geht es in dem Rechtsstreit um die Zulassung zum Praxisaufstieg in den gehobenen nichttechnischen Dienst der Zollverwaltung. Das Verwaltungsgericht hat seine auf eine dahingehende Verpflichtung der Beklagten, hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Bescheide gerichtete Klage mit Urteil vom 9. Februar 2005 abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Senat macht sich die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil zu eigen und nimmt auf den Tatbestand dieses Urteils Bezug (§ 130b Satz 1 VwGO).

Der Kläger lässt zur Begründung seiner Berufung vortragen, der Dienstherr könne zwar die Zulassung zum Praxisaufstieg von den Leistungen des Beamten abhängig machen. Richtig sei auch, dass das Auswahlverfahren auch für Bewerber offen stehe, die das Spitzenamt der Laufbahn noch nicht erreicht hätten. Beim Leistungsvergleich müsse aber die Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen sichergestellt sein und deshalb das statusrechtliche Amt des Beamten als Bezugspunkt gewählt werden. Der mittlere Zolldienst umfasse die Besoldungsgruppen A 6 (Zollsekretär) bis A 9m (Zollbetriebsinspektor). Mit den unterschiedlichen Besoldungsgruppen seien unterschiedliche Aufgaben, Leistungsanforderungen, Schwierigkeitsgrade und Verantwortungsbereiche verbunden. Es könne also ein Beamter mit der erforderlichen Beurteilung in der Besoldungsgruppe A 6 zum Aufstieg zugelassen werden, während ein Beamter der Besoldungsgruppe A 9 mit einer Leistungsbewertung, die eine Stufe darunter liege, nicht zugelassen werde. das sei mit dem Leistungsgrundsatz unvereinbar. Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Bescheide des Zollkriminalamts Köln vom 23. Mai 2003 und 20. April 2004 und der Widerspruchsbescheid dieses Amtes vom 28. Mai 2004 rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach den Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen für den Aufstieg in den gehobenen nichttechnischen Dienst der Zollverwaltung sei für die Zulassung zum Praxisaufstieg seit 2005 grundsätzlich mindestens die Gesamtwertung "tritt erheblich hervor" erforderlich. § 33 Abs. 4 BLV räume ausdrücklich die Möglichkeit ein, auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen und sonstiger Anforderungen eine Vorauswahl für die Teilnahme am Auswahlverfahren zu treffen. Zu der vom Kläger beschriebenen Konstellation einer Konkurrenz zwischen einem 45jährigen, nach A 7 besoldeten Beamten und einem nach A 8 besoldeten jüngeren Beamten könne es wegen des in § 33 b Abs. 1 Nr. 1 BLV vorausgesetzten Mindestalters von 45 Jahren nicht kommen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat die Beklagte angegeben, die Dienstposten seien für die Besoldungsgruppen A 6 bis A 8 sowie A 9m und A 9m + Z des mittleren nichttechnischen Dienstes in der Bundeszollverwaltung jeweils gebündelt bewertet. Auf die Besoldungsgruppen A 6 bis A 8 entfielen 60%, auf die Dienstposten A 9m und A 9m+ Z 40% der Stellen. Im Regelfall durchlaufe ein Beamter des mittleren nichttechnischen Dienstes in der Bundeszollverwaltung die Ämter seiner Laufbahn. Die dienstlichen Beurteilungen würden nach Besoldungsgruppen erstellt, im Regelfall zu einem je eigenen Beurteilungszeitpunkt. Die Richtwerte nach Nr. 20 der Beurteilungsrichtlinien (Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 15.7.1997 ZC4 - P 150 - 8/97 - im Folgenden: BRZV) würden im Wesentlichen für alle Besoldungsgruppen eingehalten (d.h.: 15% Gesamtwertung "Tritt erheblich hervor", 35% Gesamtwertung "Tritt hervor", 20% Gesamtwertung "Entspricht voll den Anforderungen").

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Das Berufungsverfahren war einzustellen, soweit der Kläger seinen in der Berufungsbegründung enthaltenen Verpflichtungsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt hat. Damit hat er die Berufung teilweise zurückgenommen (Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, RdNr. 1b zu § 126).

2. Die Berufung ist im Übrigen zulässig und begründet. Es war antragsgemäß festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 23. Mai 2003 und 20. April 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2004 rechtswidrig waren.

a) Das prozessual erforderliche Interesse an dieser Feststellung hat der Kläger im Hinblick auf seine weiterhin gegebene Absicht, den Praxisaufstieg in den mittleren Dienst zu absolvieren. Dass der den genannten Bescheiden zugrunde liegende Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. November 2002 (III A 4 - P 1469 - 21/02; im folgenden: Aufstiegsrichtlinien 2002) mittlerweile durch den Erlass vom 4. August 2004 (III A 4 - P 1469 4/04; im folgenden: Aufstiegsrichtlinien 2004) ersetzt worden ist, ändert daran nichts. Denn die durch die Aufstiegsrichtlinie 2002 aufgeworfenen Fragen sind mit denjenigen Fragen, die sich auf der Grundlage der Aufstiegsrichtlinie 2004 stellen, nahezu identisch. Nach beiden Aufstiegsrichtlinien scheitert der Kläger am Praxisaufstieg bereits im Rahmen der Vorauswahl der Bewerber. Zum Praxisaufstieg nach § 33b BLV können alle Beamten, die das in § 33b Abs. 1 BLV vorausgesetzte Alter haben, ohne Rücksicht auf ihr statusrechtliches Amt zugelassen werden. Auf der Grundlage beider Aufstiegsrichtlinien ist zu klären, ob die Vorauswahl der Bewerber für die Teilnahme am Auswahlverfahren (§ 33 Abs. 4 Satz 1 BLV) allein auf der Grundlage einer für sämtliche Statusämter des mittleren Dienstes der Zollverwaltung einheitlich festgesetzten Gesamtwertung der letzten dienstlichen Beurteilung noch sachgerecht ist.

b) Der Praxisaufstieg in den gehobenen nichttechnischen Dienst der Zollverwaltung verläuft nach den Vorschriften der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) in mehreren Etappen. Auf einer ersten Stufe kann die zuständige Dienstbehörde auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen und sonstiger Anforderungen zunächst eine Vorauswahl für die Teilnahme am Auswahlverfahren treffen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 BLV). Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht. Sie hat im Rahmen des ihr durch § 33 Abs. 4 BLV eingeräumten Ermessensspielraums mit dem Ziel einer Vorauswahl festgelegt, dass die Aufstiegskandidaten in der letzten Regelbeurteilung mindestens mit der Gesamtwertung "Tritt hervor" (Aufstiegsrichtlinie 2002; "Tritt erheblich hervor" nach der Aufstiegsrichtlinie 2004) beurteilt worden sein müssen, und den Kläger deshalb nicht zugelassen. Das war nicht sachgerecht.

Die auf § 25 BBG beruhenden Regelungen über den Aufstieg in eine höhere Laufbahn sind Ausdruck des Leistungsprinzips. Während sich in der Regel die leistungsgerechte Verwendung des Beamten nach dem Laufbahnprinzip im Rahmen der Ämter seiner Laufbahn vollzieht, bietet der Aufstieg dem nach den Maßstäben seiner Laufbahn außergewöhnlich leistungsfähigen Beamten die Möglichkeit einer Fortentwicklung in der nächsthöheren Laufbahn. Die im Rahmen der §§ 33, 33b BLV zum Nachweis der Eignung für den Aufstieg getroffenen Regelungen dienen zum einen dazu, im Sinn eines Grobfilters Beamte von vornherein nicht zu berücksichtigen, die kaum ernsthaft mit einer erfolgreichen Teilnahme am Aufstiegsverfahren rechnen können. Zum andern sollen sie - und das gilt gerade für die Vorauswahl nach § 33 Abs. 4 BLV - eine im Hinblick auf die verfügbaren Stellen der höheren Laufbahn überhöhte Zahl von Aufstiegsbewerbern begrenzen (vgl. Schröder/Lem-höfer/Krafft, Das Laufbahnrecht der Bundesbeamten, RdNr. 6 zu § 33 BLV). In beiden Fällen muss die Vorauswahl wegen der Zielrichtung des Aufstiegs nach leistungsbezogenen Maßstäben getroffen werden. Dafür ist die dienstliche Beurteilung des Beamten im Grundsatz in besonderer Weise geeignet; sie ist daher nach § 33 Abs. 4 Satz 1 BLV im Rahmen der Vorauswahl auch zwingend zu berücksichtigen.

Die Beklagte beurteilt die Beamten des mittleren Zolldienstes auch bei gebündelter Bewertung von Dienstposten sachgerecht am Maßstab ihres jeweiligen statusrechtlichen Amtes (vgl. Nr. 18 BRZV). Die für die Beamten des jeweiligen statusrechtlichen Amtes im Wesentlichen identischen Leistungsanforderungen bestimmen den Maßstab, anhand dessen die Arbeitsqualität und die Arbeitsquantität eingestuft werden. Damit schafft die dienstliche Beurteilung die Voraussetzung für einen Vergleich der Leistungen der Beamten des jeweiligen statusrechtlichen Amtes untereinander. Ihre entscheidende Aussagekraft erhält sie erst und gerade auf Grund der Relation zu den nach den gleichen Maßstäben erstellten Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen. Diese unmittelbare Vergleichbarkeit ist nicht mehr gegeben zwischen dienstlichen Beurteilungen, die nach den unterschiedlichen Maßstäben verschiedener statusrechtlicher Ämter erstellt sind. Allein die Bewertungsstufe der dienstlichen Beurteilung kann deshalb im Rahmen der von der Beklagten getroffenen Vorauswahl eine Wettbewerbssituation unter Beamten verschiedener statusrechtlicher Ämter nicht klären. Im Verhältnis unterschiedlicher statusrechtlicher Ämter verliert die dienstliche Beurteilung ihre entscheidende Aussagekraft. Es bedarf einer zusätzlichen Gewichtung, um die Vergleichbarkeit wiederum zu gewährleisten (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG mit BeamtVG, RdNr. 7c zu § 23 BBG). Deshalb ermächtigt § 33 Abs. 4 BLV dazu, die Vorauswahl auch auf der Grundlage sonstiger Anforderungen zu treffen. Davon hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Darauf, dass die für die Entscheidung der Beklagten maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen zudem auf je nach Statusämtern unterschiedlichen Beurteilungsstichtagen beruhen können und ihre Vergleichbarkeit auch dadurch beeinträchtigt sein kann (vgl. BVerwG vom 18.7.2001 NVwZ-RR 2002, 201), kommt es nicht mehr entscheidend an.

Sachliche Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Vorauswahl gleichwohl nur auf der Grundlage der Gesamtwertung der letzten dienstlichen Regelbeurteilung zu treffen, haben sich nicht ergeben, insbesondere auch nicht aus den Einlassungen der Beklagten. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es sei anzunehmen, dass Kandidaten, die im bisherigen Amt schon nicht zu den leistungsstärksten gerechnet werden könnten, im Regelfall auch nicht ohne weiteres erwarten ließen, dass sie den noch höheren Anforderungen der nächsthöheren Laufbahn gerecht werden könnten. Das trifft zwar zu, ändert aber nichts daran, dass sich im Rahmen der Vorauswahl Kandidaten verschiedener statusrechtlicher Ämter der jeweiligen Laufbahn in einer Wettbewerbssituation befinden können und deren dienstliche Beurteilungen ohne zusätzliche Gewichtung - etwa in Form einer ausdrücklichen Aussage über eine Aufstiegseignung - nicht geeignet sind, den Wettbewerb zu entscheiden. Soweit im Einzelfall einer Aufstiegsrunde, anders als bei den gegenständlichen Aufstiegsrunden 2003 und 2004, ausschließlich Kandidaten eines statusrechtlichen Amtes zur Vorauswahl anstehen sollten, ergibt sich aus dem Gesagten ohne weiteres, dass die Vorauswahl nach der dienstlichen Beurteilung getroffen werden kann.

3. Kosten: § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Zulassung der Revision: § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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