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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 15 B 06.760
Rechtsgebiete: SVG, VO zum SVG


Vorschriften:

SVG § 5
VO § 9 zu § 4 SVG
VO § 9 zu § 5 SVG
VO § 9 zu § 5a SVG
VO § 10 zu § 4 SVG
VO § 10 zu § 5 SVG
VO § 10 zu § 5a SVG
Zur Frage der Zweckmäßigkeit einer Fachausbildung im Ausland (MBA-Studium)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

15 B 06.760

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Berufsförderung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Januar 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Januar 2007 am 16. Januar 2007 folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Januar 2006 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids des Kreiswehrersatzamts Kempten vom 7. Juli 2003 und des Widerspruchsbescheids der WBV Süd vom 29. Juli 2003 den Antrag des Klägers vom 4. Mai 2003 auf Bewilligung der Fachausbildung auf Kosten des Bundes an der University of British Columbia (Sauder School of Business) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu bescheiden.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Dem Kläger, einem ehemaligen Zeitsoldaten, geht es in dem Rechtsstreit um die Bewilligung einer Fachausbildung auf Kosten des Bundes (MBA-Studium an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada; "Sauder School of Business") nach § 5 SVG. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die ursprünglich auf Verpflichtung der Beklagten zur "Gewährung der Fachausbildung bis zur Förderungshöchstgrenze" gerichtete Klage habe sich mit dem erfolgreichen Studienabschluss erledigt. Der Kläger hat daraufhin die Feststellung beantragt, der eine Förderung ablehnende Bescheid des Kreiswehrersatzamts Kempten vom 7. Juli 2003 und der Widerspruchsbescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 29. Juli 2003 seien rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Januar 2006 abgewiesen, weil die Ausbildung mit dem zustehenden Förderungshöchstbetrag nicht habe durchgeführt werden können. Der Senat macht sich die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils zu eigen und nimmt auf dessen Tatbestand Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

2. Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, es seien zwar die Kosten des Studiums in Kanada mit etwa 25.000 Euro höher gewesen als der Höchstbetrag der Förderung. Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle die Beklagte in der Praxis aber nicht darauf ab, ob der Förderbetrag die Kosten der Ausbildung abdecke. Der Geldbetrag werde immer dann zur Verfügung gestellt, wenn die Ausbildung zweckmäßig sei und nicht wesentlich länger dauere. Die Ausbildung zum MBA an der University of British Columbia habe einen guten internationalen Ruf. Sie rangiere konstant unter den besten 70 Universitäten weltweit. Die Ausbildung an deutschen Universitäten werde in keinem Ranking erwähnt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids des Kreiswehrersatzamts Kempten vom 7. Juli 2003, des Widerspruchsbescheids der WBV Süd vom 29. Juli 2003 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Januar 2006 die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 4. Mai 2003 auf Bewilligung der Fachausbildung auf Kosten des Bundes an der University of British Columbia (Sauder School of Business) in Höhe von 4.169,59 Euro unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe zwar üblicherweise keine Bedenken gegen die Förderung von Bildungsmaßnahmen, deren Kosten die noch zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel übersteige, wenn sichergestellt sei, dass die fehlenden Mittel durch den Betroffenen aufgebracht werden könnten. Der Kläger erfülle aber nicht die besonderen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Ausbildung im Ausland. Zweckmäßig und damit förderfähig sei eine solche Ausbildung nur dann, wenn sie die Aufnahme und Ausübung der angestrebten beruflichen Tätigkeit erst ermögliche. Die Ausbildung zum MBA könne ebenso gut an einer deutschen Universität gemacht werden. Der Erwerb der Qualifikation eines MBA sei beim Kläger auch weder rechtliche noch tatsächliche Voraussetzung für die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit gewesen. Er sei vielmehr zum Zeitpunkt seines Antrags auf Förderung bereits in einem Arbeitsverhältnis gestanden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung der begehrten Fachausbildung im Bescheid des Kreiswehrersatzamts Kempten vom 7. Juli 2003 und dem Widerspruchsbescheid der WBV Süd vom 29. Juli 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Weil die Sache nicht spruchreif ist, war die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Maßgeblich sind § 5 SVG in der Fassung der der Bekanntmachung vom 9. April 2002 (BGBl I S.1258; im Folgenden SVG 2002) sowie § 9 der Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung vom 14. November 1994 (BGBl I S. 3442), geändert durch die Verordnung vom 11. Dezember 2002 (BGBl I S. 4530; im Folgenden VO §§ 4, 5, 5a SVG). § 5 SVG 2002 ist durch Art. 1 Nr. 9 des Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes (BfFEntwG) vom 4. Mai 2005 (BGBl I S. 1234) mit Wirkung vom 1. Juni 2005 geändert worden (Art. 6 BfFEntwG). Die Verordnung zur Durchführung der §§ 4, 5 und 5a des Soldatenversorgungsgesetzes trat gemäß § 39 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung der Berufsförderung von Soldatinnen und Soldaten (BföV) vom 23. Oktober 2006 (BGBl I S. 2336) am 24. Oktober 2006 außer Kraft. Weder diese Verordnung noch das Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz messen sich für die fragliche zurückliegende Fachausbildung des Klägers einen Geltungsanspruch bei.

2. Die Klage ist mit dem Verpflichtungsantrag zulässig. Sie hat sich nicht dadurch erledigt, dass die fragliche Fachausbildung zwischenzeitlich abgeschlossen ist. Der geltend gemachte Anspruch auf Fachausbildung an der University of British Columbia (Sauder School of Business) auf Kosten des Bundes ist der Sache nach ein Anspruch auf Übernahme der Kosten dieser Fachausbildung (vgl. nunmehr auch ausdrücklich § 5 Abs. 1 SVG in der durch Art. 1 Nr. 9 BfFEntwG geänderten Fassung, der von einem "Anspruch auf Förderung" ausgeht).

3. Die Klage ist auch begründet.

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SVG 2002 haben Soldaten auf Zeit, die nicht Inhaber eines Eingliederungsscheins sind, Anspruch auf Fachausbildung auf Kosten des Bundes, wenn sie auf die Dauer von mindestens vier Jahren in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden sind. Die Fachausbildung wird gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 VO §§ 4, 5, 5a SVG in öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen und Betrieben im Bundesgebiet durchgeführt. Die Durchführung im Ausland kann als Ausnahme bewilligt werden, wenn sie zweckmäßig ist, ihre Dauer nicht wesentlich verlängert wird und keine unvertretbaren Mehrkosten entstehen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 VO §§ 4, 5, 5a SVG). Die Beklagte verneint einen Anspruch des Klägers - wie auch das Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung ergeben hat - ausschließlich deshalb, weil sie der Ansicht ist, die Durchführung der Fachausbildung im Ausland sei nicht zweckmäßig. Das trifft aber nicht zu.

Die Verwaltungspraxis der Beklagten orientiert sich in dieser Frage an dem Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 9. Juni 1972 (VMBl S. 495). Nach dieser norminterpretierenden Richtlinie ist die Durchführung der Fachausbildung im Ausland insbesondere dann zweckmäßig, wenn diese Ausbildung rechtliche oder tatsächliche Voraussetzung für die Aufnahme und Ausübung der angestrebten zivilberuflichen Tätigkeit ist oder nach ihrem Inhalt und Ziel mit Rücksicht auf die Leistungsanforderungen und -bewertungen im Arbeitsleben wesentlich besser zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess beiträgt als eine im Inland mögliche Fachausbildung (Nr. 6). Bereits diese Erläuterung durch den Erlass macht deutlich, dass die Fachausbildung im Ausland im Sinn des § 9 Abs. 2 Satz 2 VO §§ 4, 5, 5a SVG nicht "nur", sondern lediglich "insbesondere" dann zweckmäßig ist, wenn die a.a.O. genannte Voraussetzung erfüllt ist. Nr. 6 des Erlasses erwähnt nur am Beispiel einer besonders eindeutigen Konstellation, worum es bei der geforderten Zweckmäßigkeit der Auslandsausbildung geht: Die Fachausbildung soll allgemein die dem Soldaten durch die Ableistung der Dienstzeit im Hinblick auf eine zivile berufliche Tätigkeit entstandenen Nachteile ausgleichen und ihm die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die dem Erwerb einer Lebensgrundlage im späteren Berufsleben zu dienen geeignet sind (vgl. BVerwG vom 25.10.1978 BVerwGE 56,343/347 f. unter Hinweis auf BT-Drs. II/2504 S. 30). Zweckmäßig ist eine Fachausbildung im Ausland dementsprechend dann, wenn sie diesem Ziel der Fachausbildung nach den Umständen des Einzelfalls mehr als eine Inlandsausbildung entspricht. Das ist wegen der Fachausbildung zum Master of Business Administration (MBA) an der University of British Columbia (Sauder School of Business) der Fall.

Die Ausbildung zum "MBA" ist nicht standardisiert. Sie umfasst eine Vielzahl verschiedenartiger Konzepte. Bereits ein Blick auf die Situation in Deutschland zeigt, dass mit der Bezeichnung "MBA" beispielsweise ein Aufbaustudium Bildungsmanagement (Universität Oldenburg) oder HealthCare-Management (Universität Bayreuth) verbunden sein kann. Die Heinrich Heine Universität Düsseldorf wendet sich mit ihrem MBA-Studiengang spezifisch an Absolventen nicht-wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge. Deshalb hat der MBA-Titel als solcher keine besondere Aussagekraft und - wie die einschlägige Fachpresse betont - auch keinen spezifischen Wert (vgl. etwa Handelsblatt vom 15.12.2006). Entscheidende Bedeutung hat die konkrete Ausbildungsstätte mit ihrem Konzept sowie der Substanz und Qualität der angebotenen Ausbildung (vgl. auch Handelsblatt vom 20.10.2006: "Allerdings muss in diesem Zusammenhang nachdrücklich betont werden, dass sich im Zuge von Standardisierungsprozessen immer auch Etikettenschwindel ergeben. Es werden sich nicht wenige Hochschulen dem Trend der Zeit stellen und MBA-Programme auflegen, hier müssen der inhaltliche Anspruch ebenso genau geprüft werden wie die zeitliche Intensität des Ausbildungsprogramms und erst recht die konkreten Studieninhalte. Hier setzen die renommierten Business Schools des angelsächsischen Raums die Maßstäbe... Insofern ist auch nicht der MBA schlechthin die künftige Qualifikation für Manager, sondern wenn, dann immer ein MBA namhafter Adressen"). Schon deshalb vermag allein die Tatsache, dass es MBA-Ausbildungsgänge auch in Deutschland gibt, die Zweckmäßigkeit der Auslandsausbildung des Klägers nicht in Frage zu stellen. Der Kläger hat während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr an der Universität der Bundeswehr den akademischen Grad eines Diplom-Kaufmanns erworben. Ihm geht es um eine Zusatzausbildung mit der Umschreibung "General Management". Gerade für diesen Personenkreis hat eine praxisbetonte, international ausgerichtete und teamorientierte Zusatzausbildung eine besondere Bedeutung für die beruflichen Chancen (vgl. Handelsblatt vom 20.9.2006). Dem wird die gewählte Ausbildung an der University of British Columbia (Sauder School of Business) in besonderer Weise gerecht. Sie vereint, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung berichtet hat, u.a. Studierende aus Japan, China und den Vereinigten Staaten, vermittelt in optimaler Weise fremdsprachliche Kompetenz und verbindet das mit teamorientiertem, praxisbetontem Lernen (vgl. Beiakt 2 Bl. 109 ff.). Die Substanz und Qualität des gewählten Studiengangs wird durch Auflistung in einschlägigen "Rankings" der Financial Times bestätigt. Demgegenüber genießen MBA-Studiengänge in Deutschland noch keine besondere Anerkennung. Das Handelsblatt vom 16./17. Mai 2003 (vgl. Beiakt 2 Bl. 169) notiert unter der Überschrift "Deutschland - ein Trauerspiel": "Nahezu 100 MBA-Programme in Deutschland. Doch sie können im internationalen Vergleich nicht mithalten" (ähnlich auch die Beiträge im Handelsblatt vom 20.9. und 15.12.2006). Das macht sie für die berufliche Situation des Klägers nicht hilfreich und begründet die Zweckmäßigkeit der Auslandsausbildung an der University of British Columbia (Sauder School of Business).

b) Die Sache ist nicht spruchreif. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 VO §§ 4, 5, 5a SVG "kann" die Durchführung der Fachausbildung im Ausland als Ausnahme bewilligt werden. Dementsprechend war die Beklagte zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO

Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.169,59 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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