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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 15 N 06.741
Rechtsgebiete: BauGB, WHG, BayWG


Vorschriften:

BauGB a.F. § 1 Abs. 3
BauGB a.F. § 1 Abs. 6
BauGB a.F. § 214 Abs. 3 Satz 2
WHG § 31 Abs. 4 Satz 1
WHG § 31 b Abs. 6 Satz 1
BayWG Art. 61
1. Ein Überschwemmungsgebiet, das noch auf der Grundlage des § 32 Abs. 1 Satz 2 WHG a.F. gemäß Art. 61 Abs. 1 BayWG festgesetzt wurde, begründet nicht das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete durch Bauleitpläne (§ 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG).

2. Eine Gemeinde darf im Rahmen der nach § 1 Abs. 3 BauGB gebotenen Erforderlichkeitsprüfung nicht davon ausgehen, eine Bebauung könne durch die Genehmigung von Ausnahmen nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayWG in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet ermöglicht werden, wenn dadurch ein nicht unerheblicher, zusammenhängender Bereich des Überschwemmungsgebiets seine Funktion verlieren würde. Die Ausnahmeregelung des Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayWG soll lediglich Härten und Schwierigkeiten beseitigen, die sich aus dem generellen Bauverbot des Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG ergeben und im konkreten Einzelfall nicht intendiert sind.

3. § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG (§ 32 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F.) verleiht dem Hochwasserschutz dadurch ein besonderes Gewicht, dass Überschwemmungsgebiete nicht schon dann in ihrer Funktion beseitigt werden dürfen, wenn andernfalls das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt ist, sondern nur dann, wenn einem Erhalt des Überschwemmungsgebiets überwiegende Allgemeinwohlgründe entgegenstehen.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

15 N 06.741

In der Normenkontrollsache

wegen Bebauungsplan "*******, ********** ****";

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann

ohne mündliche Verhandlung am 30. Juli 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Bebauungs- und Grünordnungsplan "Lohfeld westlicher Teil" der Antragsgegnerin vom 3. April 2006, bekannt gemacht am 14. Juli 2006, ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungs- und Grünordnungsplan "Lohfeld westlicher Teil" der Antragsgegnerin. Sie sind Eigentümer des teilweise im Plangebiet gelegenen, landwirtschaftlich genutzten Grundstücks FlNr. ***.

Der am 17. November 2003 vom Stadtrat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossene Bebauungsplan wurde am 5. April 2004 (erstmals) öffentlich bekannt gemacht. Der Bebauungsplan umfasst eine Fläche von etwa 4,72 ha und ist in einen "Teilbereich A (privat)" und einen "Teilbereich B (städtisch)" aufgeteilt. Weite Teile des Plangebiets liegen innerhalb der für ein hundertjährliches Hochwasser (HQ 100) wiedergegebenen Überschwemmungslinie. Als bauliche Nutzung setzt der Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet (WA) fest. Daneben enthält er unter anderem Festsetzungen zum Hochwasserretentionsausgleich.

Die Antragsgegnerin hat für den "Teilbereich A" des Bebauungsplans ein ergänzendes Verfahren durchgeführt. Am 3. April 2006 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan in der Fassung vom 17. November 2003 als Satzung. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin fertigte den Bebauungsplan am 12. Juli (insgesamt) neu aus und setzte ihn mit öffentlicher Bekanntmachung am 14. Juli 2006 rückwirkend zum 5. April 2004 in Kraft. Zuvor hatte das Landratsamt Schwandorf im Amtsblatt vom 16. Juni 2006 die "Verordnung über das Überschwemmungsgebiet rechts und links der Naab (Gewässer I. Ordnung) im Bereich der Großen Kreisstadt Schwandorf im Landkreis Schwandorf vom 16. Juni 2006" veröffentlicht.

2. Die Antragsteller ließen am 26. August 2004 die Normenkontrolle beantragen und neben anderem vortragen:

Die Antragsgegnerin habe weder im Zeitpunkt der Beschlussfassung (3.4.2006) noch vor der öffentlichen Bekanntmachung der Satzung (14.7.2006) geprüft, ob die Änderung der Hochwasserkoten sowie das Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes die ursprüngliche Abwägung so grundlegend berührten, dass eine neue Sachentscheidung geboten sei. Zudem sei mit der Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets durch die Verordnung des Landratsamts Schwandorf vom 16. Juni 2006 die "Geschäftsgrundlage" für die Abwägung entfallen.

Die Antragsteller beantragen:

Der Bebauungs- und Grünordnungsplan "Lohfeld westlicher Teil" der Antragsgegnerin vom 17. November 2003 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Die Antragsteller seien nicht antragsbefugt, soweit sie auch den "Teilbereich B" des Bebauungsplans angriffen. Es handele sich um einen abtrennbaren Teil des Bebauungsplans. Die Antragsteller könnten insoweit die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht vortragen. Aus dem Vortrag der Antragsteller ergebe sich kein schlüssiges Rechtsschutzinteresse. Einerseits hätten sie im Aufstellungsverfahren mehr Baufläche für ihr Grundstück und insoweit die Streichung der Hochwasserrückhaltebecken gefordert, andererseits wendeten sie nunmehr einen zu geringen Hochwasserschutz ein. Die Abwägung verkenne nicht das Gewicht des Hochwasserschutzes. Das Wasserwirtschaftsamt habe dem Plan sowie dem Retentionsflächenausgleich zugestimmt und die rechtlichen Voraussetzungen für die Baugebietsausweisung bestätigt.

3. Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 25. Mai 2007 zu den Fragen gehört, die daraus entstehen, dass sich das Gebiet des angegriffenen Bebauungsplans überwiegend mit dem durch Verordnung des Landratsamts Schwandorf vom 16. Juni 2006 festgesetzten Überschwemmungsgebiet überschneidet. Die Beteiligten haben sich dazu geäußert.

4. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Normenkontrollanträge haben Erfolg.

I.

Die Anträge sind zulässig.

1. Die Antragsbefugnis der Antragsteller beschränkt sich nicht auf den "Teilbereich A (privat)" des Bebauungsplans "Lohfeld westlicher Teil".

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch eine Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheinen lassen. Wer von einem Bebauungsplan unmittelbar betroffen ist, hat im Allgemeinen schon deshalb die Antragsbefugnis, weil der Bebauungsplan (auch) Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmt. Ist das Verfahren in dieser Weise zulässig eröffnet, muss das Gericht die Norm im Grundsatz umfassend prüfen. Ausnahmsweise ist ein auf den gesamten Normbestand zielender Normenkontrollantrag unzulässig, wenn und soweit er Normteile erfasst, die den Antragsteller nicht berühren und die schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich unabhängig vom übrigen Teil der Norm selbständig bestehen können und damit abtrennbar sind (vgl. BVerwG vom 17.2.2005 NVwZ 2005, 695/696 und vom 4.6.1991 NVwZ 1992, 373/375). Eine solche Ausnahme besteht nicht. Der angegriffene Bebauungsplan ist nicht offensichtlich teilbar. Das Überschwemmungsgebiet der Naab erstreckt sich von West nach Ost gesehen über den gesamten Planbereich, der in erheblichem Umfang innerhalb der Hochwasserlinie eines hundertjährlichen Hochwassers liegt. Der Bebauungsplan enthält insoweit für das gesamte Plangebiet Festsetzungen, die dem Hochwasserschutz dienen sollen (vgl. textliche Festsetzungen Nr. 4.4 - Einfriedungen, Nr. 4.5 - versiegelte Flächen und Nr. 5.2 - Heizöllagerung sowie zeichnerisch festgesetzte Retentionsmulden). Die Teilbereiche A und B verbindet damit ein auf den Hochwasserschutz bezogenes planerisches Konzept mit der Folge, dass sie nicht als offensichtlich voneinander unabhängige Planbereiche angesehen werden können.

Unabhängig davon spricht gegen eine Teilbarkeit des Bebauungsplans, dass Veränderungen des Grundwassers und eine insoweit bestehende Betroffenheit der Eigentümer nicht ohne weiteres auf den jeweiligen Teilbereich beschränkt bleiben. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Teilbereiche A und B hinsichtlich der Eingriffe in Natur und Landschaft und der erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen offenkundig nicht zusammenhängen.

2. Den Antragstellern fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist nicht zu ersehen, welchen Vorteil die Antragsteller mit ihrem Normenkontrollantrag anstreben, da sie bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans das für ihr Grundstück durch diesen Plan eingeräumte Baurecht verlieren. Allerdings ist weder aus dem Vortrag der Antragsgegnerin noch sonst zu ersehen, dass der Normenkontrollantrag objektiv nutzlos ist.

II.

Die Anträge haben in der Sache Erfolg.

Der Bebauungsplan "Lohfeld westlicher Teil" vom 3. April 2006 ist unwirksam. Er ist entgegen § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich, soweit sich das Plangebiet mit dem durch Verordnung des Landratsamts Schwandorf vom 16. Juni 2006 festgesetzten "Überschwemmungsgebiet rechts und links der Naab" überschneidet. Dieser Mangel führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans in seiner Gesamtheit. Unabhängig davon ist der Bebauungsplan auch deshalb insgesamt unwirksam, weil er entgegen § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) Teile eines Überschwemmungsgebiets aufgibt, obgleich einem Erhalt keine überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen.

1. Die Gemeinden sind nach § 1 Abs. 3 BauGB nur dann befugt, Bauleitpläne aufzustellen, wenn und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Die bauplanerische Erforderlichkeit fehlt einem Bebauungsplan unter anderem, wenn ihm auf unabsehbare Zeit unüberwindliche rechtliche (oder tatsächliche) Hindernisse entgegenstehen. Ein solcher Bebauungsplan erfüllt mangels Vollziehbarkeit seine Aufgabe nicht, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde planerisch zu leiten (vgl. BVerwG vom 23.1.2003 NVwZ 2003, 749/750). Das ist bei dem angefochtenen Bebauungsplan der Fall, soweit dessen Plangebiet innerhalb der Grenzen des festgesetzten "Überschwemmungsgebiets rechts und links der Naab" liegt. Denn in einem solchen Überschwemmungsgebiet ist es nach Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG im Grundsatz verboten, Anlagen und Anpflanzungen zu errichten oder durchzuführen, die nicht der Benutzung, Unterhaltung oder dem Ausbau des Gewässers dienen.

a) Das Landratsamt Schwandorf durfte das Überschwemmungsgebiet auf der Grundlage des Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayWG festsetzen. Zwar beruht diese Ermächtigung auf der bisherigen Vorschrift des § 32 WHG und damit auf Rahmenrecht, das mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) durch die abweichenden Bestimmungen des § 31 b WHG ersetzt wurde. Die landesrechtliche Ermächtigung widersprach jedoch bei Bekanntgabe der Überschwemmungsgebietsverordnung am 16. Juni 2006 nicht dem neuen Rahmenrecht, das seit dem 1. September 2006 (Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 BGBl I S. 2034) gemäß Art. 125 Abs. 1 Satz 1 GG als konkurrierendes Bundesrecht fortgilt. Denn dessen Sperrwirkung war wegen der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Umsetzungsfrist (§ 42 Abs. 1 WHG: 10.5.2007) nicht eingetreten (vgl. Rozek in v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, RdNr. 32 zu Art. 75; Zeitler in Sieder/Zeitler/Dahme, Bayerisches Wassergesetz, RdNr. 1 zu Art. 61).

b) Die Festsetzung des Überschwemmungsgebiets war für die Antragsgegnerin nicht deshalb unbeachtlich, weil die Verordnung erst am 17. Juni 2006 und damit nach dem im ergänzenden Verfahren am 3. April 2006 gefassten Satzungsbeschluss in Kraft getreten ist. § 214 BauGB in der nach § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufstellungsbeschlusses maßgebenden Fassung vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1950/2015) bestimmt in Absatz 3 Satz 1 lediglich für die "Abwägung" die Beschlussfassung als den für die Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt. Das durch die Überschwemmungsgebietsverordnung ausgelöste Verbot des Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG ist demgegenüber der Abwägung entzogen. Es handelt sich um höherrangiges Recht, das bei der Aufstellung des Bebauungsplans im Zeitpunkt der Bekanntgabe (12.7.2006) strikt zu beachten war (vgl. BVerwG vom 8.3.2006 Az. 4 BN 56/05 zu § 1 Abs. 4 BauGB und vom 29.4.1977 BVerwGE 54, 5/7; Dürr in Brügelmann, Baugesetzbuch, RdNr. 68 zu § 214).

c) Die Überschwemmungsgebietsverordnung hatte zwar nicht das Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete nach § 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG zur Folge (vgl. aa)), wohl aber das generelle Bauverbot nach Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG (vgl. bb)).

aa) Der Bebauungsplan verstößt nicht gegen § 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG. Danach ist es im Grundsatz verboten, in Überschwemmungsgebieten nach Abs. 2 Satz 3 und 4 dieser Vorschrift durch Bauleitpläne neue Baugebiete auszuweisen. Das Landratsamt Schwandorf hat das "Überschwemmungsgebiet rechts und links der Naab" nach bisherigem Recht (§ 32 Abs. 1 Satz 2 WHG a.F.) festgesetzt. Das Verbot des § 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG begründen demgegenüber nur solche Überschwemmungsgebiete, die die zuständige Landesbehörde auf der Grundlage von § 31 b Abs. 2 Satz 3 und 4 WHG entsprechendem Landesrecht erlassen hat (so Breuer, NuR 2006, 614/621; Drost, Das Wasserrecht in Bayern, RdNr. 18 zu § 31 b WHG; W. Schrödter in Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, RdNr. 185 c zu § 1; Hünnekens/Arnold, BauR 2006, 1232/2136; gegenteiliger Ansicht Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, RdNr. 60 a zu § 31 b WHG und - einschränkend - Berendes, ZfWR 2005, 197/206). Darauf weist bereits der Wortlaut des § 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG hin ("In Überschwemmungsgebieten nach Abs. 2 Satz 3 und 4"). Zudem haben sich im Vergleich zu § 32 Abs. 1 Satz 2 WHG a. F. neben den formellen (§ 31 b Abs. 2 Satz 5 WHG: Information und Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten) auch die materiellen bundesrechtlichen Vorgaben geändert. Die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets verlangt nunmehr in einem ersten Schritt eine auf die Gewässer oder Gewässerabschnitte bezogene Schadensfeststellung oder Schadensprognose (§ 31 b Abs. 2 Satz 1 WHG). Eine derartige Untersuchung wird für altrechtliche Überschwemmungsgebiete regelmäßig nicht durchgeführt worden sein (vgl. Drost, a.a.O.), denn § 32 Abs. 1 Satz 2 WHG a. F. verlangte sie nicht. Eine pauschale Gleichsetzung von nach altem und neuem Recht festgesetzten Überschwemmungsgebieten ist deshalb für das Verbot des § 31 b Abs. 4 Satz 1 WHG, das sich insbesondere mit Blick auf die hochwasserbedingten Schäden in Siedlungsbereichen rechtfertigt, nicht statthaft. Das gilt umso mehr, als wegen der erheblichen Auswirkungen der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten nach neuem Recht (§ 31 b Abs. 2 Satz 2 WHG) klar gestellt ist, dass die Länder regelmäßig überprüfen müssen, ob die Festsetzung geänderten Verhältnissen anzupassen ist (so die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes BT-Drs. 15/3168 S. 13). § 31 b Abs. 5 WHG bestätigt dieses Ergebnis. Danach wird durch Landesrecht geregelt, dass noch nicht nach neuem Recht festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern sind (Satz 1). Für derart erfasste Gebiete gelten die Absätze 2 bis 4 entsprechend. Der Sinn einer solchen landesrechtlichen Regelung wäre in Frage gestellt, wenn nach bisherigem Recht festgesetzte Überschwemmungsgebiete ohne Weiteres die Rechtswirkungen neurechtlicher Überschwemmungsgebiete hätten.

bb) Wegen des durch die Überschwemmungsgebietsverordnung ausgelösten generellen Bauverbots des Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG ist die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässige Nutzung (WA) in rechtskonformer Weise überwiegend nicht zu verwirklichen. Die Antragsgegnerin durfte im Rahmen der Prognose, die sie bei der nach § 1 Abs. 3 BauGB gebotenen Erforderlichkeitsprüfung anzustellen hat, nicht davon ausgehen, der Bebauungsplan sei deshalb insgesamt vollzugsfähig, weil eine Wohnbebauung durch die Genehmigung von Ausnahmen nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayWG in dem festgesetzten Überschwemmungsgebiet ermöglicht werde (vgl. BVerwG vom 17.12.2002 NVwZ 2003, 733/734 und vom 25.8.1997 NVwZ-RR 1998, 162/163). Eine solche "Befreiungslage" bestand nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob wegen der im Bebauungsplan ausgewiesenen "Mulden" (Retentionsräume) die für eine Ausnahme nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayWG unter anderem notwendige Voraussetzung erfüllt ist, dass die Höhe des Wasserstandes und die Wasserrückhaltung durch die Ausnahmeerteilung nicht nachteilig beeinflusst werden können. Infolge der nach dem Bebauungsplan zulässigen Bebauung würde ein nicht unerheblicher, zusammenhängender Bereich des Überschwemmungsgebiets seine Funktion verlieren. Das ist mit dem Zweck der Ausnahmeregelung des Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayWG unvereinbar. Die Erteilung von Ausnahmen soll lediglich Härten und Schwierigkeiten beseitigen, die sich aus dem generellen Verbot des Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayWG ergeben und im konkreten Einzelfall nicht intendiert sind (vgl. allgemein Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 59 RdNr. 55). Dieser Rahmen wäre verlassen, wenn im Wege der Ausnahmeerteilung eine wesentliche Rechtswirkung der Verordnung für ein nicht unerhebliches Teilgebiet faktisch aufgehoben würde (vgl. zu Art. 49 BayNatschG BayVGH vom 14.1.2003 BRS 66 Nr. 219 und auch BayVGH vom 25.7.2006 NuR 2007, 425/427).

Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass wegen des tatsächlichen Vollzugs des Bebauungsplans und der insoweit durchgeführten Aufschüttungen der "Teilbereich B ... realiter nicht mehr im Überschwemmungsgebiet" liege, bleibt außer Acht, dass allein dadurch das durch die Überschwemmungsgebietsverordnung ausgelöste rechtliche Hindernis nicht beseitigt ist.

d) Eine Teilunwirksamkeit (hierzu Lemmel in Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, RdNr. 4 zu § 214 m.w.N.) kommt nicht in Betracht. Der Geltungsbereich der Überschwemmungsgebietsverordnung erfasst den weit überwiegenden Teil des Plangebiets (vgl. § 2 Abs. 2 der Verordnung und den hierzu gefertigten, von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 19.11.2006 vorgelegten Lageplan). Der verbleibende Teil wäre schon hinsichtlich der Straßenerschließung nicht von einer stimmigen Planungskonzeption getragen und unabhängig davon als ein zumindest teilweise in den Außenbereich hineinragender Bebauungssplitter kein Beitrag zu einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.

2. Unabhängig davon weist der Bebauungsplan einen beachtlichen Abwägungsmangel auf. Die Antragsgegnerin hat die Belange des Hochwasserschutzes zwar gesehen, sie aber entgegen § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt.

a) Überschwemmungsgebiete im Sinn des § 31 b Abs. 1, 2 und 5 WHG sind nach § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG in ihrer Funktion als Rückhalteflächen zu erhalten; soweit dem überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen, sind rechtzeitig die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zu treffen. Es handelt sich wie bei der im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift des § 32 Abs. 2 WHG a.F. um unmittelbar geltendes Recht, das bei der Bauleitplanung zu beachten ist (vgl. zu § 32 Abs. 2 WHG a.F. den Beschluss des Senats vom 29.9.2004 BayVBl 2005, 151; Paul/Pfeil, Hochwasserschutz in der Bauleitplanung, NVwZ 2006, 505/509).

Die Antragsgegnerin hatte diese Vorschrift zu beachten, auch wenn sie erst nach Erlass des Planaufstellungsbeschlusses mit dem Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) in Kraft getreten ist. Das folgt bereits daraus, dass die in § 31 b Abs. 6 WHG bestimmten Anforderungen an den Erhalt von Überschwemmungsgebieten dem bisherigen § 32 Abs. 2 WHG entsprechen. Unbeschadet dessen ergibt sich aus der allgemeinen Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB nichts anderes. Danach werden Verfahren nach dem Baugesetzbuch, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, im Grundsatz nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen. Das gilt jedoch nicht für jede planungsrechtlich relevante Gesetzesänderung, sondern nur für Änderungen des Baugesetzbuches (vgl. BVerwG vom 8.3.2006 Az. 4 BN 56/05). Derartige Änderungen ordnet Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes bezogen auf § 31 b Abs. 6 WHG nicht an.

b) Das Plangebiet überschneidet sich mit einem Überschwemmungsgebiet im Sinn des § 31 b Abs. 1 WHG (entspricht § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG a.F.). Überschwemmungsgebiete sind danach unter anderem Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen werden. Das trifft für einen Großteil des Plangebiets zu, wie die im Plan enthaltene Hochwasserlinie für ein hunderjährliches Hochwasser ("Hochwasserlinie HQ 100") verdeutlicht.

Der Bebauungsplan gibt, soweit er sich mit dem Überschwemmungsgebiet überschneidet und ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, die Funktion des bestehenden Überschwemmungsgebiets auf. Er widerspricht damit dem Gebot, Überschwemmungsgebiete in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten, ohne dass diesem Gebot überwiegende Gründe des Allgemeinwohls entgegenstehen.

Es kann dahin stehen, ob § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG (§ 32 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F.) vom Planungsträger strikt zu beachten und deswegen der planerischen Abwägung entzogen ist mit der Folge, dass durch das Gericht uneingeschränkt nachprüfbar ist, ob dem Erhaltungsgebot überwiegende Gründe des Allgemeinwohls entgegenstehen (vgl. Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Wasserhaushaltsgesetz, RdNr. 30 zu § 32 Abs. 2 WHG a. F.). Zumindest verleiht diese Vorschrift dem Hochwasserschutz dadurch ein besonderes Gewicht, dass Überschwemmungsgebiete nicht schon dann in ihrer Funktion beseitigt werden dürfen, wenn andernfalls das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt ist, sondern nur dann, wenn einem Erhalt des Überschwemmungsgebiets überwiegende Allgemeinwohlgründe entgegenstehen (vgl. auch BayVGH vom 27.4.2004 NuR 2005, 109).

Die Antragsgegnerin hat diese Gewichtung bei der Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB a.F.) verfehlt und der Ausweisung von Wohnbauflächen den Vorzug gegeben, obgleich dieser Belang im Vergleich zum Hochwasserschutz hier kein dafür ausreichendes Gewicht hat. Zugunsten der Planung war für den Stadtrat neben der Förderung der Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung (Regulierung des Grundstückspreises) und dem Mangel an anderen zentrumsnahen Flächen vor allem von Bedeutung, dass die Ausweisung neuen Baulands der Deckung eines dringenden Wohnbedarfs dienen solle (vgl. Begründung zum Bebauungsplan S. 8; Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Stadtrates am 17.11.2003; Beschlussvorlage des Stadtbauamts vom 3.11.2003 und dazu ergangene Empfehlungen der Verwaltung zur Abwägung vom 2.10.2003). Die Antragsgegnerin hat insoweit auf sechs "konkrete Kaufinteressenten", auf "Eigentümerinteressenten mit zum Teil mehreren Vorhaben im (weiteren) Planungsbereich" sowie auf die Bauabsichten der Antragsteller dieses Verfahrens und des Normenkontrollverfahrens 15 N 06.741 verwiesen, die eine erhebliche "Nachfrage nach preisgünstigem und zentrumsnahem" Bauland belegen sollen. Damit ist nicht dargetan, dass der Stadtrat bei seiner Abwägung zulasten des Hochwasserschutzes zu Recht von einem dringenden Wohnbedarf ausgegangen ist. Ein dringender Wohnbedarf besteht, wenn innerhalb des Gemeindegebiets ein angemessenes Angebot von Wohnungen fehlt und insoweit ein besonderer Handlungsbedarf besteht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 des durch Art. 11 Abs. 2 des Bau- und Raumordnungsgesetzes vom 18.8.1997 [BauROG 1998 - BGBl I S. 2081] aufgehobenen Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch und dazu Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 4. Auflage 1994, RdNr. 67 a zu § 1). Das Interesse von Käufern oder Eigentümern an der planerischen Ausweisung von Wohnbauland im Gebiet des angegriffenen Bebauungsplans war allenfalls ein Indiz für einen derartigen Wohnbedarf, begründete ihn für sich genommen jedoch nicht. Denn derartige Nachfragen geben nicht ohne Weiteres die objektive Bedarfslage wieder. Sie beruhen häufig auch auf "wohnbedarfsfremden" Motiven, wie etwa einem Spekulationsinteresse oder dem Wunsch, in einer als vorteilhaft empfundenen Lage zu wohnen. Dementsprechend hat auch eine "zügige Realisierung der Vorhaben im Žstädtischen`Teil des Plangebiets" allenfalls indizielle Bedeutung. Allein aufgrund derartiger Nachfragen durfte der Stadtrat den Wohnbedürfnissen im Gebiet der Antragsgegnerin keine höhere Bedeutung beimessen als den wegen der Regelung des § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG besonders gewichtigen Belangen des Hochwasserschutzes. Etwas anderes ergibt sich weder aus der Begründung zum Bebauungsplan und den Planunterlagen noch aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin.

Die Abwägung wird entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht dadurch getragen, dass das Wasserwirtschaftsamt Amberg dem Bebauungsplan zugestimmt hat. Die Ermittlung der betroffenen und widerstreitenden Belange sowie die dafür erforderliche Aufklärung des Sachverhalts und die Abwägung im engeren Sinn obliegen der plangebenden Gemeinde. Sie wird davon im Grundsatz nicht durch Stellungnahmen von Beteiligten des Planungsverfahrens entbunden (vgl. BVerwG vom 14.8.1989 DVBl 1989, 1105/1106). Im Übrigen hat das Wasserwirtschaftsamt die Beanspruchung des Überschwemmungsgebiets aus wasserwirtschaftlicher Sicht "grundsätzlich" abgelehnt, die Planung aber schließlich deshalb gebilligt, weil sie ihm "als gemeindepolitisch zwingend erforderlich vorgestellt" wurde und ihm die Ausgleichsmaßnahmen ausreichend erschienen (vgl. Schreiben des Wasserwirtschaftsamts Amberg vom 24.3.2003 im Verfahrensakt "Bebauungs- und Grünordnungsplan Lohfeld, westlicher Teil" Fach 5).

Die festgesetzten wasserwirtschaftlichen Ausgleichsmaßnahmen haben für die Rechtmäßigkeit des Abwägungsergebnisses keine Bedeutung. Ausgleichsmaßnahmen sind nach § 31 b Abs. 6 Satz 1 WHG lediglich nachrangig für den Fall vorgesehen, dass dem Erhalt des Überschwemmungsgebiets überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit entgegenstehen.

c) Der Abwägungsmangel ist erheblich (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB i.d.F. des BauROG 1998). Er ist offensichtlich, weil er sich aus dem Inhalt der beigezogenen Planungsakten ergibt (vgl. BVerwG vom 29.1.1992 BayVBl 1992, 503/504). Sein Einfluss auf das Abwägungsergebnis folgt ohne Weiteres daraus, dass mangels entgegenstehender überwiegender Gründe des Allgemeinwohls das Überschwemmungsgebiet im betroffenen Umfang nicht zugunsten der geplanten Wohnbebauung aufgegeben werden darf.

d) Der Abwägungsmangel führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans (vgl. 1. d)).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

4. Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).

5. Nr. I. der Urteilsformel ist nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils von der Antragsgegnerin ebenso zu veröffentlichen wie der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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