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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 16b D 07.952
Rechtsgebiete: BDG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

BDG § 3
BDG § 64 Abs. 1 Satz 3
VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 60 Abs. 2
VwGO § 60 Abs. 4
VwGO § 173
ZPO § 85 Abs. 2
Bei fristgebundenen Prozesshandlungen wie der Begründung eines Rechtsmittels ist der Rechtsanwalt verpflichtet, sowohl bei Ablauf der zu notierenden Vorfrist als auch bei Fertigung der Rechtsmittelbegründungsschrift in seine Handakten Einblick zu nehmen, um jeweils in eigener Verantwortung die richtige Eintragung des Fristendes und den Fristablauf zu prüfen.

Dieser Pflicht genügt ein Rechtsanwalt nicht, der (insbesondere bei Abwesenheit von seiner Kanzlei) sich darauf beschränkt, ohne Einblicknahme in seine Handakten unter Verwendung eines mitgeführten Laptops bzw. Notebooks, auf dem die für die Nachprüfung der Fristen erforderlichen Daten nicht gespeichert sind, einen Schriftsatz zu formulieren und den Ausdruck an das Gericht zu versenden.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

16b D 07.952

In der Disziplinarsache

wegen Dienstvergehens;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München (Disziplinarkammer) vom 5. März 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 16b. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Burger-Veigl

ohne mündliche Verhandlung am 15. November 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Berufung wird unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 23. Oktober 1952 geborene Beklagte steht als Beamter im Dienst der Klägerin, seit dem 19. Juli 1994 im Statusamt eines Postbetriebsassistenten (BesGr. A 4). Mit Urteil vom 5. März 2007 des Verwaltungsgerichts München wurde der Beklagte wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Urteil wurde seinem Bevollmächtigten am 14. März 2007 zugestellt.

Der Bevollmächtigte legte am 12. April 2007 beim Verwaltungsgericht Berufung ein. Er beantragte:

Das Urteil des VG München vom 5. März 2007 (Az. M 19B DK 06.4219) wird aufgehoben.

Zudem stellte er Antrag auf Gewährung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. Mai 2007.

Der Verwaltungsgerichtshof teilte dem Bevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 20. April 2007 mit: "Die Begründungsfrist wird antragsgemäß verlängert."

Der Bevollmächtigte des Beklagten übermittelte dem Verwaltungsgerichtshof per Telefax am 14. Mai 2007 einen Schriftsatz vom 12. Mai 2007, der (nochmals) die Berufungsanträge und die Berufungsbegründung enthält.

Der Berichterstatter des zuständigen 16b. Senats des Verwaltungsgerichtshofs teilte dem Bevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 19. Juni 2007 unter Darlegung des geschilderten Ablaufs mit, die Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG sei am Donnerstag, dem 10. Mai 2007 abgelaufen und damit nicht eingehalten.

Der Bevollmächtigte des Beklagten wiederholte und begründete mit Schriftsatz vom 29. Juni 2007, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am selben Tag, seinen Berufungsantrag und beantragte zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO).

Zur Begründung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsantrags trug er in diesem Schriftsatz und in einem weiteren vom 6. August 2007 unter Vorlage insgesamt dreier eidesstattlicher Versicherungen im Wesentlichen vor:

Zwischen dem Bevollmächtigten des Beklagten und dem Rechtsanwaltskollegen Schr. bestehe seit 28. Februar 2007 eine Bürogemeinschaft, d.h. keine Sozietät. Dies bedeute, dass keine gegenseitige Bevollmächtigung bestehe, insbesondere sei der Kollege Schr. nicht der bestellte Vertreter des Bevollmächtigten des Beklagten. Infolge dessen seien getrennte Mandate, getrennte Konten, getrennte Fristenbücher etc. vorhanden. Eine gemeinsame Mandatsbearbeitung finde nicht statt. Gemeinsames Büropersonal bestehe nicht; lediglich die eingehenden Telefonate würden von einer Sekretärin des Patentanwalts G., welcher ebenfalls in Bürogemeinschaft sei, entgegen genommen und weitergeleitet. Sonstige Tätigkeiten verrichte das Personal von Herrn G. für den Bevollmächtigten des Beklagten nicht.

Die eingehende Post werde arbeitstäglich geöffnet und auf darin enthaltene Fristen vom Bevollmächtigten des Beklagten bzw. Herrn Schr. überprüft. Zudem werde ein ordnungsgemäßes Fristenbuch in Papierform geführt, in dem Rechtsmittelfristen gesondert von Wiedervorlagefristen geführt würden. Zwischen Herrn Schr. und dem Beklagtenbevollmächtigten bestehe die am 28. Februar 2007 getroffene mündliche Vereinbarung, dass Herr Schr. im Fall der (gelegentlichen) Abwesenheit des Beklagtenbevollmächtigten infolge Seminartätigkeit die an die Bürogemeinschaft bzw. an dem Beklagtenbevollmächtigten adressierte Post dem Briefkasten entnehme, öffne sowie die darin enthaltenen Fristen (ggf. berechne und) in dem Fristenbuch des Bevollmächtigten des Beklagten eintrage. Eine weitere Bearbeitung des Vorgangs finde dann ausschließlich durch den Beklagtenbevollmächtigten statt.

Das Mandat des Beklagten sei in dessen Einvernehmen nach einer teilweisen gemeinsamen Vertretung (mit Herrn Schr.) in der ersten Instanz in der zweiten Instanz nur noch durch den Bevollmächtigten des Beklagten fortgeführt worden.

Das Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. April 2007 sei am 21. April 2007 beim Beklagtenvertreter eingegangen. Nachdem am 21. April 2007, einem Samstag, im Büro niemand anwesend gewesen sei, sei die Post am 23. April 2007 vom Kollegen Schr. den Briefkasten entnommen und geöffnet worden. An diesem Tag sei der Beklagtenvertreter auf einem Vortrag in Rheinland-Pfalz gewesen. Der Kollege Schr. habe die Fristverlängerung zur Kenntnis genommen, jedoch irrtümlicherweise gedacht, dass die Frist bis 14. Mai 2007 verlängert sei, und habe diese Frist so in das Fristenbuch des Beklagtenbevollmächtigten eingetragen. Zudem habe Herr Schr. dem Bevollmächtigten des Beklagten eine schriftliche Kurzmitteilung über diesen Umstand auf dessen Schreibtisch gelegt. Zu einer Vorlage der Akte an den Beklagtenbevollmächtigten sei es nicht gekommen. Aufgrund dieses Fehlers des Kollegen Schr. sei der Vertreter des Beklagten davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründungsfrist bis 14. Mai 2007 verlängert worden sei. Demnach sei die Berufungsbegründung vom Beklagtenvertreter am 12. Mai 2007 gefertigt und an das Gericht gefaxt worden.

Am 22. Juni 2007 habe der Beklagtenbevollmächtigte aufgrund des gerichtlichen Schreibens vom 19. Juni 2007 von der versäumten Frist erfahren.

Der Kollege Schr. sei bis August 2006 bei dem Beklagtenbevollmächtigten als Rechtsreferendar beschäftigt gewesen. Danach habe der Beklagtenvertreter einen Auslandsaufenthalt angetreten und der Kollege Schr. habe die Kanzlei bis 27. Februar 2007 alleine auf eigenen Namen geführt. Während der Tätigkeit als Referendar habe der Beklagtenbevollmächtigte die Arbeit des Kollegen Schr. täglich kontrolliert. Seit 28. Februar 2007 sei der Beklagtenbevollmächtigte als Anwalt wieder zugelassen. Ca. einmal wöchentlich sei er für ein bis zwei Tage auf einem Seminar. Er habe zunächst sämtliche vom Kollegen Schr. ermittelten Fristen, später dann stichprobenweise anhand der Akten und des Fristenkalenders nachgerechnet und geprüft. Nie habe es Grund für Beanstandungen gegeben. Leider sei die vorliegende Frist von den Stichproben nicht umfasst gewesen.

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sei zu gewähren, da die Frist ohne Verschulden des Mandanten bzw. seines Bevollmächtigten versäumt worden sei. Nur das Verschulden der Bevollmächtigten werde nämlich nach § 85 Abs. 2 ZPO, § 60 VwGO zugerechnet.

Das Verschulden des Kollegen Schr. sei unbeachtlich, denn dieser sei nicht bevollmächtigt. Er habe insbesondere den Rechtsstreit nicht selbst ständig bearbeitet; Tätigkeiten, die üblicherweise vom Büropersonal wahrgenommen würden wie etwa die Fristenberechnung und deren Eintragung im Fristenbuch, zählten nicht dazu. Herr Schr. habe sich darauf beschränkt. Zudem habe er in der Berufungsinstanz keine Vollmacht mehr gehabt.

Ein Verschulden des Beklagtenbevollmächtigten selbst scheide aus. Alle organisatorischen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei seien erfüllt.

Im Rahmen der Anfertigung der Berufungsbegründung sei es zu keiner Vorlage der Akte gekommen. Vielmehr sei der Beklagtenbevollmächtigte vom 9. bis 11. Mai 2007 auf einem Seminar im Bayerischen Wald gewesen. Dabei sei er - insbesondere aufgrund des Eintrags im Fristenbuch sowie der schriftlichen Mitteilung des Kollegen Schr. - davon ausgegangen, dass die Frist am 14. Mai 2007 ablaufen werde. Nachdem kein neuer Tatsachenvortrag erforderlich gewesen sei, habe die Berufungsbegründung im Wesentlichen auf die bereits in der ersten Instanz vorgebrachten Argumente gestützt werden können. Aufgrund dessen habe er während des Seminars sein Notebook dabei gehabt und die Berufungsbegründung -auch ohne Vorlage der Akte - gefertigt. Hierbei habe er auf die im Notebook gespeicherten Schriftsätze der ersten Instanz zurückgreifen können und zudem Wesentliches auch noch im Gedächtnis gehabt. Der Schriftsatz sei dann am 12. Mai 2007 in der Kanzlei ausgedruckt und an das Gericht gefaxt worden. Die Durchschrift für die Akte sei auf den Schreibtisch des Kollegen Schr. gelegt worden, der diese dann in der darauf folgenden Woche in die Akte eingeheftet habe.

Somit habe keinen Grund vorgelegen, weshalb die Akte erneut hätte kontrolliert werden müssen. Überdies sei es herrschende Meinung, dass eine Fristenkontrolle nur bei Vorlage der Akte erfolgen müsse, nicht aber, dass eine Fristenkontrolle ständig nötig sei, so weit es dafür keine Anhaltspunkte gebe. Auch gebe es keinen Rechtsgrundsatz, dass ein Anwalt zur Bearbeitung einer Angelegenheit die Akte notwendiger Weise beiziehen müsse. Damit sei die falsche Eintragung des Fristendes dem Beklagtenbevollmächtigten nicht erkennbar gewesen. Alle anderen Auffassungen würden dem Grundsatz zuwiderlaufen, dass die an den Anwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen ausweislich der einschlägigen Rechtsprechung nicht überspannt werden dürften.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts unter Wiederholung eines Teils seiner dort vorgetragenen Argumentation. Außerdem vertritt sie die Auffassung, dass die Berufung verfristet und wegen des Verschuldens des Beklagtenbevollmächtigten auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.

Der Senat hat dem Beklagten mit Schreiben vom 20. September 2007 mitgeteilt, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach derzeitiger Auffassung keine Aussicht auf Erfolg habe und dass eine Entscheidung nach § 3 BDG i.V.m. § 125 Abs. 2 VwGO in Betracht komme. Der Beklagte hat sich innerhalb der gesetzten Frist dazu nochmals geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Senat kann nach entsprechender Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, da sie als unzulässig zu verwerfen ist (§ 3 BDG i.V.m. § 125 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VwGO). Sie wurde nämlich nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist begründet.

Der diesbezüglich gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist seinerseits nicht fristgerecht und auch nicht unter fristgemäßer Nachholung der versäumten Rechtshandlung gestellt worden und überdies auch unbegründet, da die Voraussetzung des fehlenden eigenen bzw. eines (vorliegend maßgeblichen) Anwaltsverschuldens für die Fristversäumung nicht glaubhaft gemacht worden ist. Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 3 BDG i.V.m. § 60 Abs. 4 VwGO der Verwaltungsgerichtshof als das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung - also die Berufung - zu befinden hat. Im Einzelnen gilt:

Auf den während der laufenden Berufungsbegründungsfrist und somit zulässig gestellten Antrag des Beklagtenbevollmächtigten vom 12. April 2007 wurde vom Vorsitzenden des Senats die Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG bis zum Donnerstag, den 10. Mai 2007, verlängert. Dies wurde dem Bevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben des Gerichts vom 20. April 2007, zugestellt am 21. April 2007, mitgeteilt.

Diese Frist wurde nicht eingehalten, denn der Schriftsatz vom 12. Mai 2007, der die die Berufungsbegründung enthält, ging beim VGH erst am 14. Mai 2007 (Telefax) ein.

Der Antrag des Beklagten vom 29. Juni 2007, mit dem dieser die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist erreichen möchte, bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte hat nämlich bereits die Zwei-Wochen-Frist für die Stellung dieses Antrags und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung gemäß § 3 BDG i.V.m. § 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO nicht eingehalten. Außerdem hat er nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist nach § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG einzuhalten.

Der Beklagte muss sich dabei das - nach dem Vortrag in den Schriftsätzen vom 29. Juni 2007 (Wiedereinsetzungsantrag) und vom 6. August 2007 (weitere Argumentation) vorliegende - Verschulden seines Prozessbevollmächtigten als eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO, der im Verwaltungsprozess gemäß § 173 VwGO [vgl. zutreffend Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 14 zu § 60] und zwar gemäß § 3 BDG auch in einem Prozess, dessen Gegenstand ein Disziplinarverfahren ist, anzuwenden ist).

Die Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 VwGO beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses - vorliegend also der Unkenntnis über das tatsächliche Ende der Berufungsbegründungsfrist - zu laufen, d.h. mit dem Zeitpunkt, in dem die Ursache der Verhinderung oder aber ihr Fortbestand nicht mehr unverschuldet ist, so etwa auch, wenn - wie im hier zu entscheidenden Fall - ein Irrtum über die Frist nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Maßgeblich ist dann der Zeitpunkt, zu dem dem Beklagten (bzw. dessen Bevollmächtigten) die Fristversäumung bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bekannt sein musste (vgl. BVerwG Urteil vom 18.4.1997, Az. 8 C 38/95, NJW 1997, 2970; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 26 zu § 60; Jörg Schmidt in Eyermann a.a.O. RdNr. 26 zu § 60, jeweils m.w.N.). Dieser Zeitpunkt lag vor dem Zugang des Anschreibens des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juni 2007, mit dem der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mitgeteilt wurde, und zwar spätestens am 12. Mai 2007, als der Beklagtenbevollmächtigte die schriftliche Berufungsbegründung verfasst hat; der Wiedereinsetzungsantrag erreichte das Gericht erst am 29. Juni 2007. Dies aus folgenden Gründen:

Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagtenbevollmächtigten war während des gesamten vorliegend maßgeblichen Zeitraums nur er selbst bevollmächtigt, hatte also allein die Pflichten eines sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalts zu erfüllen. Er unterließ die persönliche Prüfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist anhand seiner Handakten, die spätestens bei Fertigung der Berufungsbegründung am 12. Mai 2007 geboten gewesen wäre.

Vorliegend müssen das Gerichtsschreiben vom 20. April 2007, in dem die Fristverlängerung "antragsgemäß" gewährt wurde, sowie das damit in Bezug genommene Antragsschreiben des Bevollmächtigten vom 12. April 2007 in den Handakten vorhanden sein. Daraus ergibt sich eindeutig das Fristende mit Ablauf des 10. Mai 2007, ohne dass eine Berechnung notwendig wäre.

Hätte der Bevollmächtigte die Akten bei Fertigung der Berufungsbegründung zur Verfügung gehabt, so hätte er festgestellt (bzw. nur infolge eines vorwerfbaren pflichtwidrigen Unterlassens übersehen), dass die Begründungsfrist bereits abgelaufen war. Daraus hätte er folgern müssen, dass somit ggf. ein Wiedereinsetzungsantrag zu stellen sei. Den entsprechenden Beginn der Fristen für die Antragstellung und die Nachholung der versäumten Handlung hätte er aus seinen Handakten zu ermitteln gehabt. Dass er diese Akten nicht zur Hand und sich somit der entsprechenden Prüfmöglichkeit begeben hatte, bedeutet eine vorwerfbare Pflichtwidrigkeit. Ein Rechtsanwalt ist nämlich gehalten, den Fristenlauf eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung wie z.B. der Einreichung einer Rechtsmittel- bzw. Rechtsmittelbegründungsfrist vorgelegt werden (BGH Beschluss vom 13.2.2001, Az. VI ZB 34/00, NJW 2001, 1579; LG Stade Beschluss 21.2.2003, Az. 2 S 198/02 <Juris>).

Spätestens ab da ist das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung (falsche Information durch den Rechtsanwalt Schr. hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist; daraus folgend auch das Laufen einer Antragsfrist hinsichtlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) nicht mehr unverschuldet im Sinn von § 3 BDG i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO.

Ein weiterer, davon unabhängiger, durch Verschulden des Beklagtenbevollmächtigten entstandener Grund für die Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt sich daraus, dass der Bevollmächtigte im Hinblick darauf, dass eine Berufungsbegründung zu fertigen war, eine Vorfrist hätte verfügen müssen. Die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts erfordert nämlich regelmäßig, dass neben dem Ende einer Rechtsmittelbegründungsfrist auch eine Vorfrist von etwa einer Woche eingetragen wird (BGH Beschluss vom 6.7.1994, Az. VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2551).

Eine Aktenvorlage innerhalb dieser Frist - deren Notwendigkeit sich aus dem Vorstehenden zwingend ergibt - und die dabei erforderliche Nachprüfung durch den Bevollmächtigten selber (zur eigenverantwortlichen Feststellung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde, vgl. BGH Beschluss vom 5.11.2002, Az. VI ZB 40/02, NJW 2003, 437; Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 31.03.2004, Az. 2Z BR 041/04, 2Z BR 41/04, WuM 2004, 367) hätte bereits die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist selbst verhindert.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wäre aber auch im Fall seiner Zulässigkeit kein Erfolg beschieden gewesen. Denn der Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die gesetzliche Berufungsbegründungsfrist nach § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG einzuhalten. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus den obigen Darlegungen.

Abschließend ist festzustellen, dass ein Rechtsanwalt es nicht in der Hand haben kann, durch die Organisation des Betriebsablaufs in seiner Kanzlei etwa in der vorliegend geschilderten Art das System der Sorgfaltspflichten, das von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, zu unterlaufen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung unter Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zu verwerfen.

Mit dem vom Verwaltungsgericht zuerkannten Unterhaltsbeitrag auf die Dauer von sechs Monaten in Höhe von 50% der Dienstbezüge, die dem Beamten bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zustehen, hat es gemäß § 10 Abs. 3 BDG sein Bewenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 69 BDG, § 125 Abs. 2 Sätze 4 und 5, § 132 VwGO, § 127 BRRG).

Gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (Art. 3 BayDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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