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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 17 PE 06.2494
Rechtsgebiete: BayPVG


Vorschriften:

BayPVG Art. 32
BayPVG Art. 46 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

17 PE 06.2494

In der Personalvertretungssache

wegen Freistellung des stellvertretenden Personalratsvorsitzenden von seiner dienstlichen Tätigkeit; # hier: Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 17. Senat,

- Fachsenat für Personalvertretungssachen nach Landesrecht -

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Plathner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Häring, die ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgerichtshof Gfrerer, die ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgerichtshof Heinlein

aufgrund der mündlichen Anhörung vom 24. Oktober 2006 am 24. Oktober 2006 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Abfallwirtschaft und Stadtreinigungsbetrieb Nürnberg, ein Eigenbetrieb der Stadt Nürnberg, hat 682 Beschäftigte; fast alle sind Arbeitnehmer, nur 22 sind Beamte. Bei der Wahl des Personalrats am 9. Mai 2006 waren 11 Mitglieder zu wählen, 1 Vertreter der Gruppe der Beamten und 10 Vertreter der Gruppe der Arbeitnehmer. Der Antragsteller, Herr Radke, wurde mit 13 Stimmen zum Beamtenvertreter gewählt.

In der konstituierenden Sitzung des Personalrats am 16. Mai 2006 wählten die 10 gewählten Arbeitnehmervertreter Herrn Wolfgang Heit zum Gruppenvertreter der Arbeitnehmer. Der fünfköpfige Vorstand besteht damit aus den beiden Gruppenvertretern, Herrn Heit und Herrn Radke, sowie 3 weiteren zugewählten Arbeitnehmervertretern. Einer von den zugewählten ist Herr Prühäuser. Der Personalrat wählte sodann Herrn Heit zu seinem Vorsitzenden, Herrn Radke zu seinem ersten Stellvertreter und Herrn Prühäuser zum zweiten Stellvertreter. Der Personalrat beschloss schließlich bei der Werkleitung zwei Freistellungen von dienstlicher Tätigkeit zu beantragen, eine für den Vorsitzenden Herrn Heit und die andere für den zweiten Stellvertreter, Herrn Prühäuser. Einen entsprechenden Antrag richtete der Personalratsvorsitzende unter dem 29. Mai 2006 an den Dienststellenleiter.

Der erste Stellvertreter, Herr Radke, stellte am 8. Juni 2006 beim Verwaltungsgericht Ansbach sinngemäß den Antrag, den Beschluss vom 16. Mai 2006 insoweit aufzuheben, als die zweite Freistellung für den zweiten Stellvertreter beantragt wurde, und den Personalrat zu verpflichten, ihn, den ersten Stellvertreter, für die zweite Freistellung bei der Werksleitung vorzuschlagen. Der angegriffene Beschluss verstoße gegen Art. 46 Abs. 3 BayPVG, wonach bei der Auswahl der freizustellenden Vorstandsmitglieder in der Reihenfolge von Art. 32 Abs. 2 BayPVG freizustellen sei. Den zweiten Stellvertreter für die Freistellung vorzuschlagen wäre nur dann zulässig gewesen, wenn er, der erste Stellvertreter, auf eine Freistellung verzichtet hätte. Das sei aber nicht der Fall gewesen.

Der Personalrat beantragte, den Antrag anzulehnen. Er vertrat die Ansicht, es liege ein Sonderfall vor, der eine Abweichung von der Regel des Art. 46 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 BayPVG erlaube, weil der Beamtenvertreter ohne weitere Wahl, lediglich aufgrund der Zugehörigkeit zu seiner Gruppe, in den Vorstand entsandt worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, das Herr Heit mit 429 Stimmen und Herr Prühäuser mit 439 Stimmen, Herr Radke aber nur mit 13 Stimmen in den Personalrat gewählt worden seien.

Der Dienststellenleiter äußerte, er halte den Antrag für begründet.

Das Verwaltungsgericht erließ nach mündlicher Verhandlung am 25. Juli 2006 folgenden Beschluss:

1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Beteiligten zu 1 vom 16. Mai 2006 unwirksam ist.

2. Unter Aufhebung des Antrags des Beteiligten zu 1 vom 29. Mai 2006 wird dieser verpflichtet, den Antragsteller zur weiteren Freistellung vorzuschlagen.

Zur Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf Art. 46 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayPVG und auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 5. Februar 2003 Az. 17 P 02.3215.

Der Personalrat hat Beschwerde erhoben und beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und den Antrag des ersten stellvertretenden Personalratsvorsitzenden abzulehnen. Zur Begründung trägt er sinngemäß vor, die Freistellungsregelung des Art. 46 Abs. 3 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 müsse unter Berücksichtigung des Demokratieprinzips des Art. 20 GG angewandt werden. Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayPVG gehe davon aus, dass der Personalratsvorsitzende und seine Stellvertreter vom Personalrat aus den Mitgliedern des Vorstands in "geheimer Wahl" ge"wählt" werden. Dies sei vorliegend beim Antragsteller als dem alleinigen Vertreter einer der beiden im Personalrat vertretenen Gruppen nicht der Fall gewesen. Er habe sein Amt als erster stellvertretender Personalratsvorsitzender von Gesetzes wegen ohne Wahl erhalten. Das Demokratieprinzip verlange deshalb Art. 32 Abs. 2 BayPVG vorliegend so auszulegen, dass der Personalrat nicht gezwungen sei, die Freistellung von Herrn Radke beim Dienststellenleiter zu beantragen. Andernfalls würde der Minderheitenschutz überstrapaziert. Dem Personalrat dürfe die Wahl seines stellvertretenden Vorsitzenden nicht weggenommen und durch eine gesetzliche Bestimmung ersetzt werden.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts rechtmäßig ist.

Der Dienststellenleiter stellt keinen Antrag.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Personalrats vom 16. Mai 2006 zu Recht insofern für rechtswidrig und unwirksam erklärt, als darin die zweite Freistellung - nach dem Personalratsvorsitzenden - für dessen zweiten und nicht für seinen ersten Stellvertreter beantragt wurde. Denn bei der Auswahl seiner von dienstlicher Tätigkeit freizustellenden Mitglieder hat der Personalrat nach der gesetzlichen Regelung des Art. 46 Abs. 3 Satz 2 BayPVG zunächst die nach Art. 32 Abs. 2 BayPVG gewählten Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass zunächst für die geborenen Vorstandsmitglieder, d.h. die beiden Gruppenvorsitzenden, den Personalratsvorsitzenden und seinen ersten Stellvertreter, Freistellungen zu beantragen sind (vgl. Art. 32 Abs. 1 BayPVG).

Nachdem der Personalrat in Übereinstimmung mit Art. 32 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayPVG einen Vorstand gebildet hatte, dem je ein Gruppenvertreter der Arbeitnehmer und einer der Beamten angehören, war der Personalrat verpflichtet, wenn er zwei Freistellungen beantragt, auch für diese die beiden Freistellungen zu beantragen.

Der Personalratsvorsitzende und sein erster Stellvertreter waren in dieser Weise zu wählen und für die Freistellung auszuwählen, ungeachtet dessen, dass sich bei der Bestimmung des Gruppenvertreters der Beamten eine Gruppenwahl unter Beamtenvertretern erübrigte, weil die Beamten wegen ihrer geringen Zahl nur einen einzigen Vertreter im Personalrat haben. Ohne Bedeutung ist auch, dass die Personalratsmitglieder den Beamtenvertreter im Vorstand zum stellvertretenden Personalratsvorsitzenden wählen mussten, nachdem sie den Arbeitnehmervertreter bereits zum Vorsitzenden gewählt hatten und es einen Vertreter einer dritten Gruppe seit der Rechtsänderung vom 1. Januar 2006 nicht mehr gibt. Denn, obwohl im Gesetzestext die Worte "wählen" in Art. 32 Abs. 1 BayPVG und "wählt" in Art. 32 Abs. 2 BayPVG verwendet werden, ist der angesprochene Vorgang keine Wahl im eigentlichen Sinne, sondern in Wirklichkeit ein Akt der Geschäftsführung, der im Rahmen der Konstituierung des Personalrats ergeht (Ballerstedt u.a., BayPVG, Art. 32 RdNr. 32 a).

Die gesetzliche Regelung ist eine Folge des im Bayerischen Personalvertretungsgesetz stark ausgeprägten Gruppenprinzips. Sie verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, weil sie auf dem Gruppenprinzip und damit auf einer sachlichen Erwägung beruht (BVerwGE 5, 118/121). Deshalb kommt auch das Argument, die beiden Arbeitnehmervertreter hätten jeweils sehr viel mehr Stimmen bei der Personalratswahl erhalten als der eine Beamtenvertreter, nicht zum Tragen (ebenso für das gleichlautende baden.württembergische Landesrecht bad.-württ.VGH vom 29.9.1992 - PersV 1997, 507; der Beschluss des BVerwG vom 26.10.1977 - PersV 1979, 110 - ist überholt, weil er noch zu einem abweichenden Wortlaut der Vorschrift erging).

Die klare gesetzliche Regelung kann weder im Sinn des Demokratieprinzips ausgelegt werden, noch verstößt sie gegen das Demokratieprinzip. Die Personalvertretung und die Wahl des Personalrats sind nicht ausdrücklich im Grundgesetz verankert, sondern haben ihre Rechtsgrundlagen in einfachen Gesetzen des Bundes- und des Landesrechts. Das verfassungsrechtliche Demokratiegebot gilt für den Bund (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG), die Länder (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Kreise und Gemeinden (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG), nicht aber für die Personalvertretung.

§ 98 Abs. 1 BPersVG enthält die Rahmenvorschrift für die Länder, dass die Personalvertretungen in geheimer und unmittelbarer Wahl und bei Vorliegen mehrerer Wahlvorschläge nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt, dass, wenn in einer Dienststelle Angehörige verschiedener Gruppen wahlberechtigt sind, die Angehörigen jeder Gruppe grundsätzlich ihre Vertreter in getrennten Wahlgängen wählen. Damit ist das Demokratiegebot in Absatz 1 der Vorschrift durch das Gebot der Gruppenwahl in Absatz 2 modifiziert. Die hier streitgegenständlichen Regelungen des bayerischen Landesrechts, Art. 46 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 2 BayPVG, stehen somit in Übereinstimmung mit der bundesgesetzlichen Vorgabe.

Zu demselben Ergebnis ist der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2003 Az. 17 P 02.3215 gekommen. Aus praktischen Erwägungen hat er damals noch darauf hingewiesen,

"dass die Freistellung eines stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden nicht nur dazu dient, seine Aufgaben als Sprecher einer Gruppe (hier: die der zahlenmäßig im Vergleich zu den übrigen Gruppen sehr kleinen Beamtengruppe) wahrzunehmen (vgl. Art. 32 Abs. 3 Satz 2 BayPAG). Darüber hinaus ist der Antragsteller auch nicht nur dann gefordert, wenn der Vertretungsfall durch Abwesenheit des Vorsitzenden und des ersten Stellvertreters eintritt und er als Vorsitzender fungieren muss. Vielmehr kann das Personalratsgremium - und das drängt sich hier bei derart unterschiedlichen zahlenmäßigen Gruppenstärken wohl fast auf - die Geschäftsordnung gemäß Art. 42 BayPVG beschließen, in der Bestimmungen über die Geschäftsführung und - gegebenenfalls - auch die Verteilung einzelner Aufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder getroffen werden (vgl. auch Beschluss des Senats vom 17.9.1992, ZBR 1993, 279; Schelter/Seiler, BayPVG, RdNr. 11 zu Art. 42; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 11 zu Art. 42). Dem Anspruch des Antragstellers auf eine volle Freistellung steht also dergestalt ein - dem Gremium an die Hand gegebenes - Regulativ gegenüber. Mit dem Freistellungsanspruch korrespondiert die Pflicht des Antragstellers, seine volle Arbeitskraft zur Erledigung der ihm zugewiesenen Aufgaben einzubringen".

Für eine derartige Vorgehensweise spricht vorliegend zusätzlich, dass der Personalratsvorsitzende und gewählte Arbeitnehmervertreter, Herr Heit, Beamter ist und dass der stellvertretende Personalratsvorsitzende und Beamtenvertreter, Herr Radke, Arbeitnehmer ist.

Eine Kostenentscheidung erübrigt sich (Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG).

Diese Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist endgültig (Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).



Ende der Entscheidung

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