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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 20 BV 08.1197
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG Art. 5 Abs. 1 Satz 4
KAG Art. 5 Abs. 1 Satz 5
1. Die Ermittlung der Beitragssätze für gemeindliche Entwässerungseinrichtungen aufgrund der in einem bestimmten Zeitraum entstandenen und entstehenden Aufwendungen (zuzüglich der anteiligen Investitionen für zentrale Anlagenteile) ist grundsätzlich zulässig (sog. Rechnungsperiodenkalkulation)

2. Der dem Beitragsrecht für leitungsgebundene Einrichtungen innewohnende Solidargedanke gebietet es, dass im Ergebnis der Investitionsaufwand und die in der Rechnungsperiode erschlossenen Gebiete mit dem Durchschnitt des gesamten erschlossenen und zu erschließenden Satzungsgebietes vergleichbar sind.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

20 BV 08.1197

Verkündet am 23. Juli 2009

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vorauszahlung auf den Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Februar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schaudig, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Beuntner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Reinthaler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. Juli 2009

am 23. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks *********** *, Fl.Nr. ***** der Gemarkung Paitzkofen in Straßkirchen, das mit einem Haus bebaut ist. Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 setzte die Beklagte im Wege der Vorauszahlung einen Beitrag für 327,01 m² Geschossfläche fest, wobei sie gemäß § 6 ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung von einem Beitragssatz von 18,00 €/m² Geschossfläche ausging. Der Beitragssatz für die Grundstücksfläche ist auf 1,00 €/m² Grundstücksfläche festgesetzt. Vorher betrug der Beitragssatz 5,30 DM/m² Grundstücksfläche und 21,20 DM/m² (entspricht 10,84 €/m²) Geschossfläche. Dem neuen Beitragssatz lag eine Rechnungsperiodenkalkulation für die Jahre 2002 bis 2011 zugrunde.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Straubing-Bogen mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2007 zurück.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt, weil es am Erfordernis einer tragfähigen Beitragssatzung fehle. Die von der Beklagten durchgeführte Rechnungsperiodenkalkulation führe nämlich zu Beitragssätzen, die für das Gebiet der gesamten Entwässerungseinrichtung nicht mehr repräsentativ seien. Zwar sei die Dauer der Rechnungsperiodenkalkulation der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Rechnungsperiode sei aber hinsichtlich des Verteilungsgebietes nicht hinreichend repräsentativ. Das ergebe sich aus dem Verhältnis der zugrunde gelegten Geschoss- und Grundstücksflächen im Vergleich zu denen des Gemeindegebiets der Beklagten, das dem Gebiet der gemeindlichen Einrichtung entspreche. Das Verhältnis der Geschossfläche zu den Grundstücksflächen betrage bei der Rechnungsperiodenkalkulation 20.793,65 m² Geschossfläche zu 10.128,35 m² Grundstücksfläche. Das bedeute einen Anteil der Grundstücksfläche an der Geschossfläche von nur etwa 49 v.H.. Dagegen bestehe im gesamten Einrichtungsgebiet der Beklagten ein Verhältnis von 427.155,43 m² Geschossfläche zu 1.124.553,68 m² Grundstücksfläche. Das sei ein Verhältnis der Grundstücks- zu den Geschossflächen in Höhe von etwa 205 v.H.. Dieser prozentuale Anteil entspreche den Verhältnissen in einer eher ländlich geprägten Gemeinde, die sich durch das Vorhandensein von relativ großen Grundstücken auszeichne, sehr viel eher als die der Rechnungsperiodenkalkulation zugrunde gelegte Verteilung. Außerdem seien für die Rechungsperiodenkalkulation nur 26 anzuschließende Grundstücke angesetzt worden. Diese befänden sich im Wesentlichen in den Ortsteilen Stetten, Makofen, Thal, Gänsdorf, Seehof, Tiefenbrunn und in Schambach. Lediglich im Hauptort seien fünf Baulücken erfasst worden, die auch einen Anschluss an die Niederschlagswasserentwässerung besäßen. Damit würden der Kalkulation Grundstücke zugrunde gelegt, die nur in einer geringen Anzahl an die Niederschlagswasserentwässerung angeschlossen würden. Dagegen weise der gesamte Ort nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers zu mehr als 90 v.H. Grundstücke auf, von denen sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgt würde. Der Hauptort, der als prägend für die gemeindliche Infrastruktur und für die durchschnittliche Entwicklung des Verteilungsgebietes stärker gewichtet werden müsse, sei nur mit fünf Baulücken herangezogen. Dieses Verteilungsverhältnis weiche hinsichtlich des Verhältnisses von Geschoss- und Grundstücksflächen, der Verteilung der Grundstücke im Hauptort und in einzelnen Ortsteilen und hinsichtlich der daraus resultierenden Ableitungsmöglichkeit für das gesamte Abwasser bzw. nur für das häusliche Schmutzwasser so erheblich von den Verhältnissen im gesamten Gemeindegebiet ab, dass von einer Repräsentativität im Ganzen nicht mehr gesprochen werden könne. Bestätigt werde diese Sicht durch einen vergleichenden Blick auf eine Globalkalkulation, die Beiträge in Höhe von 10,12 €/m² für die Geschossfläche und von 1,15 €/m² für die Grundstücksfläche ergäbe. Hinsichtlich der Geschossfläche sei das eine nicht mehr hinnehmbare Abweichung. Die von der Beklagten vorgenommene abschnittsweise Abrechnung widerspreche auch dem Solidargedanken. Da die Rechnungsperiodenkalkulation über einen längeren Zeitraum gesehen nicht zu einer Überdeckung führen dürfe, werde sie sich - mehrfach fortgesetzt - im Ergebnis summenmäßig der Globalkalkulation angleichen. Um die einzelnen Anschlussnehmer nicht ungleichmäßig zu belasten, je nachdem in welcher Rechnungsperiode sie gerade beitragspflichtig würden, müssten daher die einzelnen Perioden nach den oben dargestellten Maßgaben repräsentativ für die gemeindliche Anlage insgesamt sein. Nur so könne verhindert werden, dass manche Anschlussnehmer mit sehr hohen Beitragssteigerungen belastet würden, weil z.B. Investitionen anfielen, die vorher oder danach nicht mehr zu verzeichnen seien oder weil das Verhältnis der Geschossfläche und Grundstücksfläche zueinander sich jeweils anders gestalte. Gegen eine Repräsentativität spreche ferner, dass die Aufteilung der beitragspflichtigen Investitionssumme im Verhältnis der Geschoss- zu den Grundstücksflächen eher ungewöhnlich sei und erheblich von den Verhältnissen im gesamten Gemeindegebiet abweiche. Im Rahmen der Rechnungsperiodenkalkulation werde die Anzahl der Grundstücksflächen an den Kostenmassen nur mit 2,77 v.H. angesetzt. Bei einer alternativ durchgeführten Globalkalkulation sei hier eine Größe von 23 v.H. anzusetzen. Die Beklagte könne ihre Sicht auch nicht darauf stützen, dass sie bereits im Jahre 1999 eine Rechnungsperiodenkalkulation durchgeführt habe, die nunmehr einen Wechsel der Kalkulationsperiode hin zu einer Globalkalkulation vermeiden wolle.

Hiergegen hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Das Verwaltungsgericht stelle an die Ermittlungsmethode der Rechnungsperiodenkalkulation als vermeintliche Ausnahmeregelung zur Globalkalkulation überzogene Anforderungen. Die angeblich fehlerhafte Ermittlung der Beitragssätze durch die gegenständliche Kalkulation werde in erster Linie auf einen Vergleich zwischen der Globalkalkulation, die nur zufälligerweise zur umfassenden Information des Gemeinderats erstellt worden sei, und der maßgeblichen Rechnungsperiodenkalkulation gestützt. Das Verwaltungsgericht vergleiche offenkundig nicht vergleichbares Zahlenmaterial zweier unterschiedlicher Kalkulationsmethoden. Unterschiedliche Ergebnisse seien unterschiedlichen Ermittlungsmethoden immanent. Art. 5 Abs. 1 Satz 4 KAG gestatte gerade eine Durchschnittskalkulation, bei der im Zuge der Ermittlung von Beiträgen für die Herstellung und Anschaffung leitungsgebundener Einrichtungen während eines bestimmten Zeitrahmens der durchschnittliche Investitionsaufwand für die Gesamteinrichtung veranschlagt und zugrunde gelegt würde. Selbstverständlich bedinge der unterschiedliche Ansatz auch differente Ergebnisse. Erhebliche Unterschiede des Zahlenmaterials könnten schon gar nicht allein die Repräsentativität einer Rechnungsperiodenkalkulation in Frage stellen. Die ergebnisorientierte Betrachtung des Verwaltungsgerichts sei nicht nachvollziehbar. Sie unterstelle, die Globalkalkulation sei der Ausgangspunkt für eine Bewertung, von der nicht erheblich abgewichen werden dürfe. Es stelle sich die Frage, welche Abweichung noch angemessen sei und wie die Beurteilung erfolge, wenn keine parallel erstellte Globalberechnung verfügbar sei. Offen sei die Frage, ob das Verwaltungsgericht eine Globalberechnung zu Vergleichszwecken für unerlässlich halte. Die Beklagte werde den Anforderungen einer repräsentativen Kalkulation gerecht. Das gelte auch in räumlicher Hinsicht. Im Gebiet der Beklagten befänden sich zahlreiche Weiler, während die bauliche Entwicklung des Kernbereichs nur sehr träge voranschreite. Es sei also durchaus normal, dass während der gegenständlichen Rechnungsperiode die Anzahl der angeschlossenen Weiler in Relation zu den erfassten Anschlüssen im Hauptort erheblich ins Gewicht falle. Lege man die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, wäre die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 4 KAG substanzlos. Es müssten vergleichende Kalkulationen erstellt werden, wobei die bei der Globalkalkulation erheblichen Unwägbarkeiten unreflektiert blieben. Die Rechnungsperiodenkalkulation sei gerade darauf ausgelegt, eine möglichst genaue Beitragsermittlung und damit einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen. Eine Umstellung von der Rechnungsperioden- zur Globalkalkulation führe zu höheren Gebühren. Die damit verbundene weitaus höhere Belastung der Bürger, die schon vor der Rechnungsperiodenkalkulation veranlagt worden seien, wäre durch eine Umstellung auf die Globalkalkulation nicht zu rechtfertigen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzielle Urteil.

In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beklagte,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2008 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift, sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1 bis 4 VwGO zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil die im Bescheid vom 15. Januar 2007 angezogenen Beitragssätze nicht tragfähig sind und zur Nichtigkeit des Beitragsteiles der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde Straßkirchen vom 3. August 1999 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 29. Januar 2007 (BGS/EWS) führen.

Die der Ermittlung der Beitragssätze zugrunde liegende sogenannte Rechnungsperiodenkalkulation ist eine grundsätzlich zulässige Berechnungsart für Beitragssätze (vgl. hierzu Senatsurteil vom 9.7.2009 Nr. 20 B 09.28). Sie erfasst nicht wie die Globalkalkulation die gesamte Entwässerungseinrichtung mit allen ihren vorhandenen und absehbar geplanten Einrichtungen, sondern nur die in einem bestimmten Zeitraum, der zeitlich abgegrenzten Rechnungsperiode, entstandenen und entstehenden Aufwendungen für die Einrichtung (einschließlich anteiliger Investitionen für die zentralen Anlagenteile) ohne räumliche Einschränkung. Die sich daraus ergebenden zeitnahen und im Sinne des Zieles einer soweit wie möglichen Kostendeckung realistischen Beitragssätze waren die ratio des Gesetzgebers bei der Einführung des die Rechnungsperiodenkalkulation zulassenden und ab 1. Januar 1999 geltenden Art. 5 Abs. 1 Satz 4 KAG mit Gesetz vom 9. Juni 1998 (GVBl S. 293). Diese Bestimmung ermöglicht es, dass bei der Ermittlung von Beiträgen für die Herstellung und Anschaffung leitungsgebundener Einrichtungen "der durchschnittliche Investitionsaufwand für die gesamte Einrichtung veranschlagt und zugrunde gelegt werden" kann. Diese vom Gesetzgeber ersichtlich gewollte Möglichkeit der Ermittlung des durchschnittlichen Aufwandes für eine Rechnungsperiode (vgl. LT-Drs. 13/8030 vom 28.4.1997 Buchst. B) ist auf den ersten Blick nur schwerlich mit dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 4 KAG in Einklang zu bringen, weil die Vorschrift auf den durchschnittlichen Aufwand der "gesamten Einrichtung" und damit auf den wesentlichen Anknüpfungspunkt der Globalkalkulation abstellt und die gewollte Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum nicht erwähnt, weshalb auch die Wertung, dass es sich um eine "klarstellende Formulierung" handle (vgl. LT-Drs. a.a.O.), zumindest gewagt erscheint. Zu gewährleisten ist das vom Gesetzgeber ersichtlich gewollte Verständnis der Vorschrift gerade noch dadurch, dass der Begriff des durchschnittlichen Aufwandes auch zeitbezogen verstanden werden kann, wonach der in einem bestimmten und begrenzten Zeitraum anfallende Investitionsaufwand für die Herstellung der gesamten Einrichtung in dieser Zeit zu ermitteln ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Stand März 2009, RdNr. 998 zu § 8 mit weiteren Hinweisen zu ähnlich unscharfen Regelungen in § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG des Landes Nordrhein-Westfalen, § 6 Abs. 3 Satz 5 KAG des Landes Niedersachsen und § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG des Landes Sachsen-Anhalt). Der Senat geht daher von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rechnungsperiodenkalkulation für die Ermittlung von Beitragssätzen für leitungsgebundene Anlagen aus.

Übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht sieht der Senat den gewählten Kalkulationszeitraum vom Jahre 2002 bis zum Jahre 2011 als zulässig an (vgl. Nr. 3a der Urteilsgründe).

Rechtlich nicht haltbar sind die nunmehr durch § 6 BGS/EWS festgeschriebenen Beitragssätze von 18,-- €/m² Geschossfläche und von 1,-- €/m² Grundfläche aber deshalb, weil die Verhältnisse der festgesetzten Periode von 2002 bis 2011 für die gesamte Anlage im Gebiet der Beklagten nicht repräsentativ sind.

Das Gebot der Repräsentativität ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Es gründet sich aber auf den dem Beitragsrecht als Grundsatz innewohnenden Solidaritätsgedanken, wonach die Vorteilsgewährung, also die grundstücksbezogene Nutzungsmöglichkeit Grund und Höhe des Beitrags rechtfertigt, nicht aber die durch Lage in einem bestimmten Gebiet oder im Einzelfall, durch topografische Gegebenheiten, durch die Siedlungsstruktur oder durch sonstige beeinflussende Kriterien des jeweils durch die Anlage erschlossenen Grundstücks konkret entstandenen Kosten. Dass der Solidargedanke hinsichtlich solcher durchaus unterschiedliche Kosten verursachender Umstände keine Einschränkung erfahren soll, ergibt sich auch daraus, dass der Gesetzgeber das Verbot der abschnittsweisen Einrichtung einer leitungsgebundenen Einrichtung in Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG aufrecht erhalten hat und damit weiterhin eine an die Örtlichkeit anknüpfende Beitragsermittlung untersagt. Die Rechnungsperiode soll nur einer rein zeitlich betrachteten Kostenentwicklung Rechnung tragen. Die aufgrund der bayerischen Rechtslage ansonsten nur mögliche Globalberechnung nach dem Nominalwertprinzip kann nämlich in der Praxis dazu führen, dass bei der Erschließung neuer Flächen von den Neuanschließern den Investitionsaufwand deckende Herstellungsbeiträge nicht gefordert werden können. Da zusätzlich wegen der Einmaligkeit der Beitragserhebung eine Nachzahlung von den Altanschließern nicht verlangt werden kann, müssen die Fehlbeträge regelmäßig durch höhere, auch von diesen zu erbringende Gebühren gedeckt werden (vgl. LT-Drs. a.a.O.; Buchst. A). Das kann im Ergebnis zu einer überproportional anwachsenden Belastung der Altanschließer führen und so betrachtet steht eine Rechnungsperiodenkalkulation nicht im Spannungsverhältnis zum Solidarprinzip, sondern erweist sich durch das ihre Anwendbarkeit einschränkende Repräsentativitätserfordernis als dessen nähere Ausgestaltung.

Hilfreich für die Beantwortung der Frage, ob der Investitionsaufwand für das Gebiet der Rechnungsperiode als typisch für das von der Gesamtanlage erschlossene Gebiet angesehen werden kann, ist die Berücksichtigung topografischer Gegebenheiten und aller sonst in leitungstechnischer Hinsicht relevanten Umstände in den übrigen Erschließungsgebieten des Satzungsbereiches. Insoweit kann auf den Durchschnitt der in der Vergangenheit und Zukunft angeschlossenen und anzuschließenden Maßstabseinheiten abgestellt und ebenso können Aspekte der gemeindlichen Siedlungsstruktur als Indizien für die Entwicklung des Verteilungsgebietes herangezogen werden. Demnach sollen im Ergebnis der Investitionsaufwand und die in der Rechnungsperiode erschlossenen Gebiete mit dem Durchschnitt des gesamten erschlossenen und zu erschließenden Satzungsgebietes vergleichbar sein (so Nr. 1.2.1 der Vollzugshinweise anlässlich des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 9.6.1998 - Bek. des. Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 30.5.2000 - Nr. 1 B 4-1521-2, AllMBl S. 415).

Diesen Anforderungen wird das von der Rechnungsperiode 2002 bis 2011 erfasste Gebiet der Beklagten nicht gerecht. Es ist hinsichtlich des Verhältnisses der erschlossenen Grundstücksflächen zu den Geschossflächen mit dem Gesamtgebiet der Beklagten nicht vergleichbar, sondern gänzlich anders strukturiert. Die Relation der Geschossflächen zu den Grundstücksflächen beträgt innerhalb der Rechnungsperiode 20.793,65 m² Geschossflächen zu 10.128,35 m² Grundstücksflächen. Das bedeutet einen Anteil der Grundstücksflächen zu den Geschossflächen von nur etwa 49 v.H.. Dagegen besteht im gesamten Einrichtungsgebiet, d. h. im Gemeindegebiet der Beklagten, ein Verhältnis von 427.155,43 m Geschossflächen zu 1.124.553,68 m² Grundstücksflächen. Das ist ein Verhältnis der Grundstücks- zu den Geschossflächen von etwa 263 v.H.. Eine Vergleichbarkeit mit den Gegebenheiten im Gemeindegebiet liegt damit für die Liegenschaften, die der Rechnungsperiode zugrunde gelegt wurden, offenkundig nicht vor.

Für diese Einschätzung spricht auch, dass die Rechnungsperiodenkalkulation - wie sich nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergeben hat - 36 nur an eine Schmutzwasserentsorgung anschließbare Grundstücke (3 in Makofen, 11 in Stetten, 8 in Thal, 2 in Seehof, 4 in Gänsdorf, 2 in Tiefenbrunn und 6 in Niederast) und 8 sowohl an eine Schmutzwasser- als auch an eine Oberflächenwasserentsorgung anschließbare Grundstücke (5 im Ortskern und 3 in Kellerfeld/Schambach) erfasst, während im Gesamtort mehr als 90 v.H. der Grundstücksfläche eine Entsorgung des Schmutz- und Oberflächenwassers haben. Der Hauptort, der als prägend für die gemeindliche Infrastruktur und für die durchschnittliche Entwicklung des Verteilungsgebiets schwerpunktmäßig zu betrachten wäre, wird nur mit fünf Baulücken herangezogen. Dieses Verteilungsverhältnis weicht hinsichtlich des Verhältnisses von Geschoss- und Grundstücksflächen, der Verteilung der Grundstücke im Hauport und in den einzelnen Ortsteilen und hinsichtlich der daraus resultierenden Ableitungsmöglichkeiten für das gesamte Abwasser bzw. nur für das häusliche Schmutzwasser so erheblich von den Gegebenheiten im gesamten Gemeindegebiet der Beklagten und damit der gemeindlichen Einrichtung ab, dass von einer Repräsentativität im Ganzen nicht mehr gesprochen werden kann.

Die Beklagte wendet dagegen ein, dass das von ihr herangezogene Gebiet durchaus repräsentativ sei und zwar in dem Sinne, als es die bauliche Entwicklung der letzten Jahre in ihrem Bereich darstelle. Die vom Gesetzgeber den Gemeinden in Art. 5 Abs. 1 Satz 4 KAG an die Hand gegebene Rechnungsperiodenkalkulation erwiese sich bei dem vom Verwaltungsgericht aufgestellten Vorgaben als wenig hilfreich, weil sie sich so verstanden in der Praxis als kaum anwendbares Instrument handhaben ließe. In der Tat stellt sich die Frage, ob mit der Rechnungsperiodenkalkulation im Hinblick auf die angestrebte Vereinfachung und auch im Hinblick auf das Ziel zeitnaher Beitragssätze wirklich viel gewonnen ist. Denn ihre Rechtfertigung bezieht diese Berechnung aus der Unterstellung, dass das Verhältnis zwischen dem Aufwand in einem bestimmten Zeitraum und der gerade in diesem Zeitraum belastbaren Fläche dem Verhältnis zwischen dem Gesamtaufwand der Anlage und der während ihrer Nutzungsdauer insgesamt belastbaren Fläche entspricht. Die Rechnungsperiodenkalkulation setzt kontinuierlich entstehenden und sich auf den Gesamtzeitraum etwa gleichmäßig verteilenden Aufwand voraus. Sie ist deshalb zugeschnitten auf den laufend anfallenden Anschaffungsaufwand für das durch das Hinzukommen neuer Baugebiete ständig erweiterte Leitungsnetz. Das zeigt die Grenzen der Rechnungsperiode auf, die unter Berücksichtigung des Solidaritätsprinzips im oben dargestellten Sinne vielleicht erweitert, aber nicht überschritten werden können. Zu einer genauen über den Einzelfall hinausweisenden Grenzziehung bietet der vorliegende Fall anlässlich der Eindeutigkeit der Verfehlung der rechtlichen Vorgaben keinen Anlass.

Auch eine stärkere Gewichtung von Entwicklungsphasen darf nämlich im Ergebnis nicht zu einem völligen Wandel der Beitragsstruktur und zur übermäßigen Erhöhung der Beitragssätze aufgrund der örtlichen Belegenheit führen, wie das im vorliegenden Fall gegeben ist. Selbst wenn man der Beklagten zugestehen wollte, dass der ganz überwiegende oder gar gänzliche Verzicht auf eine gemeindliche Oberflächenentwässerung Ausdruck eines auf die Zukunft gerichteten Planungskonzeptes sei, das in der nunmehrigen Rechnungsperiodenkalkulation Niederschlag gefunden habe, erweisen sich die nunmehr gefundenen Beitragssätze im Verhältnis zur vorherigen Rechnungsperiodenkalkulation als nicht hinnehmbar. Dem Verhältnis des Quadratmeter-Satzes von Grundstücksfläche zur Geschossfläche in § 6 der BGS/EWS in der Fassung vom 3. August 1999 von 1 zu 4 (5,30 DM zu 21,20 DM) steht in der nunmehrigen Fassung des § 6 EWS/BGS ein Verhältnis von 1 zu 18 (1,-- € zu 18,-- €) gegenüber. Diese offenkundige Ungereimtheit lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass in der Rechnungsperiode ein wesentlich geringerer, weil für die ganz überwiegende Mehrzahl der Grundstücke gar nicht mehr getätigter Aufwand für die Oberflächenentwässerung angefallen sei, nämlich nur in Höhe von 2,77 v.H. im Verhältnis zu 23 v.H. vorher. Denn dem insoweit wesentlich geringeren Kostenanteil für die Oberflächenentwässerung steht zwangsläufig eine ganz erheblich geminderte beitragspflichtige Grundstücksfläche gegenüber. Somit wird bereits aus der Beitragsstruktur deutlich, dass die der Rechnungsperiode zugrunde gelegte gemeindliche Entwicklung von gänzlich anderen Verhältnissen und nicht von einem fließenden Übergang zu anderen strukturellen Gegebenheiten der erschlossenen Gebiete geprägt ist.

Besonders augenfällig ist das auch aus der Höhe der Beitragssätze, für den Quadratmeter Geschossfläche von jetzt 18,-- € im Verhältnis zu dem entsprechenden Beitragssatz von 21,30 DM (entspricht 10,84 €) zu ersehen. Es handelt sich bei dem im Jahre 2006 ermittelten Satz nicht um einen etwa entsprechend der Inflationsrate oder durch höhere technische Standards gegenüber der früheren Kalkulation von 1999 gesteigerten Beitrag, der einem ansonsten zu erwartenden auch dem der Globalkalkulation systemimmanent innewohnenden Beitragsausfall Rechnung trägt, sondern offenkundig um maßgeblich gebietsstrukturbedingte Abweichungen. Das gilt umso mehr, als einerseits die anteiligen Aufwendungen für zentrale Anlagenteile an einer Kostensteigerung nicht teilhaben und andererseits der im Jahre 1999 ermittelte Beitragssatz einer Rechnungsperiode der Jahre 1994 bis 2004 entspricht, also noch eine zwei- bis dreijährige Überlappung mit der hier inmitten stehenden Rechnungsperiode vorliegt, deren grundsätzliche Zulässigkeit der Senat offen lässt (vgl. Vollzugshinweise anlässlich des Gesetzes zur Änderung des KAG a.a.O.).

Ohne dass es einer Vertiefung bedürfte zeigt auch der Vergleich mit der Globalkalkulation indiziell an, dass in der nunmehrigen Rechnungsperiode keine auch nur annähernd repräsentative Entwicklung zugrunde gelegt wurde. Denn der Beitragssatz hätte für die Gemeinde nach der Globalkalkulation im Jahre 1999 13,87 €/m² und im Jahre 2006 10,12 €/m² betragen, sich also deutlich gesenkt, während der im Wege der Rechnungsperiodenkalkulation ermittelte Beitrag mit 18,-- € pro m² Geschossfläche gegenüber 10,84 € pro m² Geschossfläche auffallend hoch ausfällt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.886,18 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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