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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.10.2003
Aktenzeichen: 20 CE 03.2282
Rechtsgebiete: GG, VwGO, KrW-/AbfG, Chemikalien-Verbotsverordnung


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 123
KrW-/AbfG § 3 Abs. 1
KrW-/AbfG § 4 Abs. 4
KrW-/AbfG § 5 Abs. 2
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1
KrW-/AbfG § 15 Abs. 3
Chemikalien-Verbotsverordnung § 1 Abs. 2 Nr. 2
Bei verfassungskonformer Auslegung der derzeitigen Fassung der Chemikalien-Verbotsverordnung gilt das Verbot des Inverkehrbringens von Asbestzement nicht für Verwertungsverfahren, die das Schadstoffpotential des Stoffes in hinreichendem Umfang (Zerstörung der Faserstruktur zu mindestens 99,9 %) beseitigen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

20 CE 03.2282

In der Verwaltungsstreitsache

wegen abfallrechtlicher Anordnung betreffend Asbestzement (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Reiland, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Guttenberger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandl

ohne mündliche Verhandlung

am 15. Oktober 2003

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2003 wird der Beklagte verpflichtet, es bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, Untersagungen, Anordnungen und Mitteilungen an Erzeuger, Besitzer und/oder Anlieferer von Asbestzement oder an öffentlich-rechtliche Körperschaften des Freistaates Bayern zu richten, die auf der Erwägung beruhen, dass die Behandlung und Verwertung von Asbestzement in der Anlage der Klägerin in Hockenheim-Herrenteich unzulässig und strafbar sei.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. August 2003 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt in Hockenheim-Herrenteich (Rhein-Neckar-Kreis in Baden-Württemberg) eine immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlage zur Behandlung von Asbestzement. In dem dortigen Tunnelofen wird die Faserstruktur des Asbestzements thermisch zerstört (bei mindestens 1.000 Grad Celsius und einer Verweildauer von mindestens 30 Minuten) und ein unschädliches und verkaufsfähiges Endprodukt erzeugt.

Anlass des Rechtsstreits ist eine zum 1. März 2003 in Kraft getretene Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der bis dahin geltenden Fassung der Verordnung (vom 19.7.1996 BGBl I S. 1151) galt das Verbot des Inverkehrbringens nicht für asbesthaltige Abfälle, die "zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung" in den Verkehr gebracht werden. Durch Art. 2 der Verordnung vom 15. August 2002 (BGBl I S. 3302) wurden die Wörter "zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung" durch die Wörter "zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung" ersetzt. Die Änderung dient nach ihrer Begründung (BR-Drs. 273/02 Nr. 38) "der Anpassung an die abfallrechtlichen Begriffsbestimmungen". Mit Schreiben vom 19. Mai 2003 teilte das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen allen für den Vollzug des Abfallrechts zuständigen Behörden mit, künftig dürften asbesthaltige Abfälle auch dann nicht mehr zur ordnungsgemäßen Abfallverwertung in Verkehr gebracht werden, wenn die Verwertung zum gleichen chemikalienrechtlichen Ziel des Ausschleusens gefährlicher Stoffe aus dem Stoffkreislauf führe wie eine Beseitigung. Da eine Verwertung nicht mehr zulässig sei, müssten die Abfälle als Abfälle zur Beseitigung den entsorgungspflichtigen Körperschaften oder den Trägern der Sonderabfallbeseitigung überlassen werden. Diese allerdings dürften sich privatwirtschaftlich betriebener Anlagen bedienen, die das Ziel eines Ausschleusens gefährlicher Stoffe aus dem Wirtschaftskreislauf und der Biosphäre erreichten.

Bereits am 19. März 2003 hatte das Landratsamt Aschaffenburg in einem Rundschreiben an Gewerbebetriebe, in denen asbesthaltige Abfälle anfallen, unter Hinweis auf die geänderte Rechtslage dazu aufgefordert, derartige Abfälle dem Landkreis Aschaffenburg zu überlassen; die Nichtbeachtung könne den Tatbestand von Ordnungswidrigkeiten oder sogar von Straftaten erfüllen.

Nachdem das Landratsamt dieses Schreiben nicht als Regelung, sondern als Hinweis bezeichnet hatte, ließ die Klägerin am 7. Juli 2003 zum Verwaltungsgericht Würzburg Klage erheben und beantragen, den Beklagten in einer im Einzelnen näher bezeichneten Weise dazu zu verpflichten es zu unterlassen, Erzeugern, Besitzern und/oder Anlieferern von Asbestzement durch Androhung eines Bußgelds oder eines Strafverfahrens, durch Anordnungen oder durch Mitteilung einer Rechtsauffassung die Anlieferung von Asbestzementabfällen in der Anlage der Klägerin zu untersagen. Über die Klage ist noch nicht entschieden. Am selben Tage hatte die Klägerin mit der Maßgabe "bis zur Entscheidung über das Hauptsacheverfahren" den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit demselben Inhalt beantragt. Mit Beschluss vom 7. August 2003 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag mit der Begründung ab, das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die beantragte Anordnung sei fraglich, die Anordnung würde jedenfalls aber gegen das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verstoßen. Ausnahmen von dem Verbot seien hier nicht zu machen. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Klägerin unzumutbare Einnahmeausfälle drohten; die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien offen.

Mit ihrer fristgerechten Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter und formuliert ihn nunmehr dahin, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache es zu unterlassen, Untersagungen, Anordnungen und Mitteilungen an Erzeuger, Besitzer und/oder Anlieferer von Asbestzement oder an öffentlich-rechtliche Körperschaften des Freistaats Bayern zu richten, die auf der Erwägung beruhen, dass die Behandlung und Verwertung von Asbestzement in der Anlage der Klägerin in Hockenheim-Herrenteich, Straße Nr. 1 (Genehmigungsbescheid des Landratsamts Rhein-Neckar vom 29.3.2001, Az.: 42.10) unzulässig und strafbar sei.

Bei dem Antrag handle es sich nicht um eine Vorwegnahme der Hauptsache. Ein entsprechendes Vorgehen anderer bayerischer Behörden sei zu erwarten. Die Klägerin habe in dem Konzept ihres erst kürzlich aufgenommenen Betriebes zu einem erheblichen Teil Abfälle aus Bayern eingeplant. Der Ausfall dieses Materials über einen längeren Zeitraum hinweg sei wirtschaftlich nicht zu verkraften. Die Neufassung der Chemikalien-Verbotsverordnung sei rechtswidrig, zumindestens verfassungskonform auszulegen. Sie verletze das Grundrecht der Klägerin auf freie Berufsausübung, überschreite die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und verstoße gegen den abfallrechtlichen Vorrang der Verwertung. Asbestzement müsse nunmehr unbehandelt auf Deponien abgelagert werden anstatt in ein unschädliches Endprodukt, das als Baumaterial verwendet werden könne, umgewandelt zu werden.

Mit Aufklärungsschreiben vom 11. September 2003 an die Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen und für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz äußerte der Senat unter Hinweis auf die Begründung der Verordnungsänderung Bedenken, ob allein aus terminologischen Gründen in vorhandene Geschäftsbeziehungen und Entsorgungsverfahren eingegriffen werden dürfe. Das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz antwortete hierauf mit Schreiben vom 24. September 2003: Verwertungsverfahren, die die vollständige Zerstörung von Asbestfaserstrukturen sicherstellten, seien sinnvoll. Wegen der eindeutigen Fassung der Verordnung könne dem aber zur Zeit nicht entsprochen werden. Bayern unterstütze im Bundesrat Vorstöße, das Problem durch erneute Änderung der Verordnung zu lösen. Außerhalb des Normgebungsverfahrens sei die Problematik nicht lösbar.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Dem Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist stattzugeben.

1. Das Begehren der Klägerin im Hauptsache- und Eilverfahren ist zulässig im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Öffentliche negative Äußerungen staatlicher Stellen - die im vorliegenden Fall sogar die Strafbarkeit von Zuwiderhandlungen herausstellen - eröffnen dem davon betroffenen Unternehmer, dessen geschäftliche Entfaltungsmöglichkeiten dadurch eingeschränkt werden, die Klagebefugnis (BVerwGE 87, 37). Bei der beantragten Anordnung handelt es sich um eine bis zur Entscheidung der Hauptsache gedachte Regelung eines vorläufigen Zustands im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die es dem Beklagten vorläufig untersagt, seine der Klägerin abträgliche Rechtsauffassung weiter zu äußern und in die Tat umzusetzen. Schon wegen der Vorläufigkeit dieser aufgegebenen Unterlassung wird dadurch die Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen.

Wie das erwähnte Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen zeigt, muss die Klägerin damit rechnen, dass bayernweit die Anlieferung von Asbestzement an die Anlage der Klägerin untersagt wird; damit drohen offensichtlich erhebliche, einen Anordnungsgrund eröffnende wirtschaftliche Einbußen.

2. Der Klägerin steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Auslegung und Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Chemikalien-Verbotsverordnung in der Fassung der Verordnung vom 15. August 2002 (BGBl I S. 3302) in dem vom Beklagten vertretenen Sinne ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

2.1 Der in der früheren Verordnungsfassung enthaltene Begriff "ordnungsgemäße Abfallentsorgung" entstammte noch dem früheren Abfallgesetz und führte nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes mit seiner Trennung von Abfallverwertung und Abfallbeseitigung zu Auslegungsschwierigkeiten. Daher erfolgte - so die Begründung der Änderung - durch Umstellung auf den Begriff "Abfallbeseitigung" eine Anpassung an die geltende abfallrechtliche Terminologie.

Dieser Begriff, der nunmehr zur Abgrenzung des Verbots des Inverkehrbringens asbestzementhaltiger Abfälle dienen soll, hat zwei Komponenten: Einmal geht es sowohl in abfallrechtlicher als auch in chemikalienrechtlicher Hinsicht darum, das Schadstoffpotential des Stoffes in hinreichendem Umfang zu zerstören, es jedenfalls aus dem Wirtschaftskreislauf und der Biosphäre auszuschließen. Für Asbestzement kann der "hinreichende Umfang" in Spalte 2 des Anhangs zur Chemikalien-Verbotsverordnung insofern als definiert angesehen werden, als dort Stoffe mit einer Faserstruktur von mehr als 0,1 % Massengehalt als gefährlich bezeichnet werden, so dass - in der Umkehrung - Beseitigung des Schadstoffpotentials bedeutet, dass die Faserstruktur zu 99,9 % zerstört sein muss. Die zweite Komponente des abfallrechtlichen Beseitigungsbegriffs - in Abgrenzung zur Verwertung - liegt nach der sog. Hauptzweckklausel (§ 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG) darin, dass die Beseitigung des Schadstoffpotentials bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Hauptzweck der Maßnahme gegenüber der Nutzung des Abfalls darstellen muss. Diese zweite Komponente führt nach allgemeiner Ansicht im vorliegenden Fall dazu, das Verfahren der Klägerin als Verwertung einzustufen, weil bei ihm die Herstellung eines marktfähigen Endprodukts wirtschaftlich im Vordergrund steht. Nach dem vom Verordnungsgeber gewollten und vom Beklagten vertretenen Verständnis der Chemikalien-Verbotsverordnung im Sinne der abfallrechtlichen Terminologie bedeutet dies, dass die Verwertung chemikalienrechtlich verboten ist und es sich infolgedessen um Abfälle zur Beseitigung handelt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG), die den Trägern der kommunalen Abfallbeseitigung oder bei Ausschluss von dieser Beseitigung den Trägern der Sondermüllbeseitigung zu überlassen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 3 KrW-/AbfG).

Diese Rechtsfolgen, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, stoßen insofern auf Bedenken, als sie - in einer bei Änderung der Verordnung wohl ungewollten Weise - Verwertungsverfahren wie das der Klägerin zwingend verdrängen, die das Ziel hinreichender Beseitigung des Schadstoffpotentials ebenfalls erreichen würden. Dass letzteres der Fall ist, hat auch der Beklagte im Verfahren nicht bezweifelt (siehe hierzu auch die beim Akt befindliche Bestätigung des Landesamts für Umweltschutz vom 23.1.2002 gegenüber einem Abfallbesitzer). Offenbar zur Behebung dieses Zielkonflikts empfiehlt das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen in seinem Schreiben vom 19. Mai 2003, das streitige Verwertungsverfahren beizubehalten, jedoch auf dem Umweg über die kommunalen Körperschaften, denen die Abfälle zunächst zur Beseitigung anzudienen sind. Abgesehen davon, dass der Sinn einer solchen Umweglösung wenig einsichtig ist, wird dabei übersehen, dass sie nach heutiger Rechtslage an der Einstufung des Verfahrens der Klägerin als Verwertung und damit an seinem Verbot nichts ändern würde; denn eine besondere rechtliche Bewertung von Abfallverwertungsmaßnahmen der Kommunen wie nach früherem Recht (§ 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des früheren Abfallgesetzes) gibt es nicht mehr, selbst den Kommunen zur Beseitigung überlassene Abfälle werden wieder Abfälle zur Verwertung, wenn sie anschließend verwertet werden oder gar verwertet werden müssen (siehe § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG).

2.2 Das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, das auf diese Umweglösung nicht mehr zurückkommt, glaubt nun, den Zielkonflikt allein im Normgebungsverfahren lösen zu können. Das Verwertungsverfahren der Klägerin sei zwar sinnvoll, nach der derzeitigen eindeutigen und auch so gewollten Fassung der Verordnung aber nicht zulässig. Bayern unterstütze zwar Änderungsvorschläge, doch müsse erst deren Erfolg abgewartet werden. In dieser Auffassung drückt sich ein Normpositivismus aus, der mit dem Problem zusammenhängen mag, ob der Verwaltung ein Normverwerfungsrecht zusteht, der aber jedenfalls von den Gerichten nicht nachvollzogen werden kann. Denn die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, Normen auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, und zwar im Falle untergesetzlicher Normen ohne die Beschränkungen des Art. 100 Abs. 1 GG. Die Überprüfung führt zu einem negativen Ergebnis, aus im Übrigen ähnlichen Gründen, wie sie schon der Hessische Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat (Beschluss vom 18.12.2002 UPR 2003, 314), zwar noch zu einer bestimmten Auslegung der früheren Verordnungsfassung, jedoch bereits mit Ausblick auf die bevorstehende Änderung.

Es ist zwar begrüßenswert, wenn nicht notwendig, die gesetzliche Terminologie zu vereinheitlichen. Als alleiniger Grund für eine inhaltliche Neuregelung reicht dieser formale Belang jedoch nicht hin. Es geht nicht nur darum, dass mit neuen Begriffen geregelt wird, es bleibt zu klären, was geregelt werden soll. Im vorliegenden Fall wurde die nach Worten einfachste Regelung ohne Bedacht auf den Inhalt gewählt.

Die Regelung greift ohne Zweifel in erheblichem Umfang in die Berufsausübung der Klägerin ein. Nach Art. 12 Abs. 1 GG sind solche Eingriffe nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur im Interesse des Gemeinwohls und zur Lösung von Sachaufgaben zulässig (std. Rechtsprechung, siehe u.a. BVerfGE 30, 292/316). Aus bloß formalen, insbesondere terminologischen Gründen ohne hinzutretende inhaltliche Gründe dürfen solche Eingriffe nicht geschehen. Es ist in dieser rechtlichen Hinsicht, aber übrigens auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht nicht angängig, ein unstreitig erwünschtes Verwertungsverfahren nur deshalb zu blockieren, weil 16 Länderverwaltungen und das Bundesumweltministerium noch nicht die passende Formulierung gefunden haben, die diese Erwünschtheit ausdrückt und abgrenzt. Sachgründe, die die Regelung stützen würden, haben sich weder aus den Materialien noch aus der Befragung der Ministerien ergeben. Sachgründe stehen im Gegenteil entgegen, nämlich insbesondere der gesetzliche Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG). Insofern ist die Neuregelung nicht nur verfassungswidrig, sondern verstößt auch gegen ein einfaches Gesetz.

Der Mangel kann entweder dadurch behoben werden, dass das sich aus der derzeitigen Verordnungsfassung ergebende Verwertungsverbot insoweit als ungültig erachtet wird, als es Verfahren betrifft, die das Schadstoffpotential in hinreichendem Umfang beseitigen, oder aber durch eine verfassungs- und gesetzeskonforme Auslegung des Begriffs "Abfallbeseitigung" im Sinne einer Beschränkung auf die oben angegebene erste Begriffskomponente. Nach allgemeinen methodischen Grundsätzen hat die Auslegung den Vorrang vor der Ungültigerklärung, was hier ohne weitergehende Bedeutung ist, weil beide Lösungen auf dasselbe hinauslaufen. In jedem Fall kann die neue Verordnungsfassung, wie gesagt, nicht Verwertungsverfahren entgegengesetzt werden, die das Schadstoffpotential des Asbestzements in hinreichendem Umfang (durch Zerstörung der Faserstruktur zu mindestens 99,9 %) beseitigen.

Diese Auslegung bedeutet leider, dass das an sich begrüßenswerte Ziel einer terminologischen Vereinheitlichung vorläufig als misslungen anzusehen ist. Dieser Nachteil rechtfertigt aber, wie ausgeführt, keine Grundrechtseingriffe gegenüber der Klägerin. Im Zuge einer weiteren der offenbar ohnehin häufigen Verordnungsänderungen wird er zu beheben sein, sei es durch eine nochmalige Neuformulierung der Verordnung an der fraglichen Stelle, sei es durch Aufnahme zulässiger Verwertungsverfahren in Spalte 3 des Anhangs.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der angehobene Streitwert trägt der offenkundig über den Landkreis Aschaffenburg hinausreichenden Bedeutung des Verfahrens Rechnung (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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