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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.06.2007
Aktenzeichen: 22 B 06.595
Rechtsgebiete: BayVwVfG, BImSchG, 4. BImSchV


Vorschriften:

BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BImSchG § 20 Abs. 2 Satz 1
4. BImSchV Nr. 8.12 a Spalte 2 des Anhang
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 B 06.595

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anordnung nach § 20 Abs. 2 BImSchG;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2007

am 4. Juni 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Auf den Tatbestand des Urteils vom 4. Juni 2007 in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036 mit denselben Beteiligten wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2005 ordnete das Landratsamt M****** u.a. folgendes an: "1. Die Firma P**** P********* GmbH & Co.KG wird verpflichtet, die auf dem Grundstück FlNr. 156/11 der Gemarkung H********** betriebene Anlage zur zeitweiligen Lagerung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen stillzulegen. a) Hierzu dürfen ab Zustellung dieses Bescheids die nachfolgend genannten AVV-Nummern zum Zwecke der zeitweiligen Lagerung nicht mehr angenommen werden. b) Die auf dem Betriebsgrundstück gelagerten, nachfolgend genannten Abfälle sind innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheids zu beseitigen. Dies umfasst insbesondere folgende AVV-Nummern: ..." In der Folge führt der Bescheid 39 jeweils mit einem Stern versehene Abfallschlüsselnummern samt den zugeordneten Abfallbezeichnungen aus der Anlage zu § 2 Abs. 1 der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) auf. Diese Anordnung wurde auf § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gestützt.

Die Klägerin erhob Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 17.1.2006).

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt die Klägerin

die Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2006 sowie des Bescheids des Landratsamts M****** vom 30. Juni 2005.

Die Klägerin hält den angefochtenen Bescheid für zu unbestimmt. Sie geht von einem im Wesentlichen genehmigten Anlagenbetrieb aus. Von der Rechtsfolge der Stilllegung müsse zumindest insofern abgesehen werden, als die gefährlichen Abfälle als Schrott anzusehen seien, wobei von einem denkbar weiten Schrottbegriff auszugehen sei.

Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1) Die angefochtene Anordnung ist inhaltlich hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).

Die Stilllegungsverpflichtung bezieht sich zweifelsfrei auf alle 39 genannten, mit einem Stern versehenen Abfallschlüsselnummern nebst zugeordneten Abfallbezeichnungen. Sie bezieht sich erklärtermaßen nicht auf gefährliche Abfälle im Sinn von Nr. 160104* der Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV i.d. Fassung von Art. 7 des Gesetzes zur Vereinfachung der abfallrechtlichen Überwachung vom 15. Juli 2006 (BGBl I S. 1619), nämlich Altfahrzeuge.Hinsichtlich der Behandlung von Altfahrzeugen geht das Landratsamt erklärtermaßen von einem formell legalen Betrieb aus. Dem Genehmigungserfordernis nach Nr. 8.9 c Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV trägt aus der Sicht des Landratsamts der Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 1980 Rechnung (vgl. auch Nr. 1 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass die Stilllegungsanordnung sich auch nicht auf gefährliche Abfälle beziehen kann, die von angelieferten Altautos stammen, weil deren zeitweilige Lagerung der Anlage zur Behandlung der Altautos zuzurechnen ist. Die Stilllegungsanordnung soll sich, wie sich aus Nr. 2.1 der Gründe zweifelsfrei ergibt, auch nicht auf die Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten einschließlich Autowracks beziehen, für die Genehmigungsbedürftigkeit nach Nr. 8.9 b Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV besteht. Insofern geht das Landratsamt ebenfalls von einem formell legalen Betrieb aus. Hierfür soll nach der Rechtsauffassung des Landratsamts eine Baugenehmigung vorliegen (vgl. auch Nr. 2 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036). Zu einer Einschränkung der Stilllegungsverpflichtung hinsichtlich der 39 genannten, mit einem Stern versehenen Abfallschlüsselnummern nebst zugeordneten Abfallbezeichnungen hat dies allerdings nicht geführt. Das Landratsamt hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof dazu erläutert, dass es diesbezüglich nicht von Überschneidungen ausgeht.

Dass die Aufzählung der Abfallschlüsselnummern nebst zugeordneten Abfallbezeichnungen mit dem Zusatz "insbesondere" versehen wurde, hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Der Zusatz kann nicht Grundlage von Vollstreckungsmaßnahmen sein. Die Formulierung lässt zwar Unklarheiten darüber aufkommen, was denn zusätzlich noch von der Regelung erfasst werden könnte. Die durch den angefochtenen Verwaltungsakt ansonsten getroffene Regelung wird jedoch dadurch nicht berührt. Lediglich die genannte Unklarheit geht zulasten der Verwaltung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, RdNr. 19 zu § 35, m.w.N.).

Beim Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts ist zwar bei den jeweils konkret betroffenen Abfällen jeweils zu prüfen, ob sie - etwa aufgrund ihrer Inhaltsstoffe - unter eine der 39 genannten Abfallschlüsselnummern nebst zugeordneter Abfallbezeichnung fallen. Die dadurch gebotene Auslegung der einzelnen Abfallschlüsselnummern nebst den zugeordneten Abfallbezeichnungen ist jedoch möglich und von allen Adressaten der Abfallverzeichnis-Verordnung zu leisten.

2. Das in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung liegt hier vor. Dies ergibt sich aus Nr. 8.12 a Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV. Eine Anlage zur zeitweiligen Lagerung von nicht von angelieferten Altautos stammenden gefährlichen Abfällen wird auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin betrieben, wie sich insbesondere aus S. 31 der Kurzbeschreibung ergibt, die dem Antrag der Klägerin auf Genehmigung nach § 10 BImSchG beigefügt ist. Dort sind insbesondere Elektronikschrott, Altholz und Bauschutt genannt. Eine Aufnahmekapazität von einer Tonne pro Tag, wie sie Nr. 8.12 a Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV verlangt, ist dieser Kurzbeschreibung zufolge ebenfalls vorhanden. Die Klägerin hat diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen erhoben.

3. Landratsamt und Verwaltungsgericht haben zutreffend angenommen, dass für diese Anlage keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorliegt. Der Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts vom 30. April 1980 erfasst die hier zu beurteilende Anlage nicht. Zur Begründung bezieht sich der Verwaltungsgerichtshof auf Nr. 1 und Nr. 2 b bb der Entscheidungsgründe des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036.

4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 67 Abs. 2 Satz 1 BImSchG berufen. Insofern fehlt es jedenfalls an der Erteilung der erforderlichen Baugenehmigung (vgl. Nr. 2 b cc der Entscheidungsgründe des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036).

5. Landratsamt und Verwaltungsgericht haben weiter angenommen, dass eine atypische Fallkonstellation, die es erlauben würde, von der Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG im Ermessenswege abzusehen, nicht vorliegt. Dies ist zutreffend. Ein in diesem Sinne atypischer Fall kann allenfalls hinsichtlich der zeitweiligen Lagerung und sonstigen Behandlung von Eisen- und Nichteisenschrotten angenommen werden, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Nrn. 2 und 4 des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036 ausgeführt hat, nicht aber hinsichtlich der zeitweiligen Lagerung von gefährlichen Abfällen (vgl. Nr. 5 des genannten Urteils).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf die während des Berufungsverfahrens erörterten Alt-Elektromotoren mit Kondensatoren, die PCB enthalten, erwogen, ob Vertrauensschutzgesichtspunkte (vgl. dazu Nr. 2 b dd des Urteils in der Verwaltungsstreitsache 22 B 06.3036) diesbezüglich für die Annahme eines atypischen Falls sprechen könnten. Dies ist hier näher zu prüfen, weil Alt-Elektromotoren, die Kondensatoren mit PCB enthalten, zur Zeit des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. April 1980 als Metallschrott angesehen wurden, wovon das Bayerische Landesamt für Umwelt in seinem Schreiben vom 16. Mai 2006 (Bl. 188 der VGH-Akte) nachvollziehbar ausgeht. Der Verwaltungsgerichtshof misst dieser Erwägung deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil es sich hier nach der Abfallschlüsselnummer 160209* des Anhangs zu § 2 Abs. 1 AVV um gefährliche Abfälle handelt und diese Gefährlichkeit einem ungenehmigten Lagerbetrieb von vornherein entgegensteht. Auch ist hinsichtlich dieser Anlage kein Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung anhängig. Durch die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Umwelt vom 16. Mai 2006 ist zwar deutlich geworden, dass der Annahme und Lagerung von Alt- Elektromotoren mit und ohne Kondensatoren aus fachlicher Sicht zugestimmt werden kann und lediglich für die Arbeitsanweisung noch zwei Verbesserungen vorgeschlagen werden. Diese Stellungnahme lässt aber nicht den Schluss auf offensichtliche Genehmigungsfähigkeit zu. Zum einen müssten im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren noch andere Fachbehörden beteiligt werden, wenn der Umgang mit einer gefährlichen Abfallsorte beurteilt werden muss. Zum andern ist mit den Erweiterungen des ursprünglichen Betriebs der Klägerin dessen Gewerbegebietsverträglichkeit i.S. von § 8 Abs. 1 BauNVO zunehmend fraglich geworden (vgl. dazu auch die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 19.1.2005, insbesondere S. 24 ff.). Für andere gefährliche Abfälle, die eventuell 1980 als Metallschrott angesehen worden sein könnten, gelten diese Ausführungen sinngemäß.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2006 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 15.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; angesichts der von der Klägerin dargelegten wirtschaftlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine entsprechende Erhöhung des Streitwerts angezeigt).

Ende der Entscheidung

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