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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 22 B 08.714
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 15 Abs. 2 Satz 2
BImSchG § 18 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG § 18 Abs. 3
BImSchG § 67 Abs. 2
BImSchG § 67 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 B 08.714

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Verlängerung der Erlöschensfrist nach § 18 BImSchG (Farm ****);

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. August 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. Mai 2009

am 29. Mai 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verlängerung ihrer immissionsschutzrechtlichen Rechtsposition für eine angezeigte Umnutzung (Aufzucht und Mast von Enten) einer angezeigten Altanlage (Legehennenfarm).

Auf den im Außenbereich gelegenen Grundstücken FlNrn. 808 und 809 der Gemarkung H********** wurden von den Rechtsvorgängern der Klägerin seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in baurechtlich genehmigten Ställen Legehennen gehalten. Die Legehennenfarm wurde am 12. Juli 1975 nach § 67 Abs. 2 BImSchG beim Landratsamt D*********-****** mit 50.000 Legehennen angezeigt. Die Stallanlage wurde von der Klägerin am 1. Mai 2002 übernommen. Bei der Übernahme wurden die Legehennen ausgestallt; eine Einstallung von Tieren ist seitdem nicht mehr erfolgt.

Die Klägerin beabsichtigt, in den Stallgebäuden 1 bis 3 24.000 Aufzuchtplätze für Enten und in den Stallgebäuden 4 und 5 24.000 Endmastplätze für Enten einzurichten. Auf ihre Anzeige vom 17. Mai 2002 nach § 15 BImSchG hin teilte das Landratsamt der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2002 (richtig: 23.5.2002) mit, dass die Umnutzung der Hühnerfarm keine wesentliche Änderung i.S. des § 16 BImSchG darstelle und die Mitteilungspflichten des Betreibers mit der erfolgten Anzeige erfüllt seien; für die Nutzungsänderung sei allerdings eine Baugenehmigung erforderlich.

Über den im Mai 2002 gestellten Bauantrag der Klägerin wurde vom Landratsamt zunächst nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 28. April 2005 beantragte die Klägerin beim Landratsamt unter Bezugnahme auf die aufgetretenen Verzögerungen im baurechtlichen Verfahren, die für die Farmanlage H*** bestehende immissionsschutzrechtliche Genehmigungssituation gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG um zunächst ein Jahr zu verlängern, und mit Schreiben vom 26. April 2006 die Verlängerung um ein weiteres Jahr. Die Klägerin erwäge nicht, diese Farmanlage in ihrer ursprünglich genehmigten Form als Legehennenhaltungsanlage weiter zu betreiben, sondern beabsichtige entsprechend der von ihr beantragten Baugenehmigung eine Umnutzung der Anlage für Entenaufzucht und Entenmast.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2006 lehnte das Landratsamt die Anträge ab. Da die Hühnerfarm H*** mehr als drei Jahre nicht betrieben worden sei, sei deren "Genehmigung" erloschen. Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sei auf gemäß § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Anlagen entsprechend anwendbar. Demgegenüber komme eine Anwendung des § 18 Abs. 3 BImSchG auf solche Anlagen nicht in Betracht. Abgesehen davon fehle es an einem wichtigen Grund i.S. des § 18 Abs. 3 BImSchG hinsichtlich des Betriebs der Anlage als Legehennenfarm, worauf trotz der Anzeige der Klägerin nach § 15 BImSchG zur Änderung der Anlage für eine Entenmast allein abzustellen sei. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei nicht ersichtlich, warum eine immissionsschutzrechtliche "Genehmigung" verlängert werden solle, von der die Klägerin gar offensichtlich gar keinen Gebrauch machen wolle.

Die Klägerin erhob am 20. Juli 2006 Verpflichtungsklage beim Verwaltungsgericht. Sie beantragte die Aufhebung des Bescheids des Landratsamts D********* - ****** vom 13. Juni 2006 und die Verpflichtung des Beklagten, ihr die immissionsschutzrechtliche Genehmigungssituation bis zum Abschluss des baurechtlichen Verfahrens, maximal um drei Jahre, zu verlängern.

Mit Urteil vom 9. August 2007 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Verlängerung der aufgrund der Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG erlangten Rechtsposition zu. § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sei zwar auf die immissionsschutzrechtliche Position entsprechend anzuwenden, die durch eine Anzeige gemäß § 67 Abs. 2 BImschG erlangt werde. Nicht anwendbar auf solche Anlagen sei aber § 18 Abs. 3 BImSchG. Die durch die Anzeige vermittelte, auf Gründen des Vertrauensschutzes beruhende Rechtsposition sei nicht gleich zu bewerten wie die durch die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangte Stellung; sie gewähre ein geringeres Maß an Bestandschutz. Eine Verlängerung der Genehmigungsposition für die Legehennenhaltung, auf die vorliegend trotz der erfolgten Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG abzustellen sei, komme zudem deshalb nicht in Betracht, weil hierdurch der Zweck des Gesetzes gefährdet wäre. Im Baugenehmigungsverfahren seien nur die von der Entenmast ausgehenden - geringeren - Auswirkungen geprüft worden. Eine Einschränkung der Verlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG auf eine weniger immissionsträchtige Nutzung sei vom Gesetz nicht vorgesehen.

Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. August 2007 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts D*********-****** vom 13. Juni 2006 zu verpflichten, der Klägerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigungssituation bis sechs Monate nach vollziehbarer Baugenehmigung zu verlängern.

Die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 BImSchG auf den vorliegenden Sachverhalt sei höchstrichterlich bestätigt. Die Durchführung der für die Entenmast erforderlichen Umbauarbeiten sei für die Klägerin mangels Baugenehmigung rechtlich unmöglich gewesen; sie habe daher seit dem Jahr 2002 auch nicht von ihrer immissionsschutzrechtlichen Rechtsposition Gebrauch machen können. Die Legehennenhaltung ziele auf die Herstellung eines völlig anderen Produkts als die Entenmast ab; insoweit fehle es der Klägerin an der nötigen Erfahrung sowie dem erforderlichen Betriebsnetz. Durch eine Verlängerung der Frist werde der Zweck des Gesetzes nicht gefährdet. Das Baugenehmigungsverfahren beziehe sich nicht auf die Prüfung immissionsschutzrechtlicher Fragen; diese seien bereits mit der Anzeige der Klägerin nach § 15 BImSchG im Jahre 2002 geklärt worden. Der Erlass von Nebenbestimmungen, wie z.B. eine Beschränkung des Betriebs auf Entenhaltung, sei bei einer Entscheidung nach § 18 Abs. 3 BImSchG nicht ausgeschlossen. Auch nach einer Fristverlängerung gemäß § 18 Abs. 3 BImSchG könnten nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG getroffen werden, um einen mit dem Sicherungszweck des Immissionsschutzrechts übereinstimmenden Anlagenbetrieb herbeizuführen. Das Klagebegehren der Klägerin sei von vornherein darauf gerichtet gewesen, ihre immissionsschutzrechtliche Rechtsposition bis zum Abschluss des baurechtlichen Verfahrens zu sichern.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht von der Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 3 BImSchG ausgegangen. Abgesehen davon könne eine positive behördliche Beurteilung einer Änderung nach § 15 Abs. 2 BImSchG eine positive Beurteilung der Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG nicht indizieren. Bei einer Fortführung der Anlage werde der Zweck des Gesetzes gefährdet. Eine Einschränkung der Fristverlängerung durch die Beifügung von Nebenbestimmungen füge sich nicht in die Gesetzessystematik ein. Bei der Prüfung einer Fristverlängerung sei die Behörde nicht verpflichtet, inzident ein Genehmigungsverfahren durchzuführen. Die Klägerin habe die Fristverlängerung beim Landratsamt nur bis 2006 und 2007 beantragt; zeitlich weitergehende Anträge habe sie versäumt.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.

§ 18 Abs. 3 BImSchG sei auf nur nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Anlagen nicht anwendbar. Jedenfalls fehle es an einem wichtigen Grund für eine Fristverlängerung, da es der Klägerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, die angezeigte Legehennenhaltung weiter zu führen. Eine Wiederaufnahme des Betriebs gefährde den Gesetzeszweck im Hinblick auf die umliegenden Nutzungen. Dies gelte auch für das Grundstück des Beigeladenen FlNr. 798 der Gemarkung H**********. Dieses Grundstück grenze im Südosten - nur durch einen Zufahrtsweg getrennt -punktförmig an das Betriebsgelände der Klägerin an und werde als Wiese genutzt. Das V*********gebiet zwischen den Ortschaften H*** und E******* mit dem Namen "*********** *******" werde bereits seit 1990 in erheblichem Umfang unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten bewirtschaftet und diene in herausragender Weise dem Artenschutz. Das Grundstück nehme seit dem Jahr 2000 am Vertragsnaturschutzprogramm teil. Durch die Anlage der Klägerin werde auch die benachbarte Filialkirche St. M***** in H*** gefährdet. Schließlich fehle es an einem wirksamen Antrag der Klägerin auf Fristverlängerung im Jahr 2007 und in den Folgejahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung der ihr durch die Anzeige der ursprünglich baurechtlich genehmigten Legehennenfarm gemäß § 67 Abs. 2 BImschG und die "Freistellungserklärung" des Landratsamts D*********-****** nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG vom 23. April 2002 (richtig: 23.5.2002) vermittelten immissionsschutzrechtlichen Rechtsposition (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Verpflichtungsklage der Klägerin mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellten Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihr die immissionsschutzrechtliche Genehmigungssituation bis sechs Monate nach vollziehbarer Baugenehmigung zu verlängern, ist zulässig. Die Klägerin beansprucht diesen Zeitraum, um von einer vollziehbaren Baugenehmigung Gebrauch machen und die angestrebte Entenaufzucht und -mast beginnen zu können.

Dieser Antrag kann insbesondere nicht als Klageänderung angesehen werden. Das Begehren der Klägerin war und ist der Sache nach (§ 88 VwGO) ungeachtet der unterschiedlichen Fassung ihrer Klageanträge im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren darauf gerichtet, die Frist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bis zum Eintritt der Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung "zur Fassadenänderung und Umnutzung der Legehennen - Batteriehaltung und Verpackungshalle auf Bodenhaltung für Entenaufzucht und -mast" unter Einräumung einer angemessenen Frist für die Umrüstung der Farm H*** zu verlängern.

Dieses Begehren lag auch den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gestellten Anträgen auf eine Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG zugrunde. Wie sich dem Antrag der Klägerin vom 28. April 2005 entnehmen lässt, war die dort genannte Frist von einem Jahr erkennbar von der Erwartung geprägt, dass die Klägerin die Umrüstung nach Erteilung einer Baugenehmigung innerhalb dieser Frist vornehmen kann. Dass die Klägerin mit Schreiben vom 26. April 2006 "höchstvorsorglich" eine Fristverlängerung um ein weiteres Jahr beantragt hat, war allein darauf zurückzuführen, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidung des Landratsamts über den ursprünglichen Antrag vom 28. April 2005 vorlag.

Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, obwohl die Klägerin die angezeigte Legehennenhaltung nicht weiter betreiben will. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht im Hinblick auf die erteilte "Freistellungserklärung" gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG fest (vgl. BVerwG vom 21.10.2004 BVerwGE 122, 117/121), dass die Klägerin jedenfalls bis zum Ablauf der Dreijahresfrist nicht nur die frühere Legehennenhaltung, sondern auch die beabsichtigte Umnutzung zur Entenmast ohne Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens hätte ausüben dürfen, wenn die beantragte baurechtliche Genehmigung erteilt worden wäre.

2. Die Klage ist unbegründet. Zwar sind § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und § 18 Abs. 3 BImSchG auf Altanlagen i.S. des § 67 Abs. 2 BImSchG entsprechend anwendbar (2.1) und fehlt es auch nicht an einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung (2.2), jedoch wird durch eine Fristverlängerung der Zweck des Gesetzes i.S. des § 18 Abs. 2 BImSchG gefährdet (2.3).

2.1 § 18 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und § 18 Abs. 3 BImSchG sind auf Altanlagen i.S. des § 67 Abs. 2 BImSchG entsprechend anwendbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 29. Mai 2009 Az. 22 B 08.722 dazu folgendes ausgeführt:

"Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nach seinem Wortlaut nur für immissionsschutzrechtliche "Genehmigungen". Die Vorschrift ist aber auf genehmigungsersetzende Anzeigen nach § 67 Abs. 2 BImSchG entsprechend anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Anzeige nach § 67 a Abs. 1 BImSchG gilt der Schutzzweck des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG uneingeschränkt auch für diese zwar formell nur anzeigepflichtigen, aber materiell genehmigungsbedürftigen Anlagen (BVerwG vom 25.8.2005 BVerwGE 124, 156/159). Diese auf den Schutzzweck des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG abstellende Argumentation kann ohne weiteres auf nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Altanlagen übertragen werden (vgl. Feldhaus/Scheidler, Bundesimmissionsschutzrecht, Band I, Teil I, RdNr. 15 zu § 18 BImSchG; GK-BImSchG - Scheuing/Wirths, RdNr. 19 zu § 18; Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, RdNr. 1 zu § 18). Soweit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Februar 1988 (NVwZ-RR 1989, 625) eine generelle und nicht nur fallbezogene gegenteilige Auffassung entnommen werden kann, wird diese nicht mehr aufrechterhalten.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist § 18 Abs. 3 BImSchG auf "nur" nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Altanlagen entsprechend anwendbar. Davon geht wohl auch das Bundesverwaltungsgericht im - vergleichbaren - Fall einer Altanlage nach § 67 a Abs. 1 BImSchG aus (vgl. BVerwG vom 25.8.2005 BVerwGE 124, 156/162). Zwar wird in dieser Entscheidung die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 BImSchG nicht näher problematisiert; entscheidungserheblich war nur die Frage der Wirksamkeit einer Verlängerung der Erlöschensfrist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Insoweit wird nur die Frage einer mangelnden hinreichenden Bestimmtheit der ausgesprochenen Fristverlängerung erörtert, nicht jedoch das Fehlen einer erforderlichen Rechtsgrundlage. Diesbezüglich wird in den Entscheidungsgründen aber ohne weitere Einschränkungen auf § 18 Abs. 3 BImSchG verwiesen. Zudem enthält das Urteil weitere Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG, insbesondere zum Zeitpunkt der Antragstellung. Unabhängig davon spricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auch die Gesetzessystematik für die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 BImSchG auf angezeigte Altanlagen. Diese Vorschrift steht nach dem Regelungssystem des § 18 BImSchG in unmittelbarem Zusammenhang mit den in § 18 Abs. 1 BImSchG enthaltenen Erlöschensfristen und erlaubt es, in beiden Fallkonstellationen des § 18 Abs. 1 BImSchG unerwarteten Schwierigkeiten beim - erstmaligen oder erneuten - Gebrauchmachen von einer Anlagengenehmigung durch großzügigere Fristgestaltung im Einzelfall Rechnung zu tragen (vgl. GK-BImSchG -Scheuing/Wirths, RdNr. 69 zu § 18). Solche besonderen Schwierigkeiten können auch im Fall von angezeigten Altanlagen vorliegen. Dass die durch die Anzeige vermittelte, auf Gründen des Vertrauensschutzes beruhende Rechtsposition des Betreibers nicht über diejenige des Inhabers einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hinausgeht, sondern im Gegenteil ein geringeres Maß an Bestandsschutz gewährt, ändert daran nichts. Vielmehr ermöglichen es gerade die in § 18 Abs. 3 BImSchG enthaltenen materiellen Voraussetzungen, wonach u.a. der Zweck des Gesetzes durch die Fristverlängerung nicht gefährdet werden darf, auch diesem Gesichtspunkt bei der Entscheidung über eine Fristverlängerung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls Rechnung zu tragen. Soweit das Verwaltungsgericht auf fehlende Antragsunterlagen über den genauen Umfang des Betriebs bei einer nur angezeigten Anlage verweist, sind nach § 67 Abs. 2 Satz 2 BImSchG solche Unterlagen gemäß Art. 10 Abs. 1 BImSchG über Art, Lage, Umfang und Betriebsweise der Anlage der zuständigen Behörde innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige vorzulegen. Nur in dem Umfang, in dem der Anlagenbetreiber die Existenz einer bei Inkrafttreten des Genehmigungserfordernisses errichteten oder wesentlich geänderten Altanlage darlegen kann, kann er sich überhaupt auf die Genehmigungsfreiheit berufen; er trägt insofern die materielle Beweislast (BayVGH vom 13.2.1997 Az. 22 CS 96.919). Auch nachträglich können im Rahmen der Überwachung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG von den verantwortlichen Personen Auskünfte und Unterlagen angefordert werden. Im Übrigen sind vorliegend solche Unterlagen von der Klägerin jedenfalls im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens bezüglich der "Fassadenänderung und Umnutzung der Legehennen - Batteriehaltung und Verpackungshalle auf Bodenhaltung für Entenaufzucht und -mast" vorgelegt worden."

Diese Ausführungen gelten auch für das vorliegende Verfahren.

2.2 Die Klägerin hat ihren Antrag auf Fristverlängerung unstreitig vor Ablauf der Frist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gestellt. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten und des Beigeladenen fehlt es auch für die Folgejahre ab 2007 nicht an einem wirksamen Antrag. Wie sich den Ausführungen unter 1. entnehmen lässt, kann das Begehren der Klägerin im Verwaltungsverfahren ungeachtet der Fassung der Anträge bei sachgerechter Auslegung nur dahingehend verstanden werden, die Frist des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bis zum Eintritt der Vollziehbarkeit der beantragten Baugenehmigung unter Einräumung einer angemessenen Frist für die Umrüstung der Farm H*** zu verlängern. Der vor Ablauf der Frist gestellte Antrag kann auch noch nach Fristablauf verlängert werden. Dem Antragsteller dürfen keine Verzögerungen zur Last gelegt werden, die ihre Ursachen im Verantwortungsbereich der Behörde haben und seiner Einflussnahme entzogen sind (BVerwG vom 25.8.2005 BVerwGE 124, 156/162).

2.3 Es muss aber davon ausgegangen werden, dass durch eine Fristverlängerung der Zweck des Gesetzes i.S. des § 18 Abs. 3 BImSchG gefährdet wird. Abzustellen ist insoweit auf den in § 1 BImSchG festgelegten Gesetzeszweck (vgl. Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, RdNr. 37 zu § 18 BImSchG; Feldhaus/Scheidler, a.a.O., RdNr. 31 zu § 18 BImSchG). Durch die Fristverlängerung darf nach den Intentionen des Gesetzgebers insbesondere der Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft nicht in Frage gestellt werden (vgl. Amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des BImSchG vom 14.2.1973, BT-Drs. 7/179, S. 37). Zu berücksichtigen sind Art und Umfang der Anlage, die seit der Genehmigung eingetretene Entwicklung im Einwirkungsbereich der Anlage und die hiernach zu beurteilenden Auswirkungen der Anlage. Die Behörde hat deshalb zu prüfen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen noch gegeben sind, ohne dass allerdings dieselben weitreichenden Untersuchungen wie im Genehmigungsverfahren anzustellen sind (vgl. z.B. Feldhaus/Scheidler, a.a.O., RdNr. 31 zu § 18 BImSchG, m.w.N.). Insoweit kann vorliegend nicht außer Betracht bleiben, dass sich im von der Klägerin im Mai 2002 eingeleiteten Baugenehmigungsverfahren für die von ihr beabsichtigte Nutzungsänderung Bedenken hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Ammoniakemissionen ergeben haben, die im Verfahren über die Fristverlängerung unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Untersuchungsrahmens nicht abschließend bewältigt werden können, sondern der Aufarbeitung in einem neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bedürfen. Ob sich die Klägerin auch auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds i.S. des § 18 Abs. 3 BImschG für die Fristverlängerung berufen kann, bedarf daneben keiner Entscheidung.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann bei dieser Prüfung nicht auf die Legehennenhaltung abgestellt werden. Zwar hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die durch die Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2002 erfolgte Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG die ursprüngliche immissionsschutzrechtliche Position unberührt lässt und deren Gestattungsumfang nicht verändert. Eine Verpflichtung für die Klägerin, die Änderung zur Entenmast vorzunehmen, bestand nicht; auch das Rückgängigmachen einer solchen angezeigten Änderung ist nicht genehmigungsbedürftig (vgl. BayVGH vom 17.11.2005 BayVBl 2006, 154). Soweit es um die Haltung von Legehennen geht, hat die Klägerin jedoch jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof auf ihre immissionsschutzrechtliche Rechtsposition verzichtet, wodurch diese erloschen ist (vgl. BVerwG vom 15.12.1989 BVerwGE 84, 209/211).

Was die von der Klägerin allein beabsichtigte Nutzungsänderung zur Aufzucht und Mast von Enten angeht, vermag die diesbezüglich erfolgte "Freistellungserklärung" des Landratsamts gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG eine positive Beurteilung der Fristverlängerung nach § 18 Abs. 3 BImSchG entgegen der Auffassung der Klägerin allerdings nicht zu indizieren. Im Verfahren nach § 15 Abs. 2 BImschG wird nur die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der Nutzungsänderung geprüft, nicht aber deren Genehmigungsfähigkeit (vgl. BayVGH vom 17.11.2005 BayVBl 2006, 154, m.w.N.). Hinsichtlich der Stickstoffdeposition auf den Flächen des Wiesenbrütergebiets im Osten der Anlage der Klägerin ist zwar nach der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom 22. Juli 2004 entgegen deren ursprünglicher Einschätzung (siehe Stellungnahme vom 30.8.2002) mit keiner erheblichen Beeinträchtigung durch den relativ geringen Stickstoffeintrag im Kernbereich des Wiesenbrütergebiets zu rechnen. Demgegenüber kann aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen in diesem Gebiet durch Ammoniakimmissionen durch die Anlage der Klägerin hervorgerufen werden können. Gemäß Nr. 4.8 Abs. 5 TA Luft liegt ein Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak insbesondere dann vor, wenn die Mindestabstände nach Anhang 1 Abbildung 4 TA Luft unterschritten werden. Wie sich der Stellungnahme der Umweltingenieurin des Landratsamts vom 5. August 2002 entnehmen lässt, ist dies bei Belegung der Anlage mit 48.000 Enten vorliegend der Fall, weil die Mindestabstandskurve bei dieser Tierzahl einen Abstand von 540 m zu empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen ergibt und der hier vorhandene Niedermoorbereich unmittelbar östlich an die Stallgebäude angrenzt. Es kommt hinzu, dass nach einer Immissionsabschätzung des Landwirtschaftsamts L***** vom 3. Dezember 2003 in 50 m und 100 m Entfernung zur Anlage und in der - hier wesentlichen -Höhenschicht von 0 bis 3 m der in Anhang 1 TA Luft nach Abbildung 4 genannte Wert für die Gesamtbelastung an Ammoniak von 10 µg/m³ überschritten wird. Schließlich hat im Baugenehmigungsverfahren bezüglich der Tierplatzzahl von 48.000 Enten das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit Schreiben vom 15. September 2008 darauf hingewiesen, dass sich die Anlage der Klägerin in unmittelbarer Nachbarschaft der denkmalgeschützten katholischen Filialkirche St. M***** befindet und nach derzeitigem Kenntnisstand mit ihren bebauten Flächen Teilbereiche des in die Bayerische Denkmalliste ebenfalls eingetragenen Bodendenkmals in unmittelbarem Umfeld der Kirche überdeckt und sich damit denkmalschutzrechtliche Bedenken gegen die Wiederaufnahme des seit mehreren Jahren eingestellten Entenmastbetriebs ergeben. Lediglich im Hinblick auf die später erfolgte Reduzierung der Tierplatzzahl auf 23.100 Mastenten, wie sie auch der nach Erlass des vorliegenden Urteils erteilten Baugenehmigung des Landratsamts D*********-****** vom 31. Juli 2009 zugrunde liegt, für deren Ausnutzung die Klägerin aber die von ihr erstrebte immissionsschutzrechtliche Rechtsposition nicht benötigt, wurde die Wiederinbetriebnahme aus denkmalfachlicher Sicht hingenommen (vgl. Schreiben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 27.5.2009).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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