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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: 22 BV 03.1560
Rechtsgebiete: VwGO, BImSchG, 4. BImSchV, 13. BImSchV, SchfG


Vorschriften:

VwGO § 161 Abs. 2
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG § 7
BImSchG § 51
4. BImSchV § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang Nr. 1.1 Spalte 1
13. BImSchV § 1 Abs. 1 Satz 1
SchfG § 1 Abs. 2
SchfG § 13 Abs. 1 Nr. 2
SchfG § 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 BV 03.1560

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vollzugs des Schornsteinfegergesetzes;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Mai 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, ohne mündliche Verhandlung am 3. März 2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 8. Mai 2003 ist unwirksam geworden.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Betreiberin des Heizwerks M. in Nürnberg. Das Heizwerk M. ist eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage nach § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang Nr. 1.1 Spalte 1 der 4. BImSchV mit einer Feuerungswärmeleistung von 80 Megawatt; die Genehmigung wurde mit Bescheid vom 10. Februar 1987 erteilt. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Klägerin verpflichtet ist, die Rauchkanäle des Heizwerks durch den zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister kehren und überprüfen zu lassen. Mit Bescheid vom 15. Januar 2001 verpflichtete die Beklagte die Klägerin unter Berufung auf die Kehr- und Überprüfungsordnung - KÜO- vom 21. Dezember 1993 (GVBl S. 1095), zuletzt geändert am 11. Dezember 2002 (GVBl S. 995), dem Beigeladenen als dem zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister Zutritt zum Heizwerk M. zu gewähren und die kehrpflichtigen Rauchkanäle der Feuerungsanlage reinigen zu lassen. Nach erfolglosem Widerspruchs- und Klageverfahren legte die Klägerin die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein. Im Hinblick auf die gegenteilige Behördenpraxis im größten Teil Bayerns und die dazu von den zuständigen Staatsministerien des Innern und für Landesentwicklung und Umweltfragen vertretene Rechtsauffassung (Schreiben des StMLU vom 18.9.2003, vorgelegt vom Vertreter des öffentlichen Interesses mit Schreiben vom 17.12.2003) hob die Beklagte den angefochtenen Bescheid mit Bescheid vom 2. Februar 2004 auf. Kläger und Beklagte erklärten die Hauptsache für erledigt (Schriftsätze vom 27. Februar und vom 3. Februar 2004).

II.

Nr. I dieses Beschlusses beruht auf § 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung und auf § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung.

Die Kostenentscheidung (Nr. II dieses Beschlusses) beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO und auf § 162 Abs. 3 VwGO. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen der Beklagten aufzuerlegen; der bisherige Sach- und Streitstand, namentlich der bisherige Stand der juristischen Diskussion zwischen den Beteiligten, legt dies nahe.

Wie die Klägerin überzeugend ausgeführt hat, legen verschiedene Vorschriften des Schornsteinfegergesetzes -SchfG-, auf dem die Kehr- und Überprüfungsordnung beruht, die Auslegung nahe, dass bei den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang Nr. 1.1 Spalte 1 der 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen und in den Anwendungsbereich der Großfeuerungsanlagenverordnung -13. BImSchV- fallenden Feuerungsanlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der 13. BImSchV) neben den Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Bezug auf sonstige Gefahren und den Pflichten aufgrund von Rechtsverordnungen über den Betrieb und die betreibereigene Überwachung nach § 7 BImSchG keine Kehr- und Überprüfungspflichten nach dem Schornsteinfegergesetz sowie der Kehr- und Überwachungsordnung bestehen sollen. Der Begriff der sonstigen Gefahren im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG schließt auch die mit dem Schornsteinfegergesetz bekämpften Gefahren ein. Nach der Ermächtigungsnorm für die Landesregierungen in § 1 Abs. 2 SchfG für den Erlass von Kehr- und Überprüfungsordnungen sollen für die Pflichtigen lediglich die für den Bereich des jeweiligen Landes zuständigen Zusammenschlüsse von Hauseigentümern angehört werden, nicht dagegen, wie in § 51 BImSchG weitergehend bestimmt ist, Vertreter der beteiligten Wirtschaft. Nachdem das Schornsteinfegergesetz eine Anhörung der Vertreter der beteiligten Wirtschaft nicht für erforderlich hält, sondern nur eine Anhörung der Hauseigentümerverbände, wird deutlich, dass die Wirtschaft und damit die typischen Betreiber von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Großfeuerungsanlagen nicht von den Kehr- und Überprüfungspflichten betroffen sein sollen.

§ 13 Abs. 1 Nr. 2 SchfG bestätigt diesen Befund. Danach wird dem Bezirksschornsteinfegermeister neben der Ausführung der durch die Kehr- und Überprüfungsordnung vorgeschriebenen Arbeiten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 SchfG) die Aufgabe übertragen, sämtliche Schornsteine, Feuerstellen, Verbindungsstücke und Lüftungsanlagen in den Gebäuden, in denen er Arbeiten nach der Kehr- und Überwachungsordnung, der Verordnung über Kleinfeuerungsanlagen -1.BImSchV- (vgl. dort § 14 Abs. 5 und § 15 Abs. 1) oder den landesrechtlichen Bauordnungen auszuführen hat, durch persönliche Besichtigung zu überprüfen. Wenn der Gesetzgeber schon für die immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Feuerungsanlagen des § 1 Abs. 1 der 1. BImSchV einen ausdrücklichen Hinweis bei der Aufgabenzuweisung in § 13 Abs. 1 SchfG für erforderlich angesehen hat und sich nicht auf die Bezugnahme auf die Kehr- und Überprüfungsordnung beschränkt hat, dann wäre erst recht eine ausdrückliche Aufgabenzuweisung für die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Großfeuerungsanlagen zu erwarten gewesen, sofern diese der Überprüfung und Reinigung durch den Bezirksschornsteinfegermeister unterstellt werden sollten. Daran fehlt es hier aber.

§ 13 Abs. 2 SchfG bestätigt zudem, dass andere als die im Schornsteinfegergesetz aufgeführten Arbeiten dem Bezirksschornsteinfegermeister nur übertragen werden dürfen, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Bundes zugelassen ist.

Schließlich sprechen die vom Vertreter des öffentlichen Interesses in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse aus der Behördenpraxis in Bayern, die eine generelle Kehr- und Überprüfungspflicht durch den Bezirksschornsteinfegermeister bei Großfeuerungsanlagen als fachlich nicht erforderlich erscheinen lassen, ebenfalls für die Rechtsauffassung der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich aus einer mangelnden fachlichen Erforderlichkeit auch durchgreifende Zweifel an der rechtlichen Erforderlichkeit im Sinn des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hieraus lässt sich wiederum ein bedeutsamer Auslegungsgesichtspunkt gewinnen, wenn es um die engere oder weitere Auslegung einer Ermächtigungsnorm geht.

Streitwert: § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.



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