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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 22 BV 05.2462
Rechtsgebiete: BImSchG, 22. BImSchV, Richtlinie 96/62/EG, Richtlinie 99/30/EG


Vorschriften:

BImSchG § 47 Abs. 1
BImSchG § 47 Abs. 2
BImSchG § 47 Abs. 4
BImSchG § 47 Abs. 6
22. BImSchV § 4 Abs. 2
22. BImSchV § 11 Abs. 4
Richtlinie 96/62/EG Art. 7 Abs. 1
Richtlinie 96/62/EG Art. 7 Abs. 3
Richtlinie 96/62/EG Art. 8 Abs. 3
Richtlinie 99/30/EG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 BV 05.2462

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Überschreitung der Grenzwerte der 22. BImSchV;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Mai 2006

am 18. Mai 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005 wird geändert.

II. Der Beklagte wird verpflichtet, einen Aktionsplan im Sinn des § 47 Abs. 2 BImSchG unter Einbeziehung des Bereichs der L******* ****des ********* ***** von ******* unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts aufzustellen.

III. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen der Kläger und der Beklagte je die Hälfte.

V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wohnt am ********* **** in ******* in der L******* ****112 ca. 900 m nördlich von der Luftgütemessstelle Landshuter Allee; die Wohnung liegt ca. 50 m vom Straßenrand entfernt. Die bauliche und die verkehrliche Situation ist an der Luftgütemessstelle und an der Wohnung des Klägers ähnlich. Nach den Messergebnissen dieser Station im Jahr 2005 wurde der Grenzwert des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV und des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 96/62/EG vom 27. September 1996 (ABlEG L 296, S. 55) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG vom 22. April 1999 (ABlEG L 163, S. 41) für Feinstaubpartikel PM10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr bereits am Ostersonntag 2005 zum 36. Mal überschritten. Bis zum 1.Oktober 2005 war dies 75 mal geschehen, bis zum 13. Dezember 105 mal. Im Jahr 2006 meldete die Messstation an der L******* ****bereits am 16. März die 35. Überschreitung des Grenzwerts für Feinstaubpartikel PM10. Bis zum 27. März 2006 gab es 43 Überschreitungen. Für das Jahr 2003 hat das Landesamt für Umweltschutz die Immissionsbelastung an der Luftgütemessstelle L******* ****zu 43 % dem großräumigen Hintergrund, zu 36 % dem Kraftfahrzeugverkehr, zu 5 % Anlagen aus dem Emissionskataster und zu 16 % sonstigen Einflüssen zugeordnet.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt ******* existiert ein sog. Luftreinhalteplan i.S. des § 47 Abs. 1 BImSchG vom September 2004, der am 28. Dezember 2004 für verbindlich erklärt wurde. Ein als Aktionsplan i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG bezeichneter Plan existiert jedoch nicht.

Mit Schreiben vom 21. und 23. März 2005 beantragte der Kläger bei der Regierung von Oberbayern u.a. die unverzügliche Aufstellung eines Aktionsplans i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG. Die Regierung von Oberbayern leitete das erste Schreiben des Klägers mit Schreiben vom 22. März 2005 an das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz weiter. Dasselbe geschah mit dem zweiten Schreiben des Klägers am 23. März 2005. Mit Schreiben vom 19. Mai 2005 beantragte der Kläger beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz die Aufstellung eines Aktionsplans binnen zwei Wochen. Mit Schreiben vom 14. Juni 2005 antwortete das genannte Staatsministerium. Der bestehende Luftreinhalteplan enthalte bereits den gewünschten Aktionsplan. Des Weiteren werde die Ableitung des LKW-Durchgangsverkehrs auf den Autobahnring A 99 diskutiert.

Bereits am 29. März 2005 hatte der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, und zwar wegen Unterlassung der erforderlichen Schutzmaßnahmen durch den Beklagten, zunächst noch ohne Antragstellung. Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2005 beantragte der Kläger dann u.a., den Beklagten zu verpflichten, unverzüglich einen Aktionsplan zur Luftreinhaltung im Bereich der L******* ****aufzustellen, der kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen festlegt, die geeignet sind, den Zeitraum, während dessen die Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM 10 an der L******* ****überschritten sind, zu verkürzen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 26.7.2005).

Der Kläger hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Er beantragt nunmehr,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juli 2005 zu verpflichten, innerhalb von zwei Monaten einen Aktionsplan zur Luftreinhaltung rechtsverbindlich aufzustellen, der kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen festlegt, die geeignet sind, den Zeitraum, während dessen die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub überschritten sind, derart zu verkürzen, dass zukünftig die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel PM10 von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in 24 Stunden bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr gewährleistet ist.

Hilfsweise (als Minus) verlangt er, der Aktionsplan müsse gewährleisten, dass die Überschreitung des Grenzwerts von 50 Mikrogramm 2007 auf 70 Tage und ab 2008 auf 35 Tage beschränkt wird. Weiter hilfsweise (als weiteres Minus) beantragt er, den Freistaat Bayern zu entsprechender Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen (primär im Sinn von sofortiger Einhaltung, in zweiter Linie im Sinn von 2007/2008 gestaffelter Einhaltung, in dritter Linie im Sinn von fortschreitender Einhaltung des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV).

Der Kläger stellt klar, dass es ihm auf die Einhaltung obiger Zweimonatsfrist nicht ankommt und dass unter "zukünftig" richtigerweise "sofort" zu verstehen ist.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte verneint im vorliegenden Fall subjektive Rechte des Klägers und ebenso einen Verstoß gegen objektives Recht. Der Beklagte verweist auf ausstehende Maßnahmen, für deren Ergreifung andere Hoheitsträger (die Europäische Gemeinschaft oder die Bundesrepublik Deutschland) zuständig seien. Er verweist ferner auf den Luftreinhalteplan für das Gebiet der Landeshauptstadt ******* der plangemäß verwirklicht werde. Zur Verringerung u. a. der kleinräumigen Immissionsbelastung im Bereich der L******* ****werde die zuständige Behörde einen Plan aufstellen; in Kürze werde die gesetzlich vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung beginnen.

Zur Verringerung der kleinräumigen Immissionsbelastung im Bereich der L******* ****kämen im Wesentlichen nur verkehrliche Maßnahmen in Betracht, und zwar die Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs über 3,5 Tonnen auf den Autobahnring A 99 und die Einrichtung einer Umweltzone in der Innenstadt von *******. Aufbauend auf dem Ministerratsbeschluss vom 8. Februar 2006 sei am 13. Februar 2006 bei einer Besprechung zwischen der Regierung von Oberbayern und der Landeshauptstadt ******* mit Beteiligung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz von der Landeshauptstadt ******* Folgendes vorgeschlagen worden, das Grundlage des gemeinsamen weiteren Vorgehens werden solle: Die Durchfahrt von LKW-Verkehr über 3,5 Tonnen durch ******* solle unterbunden werden. Das Durchfahrtsverbot solle sich in seiner Grundstruktur auf den ********* **** beziehen, wobei auch wichtige, strahlenartige Zufahrtsstraßen an verkehrlich sinnvollen Stellen im Umgriff des ********* ***** gesperrt werden sollten. Diese Verkehrsregelung solle durch eine Vorwegbeschilderung auf Zulaufstrecken ergänzt werden. Die genaue Abgrenzung der geplanten Umweltzone in der Innenstadt von ******* sei noch nicht festgelegt worden. Es stehe auch noch nicht genau fest, welche Dieselfahrzeuge dann in der Umweltzone noch fahren dürften. Ein Verordnungsentwurf zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge nach Schadstoffgruppen nach § 40 Abs. 3 BImSchG sei am 22. Februar 2006 von der Bundesregierung beschlossen worden. Der Bundesrat habe dem Verordnungsentwurf der Bundesregierung vom 22. Februar 2006 zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge nach Schadstoffgruppen in seiner Sitzung am 7. April 2006 aber nicht zugestimmt.

Eine Einhaltung des strittigen Immissionsgrenzwerts für Feinstaub PM10 an der Luftgütemessstelle L******* ****sei jedoch auch bei Durchführung dieser Maßnahmen bei weitem nicht zu erwarten. Die Minderung der Immissionsbelastung durch Feinstaubpartikel PM10 sei bei der Umleitung des Durchgangsverkehrs von LKW über 3,5 Tonnen mit ca. 2,5 % bis 3,8 % anzusetzen (bezogen auf den Jahresgrenzwert des § 4 Abs. 4 der 22. BImSchV). Die Zahl der Überschreitungen im Jahr könne durch die Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs um 8 bis 15 reduziert werden (grobe Abschätzung). Die geplante Umweltzone könne die Gesamtpartikelemissionen um ca. 10 % verringern. Die Vorgaben der EU seien im unmittelbaren Einzugsbereich der großen Verkehrsadern möglicherweise "zu ehrgeizig".

Darüber hinaus werde in einer weiteren Phase eine Verschärfung der Anforderungen an Feuerungsanlagen mit Festbrennstoffen angestrebt. Insofern existiere bereits eine Änderung der Brennstoffverordnung der Landeshauptstadt ******* vom 26. April 2006, die für neue Feuerungsanlagen für feste Brennstoffe den Emissionsgrenzwert für Staub halbiere.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die allgemeine Leistungsklage ist im letzten Hilfsantrag begründet. Die Nichtaufstellung eines Aktionsplans ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach § 47 Abs. 2 BImSchG rechtswidrig. Das nach Art. 8 BayImSchG zuständige Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz ist verpflichtet, unverzüglich einen derartigen Aktionsplan aufzustellen. Der Aktionsplan darf stufenweise aufgestellt werden, für jeweils wesentliche Maßnahmenkomplexe entsprechend dem Eintritt der Entscheidungsreife. Der Aktionsplan braucht nach den konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Falls entgegen dem gesetzlich für den Regelfall vorgegebenen Ziel nicht zu gewährleisten, dass der Immissionsgrenzwert für Feinstaubpartikel PM10 des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV kurzfristig oder zumindest ab dem Jahr 2008 eingehalten wird, weil dies tatsächlich unmöglich und rechtlich unverhältnismäßig wäre. Er muss sich diesem Ziel aber unverzüglich im Rahmen des tatsächlich Möglichen und rechtlich Verhältnismäßigen annähern. Der Kläger als betroffener Anwohner hat hierauf einen Rechtsanspruch.

I.

Die Rechtsvoraussetzungen für eine Verpflichtung des zuständigen Staatsministeriums zur Aufstellung eines Aktionsplans i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG vom 27. September 1996 (ABlEG L 296, S. 55) im Bereich der L******* ****sind erfüllt. Die zuständige Behörde ist dieser Verpflichtung im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht gerecht geworden und ist verpflichtet, dies unverzüglich nachzuholen.

1. Rechtsvoraussetzung ist zunächst das Bestehen der Gefahr, dass die durch eine Verordnung nach § 48 a Abs. 1 BImSchG bzw. durch § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV bzw. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 99/30/EG vom 22. April 1999 (ABlEG L 163, S. 41) festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Eine solche Gefahr besteht dann, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es zu einer Überschreitung eines maßgebenden Immissionsgrenzwerts kommen wird; ein Nachweis der Überschreitung wird nicht vorausgesetzt (Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, RdNr. 15 zu § 47; Rehbinder, NuR 2005, 493/495). Diese Gefahr ist im Fall der L******* ****in ******* gegeben, ohne dass es darauf ankommt, dass das Jahr 2005 mittlerweile verstrichen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Entwicklung im Jahr 2006 ohne zusätzliche Maßnahmen anders verlaufen wird als im Jahr 2005. Dies hat sich durch die Messungen an der Luftgütemessstelle L******* ****bis zur mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2006 bestätigt. Der Beklagte hat diesbezüglich ausdrücklich erklärt, dass er insofern keine Bedenken geltend mache.

2. Rechtsvoraussetzung für eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Aktionsplans i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG ist weiter, dass ein solcher nicht bereits existiert. Ob die Bezeichnung "Aktionsplan" dabei vom Beklagten verwendet wurde, ist nicht ausschlaggebend. Es könnte z. B. auch der Begriff "Luftreinhalteplan" verwendet worden sein. Auch aus europarechtlicher Sicht kommt es darauf an, dass die materiellen Anforderungen einer Richtlinie erfüllt werden; unschädlich ist dann, wenn die förmliche Bezugnahme auf die Richtlinie fehlt (EuGH vom 11.8.1995, NVwZ 1996, 369/371, zur UVP-RL). Allerdings ist es erforderlich, dass die gesetzlich vorausgesetzte Verbindlichkeit vorliegt (vgl. § 47 Abs. 6 BImSchG). Die bloße unverbindliche Inaussichtstellung von Maßnahmen genügt nicht.

a) Der Luftreinhalteplan für das Gebiet der Landeshauptstadt ******* vom September 2004, für verbindlich erklärt am 28. Dezember 2004, ist insofern inhaltlich nicht ausreichend. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Es existiert damit zwar ein Luftreinhalteplan im Sinn des § 47 Abs. 1 BImSchG und des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG für das Gebiet der Landeshauptstadt *******. Es trifft auch zu, dass der erforderliche Aktionsplan theoretisch ein Teil dieses Luftreinhalteplans sein könnte (§ 47 Abs. 2 Satz 3 BImSchG). Dies braucht allerdings nicht unbedingt der Fall zu sein. Funktion eines Luftreinhalteplans ist es vor allem, dass ein Plan oder Programm ausgearbeitet oder durchgeführt wird, auf Grund dessen der Grenzwert binnen der festgelegten Frist (d. h. bis zum 1.1.2005) erreicht werden kann (Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG). Trotz der Existenz eines Luftreinhalteplans i. S. des § 47 Abs. 1 BImSchG und des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG können die Voraussetzungen für die Aufstellung eines Aktionsplans i. S. des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG gegeben sein (Rehbinder, NuR 2005, 493/494), und zwar dann, wenn der Luftreinhalteplan sein Ziel nicht erreicht hat. Der Luftreinhalteplan für das Gebiet der Landeshauptstadt ******* hat sein Ziel nicht erreicht; der Beklagte hat dem nicht substanziiert widersprochen, und der Verwaltungsgerichtshof vermag nichts Gegenteiliges festzustellen.

b) Zwischenzeitlich hat der Beklagte zwar mitgeteilt, einen Luftreinhalteplan/ Aktionsplan aufstellen zu wollen, und Maßnahmen vorbereitet, die aber noch nicht verbindlich festgelegt, sondern lediglich in Aussicht gestellt sind. Selbst in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2006 war der Beklagte nicht in der Lage, diesbezüglich verbindliche Zusicherungen abzugeben. Damit brauchen sich die Betroffenen nicht zufrieden zu geben.

3. Rechtsvoraussetzung für eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Aktionsplans ist weiter, dass eine angemessene Reaktionszeit der zuständigen Behörde bereits verstrichen ist. Dies ist hier der Fall. Dass 16 Monate nach dem Inkrafttreten des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 trotz von Anfang an evidenter Überschreitungsgefahr noch immer kein Aktionsplan vorliegt, ist nicht rechtmäßig. Dabei hätte die zuständige Behörde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs durchaus nach dem von ihr in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2006 erläuterten Stufenkonzept verfahren und für wesentliche Maßnahmenkomplexe entsprechend dem Eintritt der Entscheidungsreife den Aktionsplan vorab aufstellen dürfen. Dies hätte dem Zweck des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG entsprochen und wäre ein geeigneter Lösungsansatz gewesen. Ein solcher Aktionsplan hätte zum jetzigen Zeitpunkt bereits vorliegen können und müssen, wenn die zuständige Behörde sich mit der komplexen Materie bereits früher befasst hätte. Dies wäre rechtlich geboten gewesen. Gerade für Aktionspläne im Sinn von § 47 Abs. 2 BImSchG und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG verlangt das Gesetz kurzfristig zu ergreifende und wirksam werdende Maßnahmen. Ein Aktionsplan ist also darauf angelegt, eine bereits bestehende oder drohende Überschreitung der Immissionsgrenzwerte kurzfristig zu beheben oder zu verringern. Die zuständige Behörde hat dies unverzüglich nachzuholen.

II.

Die Verpflichtung des Beklagten reicht indes materiell im vorliegenden Fall weniger weit, als der Kläger annimmt. Richtig ist zwar, dass gesetzlich grundsätzlich das Ziel vorgegeben ist, das ein Aktionsplan erreichen muss; er muss "sicherstellen" (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/62/EG), dass der maßgebliche Immissionsgrenzwert künftig eingehalten wird bzw. dass sich die Überschreitungen im zulässigen Rahmen halten. Hierbei handelt es sich um den vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Normalfall. Vorgegeben ist ein eindeutig bestimmtes Ziel; offen bleibt nur, auf welchen Wegen es erreicht werden soll.

Entgegen der Auffassung des Klägers muss ein Aktionsplan im Sinn des § 47 Abs. 2 BImSchG und des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG aber nicht unter allen Umständen zwingend die Einhaltung des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 gewährleisten können, auch nicht vom Jahr 2008 an. So verhält es sich im vorliegenden Fall bei der Luftgütemessstelle Landshuter Allee.

1. Zum einen kann der zuständigen Behörde die im Normalfall geforderte Gewährleistung tatsächlich unmöglich und deshalb auch rechtlich nicht geboten sein. "Ultra posse nemo obligatur". Dies ist hier der Fall.

Dies beruht darauf, dass der Aktionsplan die großräumige Luftverschmutzung und deren Beitrag zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte (im vorliegenden Fall 43 %) kaum beeinflussen kann und dem beklagten Freistaat Bayern die Normsetzungskompetenz für eine Reihe von in Betracht kommenden Maßnahmen fehlt. Dies gilt z. B. für den Erlass einer Verordnung nach § 40 Abs. 3 BImSchG, für eine Verschärfung der durch die 1. BImSchV an Kleinfeuerungsanlagen gestellten Anforderungen, für die steuerliche Förderung von Dieselkraftfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern, für eine Mautspreizung zu Gunsten schadstoffarmer Fahrzeuge; insofern bestehen Zuständigkeiten des Bundes. Andere Maßnahmen liegen im Verantwortungsbereich der Europäischen Gemeinschaft. Dies wird auch von der Europäischen Kommission so gesehen. In der Begründung zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Grenzwerte für SO2, NOX, Partikel und Pb, und zwar im Kapitel "Auswirkungen der vorgeschlagenen Richtlinie auf die Unternehmen", heißt es unter 2. u. a.: "Wenn die Grenzwerte überall in der Gemeinschaft eingehalten werden sollen, sind weitere Maßnahmen (auch) auf gemeinschaftlicher und (nicht nur auf) lokaler Ebene erforderlich". Im Anschluss daran werden die Zulassungsvorschriften der EG für Fahrzeuge und Industrieanlagen beispielhaft erwähnt (BR-Drs 986/97, S. 85); zu denken ist z. B. an Abgasnormen, wie die nunmehr von der Europäischen Kommission vorgeschlagene EURO-5-Norm. Auch an den Bereich der Landwirtschaft und die Emission von Ammoniumverbindungen ist in diesem Zusammenhang zu erinnern, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat. Wie auf der 29. Umweltrechtlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin ausgeführt wurde, ist daher an vielen Belastungsschwerpunkten erst dann mit einer Einhaltung der Grenzwerte zu rechnen, wenn zusätzlich zu den möglichen lokalen Maßnahmen in Deutschland bzw. EU-weit zusätzliche Begrenzungen für Feinstaubemissionen getroffen werden (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568). Das Gesetz anerkennt die möglichen Wirkungsgrenzen von Aktionsplänen im Einklang mit Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/92/EG dadurch, dass diese den Zeitraum der Gefahr der Überschreitung nur verkürzen oder die Gefahr einer Überschreitung nur mindern müssen. Diese Formulierung darf nicht als missverständlich abgetan werden, sondern muss ernst genommen werden. Man wird sie als Einräumung eines gewissen Spielraums, sogar als Zulassung erst mittelfristig wirksamer Maßnahmen verstehen müssen (Rehbinder, NuR 2005, 493/495).

2. Die Gewährleistung der künftigen Einhaltung des Immissionsgrenzwertes des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 kann außerdem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Zu denken ist insbesondere an von den eingeleiteten Maßnahmen betroffene Dritte, z. B. Gewerbetreibende und Verkehrsteilnehmer, die am vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt sind, aber sich u. U. mit Rechtsmitteln gegen die einzelnen Maßnahmen zur Wehr setzen könnten. Auch dies ist hier der Fall.

Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung die Forderung auf, dass Umweltschutzmaßnahmen geeignet und erforderlich sein sowie in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen müssen. Diese Rechtsprechung berücksichtigt dabei nicht nur den Umweltschutz als eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft, sondern auch den für das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts wesentlichen freien Warenverkehr (Art. 28, 29 EG) einschließlich der freien Warendurchfuhr (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103/104). Bereits im Urteil vom 11. Juli 1974 (Rs 8/74, Slg. 1974, 837) hat der EuGH einerseits jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit kontingentgleicher Wirkung im Sinn des Art. 28 EGV beurteilt. Der Ausdruck Handelsregelung hat dabei, wie die spätere Rechtsprechung gezeigt hat, keine einschränkende Bedeutung (Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Rdnr. 14 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Im Urteil vom 20. Februar 1979 (Rs 120/78, Slg 1979, 649) hat der EuGH andererseits festgestellt, dass Hemmnisse für den Binnenhandel hinzunehmen sind, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen (des Allgemeinwohls) gerecht zu werden, u. a. dem auch in der Ausnahmevorschrift des Art. 30 EGV genannten Schutz der öffentlichen Gesundheit. In späteren Urteilen hat der EuGH auch den Umweltschutz als zwingendes Erfordernis anerkannt (Grabitz/Hilf, a.a.O., Rdnr. 18 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Die zwingenden Erfordernisse (des Allgemeinwohls), zu denen also auch der Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umweltschutz gehören, sind allerdings nur zu berücksichtigen, wenn und soweit die Beschränkungen als Mittel zu Erreichung des als legitim anerkannten Ziels geeignet, notwendig und verhältnismäßig sind. Sie müssen tatsächlich geeignet sein, den mit ihnen verfolgten Zweck zu verwirklichen, dürfen nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu ihm stehen, und dieses Ziel darf nicht durch Maßnahmen erreicht werden können, die den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr weniger beschränken (so bereits EuGH vom 20.2.1979, Slg 1979, 649; Grabitz/Hilf, a.a.O., Rdnr. 21 zu Art. 28 EGV, m.w.N.). Daraus ist allgemein zu folgern, dass den Rechten derer, die von Maßnahmen der Luftreinhaltung betroffen wären, nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Was das Gesetz und die Richtlinie 96/92/EG bei Unbeeinflussbarkeit der Luftqualität durch Luftreinhaltepläne, z. B. bei einem hohen Grundpegel durch Dieselfahrzeuge oder bei einem hohen Anteil an ferntransportiertem Feinstaub verlangen bzw. zulassen könnten, wird durch die vorhandenen Vorschriften nicht konkret bestimmt (vgl. Rehbinder, NuR 2005, 493/496; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 23 zu § 47). "Radikale" Maßnahmen brauchen im Rahmen eines Aktionsplans aber jedenfalls nur dann ergriffen zu werden, wenn auch deren Folgen für das Wirtschaftsleben sorgfältig geprüft und angemessen ausgeglichen werden konnten (EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 103/104 f.).

Ein großzügiger Maßstab ist dabei allerdings nicht anzulegen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der 22. BImSchV in aller Regel mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (Amtliche Begründung, BT-Drs. 14/8450, S. 11; BVerwG vom 18.11.2004, DVBl 2005, 386/390; BVerwG vom 23.2.2005 - Az. 4 A 5.04, S. 10 des UA). Die Annahme, dass dies nicht möglich ist, ist daher begründungsbedürftig. Derartige Gründe können sich vor allem aus ungewöhnlichen örtlichen Gegebenheiten (zentrale Verkehrsknotenpunkte, Vielzahl von Emittenten) ergeben (vgl. BVerwG a.a.O.). Hiervon ist auf Grund der oben dargelegten Gegebenheiten möglicherweise häufiger auszugehen, als der Gesetzgeber angenommen hat.

Wie die vom Beklagten vorgelegten fundierten Prognosen zeigen, lassen weder die von ihm vorbereiteten zusätzlichen Maßnahmen (die Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs über 3,5 Tonnen auf den Autobahnring A 99 sowie die Einrichtung einer Umweltzone innerhalb des ********* *****), noch sonstige realistischerweise in Betracht zu ziehende verhältnismäßige Maßnahmen erwarten, dass die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 künftig an der Luftgütemessstelle L******* ****gewährleistet werden kann. Die Minderung der Immissionsbelastung durch Feinstaubpartikel PM10 könnte bei der Umleitung des Durchgangsverkehrs von LKW über 3,5 Tonnen ca. 2,5 % bis 3,8 % betragen (bezogen auf den Jahresgrenzwert des § 4 Abs. 4 der 22. BImSchV). Die Zahl der Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 könnte durch diese Umleitung des Durchgangsverkehrs von LKW über 3,5 Tonnen - grob geschätzt - um 8 bis 15 verringert werden. Die geplante Umweltzone könnte die Gesamtpartikelemissionen um ca. 10 % vermindern. Die Verschärfung der Anforderungen an Feuerungsanlagen für Festbrennstoffe durch die Änderung der einschlägigen Verordnung der Landeshauptstadt ******* vom 26. April 2006 wirkt sich in der absehbaren Zukunft noch wenig aus, weil sie nur für neue Anlagen gilt.

III.

Der Beklagte ist nach alledem "nur" verpflichtet, unverzüglich mit dem Mittel des Aktionsplans die Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel PM10 des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV soweit wie tatsächlich möglich und rechtlich verhältnismäßig sicherzustellen. Welche Maßnahmen der Beklagte angesichts dieser Ausgangslage im Rahmen eines Aktionsplans konkret zu treffen hat, wird ihm von Rechts wegen nicht vorgeschrieben.

Bei der Auswahl der Maßnahmen und damit auch der Adressaten besteht ein planerischer Gestaltungsspielraum, wie er aus dem Wesen einer jeden Planung folgt (Rehbinder, NuR 2005, 493/495; Stüer, Tagungsbericht über die 29. Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5.11.2005 in Berlin, DVBl 2005, 1566/1568). Konkrete Vorgaben für die zu treffenden Maßnahmen fehlen. Dies bedeutet, wie ausgeführt, jedoch keine Beliebigkeit. Die Aktionspläne können, je nach Fall, Maßnahmen zur Kontrolle und - soweit erforderlich - zur Aussetzung der Tätigkeiten vorsehen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte beitragen, einschließlich des Kraftfahrzeugverkehrs (§ 11 Abs. 4 der 22. BImSchV, Art. 7 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 96/62/EG). Inhaltlich kommen demzufolge in Aktionsplänen vor allem die Überwachung und Beschränkung von Tätigkeiten in Betracht, die zu einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen, einschließlich der Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs (Amtliche Begründung, BT-Drs 14/8450, S. 13). Typische kurzfristig wirksame Maßnahmen sind z. B. befristete Verkehrsbeschränkungen (Amtliche Begründung, BT-Drucks 14/8450, S. 11), ein zeitlich befristetes Verbot der Verwendung bestimmter Brennstoffe, Betriebsbeschränkungen in Bezug auf Industrieanlagen (Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, RdNr. 26 zu § 47; Jarass, NVwZ 2003, 257/261 f.). Die Maßnahmen sind entsprechend den Verursachungsanteilen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegen alle relevanten Emittenten zu richten (§ 47 Abs. 4 BImSchG). Qualitativ hat ein Aktionsplan per definitionem eine Reihe geeigneter, kohärenter Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände in dem betreffenden Gebiet zu enthalten; für den Aktionsplan kann insofern nichts anderes gelten als für den Luftreinhalteplan (vgl. zu letzterem EuGH vom 15.11.2005, DVBl 2006, 1303/104). Wie ausgeführt, darf der Aktionsplan auch stufenweise aufgestellt werden.

Ein Anspruch auf konkrete Maßnahmen besteht auf Grund des großen Gestaltungsspielraums der zuständigen Behörde nicht. Eine Nichteinbeziehung sich aufdrängender Maßnahmen in die planerische Entscheidung trotz fortdauernder Überschreitung des Immissionsgrenzwerts des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV für Feinstaubpartikel PM10 würde den rechtlichen Vorgaben allerdings nicht entsprechen. Die vom Beklagten vorbereiteten Maßnahmen erscheinen dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich geeignet und effektiv. Inwieweit weitere, von den Beteiligten erörterte oder in der Öffentlichkeit diskutierte Maßnahmen kurzfristig wirksam sein könnten, hat der Beklagte im Rahmen der Ausübung seines planerischen Gestaltungsspielraums zu prüfen; dem Verwaltungsgerichtshof drängt sich insofern kein bestimmtes Ergebnis auf (z. B. Begrenzung der Staubentwicklung bei Baustellen, Verbesserung der "Grünen Welle", Optimierung der künftigen Bauleitplanung unter dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung).

IV.

Der objektiv-rechtliche Verstoß des Beklagten gegen § 47 Abs. 2 BImSchG und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten. § 47 Abs. 2 BImSchG bezweckt wie Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG nämlich auch den Schutz der von der Überschreitung der festgelegten Immissionsgrenzwerte betroffenen Anwohner.

1. Es steht zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass der Kläger zu den betroffenen Anwohnern gehört. Es kann zwar nicht genau angegeben werden, in welchem Ausmaß der Immissionsgrenzwert für Feinstaubpartikel PM10 im Bereich seiner Wohnung überschritten wird. Das Ausmaß der Überschreitungen an der Luftgütemessstelle L******* ****ist aber derartig groß, dass bei annähernd gleichen verkehrlichen und baulichen Verhältnissen in 900 m Entfernung ebenfalls noch relevante Überschreitungen zu erwarten sind. Der Beklagte hat diesbezüglich ausdrücklich erklärt, keine Einwände zu erheben.

2. Es ist zwar einzuräumen, dass die Frage, ob § 47 Abs. 2 BImSchG dem betroffenen Nachbarn Drittschutz vermittelt, sich anhand des Gesetzeswortlauts nicht ohne weiteres beantworten lässt. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass ein subjektives Recht zur Planaufstellung nicht bestehen könne, weil die Pflicht zur Planaufstellung nur dem Allgemeininteresse diene. Immerhin ist in § 47 Abs. 2 BImSchG nicht ausdrücklich vom Schutz der Anwohner und deren Gesundheit die Rede. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Erstellung eines jeden Aktionsplans in ihren Wirkungen weit über den Rechtskreis eines einzelnen betroffenen Anwohners hinausgeht (Willand/Buchholz, NJW 2005, 2641/2644). Auch die gesetzliche Konstruktion scheint eher auf eine objektiv-rechtliche Verpflichtung von Hoheitsträgern hinzudeuten (Herrmann in Koch/Scheuing, GK-BImSchG, RdNr. 133 zu § 47; Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, RdNr. 43 zu § 47). Die Zweistufigkeit des Luftqualitätsrechts (in einem ersten Schritt vorbereitende Planaufstellung nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG, in einem zweiten Schritt Plandurchsetzung nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG) legt es nahe, die nicht unmittelbar luftverbessernd wirkende Qualitätsplanung als außerhalb des Rechtskreises der Betroffenen anzusehen und damit einen Anspruch auf Planung abzulehnen (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/376).

3. Aus rechtssystematischen und teleologischen Gründen ist der Anspruch der betroffenen Anwohner auf Aufstellung eines Aktionsplans i.S. des § 47 Abs. 2 BImSchG jedoch zu bejahen.

a) Maßgeblich für diese Betrachtung ist das Rechtsgut, das durch die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck geschützt werden soll, nicht aber, inwieweit dieses Rechtsgut in tatsächlicher Hinsicht bereits akut gefährdet ist oder ob der Schutz auf diese Wiese in vollem Umfang sichergestellt werden kann oder ob er lediglich eine statistisch-epidemiologisch ableitbare Verbesserung bewirkt. Unerheblich ist auch, ob eine Definition einer gesundheitlich begründeten Gefahrenschwelle oder ein sozio-ökonomischer Konsens über eine angemessene Antwort auf eine statistische Korrelation vorliegt. Es ist daran zu erinnern, dass normative Grenzwerte nie allein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern immer auch auf politischen Wertungen beruhen.

Die Zielrichtung der Luftreinhalteplanung ist eindeutig. Das Rechtsgut, das mit Hilfe des aufzustellenden Aktionsplans geschützt werden soll, ist in erster Linie die Gesundheit der betroffenen Anwohner. Mittel zum Zweck ist die Einhaltung drittschützender Immissionsgrenzwerte. Die Gesundheit der betroffenen Anwohner zu schützen, ist der Zweck der Immissionsgrenzwerte des § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV und des Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG. Die Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte soll durch den aufzustellenden Aktionsplan möglichst weitgehend vermieden werden (vgl. Art. 1 der Richtlinie 96/62/EG). Es handelt sich bei der Gesundheit der betroffenen Anwohner um ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und darüber hinaus auch um ein europarechtlich geschütztes Rechtsgut. Der Europäische Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen keinen Zweifel daran gelassen, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können (EuGH vom 30.5.1991, NVwZ 1991, 866/867; EuGH vom 12.12.1996, NVwZ 1997, 369/370). Am drittschützenden Charakter der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub PM10 kann es aus diesem Blickwinkel somit keinen Zweifel geben (vgl. Calliess, NVwZ 2006, 1/6 f.; Krohn, ZUR 2005, 371/373; Rehbinder, Rechtsgutachten, S. 62). Demgemäß erzielte auch die 29. Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht vom 3. bis 5. November 2005 in Berlin Einigkeit darüber, dass vom Grundsatz her für die Betroffenen ein Anspruch auf die Aufstellung von Luftreinhalteplänen besteht (Stüer, Tagungsbericht, DVBl 2005, 1566/1568).

b) Zwar bedeutet der Umstand, dass der Schutz hochrangiger Rechtsgüter der betroffenen Anwohner auf dem Spiel steht, nicht notwendig, dass diese allein aus diesem Grund beliebige Maßnahmen von Hoheitsträgern verlangen können, damit die zu ihrem Schutz festgelegten Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Beim Aktionsplan handelt es sich aber nicht nur um eine von mehreren möglichen Maßnahmen, sondern ihm kommt hier eine Sonderstellung zu. Die betroffenen Anwohner müssen hier zumindest das beanspruchen können, was das Gesetz in solchen Fällen für den Regelfall vorsieht. Der Weg zur Einhaltung dieser drittschützenden Immissionsgrenzwerte führt zumindest im Regelfall über die Luftreinhaltepläne und Aktionspläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG sowie Art. 8 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG; nur so können aufeinander abgestimmte, auf Effektivität, Synergieeffekte und Interessenausgleich bedachte Maßnahmen vorbereitet werden (Krohn, ZUR 2005, 371/373; Rehbinder, Rechtsgutachten, S. 63). Erst hieraus können sich Ansprüche nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG oder nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergeben; selbst wenn insofern Ermessensspielräume bestünden, so wäre das Gewicht der Luftreinhaltung durch den Aktionsplan verstärkt und kaum zu überspielen (Rehbinder, NuR 2005, 493/496). Die betroffenen Anwohner würden um ihre Ansprüche auf Durchsetzung von in Plänen nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG enthaltenen Maßnahmen nach § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG oder nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG gebracht, wenn die zuständige Behörde sich rechtswidrig der Aufstellung solcher Pläne entziehen würde. Dies brauchen die betroffenen Anwohner daher nicht hinzunehmen. Die Verweisung der betroffenen Anwohner auf Ansprüche auf Einzelmaßnahmen, losgelöst vom Aktionsplan, ist problematisch und stellt keinen vollwertigen Ersatz dar (vgl. zur Problematik Urteil des BayVGH vom 18. Mai 2006. in Sachen 22 BV 05.2461). Die Pläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG sind das in aller Regel erforderliche Bindeglied zwischen zwar verbindlichen, jedoch keine konkreten Maßnahmen implizierenden Zielvorgaben für den Gesundheitsschutz einerseits und einem einklagbaren Anspruch auf die Umsetzung der geplanten Maßnahmen zur Zielerreichung andererseits (Sparwasser, NVwZ 2006, 369/377, m.w.N.). Dieses Bindeglied darf nicht dazu führen, dass der betroffene Anwohner von seinem Gesundheitsschutz und einem einklagbaren Anspruch hierauf entfernt wird; diesem Ziel soll das Instrument der planerischen Bewältigung des Luftreinhalteproblems offensichtlich nicht dienen.

c) Dieses Ergebnis wird auch durch die gebotene europarechtsfreundliche und richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts gestützt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die europarechtlichen Vorgaben inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt, behandeln die Regelungsgegenstände abschließend und enthalten so vollständige Regelungen, dass sogar eine unmittelbare Anwendung der Richtlinien in Betracht kommt, um die es angesichts des Vorhandenseins auslegungsfähiger nationaler Normen aber gar nicht geht. Für die Aufstellung der Pläne nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG und Art. 8 Abs. 3 sowie Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG ist die Annahme einer mangelnden inhaltlichen Unbedingtheit und hinreichenden Bestimmtheit der europarechtlichen Vorgaben nicht nachvollziehbar. Das europäische Recht verlangt die Einhaltung eindeutiger Immissionsgrenzwerte, und zwar hauptsächlich mit den Mitteln der Luftqualitätsplanung - der Aktionsplan wird in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG konkret benannt. Dies soll im Gesundheitsinteresse der im Plangebiet von Grenzwertüberschreitungen Betroffenen geschehen (Art. 1 der Richtlinie 96/62/EG; vgl. dazu auch Sparwasser, NVwZ 2006; 369/376, Calliess, NVwZ 2006, 1/6 f.). Unstreitig ist, dass die europarechtlichen Vorgaben gemäß Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Abschnitt I der Richtlinie 99/30/EG, deren Umsetzung § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV vornimmt, auch dem individuellen Gesundheitsschutz der konkreten Anwohner dienen (Art. 1 der Richtlinie 99/30/EG; vgl. dazu auch Calliess, NVwZ 2006, 1/7, m.w.N.). Zwar legt das europäische Recht nicht fest, welche Stelle der Verwaltung tätig werden soll und könnte dies einer unmittelbaren Anwendung entgegenstehen. Doch sind die diesbezüglichen Bestimmungen im vorliegenden Fall vom nationalen Gesetzgeber bereits geschaffen worden (Art. 8 BayImSchG), so dass insofern keine Hindernisse mehr bestehen.

Nach alledem hat die Berufung teilweise Erfolg und ist die Klage teilweise begründet.

Kosten: § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Zulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG; wie Vorinstanz).

Ende der Entscheidung

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