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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.08.2009
Aktenzeichen: 22 C 09.2071
Rechtsgebiete: VwGO, BImSchG, 35. BImSchV


Vorschriften:

VwGO § 166
BImSchG § 40 Abs. 1
BImSchG § 40 Abs. 3
35. BImSchV § 1 Abs. 2
35. BImSchV § 2
35. BImSchV § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 C 09.2071

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Zulassung einer Ausnahme von einem Verkehrsverbot in einer Umweltzone (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 31. August 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2009 bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die in der Sache fehlende Erfolgsaussicht der Klage festgestellt (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 ZPO).

Der Kläger betont in seinem Beschwerdeschreiben nochmals ausdrücklich, es gehe ihm mit seiner Klage nur darum, für seine Altautos der Marke 2 CV 6 von der Beklagten (als Straßenverkehrsbehörde) eine Ausnahmeregelung von den Verkehrsverboten für die Umweltzone München zu erhalten. Er wende sich dagegen nicht gegen die Einrichtung der Umweltzone als solche, somit auch nicht gegen die diese umsetzenden Verkehrsregelungen.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von den angeordneten Verkehrsverboten i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wobei offen bleiben kann, ob er als Händler und Vermieter von Kraftfahrzeugen überhaupt anspruchsberechtigt sein kann. Die Zulassung von Ausnahmen richtet sich dabei nach § 1 Abs. 2 der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV) vom 10. Oktober 2006 (BGBl I S. 2218), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2007 (BGBl I S. 2793). Nach dieser Bestimmung, die auch den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ("unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit") mitumfasst, kann die zuständige Behörde, in unaufschiebbaren Fällen auch die Polizei, den Verkehr mit von Verkehrsverboten i.S. des § 40 Abs. 1 BImSchG betroffenen Fahrzeugen von und zu bestimmten Einrichtungen zulassen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen notwendig ist, oder überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner dies erfordern, insbesondere wenn Fertigungs- und Produktionsprozesse auf andere Weise nicht aufrechterhalten werden können. Mit dieser Bestimmung wollte der Verordnungsgeber auf der Grundlage der Ermächtigung in § 40 Abs. 3 Satz 2 BImSchG die Befugnis schaffen, im Einzelfall weitere Ausnahmen von den o.g. Verkehrsverboten zuzulassen, um auf nicht vorhersehbare Härtefälle angemessen reagieren zu können (vgl. die Amtliche Begründung der Bundesregierung BR-Drs. 162/06 S. 23). Ein solcher nicht vorhersehbarer Härtefall, der ein unaufschiebbares und überwiegendes Interesse eines Einzelnen an der Zulassung einer Ausnahme begründet, liegt in der Person des Klägers nicht vor.

Der in Regensburg ansässige Kläger verweist darauf, dass er seine 17 in Regensburg zugelassenen sowie weitere zwölf nicht zugelassene Altautos der Marke 2 CV 6, die keinen geregelten Katalysator besitzen, insbesondere an seine Münchner Kunden nicht mehr vermieten und auch nicht mehr zu einem vernünftigen Preis verkaufen könne, weil seine Kunden mit diesen Autos nicht mehr in die Umweltzone der Beklagten oder anderer Städte einfahren könnten. Grund hierfür ist, dass diese Autos mangels eines geregelten Katalysators unter die Schadstoffgruppe 1 fallen (vgl. § 2 Abs. 2 i.V. mit Anhang 2 der 35. BImSchV), für die eine Plakette nicht erteilt werden kann (§ 3 Abs. 1 der 35. BImSchV). Dies hat zur Folge, dass diese Kraftfahrzeuge im Gegensatz zu solchen der Schadstoffklassen 2 bis 4 nicht vom Verkehrsverbot einer Umweltzone gemäß § 2 Abs. 1 der 35. BImSchV befreit sein können. In Übereinstimmung hiermit gilt für die Umweltzone der Beklagten die Befreiung für alle Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppen 2 bis 4, die mit einer roten, gelben oder grünen Plakette gekennzeichnet sind (vgl. S. 15 ff. des Luftreinhalte-/Aktionsplans für die Stadt München des Bayer. Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz i.d. Fassung der 2. Fortschreibung vom August 2008). Diese Rechtslage stellt keinen unvorhersehbaren Härtefall dar.

Der Systematik der 35. BImSchV ist klar zu entnehmen, dass sich der Verordnungsgeber ganz bewusst entschieden hat, nur bestimmte Gruppen (insbesondere älterer) Kraftfahrzeuge unter bestimmten Voraussetzungen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auszunehmen, entweder dadurch, dass diese eine Kennzeichnung durch eine Plakette i.S. von § 2 Abs. 1, Abs. 2 und § 3 Abs. 1 der 35. BImSchV erlangen können, oder dadurch, dass diese auch ohne Kennzeichnung mit einer Plakette durch enumerative Aufzählung in der Verordnung selbst von den Verkehrsverboten generell ausgenommen sind (§ 2 Abs. 3 i.V. mit Anhang 3 der 35. BImSchV). Dadurch, dass sich der Verordnungsgeber an den Grenzwertstufen des Gemeinschaftsrechts orientiert hat, die nicht nur auf die Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen in Bezug auf Feinstaubpartikel (PM10) abstellen, und eine Kennzeichnungsmöglichkeit nur für Fahrzeuge der Schadstoffgruppen 2 bis 4 vorgesehen hat, hat er sich bewusst dafür entschieden, Kraftfahrzeuge mit Ottomotor (Benzinantrieb) ohne geregelten Katalysator mit Ausnahme der im Anhang 3 enumerativ aufgezählten Fälle dem Verkehrsverbot in der Umweltzone zu unterwerfen (vgl. auch Amtliche Begründung BR-Drs. 162/06 S. 24 f.). Bei dem auch die Fahrzeuge des Klägers betreffenden Verkehrsverbot handelt es sich somit gerade nicht um einen unvorhergesehenen Härtefall, dem eine generelle und schematische Anwendung der Vorschriften nicht gerecht würde und der deshalb über die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV abgemildert werden soll. Im Interesse des angeordneten generellen Fahrverbots für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotor ohne geregelten Katalysator und unabhängig von ihrem konkreten Beitrag zur Feinstaubbelastung hat der Verordnungsgeber mögliche Vermögenseinbußen von Eigentümern bzw. Nutzungsberechtigten solcher Autos bei deren Verwertung bewusst in Kauf genommen.

Rechtserhebliche Besonderheiten des Einzelfalls, nämlich überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner liegen in der Person des Klägers nicht vor. Der Kläger ist innerhalb der Gruppe solcher Autobesitzer nicht stärker betroffen als andere, sondern wegen seines Firmensitzes in Regensburg eher weniger. Es liegt auf der Hand, dass in München und Umgebung ansässige Gebrauchtwagenhändler und -vermieter, selbst wenn sich ihr Firmensitz nicht direkt in der Umweltzone befindet, wesentlich stärker betroffen sind als der Kläger. Hinzu kommt, dass - wie der Kläger selbst einräumt - eine Nachrüstung seiner Fahrzeuge mit einem Katalysator grundsätzlich möglich wäre. Auch wenn dies im Verhältnis zum Wert der Autos relativ teuer wäre (nach seinen Angaben ca. 1.200 Euro pro Auto), erscheint ihm dies jedenfalls hinsichtlich einzelner Fahrzeuge, die er in München zum Einsatz bringen will, nicht unzumutbar. Selbst für die Ausnahmetatbestände, die auf S. 20 ff. des Luftreinhalte-/Aktionsplans für die Stadt München (Stand August 2008) genannt sind und insbesondere für Anwohner und Gewerbetreibende mit Sitz in der Umweltzone gelten, gilt der Grundsatz "Nachrüstung vor Ausnahme". Dieser Grundsatz muss demnach erst recht für den Kläger gelten, der wesentlich weniger betroffen ist als der direkt in der Umweltzone oder in München und Umgebung ansässige Personenkreis. Im Übrigen würde die Berücksichtigung von Interessenlagen wie der des Klägers zu einer Ausuferung der Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG führen und damit der Zielsetzung der Norm widersprechen, die in einem Luftreinhalteplan nach § 47 Abs. 1 BImSchG vorgesehenen Maßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs umzusetzen, damit die dem Gesundheitsschutz dienenden Grenz- bzw. Alarmschwellenwerte des EG-Luftqualitätsrechts durchgesetzt werden können (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Auflage 2007, RdNrn. 1, 14 zu § 40; vgl. auch OVG NRW vom 27.7.2009 Az. 8 B 933/09).

Soweit der Kläger ausführt, das Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Ottomotor ohne geregelten Katalysator verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, weil diese Fahrzeuge einen geringeren Beitrag zur Feinstaubbelastung als in der Umweltzone zugelassene Dieselfahrzeuge mit roter bzw. gelber Plakette oder z.B. Diesel-Oldtimer oder Motorräder leisteten, wendet er sich gegen die Rechtmäßigkeit der 35. BImSchV. Wie oben ausgeführt, ist die Einstufung der Fahrzeuge und die Möglichkeit der Kennzeichnung durch Plaketten unmittelbar in dieser Verordnung geregelt (§ 2 Abs. 2 i.V. mit Anhang 2, § 3 der 35. BImSchV). Gleiches gilt für die generellen Ausnahmen von den Verkehrsverboten z.B. bei Motorrädern und bestimmten Oldtimer-Dieselfahrzeugen (§ 2 Abs. 3 i.V. mit Anlage 3 der 35. BImSchV). Für den Fall, dass die 35. BImSchV aus den vom Kläger genannten Gründen nichtig wäre, entfiele aber auch die dort in § 1 Abs. 2 geregelte Möglichkeit der Zulassung von Ausnahmen von dem bereits durch Verkehrszeichen umgesetzten Fahrverbot gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Es verbliebe nur der ersichtlich nicht vorliegende Ausnahmetatbestand in § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, so dass der Kläger auch für diesen Fall keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme hätte. Die Verkehrsbeschränkungen würden zudem auch in diesem Fall für den Kläger gelten. Denn die bereits aufgestellten Verkehrszeichen beinhalten als verbindliche Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen solange ein Fahrverbot für dort nicht gekennzeichnete Ausnahmefälle, bis sie - etwa auf Klage eines anfechtungsberechtigten Verkehrsteilnehmers - entfernt würden (vgl. Jarass a.a.O. § 40 RdNr. 14; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1, Rdnrn. 49 ff. zu § 40 BImSchG; OLG Stuttgart vom 14.2.2001 NZV 2001, 274 m.w.N.; vgl. auch OVG Berlin-Bbg vom 7.5.2008 Az. 11 S 35.08).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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