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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: 22 CE 07.1294
Rechtsgebiete: VwGO, GenTG, BGB, Richtlinie 2001/18/EG (FreisetzungsRL), VO (EG) Nr. 1829/2003


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1
GenTG § 1
GenTG § 3
GenTG § 14
GenTG § 16 b
GenTG § 26
GenTG § 36 a
BGB § 1004
BGB § 906
Richtlinie 2001/18/EG (FreisetzungsRL) Art. 2 Nr. 1
Richtlinie 2001/18/EG (FreisetzungsRL) Art. 2 Nr. 2
VO (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel Art. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CE 07.1294

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anbau von genetisch verändertem Mais (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk als Vorsitzenden, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

ohne mündliche Verhandlung am 21. Juni 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Mai 2007 in Nrn. I und II aufgehoben.

II. Der Antrag wird abgelehnt.

III. Der Antragsteller hat in beiden Rechtszügen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

IV. In Abänderung von Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Mai 2007 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 3.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, Betreiber einer nachhaltigen Liebhaber-Imkerei, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verlust der Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit seiner für die Verwendung als Lebensmittel vorgesehenen Imkereiprodukte infolge des vom Antragsgegner durchgeführten Anbaus von genetisch verändertem Mais der Linie MON 810 zu verhindern.

Der Antragsgegner ist Eigentümer der zum staatlichen Versuchsgut N***** gehörenden Grundstücke FlNrn. 287/1, 288 und 289 der Gemarkung K****** . Die Flächen sind nach dem Standortregister des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als Anbauflächen für genetisch veränderten Mais der Linie MON 810 im Jahre 2007 gemeldet. Der Antragsgegner baut derartigen Mais dort im laufenden Jahr zu Forschungszwecken an.

Der Antragsteller produziert Honig zum Eigenbedarf und Verkauf. Ferner produzierte er bis zum Jahre 2005 Pollen zum Verkauf als Lebensmittel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln; er beabsichtigt die Wiederaufnahme der Pollenproduktion, sobald das Risiko des Eintrags von genetisch verändertem Material nicht mehr besteht. Sein auf dem Grundstück FlNr. 513/3 der Gemarkung B******* baurechtlich genehmigtes Bienenhaus, in dem sich zwölf seiner insgesamt 25 Wirtschaftsvölker aufhalten, ist von den Anbauflächen des Antragsgegners ca. 1.500 bis 2.200 m entfernt.

Die Beigeladene zu 1 ist Inhaberin zweier durch den französischen Landwirtschaftsminister am 3. August 1998 erteilter Genehmigungen für genetisch veränderten Mais der Linie MON 810 bzw. für zwölf Maissaatgutsorten, davon sechs der Linie MON 810. Dieser Erteilung lag die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 22. April 1998 (98/294/EG) zugrunde, wonach die zuständige (französische) Zulassungsbehörde verpflichtet wurde, der Beigeladenen zu 1 das Inverkehrbringen von Inzuchtlinien und Hybriden der Maislinie MON 810 zu genehmigen. Der Beigeladenen zu 2 wurde am 14. Dezember 2005 durch das Bundessortenamt die saatgutverkehrsrechtliche Sortenzulassung für die zur Linie MON 810 gehörende Maissorte DKC 3421 YG erteilt, die auf den Anbauflächen des Antragsgegners angebaut wird. Die Beigeladene zu 3 ist für den Vertrieb des auf der Maislinie MON 810 beruhenden Saatguts in Deutschland zuständig. Mit Bescheid des BVL vom 27. April 2007 wurde das teilweise Ruhen der französischen Inverkehrbringensgenehmigung für MON 810-Saatgut angeordnet; die Rechtmäßigkeit eines zu Forschungszwecken bereits erfolgten Anbaus des Saatguts, wie er vom Antragsgegner durchgeführt wurde, wird durch diesen Bescheid nicht berührt (vgl. Schreiben des BVL vom 7.5.2007, Anlage 18 der Beigeladenen).

Unter dem 28. Februar 2007 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, für das Anbaujahr 2007 geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit insbesondere sein zum Eigenverbrauch und Verkauf dienender Honig infolge des Anbaus von genetisch verändertem Mais der Linie MON 810 nicht seine Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit verliert. Hierzu solle der Antragsgegner entweder das Inverkehrbringen von Maissaatgut der Linie MON 810 untersagen und/oder den Anbau dieses gentechnisch veränderten Maises auf den zum Staatlichen Versuchsgut N***** gehörenden Grundstücken unterlassen oder mit geeigneten Maßnahmen dafür sorgen, dass kein Maispollen von den Bienen des Antragstellers aufgenommen werden kann.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2007 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag (insoweit) statt, als es den Antragsgegner verpflichtete, auf den Grundstücken FlNrn. 287/1, 288, 289 der Gemarkung K******* den Mais der Linie MON 810 vor der Blüte zu ernten oder die Pollensamen dieser Maispflanzen während der Blütezeit mehrfach so abzuschneiden, dass kein Maispollen von den Bienen aufgenommen werden kann.

Hiergegen haben der Antragsgegner und die Beigeladenen Beschwerde eingelegt. Sie beantragen, den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Antrag nach § 123 VwGO abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerden und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Die Beschwerden führen daher unter Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zur Ablehnung des Antrags.

Zweifel des Verwaltungsgerichtshofs an der Zulässigkeit der Beschwerde der Beigeladenen (materielle Beschwer) werden angesichts der Eilbedürftigkeit der Streitsache zurückgestellt, zumal der Antragsteller diesbezügliche Zweifel nicht geäußert hat.

I. In Bezug auf den von ihm hergestellten Honig hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), wobei im Hinblick auf die hier notwendigerweise implizierte Vorwegnahme der Hauptsache gesteigerte Anforderungen zu stellen sind. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das geltend gemachte aufsichtliche Einschreiten des Antragsgegners gegen die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 GenTG als auch im Hinblick auf das direkt gegen den Antragsgegner als "Anbauer" gerichtete Unterlassungsbegehren gemäß § 1004, § 906 BGB analog; in Bezug auf die letztgenannten Ansprüche kann offen bleiben, ob der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO eröffnet ist, weil jedenfalls eine Rechtswegbindung gemäß § 17 a Abs. 5 GVG besteht (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Auflage 2006, § 41 RdNr. 37 m.w.N.).

Dem Regelungssystem des Gentechnikgesetzes ist zu entnehmen, dass Abwehransprüche eines Dritten gegen einen "Anbauer" wie den Antragsgegner, der aufgrund der den Beigeladenen erteilten Inverkehrbringensgenehmigung (vgl. § 14 Abs. 5 GenTG) mangels eigener Freisetzung (vgl. § 3 Nr. 5 GenTG) keiner Genehmigung nach dem Gentechnikgesetz zum Ausbringen des Saatgutes bedarf, unabhängig vom jeweils zulässigen Rechtsweg nur eingeschränkt bestehen. Solche können gegen einen "Anbauer" nur nach Maßgabe der § 16 b, § 36 a GenTG in Betracht kommen. Die Beigeladenen weisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass nach der Wertung des Gesetzgebers Abwehr- und Unterlassungsansprüche von Nachbarn zugunsten eines Ausgleichsanspruchs in Geld (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) ausgeschlossen sein können. Beide Anspruchsgrundlagen, sei es § 26 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 16 b, § 1 GenTG - Drittschutz der Vorsorgepflicht unterstellt -, sei es § 1004, § 906 BGB analog i.V.m. § 36 a GenTG, haben jedenfalls folgende gemeinsame Voraussetzungen: Durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen muss eine wesentliche Beeinträchtigung der jeweils geschützten Rechtsgüter erfolgen (vgl. § 16 b Abs. 1 Satz 1 GenTG bzw. § 36 a Abs. 1 GenTG); der "Anbauer" muss die gute fachliche Praxis i.S. des § 16 b Abs. 2 und 3 GenTG nicht eingehalten haben (vgl. § 16 b Abs. 2 GenTG bzw. § 36 a Abs. 2 GenTG). Die in § 36 a GenTG getroffenen Festlegungen zum Begriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" können dabei auch im Rahmen der Vorsorgepflicht nach § 16 b Abs. 1 GenTG herangezogen werden (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/3088 S. 27). Die genannten Voraussetzungen sind nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

1. Im vorliegenden Eilverfahren kann nicht geklärt werden, ob es sich bei im Honig eingeschlossenen Pollen von Maispflanzen der Linie MON 810 um "gentechnisch veränderte Organismen" (GVO) i.S. des § 3 Nrn. 1 und 3 GenTG bzw. im Sinne von Art. 2 Nrn. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 handelt; letztere nimmt weitgehend Bezug auf die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2001/18/EG (in Folge: Freisetzungsrichtlinie), wobei dort - leicht abgewandelt - von "genetisch veränderten Organismen" die Rede ist. Zwar haben die Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegt, dass es sich aus wissenschaftlicher Sicht bei Organismen in diesem Sinne nur um funktionstüchtige bzw. lebende Einheiten handeln kann, und dass zu dem Zeitpunkt, in dem der Honig verbrauchsfähig ist, die darin enthaltenen Maispollen bereits abgestorben sind (vgl. u.a. wissenschaftliche Stellungnahme von Prof. Dr. **** vom 22.5.2007; Anlage 3 des Antragsgegners). Gleichwohl besagt dieses noch nichts darüber, wie insbesondere der europäische Normgeber den von ihm verwendeten Begriff des "Organismus" verstanden hat. Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass es in rechtlicher Hinsicht beispielsweise auch allein auf die abstrakte, typische Vermehrungs- oder Übertragungsfähigkeit der Spezies ankommen könnte, also auf die autonome individuelle Fähigkeit zur Fortpflanzung zu einem konkreten Zeitpunkt womöglich nicht abgestellt werden darf (Schriftsatz des Antragstellers vom 21.6.2007, S. 16 ff., unter Hinweis auf die Kommentarliteratur). Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass die maßgeblichen europäischen Organe offensichtlich davon ausgehen, dass es sich bei im Honig eingeschlossenen Pollen um GVO handelt. Hierauf weist zu Recht auch der Antragsteller hin (Schriftsatz vom 21.6.2007, S. 49; s. auch unter 2.).

2. Zudem liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine "wesentliche Beeinträchtigung" der durch § 1 Nrn. 1 und 2 GenTG geschützten Rechtsgüter des Antragstellers vor. Insbesondere sind die von ihm befürchteten Auswirkungen, die in § 36 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GenTG beispielhaft als wesentlich bezeichnet werden, nicht gegeben, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass im Honig enthaltene Pollen von Maispflanzen der Linie MON 810 im Rechtssinne GVO sind. Nach den in § 36 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GenTG genannten Fallbeispielen liegt eine wesentliche Beeinträchtigung insbesondere dann vor, wenn ein Erzeugnis wegen seines Eintrags von GVO nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf oder nach den Vorschriften des Gentechnikgesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden darf. Hierauf beruft sich der Antragsteller in erster Linie. Er meint, sein Honig dürfe wegen der in ihm enthaltenen Pollen der Maislinie MON 810 aufgrund Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden, obwohl er nach übereinstimmender Ansicht nur sehr geringfügige Bestandteile davon enthalten kann (Honig enthält Pollen etwa in einer Größenordnung von 0,1 bis 0,5 %; nach dem vom Antragsteller vorgelegten Untersuchungsergebnis waren im Jahre 2005 bei einer Entfernung der Bienenstöcke von damals nur 500 m 4,1 % der insgesamt von seinen Bienen gesammelten Pollen der Maislinie MON 810 zuzuordnen). Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation gefolgt. Es hat den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 als eröffnet gesehen und eine 0 % Schwelle für das Vorhandensein von GVO der Maislinie MON 810 als Voraussetzung für das Inverkehrbringen des Honigs angenommen. Dem kann im Hinblick auf nachvollziehbare Beurteilungen von Organen der Europäischen Gemeinschaft nicht gefolgt werden.

Für das Verständnis der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 kommt den Äußerungen der zu ihrem Vollzug berufenen Organe der Europäischen Gemeinschaft erhebliche Bedeutung zu. Das Zulassungsverfahren aufgrund dieser Verordnung ist ein Verfahren, in dem die maßgeblichen inhaltlichen Entscheidungen auf europäischer Ebene gefällt werden, und zwar grundsätzlich mit Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten (vgl. Art. 7 der Verordnung). Zuständig für die Zulassung als Lebensmittel ist gemäß Art. 7 Abs. 3 i.V. mit Art. 35 der Verordnung die Kommission, die von dem sog. ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit unterstützt wird. Diese Gremien, die u.a. auch zuständig sind bei Streitigkeiten darüber, ob eine Lebensmittelart in den Geltungsbereich der Verordnung fällt (vgl. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung), gehen übereinstimmend davon aus, dass jedenfalls die Zulassungsvorschriften der Art. 3 ff. der Verordnung für Honig, der unbeabsichtigt Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen enthält, nicht gelten. Dafür, dass sich die Beurteilung dieser Gremien nur auf Honig ohne Pollen bzw. auf Honig mit als Lebensmittel zugelassenen Pollen beziehen sollte, wie der Antragsteller meint (Schriftsatz vom 21.6.2007, S. 48 f.), ist nichts ersichtlich. Dem Antragsteller ist einzuräumen, dass die Einschätzung dieser Gremien für die Gerichte nicht bindend ist und außerdem die Begründung hierfür variiert. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Einschätzung gleichwohl für rechtlich nachvollziehbar. Der zuständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit hat diese Beurteilung unter Hinweis auf die Einschätzung in der Sitzung vom 13. Juni 2002 in seiner Sitzung vom 23. Juni 2004 damit begründet, dass Honig ein tierisches Produkt sei und deshalb, wenn er von nicht genetisch veränderten Bienen produziert wird, nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung falle (vgl. Anlage 4 des Antragsgegners). Der Antragsgegner sieht insofern den Erwägungsgrund 16 der Verordnung als maßgebliche Begründung an (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 8.6.2007, S. 6 ff.). Demgegenüber haben der Ausschuss in seiner Sitzung vom 13. Juni 2002 (vgl. Anlage 10 der Beigeladenen, vorgelegt vor dem VG) und die zuständige Kommission selbst unter dem 8. Juni 1998 (vgl. Anlage 19 der Beigeladenen), jeweils in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 258/97 (Novel Food), die durch die Verordnung (EG) 1829/2003 insoweit abgelöst worden ist, das Vorliegen eines neuartigen Lebensmittels deshalb verneint, weil es sich um eine unvermeidbare Verunreinigung in sehr geringer Größenordnung handle, die es auch aus Sicherheitsgründen nicht rechtfertige, solchen Honig vom Markt zu nehmen. Die Beurteilung vom 23. Juni 2004 könnte nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auf den Erwägungsgrund 24 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 gestützt werden (vgl. die Ausführungen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 8.6.2007, S. 8 ff. sowie der Beigeladenen vom 8.6.2007, S. 6 ff.). Jedenfalls dieser Erwägungsgrund, der ersichtlich auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit basiert, lässt mit seinem letzten Satz diese (einschränkende) Auslegung der Verordnung im Hinblick auf Honig mit GVO-Pollen zu; der Eintrag von transgenen Maispollen erfolgt nicht zielgerichtet, ist wegen des nicht kontrollierbaren Flugs der Bienen praktisch unvermeidbar und zudem äußerst gering (i.d.R. knapp über der Nachweisgrenze). Angesichts dessen, dass zum Einen Mais der Linie MON 810 im Rahmen der Erteilung der Inverkehrbringensgenehmigung einer Sicherheitsprüfung unterzogen wurde, die jedenfalls die Ausbringung des Maises (und damit des Pollens) in die Umwelt erlaubt, und zum Anderen für Produkte, die aus MON 810 hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus MON 810 hergestellt werden, eine Zulassung als Lebensmittel gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 besteht - davon ist im Eilverfahren auszugehen (vgl. Anlagen 6 und 7 des Antragsgegners) -, ist diese Auslegung auch unter Sicherheits- und insbesondere Gesundheitsaspekten mit dem Schutzzweck der Verordnung vereinbar. Damit fällt das Inverkehrbringen des Honigs nicht unter das Verbot des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003.

Soweit man Abschnitt 2 dieser Verordnung, der die Kennzeichnung betrifft, hier gleichwohl für anwendbar hielte, wäre eine Kennzeichnung des Honigs gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung nicht erforderlich. Der Anteil der Pollen der Maislinie MON 810 überschreitet nicht den dort festgelegten Schwellenwert für eine Kennzeichnungspflicht von 0,9 %; solange der Imker seine Bienen nicht mit Absicht in die Nähe der Anbauflächen bringt, ist dieser Anteil der Pollen im Honig auch zufällig und technisch nicht zu vermeiden (vgl. Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit vom 23.6.2004; Anlage 4 des Antragsgegners).

Soweit der Antragsteller anführt, es bestehe subsidiär ein Verbot des Inverkehrbringens des Honigs mit GVO-Pollen aufgrund Art. 14 Abs. 2 Buchst. b i.V. mit Abs. 4 bzw. Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Schriftsatz vom 21.6.2007, S. 50 f.), kann dem nicht gefolgt werden. Mit den von den GVO-Pollen ausgehenden Gefahren beschäftigt sich speziell die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, die insoweit als gegenüber dem allgemeinen Lebensmittelrecht speziellere Regelung anzusehen ist. Soweit nach dieser Verordnung ein Inverkehrbringen eines Produkts wegen der Geringfügigkeit der Verunreinigung auch unter Sicherheits- bzw. Gesundheitsaspekten als tolerabel angesehen wird, verbietet sich ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung. Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 regelt, soweit es um die spezifischen Gefahren eines Lebensmittels im Hinblick auf genetische Veränderungen geht, die Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht abschließend. Dieses Ergebnis wird auch durch Art. 4 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 gestützt.

Soweit der Antragsteller eine wesentliche Beeinträchtigung unabhängig von Zulassungs- oder Kennzeichnungspflichten darin erblickt, dass er seinen Honig nicht mehr absetzen kann, da der Markt äußerst sensibel auf einen möglichen Eintrag von genetisch verändertem Material reagiere (vgl. z.B. Schriftsatz vom 21.6.2007, S. 10, 51), kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Zwar ist die Aufzählung der "wesentlichen Beeinträchtigungen" in § 36 a Abs. 1 GenTG nicht abschließend, es handelt sich nur um Fallbeispiele. Erforderlich ist jedoch, dass die geltend gemachten Beeinträchtigungen den in der Norm genannten Fallbeispielen gleichwertig sein müssen. Die geltend gemachten Absatzschwierigkeiten aufgrund subjektiver Erwartungen der Verbraucher sind im konkreten Einzelfall nur schwer objektivierbar. Sie sind daher nicht den objektiv beeinträchtigenden Fallbeispielen des § 36 a Abs. 1 GenTG gleichwertig. Abgesehen davon sind sie im Fall des Antragstellers nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

3. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner als "Anbauer" seine Pflichten gemäß § 16 b Abs. 1 GenTG verletzt hätte. Es ist nicht hinreichend dargetan, dass er beim Anbau der Pflanzen nicht die gute fachliche Praxis i.S. von § 16 b Abs. 2 und 3 GenTG eingehalten hätte. Die Grundsätze der guten fachlichen Praxis sind gesetzlich nicht abschließend festgelegt. Eine diesbezügliche Rechtsverordnung gemäß § 16 b Abs. 6 GenTG hat die Bundesregierung noch nicht erlassen. Der bisher vorliegende Verordnungsentwurf, Stand 5.4.2007 (Anlage 36 des Antragstellers, vorgelegt vor dem VG), sowie die Empfehlungen der Kommission vom 23. Juli 2003 (2003/556/EG; Anlage 33 des Antragstellers, vorgelegt vor dem VG) geben in Bezug auf die Einhaltung der guten fachlichen Praxis gegenüber Imkern nichts her. Gemäß § 16 b Abs. 3 Nr. 1 GenTG gehören zur guten fachlichen Praxis beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen insbesondere Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke bei Aussaat und Ernte zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen und in Wildpflanzen benachbarter Flächen zu vermeiden, insbesondere durch Mindestabstände, Sortenwahl, Durchwuchsbekämpfung oder Nutzung von natürlichen Pollenbarrieren. Aufgrund des Umstands, dass nach öffentlich bekannt gemachten wiederholten Äußerungen der für die Lebensmittelzulassung zuständigen europäischen Vollzugsbehörden und nachfolgend der für das Gentechnikgesetz zuständigen nationalen Vollzugsbehörden Imkereibetriebe durch den Anbau der Maislinie MON 810 nicht wesentlich beeinträchtigt werden, nachdem sie Beschränkungen beim Inverkehrbringen des Honigs nicht zu befürchten haben, erscheint es bereits fraglich, ob von einer Nichteinhaltung der guten fachlichen Praxis gesprochen werden könnte, wenn der Abstand des Maisanbaus des Antragsgegners zum Imkereibetrieb des Antragstellers geringer wäre, als er tatsächlich ist. Als allgemeine Mindestabstände wurden bisher 150 bis 300 m diskutiert. Jedenfalls bei dem hier vorliegenden Abstand von ca. 1,5 bis 2 km zum Imkereibetrieb des Antragstellers sowie aufgrund des Umstands, dass zwischen dem Betrieb und den Anbauflächen der Ort K******* liegt, der auch für die Bienen eine Art natürlicher Barriere darstellt, ist die gute fachliche Praxis eingehalten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass nach den Untersuchungen von 2005, denen Pollenproben zugrunde lagen, die von Bienen gesammelt wurden, deren Stöcke der Antragsteller in ca. 500 m Entfernung von Anbauflächen aufgestellt hatte, der Anteil der MON 810-DNA in Relation zur Gesamt-Mais-DNA der Probe nur 4,1 % betrug. Aufgrund der nunmehrigen zumindest dreifachen Entfernung und der Ortschaft K******* als Barriere dürfte wohl von einem weit geringeren Anteil von Maispollen der Linie MON 810 auszugehen sein. Da der Anflug von Bienen durch einen "Anbauer" letztlich niemals gänzlich vermieden werden kann, erscheint jedenfalls bei der gegebenen Sachlage die Nichteinhaltung der guten fachlichen Praxis nicht hinreichend dargetan. Entgegen der Ansicht des Antragstellers (vgl. Schriftsatz vom 21.6.2007, S. 53 ff.) trifft den "Anbauer" vorliegend auch nicht deshalb eine gesteigerte Vorsorgepflicht, weil der Pollen der Maislinie MON 810 selbst nicht als Lebensmittel zugelassen ist. Denn schon durch die gentechnikrechtlich überprüfte Zulassung der Freisetzung von Mais der Linie MON 810 in die Umwelt wird in Kauf genommen, dass GVO-Pollen in geringen Spuren in den Menschen gelangen können. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch den Verzehr von Honig mit Spuren von GVO-Pollen dieses Maises qualitativ andere oder größere Gefahren entstehen könnten.

II. Soweit Pollen selbst als Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels verkauft werden sollen, erscheint der Schaden für den Antragsteller bei einem Verzicht hierauf als so geringfügig, dass für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz bereits kein Anordnungsgrund besteht. Der Antragsteller muss eine solche Beeinträchtigung im Rahmen einer hier vorzunehmenden Interessenabwägung bis zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen in einem Hauptsacheverfahren vorläufig hinnehmen. Die Abwehr dieses geringfügigen Schadens rechtfertigt nicht die hohen Kosten des Antragsgegners für das Abschneiden der Blüten sowie den Misserfolg der durchgeführten Forschungen.

Mangels Glaubhaftmachung eines hinreichenden Anordnungsanspruchs bzw. Anordnungsgrunds war den Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO stattzugeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 63 Abs. 3 GKG; das Interesse des Antragstellers bemisst sich nach dem von ihm geltend gemachten Schaden. Die übliche Halbierung in Anlehnung an Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 wird im Hinblick auf die hier notwendigerweise implizierte Vorwegnahme der Hauptsache nicht vorgenommen.

Ende der Entscheidung

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