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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.11.2009
Aktenzeichen: 22 CE 09.1560
Rechtsgebiete: VwGO, BGB, WHG


Vorschriften:

VwGO § 123
BGB § 906
BGB § 1004
WHG § 2
WHG § 3
WHG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CE 09.1560

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Unterlassung der Errichtung von Querbauwerken in einem Gewässer (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Juni 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung

am 23. November 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen Bauarbeiten, die die Antragsgegnerin ohne Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens am Fallgraben im Bereich eines zerstörten Biberdamms weiterführen will.

Der Antragsteller ist Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke beidseits des Fallgrabens im Bereich des Oberföhringer Mooses. Im Fallgraben, einem Gewässer dritter Ordnung, hatte ein Biber im Jahre 1991 auf Höhe des Grundstücks FlNr. **** der Gemarkung I******* einen Damm errichtet, wodurch der Fallgraben ca. 80 cm aufgestaut wurde. Aufgrund der dadurch bewirkten Vernässung der anliegenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke entwickelten sich im Oberföhringer Moos im Lauf der Jahre naturschutzrechtlich bedeutsame Flächen. Große Teile des Oberföhringer Mooses sind geschützte Feuchtgebiete nach Art. 13 d BayNatSchG. Das Oberföhringer Moos ist als FFH-Gebiet "Gräben und Niedermoorreste im Erdinger Moos" gemeldet und mit der Entscheidung der Kommission vom 13. November 2007 als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gelistet (ABl. L 12 vom 15.1.2008, S. 383 ff./581). Im Arten- und Biotopschutzprogramm des StMUG (1997) wird das Oberföhringer Moos auch aufgrund seiner außerordentlichen faunistischen Artenausstattung als landesweit bedeutsam eingestuft.

Im Januar 2009 wurde der bis dahin vorhandene Biberdamm von Unbekannten beseitigt. Da aufgrund des fehlenden Aufstaus des Fallgrabens Teile des Oberföhringer Mooses trocken zu fallen drohten, forderte das Landratsamt München die Antragsgegnerin als Eigentümerin des Fallgrabens mit Schreiben vom 2. März 2009 auf, den Damm wieder zu schließen. Hinsichtlich der diesbezüglich von der Antragsgegnerin am 12. März 2009 begonnenen Maßnahmen beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München die Anordnung eines Baustopps.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (Beschluss vom 23.6.2009).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern. Die beantragte Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) kann nicht erlassen werden.

Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs analog § 906, § 1004 BGB wegen Vernässung seiner Grundstücke - nicht glaubhaft gemacht. Zudem fehlt es auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).

1. Bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass ein wasserrechtliches Verfahren - sei es nach § 2 i.V.m. § 3 WHG oder nach § 31 WHG - für die Wiedererrichtung des Damms nicht erforderlich ist. Die Baumaßnahmen dienen der Wiederherstellung des vorher bestehenden Zustands des Gewässers, der in rechtswidriger Weise verändert worden ist, und sind rechtmäßig. Demgemäß fehlt es bereits an dem für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nötigen Tatbestandsmerkmal der materiellen Rechtswidrigkeit des abzuwehrenden Handelns.

Dem Vortrag des Antragstellers, der Biberdamm sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Behörden nicht von Menschenhand, sondern durch Naturereignisse (Winterfrost) zerstört worden, kann nicht gefolgt werden. Er ist durch den Akteninhalt widerlegt. Wie die in den Akten befindlichen Bildaufnahmen und die Stellungnahme des Biberbeauftragen für Südbayern, des Wildbiologen ******, belegen, war der seit 1991 bestehende Biberdamm von den Wurzeln der daneben gewachsenen Gehölze durchwachsen und stabilisiert. Bei einem natürlichen Brechen des Damms würden wesentliche Teile dieses stützenden Astmaterials noch in den Abflussbereich hineinragen und die Ränder des verbliebenen Dammrestes wären unregelmäßiger. Die auf den Bildaufnahmen sichtbaren scharf abgekanteten Seitenränder des verbliebenen Dammrestes bestätigen, dass die Beseitigung des Damms nicht durch Frost oder Abschwemmung, sondern nur mechanisch von menschlicher Hand (mit Geräten) erfolgt sein kann. Auch an den Ästen, die Schrammstellen aufweisen, ist erkennbar, dass die Äste, etwa mit einem Spaten, abgestochen worden sind.

Die Beseitigung des Biberdamms von Menschenhand war rechtswidrig. Sie hätte einer wasserrechtlichen Gestattung bedurft. Denn nach der bestehenden Sachlage ist davon auszugehen, dass der Fallgraben durch den fast zwei Jahrzehnte bestehenden Biberdamm auf natürliche Weise seine Gestalt und seine Abflussverhältnisse verändert hatte, und zwar dauerhaft und nicht etwa nur zeitweise (vgl. BayVGH vom 14.7.1999 NuR 1999, 585); dies zeigt sich auch an dem Entstehen der naturschutzrechtlich geschützten Feuchtgebiete im Oberföhringer Moos. Diese über fast zwei Jahrzehnte andauernde Verfestigung eines tatsächlichen Zustands des Gewässers führt dazu, dass der ursprüngliche (natürliche) Zustand - Fallgraben ohne Aufstau durch einen (Biber-)Damm - trotz der relativ kurzen Zeiträume als obsolet anzusehen ist (vgl. BVerwG vom 5.12.2001 BVerwGE 115, 294; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, RdNr. 18 zu § 31). Insoweit war die Beseitigung des Biberdamms eine rechtswidrige Veränderung des Gewässers, die im Hinblick auf die naturschutzrechtlichen Eingriffe (Trockenfallen von Teilen der Feuchtgebiete im Oberföhringer Moos) nicht (nachträglich) gestattungsfähig ist (Art. 13 d BayNatSchG). Die Wiedererrichtung des in rechtswidriger Weise beseitigten (Biber-)Damms stellt sich demgegenüber als Wiederherstellung des (maßgeblichen) ursprünglichen Zustands des Gewässers dar und bedarf, soweit - wie vorliegend - ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der vorausgegangenen Veränderung des Gewässersystems besteht, keiner wasserrechtlichen Gestattung (vgl. BVerwG vom 5.12.2001, a.a.O.; BayVGH vom 23.7.1976 BayVBl 1977, 86 m.w.N.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, RdNr. 961). Nichts anderes kann gelten, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands - wie hier - vom Gewässereigentümer als Zustandsstörer durchgeführt werden soll, um eine Anordnung gemäß Art. 68 Abs. 3 BayWG zu vermeiden.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Wiedererrichtung des Damms nicht in der völlig gleichen Weise wie bisher erfolgen kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ausführungsart eines Damms anders ist, je nachdem, ob er von einem Biber oder von Menschenhand errichtet wird. Die Ausführung des Damms durch die Antragsgegnerin unterscheidet sich in ihrer Art (Holz und Lehm) naturgemäß von der des bisherigen Biberdamms. Diese andere Ausführungsart wird sicher das äußere Bild des Gewässers etwas verändern; die Unterschiede in der äußerlichen Gestaltung erscheinen aber, da unabdingbar, bei der gegebenen Fallgestaltung nicht als so wesentlich, dass sie zu einer Gestattungspflicht führen müssten (vgl. Sieder/Zeitler/ Dahme/Knopp, a.a.O., RdNr. 18 zu § 31). Entscheidend sind hier die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, also dass der Damm in seiner Funktion - der Regelung der Abflussverhältnisse - dem früheren Querbauwerk entspricht (vgl. BVerwG vom 5.12.2001, a.a.O.; vom 27.10.2000 ZfW 2001, 176). Die wesentliche Übereinstimmung des neu zu errichtenden Bauwerks mit dem früheren Bauwerk wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass - wie der Antragsteller meint - zu befürchten wäre, der Damm könnte nicht an gleicher Stelle oder in gleicher Höhe errichtet werden. Insoweit handelt es sich um bloße Mutmaßungen ohne jegliche Tatsachengrundlage. Das Landratsamt hat von der Antragsgegnerin im Schreiben vom 2. März 2009 die Wiederherstellung des ursprünglichen, seit 1991 bestehenden Zustands unter enger Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt München und dem Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde gefordert. Das Interesse der Antragsgegnerin besteht insoweit ausschließlich in der Herstellung des ursprünglichen Zustands des Damms mit dem Ziel, ein Trockenfallen der umliegenden Feuchtgebiete im Oberföhringer Moos zu verhindern. Es ist auch nicht ansatzweise erkennbar, aus welchen Gründen sie den Damm nicht an gleicher Stelle und in gleicher Höhe errichten sollte. Den Akten, insbesondere den vorgelegten Bildern, ist auch zu entnehmen, dass der frühere Zustand in der Natur noch feststellbar ist, jedenfalls was die Situierung des Damms und dessen Höhe betrifft. Bei dieser Sachlage bestehen für den Verwaltungsgerichtshof ebenso wie für das Verwaltungsgericht keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Damm an gleicher Stelle und in gleicher Höhe errichtet werden wird, zumal die Untere Naturschutzbehörde und das Wasserwirtschaftsamt die Baumaßnahmen überwachen werden.

2. Der Antragsteller hat auch nicht die Gefahr glaubhaft gemacht, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verwirklichung seines Eigentumsrechts wesentlich erschwert werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass die Abflussverhältnisse nach der Wiedererrichtung des Damms wieder so sein werden, wie sie seit zwei Jahrzehnten bestanden haben, und deshalb die Grundstücke des Antragstellers in Zukunft nicht stärker als bisher vernässt werden. Die bisherigen Abflussverhältnisse hat der Antragsteller fast zwei Jahrzehnte lang hingenommen, ohne dagegen vorzugehen. Es ist kein Grund dafür erkennbar, dass es ihm nicht zumutbar sein könnte, diese seit langem bestehenden Abflussverhältnisse jedenfalls bis zum Abschluss eines eventuellen Hauptsacheverfahrens weiter hinzunehmen. Aufgrund der Ausführung des Damms mit Holz und Lehm ist auch davon auszugehen, dass aus technischer Sicht die Wiederherstellung des Zustands, wie er nach der Beseitigung des Biberdamms bestanden hat, wieder machbar wäre. Damit werden bei Durchführung der Baumaßnahmen keine vollendeten Tatsachen geschaffen, die die Hauptsache vorwegnehmen würden (vgl. hierzu Eyermann/Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 66 a zu § 123 m.w.N.).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG; mangels anderer Anhaltspunkte zum wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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