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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 22 CS 06.2884
Rechtsgebiete: BayEG, BayWG, WHG


Vorschriften:

BayEG Art. 3 Abs. 1
BayEG Art. 3 Abs. 2 Nr. 1
BayEG Art. 39 Abs. 1
BayWG Art. 41 b Abs. 1
BayWG Art. 41 b Abs. 2
WHG § 18 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 06.2884

In der Verwaltungsstreitsache

wegen vorzeitiger Besitzeinweisung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. Oktober 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch

ohne mündliche Verhandlung am 24. November 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 750 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausführung der streitgegenständlichen Kanalbaumaßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 BayEG). Die Erforderlichkeit des Kanals kann nicht durch den Hinweis der Antragsteller auf die Möglichkeit privater Kleinkläranlagen in Frage gestellt werden.

Zwar kann nach § 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen dem Wohl der Allgemeinheit entsprechen. Durch diese Regelung soll den Gemeinden mehr Spielraum für die Optimierung ihres Entsorgungskonzepts eröffnet werden, weil dezentrale Entsorgungseinrichtungen kostensparender als zentrale Systeme mit langen Kanalnetzen sein können und die umweltrechtlichen Anforderungen ebenfalls zu erfüllen vermögen (vgl. BVerwG vom 19.12.1997, NVwZ 1998, 1080). Die Vorschrift mag damit zwar die rechtlichen Möglichkeiten dafür schaffen, in gewissen gemeindlichen Gebieten, zum Beispiel wegen der Siedlungsstruktur, auf die Einrichtung einer Kanalisation zu verzichten (vgl. Art. 41 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayWG). Sie hindert aber die Gemeinden nicht, ihrer gemäß Art. 41 b Abs. 1 Satz 1 BayWG bestehenden umfassenden Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung für die sonstigen gemeindlichen Gebiete entsprechend einem gemeindlichen Abwasserentsorgungskonzept regelmäßig mit einer zentralen Abwasseranlage nachzukommen (vgl. auch Nrn. 4.1 und 4.2 der Richtlinien für Zuwendungen zu Kleinkläranlagen vom 18.10.2006, AllMBl 2006, 399), ohne dass es darauf ankommt, ob private Kleinkläranlagen gegenüber einer zentralen Abwasserentsorgungseinrichtung grundsätzlich die Grundwasser gefährdendere Art der Abwasserentsorgung darstellen oder ob sie im Hinblick auf die für sie eingeführten technischen Regeln nach Art. 41 e BayWG als gleichwertig zu beurteilen sind (vgl. dazu Drost, Das Wasserrecht in Bayern, RdNr. 7 zu § 18 a WHG). Es genügt, wenn die zentrale Abwasserentsorgung für das jeweilige Gebiet die vernünftigere Lösung darstellt. Die Erforderlichkeit eines Vorhabens im Sinne des Art. 3 Abs. 1 BayEG ist nicht erst bei einer "Unausweichlichkeit" gegeben, sondern bereits dann, wenn es "vernünftigerweise geboten ist" (vgl. BayVGH vom 10.4.1984, BayVBl 1984, 627).

Nach diesem Maßstab ist die Entscheidung der Beigeladenen in ihrem Abwasserentsorgungskonzept für eine Kanalisation der Ortsteile Rabling, Bach und Buchreit rechtlich nicht zu beanstanden. Übermäßige Kosten entstehen dadurch nach den dem Konzept zugrunde liegenden Kostenvergleichen bei diesen Ortsteilen - im Gegensatz zu anderen Ortsteilen - nicht (vgl. § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser vom 23.8.1992, GVBl S. 402). Nicht außer Betracht bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass bei den privaten Kleinkläranlagen für jeden Standort gesondert untersucht werden muss, ob die jeweilige Anlage den Anforderungen nach § 18 b WHG und Art. 41 e BayWG entspricht und ob unter Berücksichtigung der jeweiligen hydrogeologischen Situation eine (beschränkte) Erlaubnis für das Einleiten von Hausabwasser in ein Gewässer erteilt werden kann (vgl. Art. 17 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayWG; siehe auch die baufachliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts Traunstein vom 15.7.2005). Es liegt zudem auf der Hand, dass die Überwachung solcher Anlagen größere Schwierigkeiten aufwirft als bei zentralen Anlagen (vgl. OVG Lüneburg vom 21.3.2002, ZfW 2002, 251). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch den streitgegenständlichen Abwasserkanal auch die Entsorgungssituation des Ortsteils Thundorf wesentlich verbessert wird.

Soweit die Antragsteller einen Abwägungsfehler in Bezug auf die Nichtinanspruchnahme des Nachbargrundstücks Fl.Nr. 1405 der Gemarkung Straß rügen, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die den Antragstellern durch die Verwirklichung des Abwasserkanals parallel zu der bereits bestehenden Trasse des Regenwasserkanals zugemuteten Beeinträchtigungen qualitativ schwerer wiegen als die dem Nachbarn drohenden Nachteile bei einer Verlegung durch sein Grundstück. Wie bereits dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Enteignungsbehörde am 24. April 2006 entnommen werden kann, wurde die Frage der Verlegung des Stichs nach Thundorf ausschließlich auf dem Grundstück Fl.Nr. 1405 der Gemarkung Straß zwischen der Beigeladenen und dem Grundstückseigentümer nicht näher diskutiert, weil dieser nicht "mehrheitlich" (also nicht in größerem Ausmaß als die Antragsteller) belastet werden wollte. Selbst wenn dieser entsprechend dem Beschwerdevorbringen der Antragsteller davon ausgegangen sein sollte, dass die Leitung direkt auf der Grenze zwischen seinem Grundstück und dem der Antragsteller verlegt werden sollte, lässt sich daraus aber nicht sein Einverständnis mit einer Verlegung der Leitung ausschließlich auf seinem Grundstück ableiten. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gibt einem Betroffenen nicht ohne weiteres das Recht, die Behörde auf die Zwangsbelastung des Grundstückseigentums Dritter zu verweisen (BayVGH vom 2.7.1980, BayVBl 1981, 18/19).

Die Besitzeinweisung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beigeladene sich nicht nachweislich ernsthaft bemüht hätte, die beanspruchte Fläche zu angemessenen Bedingungen freihändig zu erwerben (Art. 39 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 BayEG). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Beigeladene den Antragstellern ausweislich der Verwaltungsakten angeboten, eine angemessene Dienstbarkeitsentschädigung auf der Grundlage eines Gutachtens des Bayerischen Bauernverbands zu leisten. Die Erfüllung des Verhandlungsgebots erfordert nicht, dass bereits dem Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung ein konkreter Entschädigungsvorschlag beigefügt ist; es genügt, wenn der Nachweis über die Erfüllung dieser Verpflichtung bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Enteignungsbehörde erbracht wird (vgl. Molodowsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, RdNr. 4.2.3 zu Art. 3 BayEG).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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