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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 22 M 08.2406
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 165
VwGO § 162 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 M 08.2406

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Wasserschutzgebietsverordnung;

hier: Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2008;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 24. September 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2008 wird geändert und erhält folgende Fassung:

Die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers werden auf 11.220,68 € festgesetzt. Davon hat der Antragsgegner 3/5, also 6.732,41 € an den Antragsteller zu entrichten. Dieser Betrag ist ab dem 18. April 2008 mit 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz zu verzinsen.

II. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Antragsgegner.

III. Der Streitwert für das Erinnerungsverfahren wird auf 5.100,12 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wandte sich mit einem Normenkontrollantrag gegen die Gültigkeit einer Wasserschutzgebietsverordnung des Landratsamts Dillingen an der Donau vom 9. September 2005. Hierzu legte er u.a. eine von ihm in Auftrag gegebene hydrogeologische Stellungnahme von Dipl.-Geol. *** **** vom 30. November 2007 vor, welche sich mit den fachlichen Voraussetzungen für die Ausweisung des Wasserschutzgebiets sowie den Verboten und Beschränkungen der angegriffenen Verordnung auseinandersetzte.

In der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2008 schlossen die Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Die Kosten des Rechtsstreits legte das Gericht zu 2/5 dem Antragsteller und zu 3/5 dem Antragsgegner auf.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 15. April 2008 machte der Antragsteller seine Anwaltskosten, die vorausbezahlten Gerichtskosten sowie Kosten des im Streitverfahren vom Antragsteller beauftragten Sachverständigen als notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geltend. Hierzu wurden fünf verschiedene detaillierte Rechnungen des Dipl.-Geol. *** **** vom 16. Dezember 2005, 18. Dezember 2006, 7. April 2007, 7. Dezember 2007 und 7. April 2008 über einen Gesamtbetrag von 8.500,20 € vorgelegt.

Der Antragsgegner hielt mit Schreiben vom 11. Juni 2008 die geltend gemachten Gutachterkosten für nicht erstattungsfähig.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Betrag der notwendigen Aufwendungen auf 2.720,48 € fest, wovon der Antragsgegner 3/5, also 1.632,29 € verzinslich an den Antragsteller zu entrichten habe.

Die Kosten des Privatgutachtens könnten nicht erstattet werden, da es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen sei. Dies wird unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. November 1996 Az. 22 A 94.40014 weiter ausgeführt.

Der Antragsteller hat wegen der abgelehnten Gutachterkosten fristgerecht die Entscheidung des Gerichts beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Auch die geltend gemachten Gutachterkosten sind notwendige Aufwendungen und gemäß der getroffenen Kostenteilungsregelung festzusetzen.

Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind - neben den Gerichtskosten - die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig und damit auf Antrag gemäß § 164 VwGO festzusetzen. Zu Aufwendungen für Privatgutachten hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. November 1996 Az. 22 A 94.40014 grundsätzliche Ausführungen gemacht und sie nur ausnahmsweise und unter eng zu begrenzenden Voraussetzungen als erstattungsfähig angesehen (so auch BayVGH vom 18.4.1996 NVwZ-RR 1997, 499; BVerwG vom 11.4.2001 NVwZ 2001, 919).

Die Kosten für ein Privatgutachten sind in der Regel nur dann erstattungsfähig, wenn sich dieses mit einer entscheidungserheblichen und schwierigen Fachfrage befasst, zu der auch eine rechtlich beratene und vertretene Partei nicht genügend sachkundig Stellung nehmen kann. Zudem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen; die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, sein Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (BayVGH vom 18.4.1996 a.a.O.; BVerwG vom 11.4.2001, a.a.O.).

Insbesondere wasserrechtliche Streitigkeiten sind dabei dadurch gekennzeichnet, dass von staatlicher Seite in der Regel eine fachliche Stellungnahme des zuständigen Wasserwirtschaftsamts vorliegt. Angesichts der fachlichen Autorität der Wasserwirtschaftsämter als wasserwirtschaftlicher Fachbehörden (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayWG) kommt deren Gutachten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besonderes Gewicht zu. Die Gegenpartei kann nicht damit rechnen, mit schlichtem Bestreiten oder bloßen Behauptungen die Einschätzungen des Wasserwirtschaftsamts widerlegen zu können (vgl. BayVGH vom 26.7.2000 Az. 22 C 00.1767). Zur Substantiierung seines Gegenvorbringens ist ein Kläger oder Antragsteller vielfach nicht selbst in der Lage, weil ihm die besonderen Kenntnisse der staatlichen Seite fehlen. Gründe der Waffen- oder Chancengleichheit lassen die Einholung privater Sachverständigengutachten in begrenztem Umfang als nötig erscheinen, wobei weiterhin grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist (BayVGH vom 26.7.2000 a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass im Verfahren zum Erlass der Wasserschutzgebietsverordnung bereits umfangreiche wasserwirtschaftliche Gutachten von Seiten des beigeladenen Zweckverbands vorgelegt worden waren, die die Erforderlichkeit des Schutzgebiets für dessen Brunnen darlegten. Diese Fachgutachten waren jeweils vom zuständigen Wasserwirtschaftsamt überprüft und aufgrund dessen fachlicher Beurteilung überarbeitet und aktualisiert worden. Dabei waren die zugrunde zu legenden hydrogeologischen Parameter wie Bodenschichtung und -qualität, Grundwasserstände und -strömung, Grundwasserneubildungsrate, -chemie und -alter zu ermitteln bzw. zu überprüfen, aus diesen Parametern dann Modellrechnungen zum Grundwasserzustrombereich in Abgleich mit den tatsächlich festgestellten Grundwasserständen zu ermitteln, hieraus dann das Einzugsgebiet abzuleiten, sowie Gefährdungspotentiale in Abhängigkeit von der Geomorphologie zu ermitteln, aufgrund derer letztlich die Schutzgebietsgrenzen und die jeweiligen Nutzungsbeschränkungen herzuleiten waren. Eine fundierte Auseinandersetzung hiermit war weder dem Antragsteller noch seinem Bevollmächtigten möglich und zumutbar, so dass der Antragsteller zu Recht für die fachliche Bewertung den Sachverständigen für die Erkundung und Beurteilung von Wasservorkommen unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit beauftragen durfte.

Auch von der Prozesssituation her war das Gutachten für den Antragsteller erforderlich und auf das weitere Verfahren bzw. den Normenkontrollantrag hin zugeschnitten. Der Antragsteller hatte nach Inkrafttreten der Wasserschutzgebietsverordnung vom 9. September 2005 den Sachverständigen *** **** zur Vorbereitung des Normenkontrollantrags im Dezember 2005 mit der Erarbeitung einer Stellungnahme beauftragt. Der Gutachter wurde in der Folge noch mehrmals tätig, was sich aus den verschiedenen vorgelegten Rechnungen ergibt. Die gutachtlichen Ermittlungen mündeten letztlich in die zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dem Gericht vorgelegte hydrogeologische Stellungnahme vom 30. November 2007.

Die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens wie auch die Beiziehung des Gutachters zur mündlichen Verhandlung waren damit sowohl von der sachlichfachlichen Aufgabenstellung aufgrund der Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts wie auch aus der prozessualen Situation heraus als fachspezifische Äußerung gegen die angegriffene Wasserschutzgebietsverordnung gerechtfertigt. Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit der geltend gemachten Kosten sind nicht ersichtlich, gegen die Höhe der Kosten für die vorgelegte Stellungnahme und der hierzu erforderlichen Vorarbeiten bestehen keine Bedenken. Insbesondere die zugrunde gelegten Kostensätze von 70 €/Stunde bewegen sich im Rahmen des - nicht unmittelbar anwendbaren - Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (vgl. § 9 Abs. 1 JVEG). Grundsätzlich sind der obsiegenden Partei die Kosten eines zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Privatgutachtens in voller Höhe zu ersetzen, da es in aller Regel unbillig wäre, eine Partei trotz ihres Obsiegens (bzw. teilweisen Obsiegens) mit für sie unvermeidbaren Kosten zu belasten (BayVGH vom 18.4.1996 a.a.O.).

Ob verlangt werden kann, dass das Privatgutachten Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts hatte, kann offen bleiben. Vorliegend kam es aufgrund des Vergleichs der Beteiligten zu keiner Hauptsacheentscheidung, jedoch zeigt die Begründung der nach billigem Ermessen des Gerichts getroffenen Kostenentscheidung mit einer Kostenteilung von 3/5 : 2/5 zu Gunsten des Antragstellers im Beschluss vom 4. April 2008, dass das Gericht den fachlichen Vortrag der Antragstellerseite berücksichtigte.

Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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