Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.11.2008
Aktenzeichen: 22 N 05.332
Rechtsgebiete: BayWG, LStVG


Vorschriften:

BayWG Art. 85 Abs. 1
LStVG Art. 51 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 N 05.332 22 N 05.3310

In der Normenkontrollsache

wegen Wasserschutzgebietsverordnung;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. November 2008

am 28. November 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Verordnung des Landratsamts *************, Karlstadt, über das Wasserschutzgebiet in der Stadt L*** ** **** (Landkreis *************) für die öffentliche Wasserversorgung der Mitglieder des Zweckverbands Fernwasserversorgung ********** (***) mit dem Sitz in Würzburg für die Brunnengalerie R************* und der Stadt L*** ** **** für den Stadtteil W****** vom 10. März 2004, bekannt gemacht im Amtsblatt des Landratsamts und Landkreises ************* vom 22. März 2004, wird für unwirksam erklärt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens ist die Verordnung des Landratsamts ************* vom 10. März 2004 über das Wasserschutzgebiet in der Stadt L*** ** **** (Landkreis *************) für die öffentliche Wasserversorgung der Mitglieder des Zweckverbands Fernwasserversorgung ********** (***) mit dem Sitz in Würzburg für die Brunnengalerie R************* und der Stadt L*** ** **** für den Stadtteil W****** (ab hier: Verordnung). Die Verordnung wurde im Amtsblatt des Landratsamts und Landkreises ************* vom 22. März 2004 bekannt gemacht und ist nach ihrem § 11 am 23. März 2004 in Kraft getreten. Die Verordnung ersetzt die frühere Wasserschutzgebietsverordnung vom 17. Januar 1980.

Die Verordnung bezweckt den Schutz von drei Brunnen (1, 2 und 3) auf den Grundstücken FlNrn. 2188, 2221 und 2236 der Gemarkung R********, der sog. Brunnengalerie R*************, für die öffentliche Trinkwasserversorgung im Verbandsgebiet des Beigeladenen sowie des Brunnens W****** auf dem Grundstück FlNr. 1554 der Gemarkung W****** für die öffentliche Trinkwasserversorgung des Ortsteils W****** der Antragstellerin zu 1. Die Brunnen 1 bis 3 wurden 1978 gebaut und sind seitdem in Betrieb. Für die Entnahme von Grundwasser wurde dem Beigeladenen für diese Brunnen der Brunnengalerie R************* eine wasserrechtliche befristete Bewilligung mit Bescheid vom 18. August 2004 für eine Entnahmemenge von max. 36,5 l/s und 850.000 m³/a erteilt; diese Bewilligung ersetzt eine mit Bescheid vom 16. August 1979 erteilte frühere wasserrechtliche Bewilligung für die Entnahme von max. 80 l/s und 1,3 Mio. m³/a. Für die Entnahme von Grundwasser aus dem Brunnen W****** besteht für die Antragstellerin zu 1 eine wasserrechtliche befristete gehobene Erlaubnis vom 16. Februar 1994 für eine Entnahmemenge von 6,4 l/s bzw. 60.000 m³/a. Gegenüber dem früheren Wasserschutzgebiet wurden sowohl die engere als auch die weitere Schutzzone deutlich vergrößert; die weitere Schutzzone umfasst bebaute Bereiche im Ortsteil W****** der Antragstellerin zu 1.

Das Wasserschutzgebiet besteht aus vier Fassungsbereichen sowie einer engeren und weiteren Schutzzone. Nach § 1 Satz 1 der Verordnung liegt das in § 2 näher umschriebene Schutzgebiet im Stadtgebiet der Antragstellerin zu 1 (Gemarkungen L***, R******** und W******). Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung ergeben sich die Grenzen des Schutzgebiets und der einzelnen Schutzzonen aus einem Lageplan im Maßstab 1:2500 vom 5. Juli 2000/14. Juli 2000. Dieser Lageplan ist im Landratsamt ************* und im Rathaus der Antragstellerin zu 1 niedergelegt; er kann dort während der Dienststunden eingesehen werden.

Die Antragstellerin zu 1, in deren Stadtgebiet das Wasserschutzgebiet liegt, ist Eigentümerin einer Vielzahl von Grundstücken in der engeren und weiteren Schutzzone.

Der Antragsteller zu 2 ist Eigentümer umfangreicher forstwirtschaftlicher Grundstücke in der engeren und weiteren Schutzzone (29,54 ha Nadelwaldflächen und 8,87 ha Laubwaldflächen).

Die Antragstellerin zu 3 ist Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs mit insgesamt 17,62 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche, von denen 11,85 ha im Wasserschutzgebiet (engerer und weiterer Schutzzone) liegen.

Der Antragsteller zu 4 ist Eigentümer von zum Teil bebauten Grundstücken in der weiteren Schutzzone im Ortsteil W****** der Antragstellerin zu 1.

Die Antragsteller beantragen beim Verwaltungsgerichtshof, die Verordnung für unwirksam zu erklären. Die Verordnung sei unter verschiedenen Gesichtspunkten materiell rechtswidrig. Die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung sei fehlerhaft erfolgt.

Der Antragsgegner beantragt die Ablehnung der Anträge.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag, regt aber an, die Anträge abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Normenkontrollanträge sind zulässig, insbesondere statthaft (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO). Die Antragsteller sind antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die Antragsteller zu 2 bis 4 machen geltend, durch die angegriffene Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein, indem sie sich darauf berufen, als Grundstückseigentümer von rechtswidrigen Nutzungsbeschränkungen betroffen zu sein. Dies genügt (std. Rechtsprechung, vgl. z.B. BayVGH vom 25.1.2008 Az. 22 N 04.3471). Die Antragstellerin zu 1 kann sich insofern zwar nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG, aber auf ihr zivilrechtliches Eigentumsrecht berufen (vgl. BayVGH vom 26.6.2002, BayVBl 2003, 146). Sie macht darüber hinaus geltend, durch die angegriffene Verordnung in ihrem Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt zu sein und verweist insoweit auf eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit. Dies genügt ebenfalls (vgl. BayVGH vom 26.6.2002, BayVBl 2003, 146). Die Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. (maßgeblich gemäß § 195 Abs. 7 VwGO) ist eingehalten.

II.

Die Normenkontrollanträge sind begründet. Der räumliche Geltungsbereich der angegriffenen Verordnung und der verschiedenen Schutzzonen ist nicht nach den für Rechtsverordnungen geltenden, rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Regeln festgelegt, was die Verordnung unwirksam macht. Die von den Antragstellern aufgeworfenen sonstigen formellen und materiellen Fragen bedürfen deshalb keiner Entscheidung. Dem bedingt gestellten Beweisantrag der Antragsteller zu 2 bis 4 ist nicht Folge zu leisten, weil das Beweisthema nicht entscheidungserheblich ist. Der Verwaltungsgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zweifelhaft ist, ob die hydrogeologischen Bewertungen zur Abgrenzung der weiteren Schutzzone im Osten (Mainufer) und der engeren Schutzzone im Westen fachlich hinreichend abgesichert sind. Dies betrifft insbesondere die Überlegungen zur Ausdehnung des quartären Absenktrichters und zur Interpretation der vorliegenden Fotolineationen.

Zu den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normenklarheit gehört die Eindeutigkeit und Nachprüfbarkeit des räumlichen Geltungsbereichs einer Norm. Eine Verordnung, die - wie im vorliegenden Fall - nur Teile eines Gemeindegebiets umfasst, muss daher ihren räumlichen Geltungsbereich genau beschreiben. Lässt sie hierüber Zweifel aufkommen, so ist sie zu unbestimmt und wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip ungültig. Denn eine Rechtsnorm, der nicht eindeutig entnommen werden kann, wo sie gilt, lässt den Betroffenen über die Rechtslage im Unklaren (vgl. BayVerfGH vom 10.3.1981, BayVBl 1981, 462/463 f. m.w.N.; BayVGH vom 13.7.1989, BayVBl 1990, 185). Nach Art. 85 Abs. 1 BayWG i.V. mit Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG kann der räumliche Geltungsbereich eines Wasserschutzgebiets (Art. 35 Abs. 1 BayWG) auf dreierlei Weise festgelegt werden: Durch wörtliche Beschreibung im Verordnungstext, durch den Abdruck einer genauen Karte in der Verordnung oder, wenn die beiden ersten Alternativen ausscheiden, durch grobe Umschreibung der Grenzen des Bereichs und im Übrigen Bezugnahme auf Karten (Maßstab mindestens 1:25.000) oder Verzeichnisse, welche von der in der Verordnung bezeichneten Behörde archivmäßig verwahrt werden und allgemein zugänglich sein müssen (Art. 51 Abs. 3 Satz 2 LStVG).

Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass das Gesetz zunächst eine Grenzbeschreibung in Worten oder durch Abdruck einer genauen Karte vorsieht (vgl. BayVGH vom 18.5.1999, BayVBl 2001, 434 und vom 21.12.2004, BayVBl 2005, 629). Beides ist hier nicht erfolgt. Eine wörtliche Grenzbeschreibung im Sinne dieser Regelung liegt hier nicht vor, denn allein die Bezeichnung des Schutzgegenstands unter Angabe seiner Belegenheit ("in der Stadt L*** ** ****, Gemarkungen L***, R******** und W******") in § 1 der Verordnung enthält keine hinreichende Grenzbeschreibung und ist zur näheren Abgrenzung auch nicht geeignet. Eine weitere wörtliche Beschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs ergibt sich aus § 2 der Verordnung nicht. Die Verordnung enthält auch keine Grenzbeschreibung durch den Abdruck einer genauen Karte. Zwar ergeben sich nach § 2 Abs. 2 der Verordnung die Grenzen des Schutzgebiets und der einzelnen Schutzzonen aus einem Lageplan im Maßstab 1:2500 vom 5. Juli 2000/14. Juli 2000. Dieser Lageplan ist jedoch nicht in der Verordnung abgedruckt oder als Anhang zur Verordnung im Amtsblatt mitveröffentlicht, sondern nach § 2 Abs. 2 der Verordnung nur im Landratsamt ************* und im Rathaus der Antragstellerin zu 1 niedergelegt.

Die angegriffene Verordnung erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen der dritten Alternative des Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG, nach der das Landratsamt vorliegend offenbar den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung festlegen wollte.

Zwar fehlt es nicht bereits an der Notwendigkeit einer Bezugnahme auf Karten oder Verzeichnisse bei einer Behörde. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass hier aufgrund der Größe des Wasserschutzgebiets und der Vielzahl der von ihm erfassten Grundstücke eine verbale Umschreibung der Grenzen durch Angabe des Grenzverlaufs der einbezogenen Grundstücke nicht hinreichend anschaulich wäre. Besonders im Westen und Südwesten des Schutzgebiets erscheint auch eine Beschreibung der Flächen anhand der Natur oder der Orientierung an Flussläufen, wie hier dem Main im Osten, oder an Straßen, wie hier der Bürgermeister-*********-Straße im Norden, nicht ohne weitere Schwierigkeiten möglich. Es kommt hinzu, dass dort auch eine nicht geringe Anzahl von Teilflächen von Grundstücken in die Verordnung einbezogen ist und insoweit bereits zweifelhaft ist, ob mit einer verbalen Beschreibung die Grenzen hinreichend genau angegeben werden können. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer Grenzbeschreibung durch den Abdruck einer genauen Karte, weil jedenfalls im Falle der Einbeziehung von Grundstücksteilflächen der Grenzverlauf nur sehr ungenau beschrieben werden kann (vgl. BayVGH vom 27.4.1995, Az. 9 N 93.3157).

Der Verordnungsgeber hat jedoch nicht ausreichend beachtet, dass die dritte Alternative des Art. 51 Abs. 3 Satz 1 LStVG nur eine präzisierende Verweisung zulässt. Es genügt nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, ist aber zugleich erforderlich, dass die (im Amtsblatt bekannt gemachte) Verordnung die Grenze des Geltungsbereichs oder der einzelnen Schutzzonen "grob umschreibt und im Übrigen auf Karten... oder Verzeichnisse Bezug nimmt". Die in Bezug genommenen Unterlagen sollen mit anderen Worten die Beschreibung nicht ersetzen, sondern lediglich präzisieren (vgl. BayVGH vom 21.12.2004, BayVBl 2005, 629/630 und vom 5.2.2007 Az. 22 N 06.2838). Im Widerspruch dazu enthält die angegriffene Verordnung in ihrem abgedruckten Teil in § 1 lediglich eine allgemeine Aussage über die Belegenheit des Schutzgebiets in den Gemarkungen L***, R******** und W****** im Stadtgebiet der Antragstellerin zu 1, nicht aber Angaben über die zumindest ungefähre Lage dieser Gemarkungen, die Anzahl und Gesamtfläche der betroffenen Grundstücke oder deren Flurnummern. Auch wenn man von einer Zuordnung der Gemarkung W****** zum gleichnamigen Ortsteil der Antragstellerin zu 1 ausgeht, ist aus dem Verordnungstext nicht einmal ansatzweise erkennbar, ob und inwieweit z.B. bebaute Bereiche des Ortsteils W****** von der Verordnung erfasst werden. Gleiches gilt für die Abgrenzung des Schutzgebiets in den beiden anderen aufgeführten Gemarkungen. Ohne einen Blick in den niedergelegten Lageplan bleibt den Normadressaten die Grenze des Schutzgebiets und der einzelnen Schutzzonen nicht nur in ihrem genauen Verlauf, sondern auch in ihrer ungefähren Lage unklar. Damit fehlt es an einer groben Umschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs der Verordnung und der einzelnen Schutzzonen.

Soweit aus der Sicht des Verordnungsgebers auch mit einer groben Umschreibung in Worten eine hinreichend deutliche und anschauliche Beschreibung der Grenzen des Schutzgebiets nicht erreicht werden kann, bleibt es ihm unbenommen, diese von Gesetzes wegen gebotene grobe Umschreibung der Grenzen des Geltungsbereichs der Verordnung und der einzelnen Schutzzonen durch den Abdruck einer Karte - gegebenenfalls ergänzt durch eine verbale Beschreibung der Lage und Größe - vorzunehmen (vgl. BayVGH vom 18.5.1999, BayVBl 2001, 434 und vom 5.2.2007 Az. 22 N 06.2838), zumal auf diese Weise den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips häufig besser Rechnung getragen werden kann als durch eine wörtliche Umschreibung und dies auch in der Musterverordnung für Wasserschutzgebiete vorgesehen ist.

Damit ist die angegriffene Verordnung für unwirksam zu erklären.

Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird ab Verbindung auf 105.000 Euro festgesetzt; davon entfallen auf die Antragstellerin zu 1. 60.000 Euro und die Antragsteller zu 2. bis 4. je 15.000 Euro (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück