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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 22 ZB 07.102
Rechtsgebiete: GewO, EGV


Vorschriften:

GewO § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
GewO § 14 Abs. 1 Satz 5
GewO § 42 Abs. 2
GewO § 55 Abs. 1
EGV Art. 43
EGV Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.102

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Gewerbeabmeldung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 8. Februar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen, meldete am 14. Dezember 2005 bei der Beklagten folgendes Gewerbe an: "Mobile Pkw- und Lkw-Aufbereitungstätigkeit, Waschservice sowie Fahrdienstleistungen". Es handle sich um eine Hauptniederlassung und um eine Neugründung. Als seine Wohnanschrift und seine Betriebsstätte gab der Kläger an: "M************ Str. **, ***** B***** ". Als Betriebsbeginn nannte er den 14. Dezember 2005. Insgesamt haben zwischen dem 8. September 2005 und dem 4. Januar 2006 neun polnische Staatsangehörige unter derselben Wohnanschrift und derselben Betriebsanschrift dasselbe Gewerbe angemeldet.

Das Hauptzollamt S********** stellte in einem Schreiben vom 3. Januar 2006 nach einer Überprüfung vom 19. November 2005 folgendes fest: "Bei der Adresse M************ Str. **, ***** B***** , handelt es sich um ein Wohnhaus, welches zum Zeitpunkt der Überprüfung renoviert worden ist. Gewerbliche Tätigkeiten laut den beigefügten Gewerbeanmeldungen konnten nicht festgestellt werden und sind zum Zeitpunkt der Überprüfung auch nicht möglich gewesen, da das gesamte Anwesen wegen der Renovierungsarbeiten eine Baustelle war".

Die Beklagte vermerkte unter dem 19. Januar 2006 unter Bezugnahme auf eine eigene Überprüfung, dass im Wohnhaus M************ Str. ** niemand eine betriebliche Niederlassung gegründet habe, geschweige denn dort wohne. Das Wohnhaus M************ Str. ** befinde sich seit geraumer Zeit im Umbau und sei unbewohnt.

Am 25. April 2006 wurde der neue Hauseigentümer (nach seinen Angaben seit Dezember 2005) vernommen. Er teilte mit, dass das Haus vom Dezember 2005 bis zu seiner Renovierung unbewohnbar und verschlossen gewesen sei. Er selbst habe nach Erwerb des Hauses weder Büroräume noch sonstige Auffälligkeiten festgestellt, welche Rückschluss auf die Nutzung durch andere Personen zulassen würden. Er sei nach Abschluss der Renovierungsarbeiten, die ca. fünf Wochen gedauert hätten, eingezogen. Vor Erwerb des Hauses könne er sich noch an einen alten Metallbriefkasten erinnern, in dem Zeitungen und Werbematerial gesteckt hätten. Auf die Leerung des Briefkastens habe er nicht geachtet. Autos mit polnischen Kennzeichen habe er in der Umgebung nicht gesehen.

Am 24. Juli 2006 wurde der frühere Hauseigentümer vernommen. Dieser erklärte, er habe Mitte 2005 einem Herrn Jäger einen Briefkasten für monatlich 5 Euro vermietet. Er habe den Briefkasten im Januar oder Februar 2006 beim Einbau einer neuen Haustür entfernen lassen.

Am 24. Januar 2006 nahm die Beklagte von Amts wegen die Abmeldung des Gewerbes des Klägers vor. Als Datum der Betriebsaufgabe wurde der 14. Dezember 2005 genannt. Die Abmeldebescheinigung wurde einem Aktenvermerk der Beklagten zufolge am 7. Juni 2006 an die polnische Heimatadresse des Klägers verschickt.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug vor, ausreichend für eine gewerbliche Niederlassung seien Räume, in denen ein Stromanschluss vorhanden sei für e-mail, Internet und Telefax. Außerdem sei ein Briefkasten für amtliche Zustellungen erforderlich. Beides habe hier existiert. Für eine Wohnadresse seien ein mobiles Bett oder eine Luftmatratze ausreichend.

Die Regierung von Oberfranken wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 2.8.2006).

Am 11. September 2006 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth. Er beantragte die Aufhebung der Gewerbeabmeldung vom 24. Januar 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2006. Er machte nunmehr geltend, dass für seine gewerbliche Niederlassung ein Handy und die Anbringung eines Briefkastens für Posteingänge ausreichen würden. Ein solcher sei im Zeitpunkt des Bescheidserlasses noch vorhanden gewesen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (Urteil vom 23.11.2006).

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO).

1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Der Kläger formuliert keine tatsächliche oder rechtliche Frage von fallübergreifender Bedeutung, die noch klärungsbedürftig ist und in einem etwaigen Berufungsverfahren geklärt werden könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 10 zu § 124, m.w.N.). Der Begriff des stehenden Gewerbes, den der Kläger für klärungsbedürftig hält, ist in Rechtsprechung und Literatur bereits hinreichend geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu folgendes ausgeführt: "Zutreffend hat das Berufungsgericht weiterhin erkannt, dass eine Bejahung des Merkmals "stehendes Gewerbe" nicht am Fehlen der gewerblichen Niederlassung scheitert. "Stehendes" Gewerbe ist nämlich nach einhelliger Meinung...jedes Gewerbe, das nicht zum Reisegewerbe und zum Marktverkehr rechnet. Entsprechend der Bedeutung des Handwerks für Sesshaftigkeit und Ortsgebundenheit muss lediglich ein sog. gewerblicher Mittelpunkt erkennbar sei, von dem aus das Gewerbe (Handwerk) betrieben wird. Dies braucht nicht der Sitz einer gewerblichen Niederlassung zu sein. Es genügt vielmehr, wenn der Gewerbetreibende an seinem Wohnsitz eine entsprechende Tätigkeit entfaltet" (BVerwG vom 27.10.1978, GewArch 1979, 96). Dass dieser sog. gewerbliche Mittelpunkt zum Wesen eines "stehenden" Gewerbes gehört, im Gegensatz zum Reisegewerbe i.S. des § 55 Abs. 1 GewO, ist trotz des Einsatzes von Laptop, Handy, e-mail usw. nicht zweifelhaft und erneut klärungsbedürftig. Dass die Anbringung eines Briefkastens als solche bereits die Schaffung eines gewerblichen Mittelpunkts in diesem Sinn bedeuten soll, ist nicht nachvollziehbar. Diese Frage ist zu verneinen, ohne dass es hierfür der Zulassung der Berufung bedarf.

2. Die Darlegungen des Klägers lassen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils erkennen.

Das Verwaltungsgericht ist von einem zutreffenden Begriff der Betriebsaufgabe ausgegangen. Der Begriff der Betriebsaufgabe wird in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GewO und in § 14 Abs. 1 Satz 5 GewO verwendet. Betriebsaufgabe in diesem Sinn ist nach allgemeiner Auffassung die vollständige und endgültige Beendigung eines stehenden Gewerbes auf der Grundlage einer entsprechenden Willensentschließung des Gewerbetreibenden (OLG Düsseldorf vom 28.1.1998, GewArch 1998, 240, m.w.N.; Tettinger/Wank, GewO, 6. Aufl. 1999, RdNr. 48 zu § 14). Diese Betriebsaufgabe ist auf die jeweilige gewerbliche Niederlassung bezogen (Tettinger/Wank, a.a.O., RdNr. 50 zu § 14; Landmann/Rohmer, GewO, RdNr. 48 zu § 14). Entsprechendes gilt für den jeweiligen gewerblichen Mittelpunkt im unter 1. dargelegten Sinn. Die vollständige und endgültige Beendigung eines stehenden Gewerbes wird sich üblicherweise an objektiven, für die Behörde nachvollziehbaren Fakten festmachen lassen, die Indizien für den maßgeblichen Handlungswillen des Betroffenen darstellen (Landmann/Rohmer, GewO, RdNr. 48 zu § 14).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die im vorliegenden Fall festgestellten objektiven Fakten eindeutig den Schluss zulassen, dass der Kläger bereits am 14. Dezember 2005 entschlossen war, das angemeldete Gewerbe im Anwesen M************ Str. ** vollständig und endgültig nicht auszuüben. Das Anwesen war seinerzeit nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht bewohnt und nicht gewerblich genutzt. Es wurde verkauft und für die Nutzung durch den neuen Eigentümer renoviert. Dies stimmt mit den Aussagen des neuen und des alten Eigentümers überein. Eine mietweise Überlassung von Räumen in diesem Anwesen an den Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt weder durch den neuen noch durch den alten Eigentümer stattgefunden. Es bestanden auch keine diesbezüglichen Kontakte zwischen dem Kläger und dem neuen oder dem alten Eigentümer. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die auf den Angaben des neuen Eigentümers beruhen, der nach seinen, vom Kläger nicht angezweifelten Angaben das Anwesen M************ Str. ** im Dezember 2005 erworben hat. Den Angaben des früheren Eigentümers lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Wie dargelegt, reicht es für die Fortexistenz eines stehenden Gewerbes nicht aus, dass der Kläger einen Briefkasten am Anwesen M************ Str. ** hat anmieten lassen, der obendrein noch für die Zwecke von acht weiteren Personen gedient haben soll.

3. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers ebenfalls nicht. Der Kläger macht zwar geltend, dass ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV in Betracht kommt, zeigt aber nicht auf, welche Frage der Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden soll. Soweit der Kläger der Auffassung sein sollte, Gemeinschaftsrecht sei im konkreten, zur Entscheidung anstehenden Einzelfall nicht beachtet bzw. verletzt worden, wäre dies kein geeigneter Gegenstand für ein Vorabentscheidungsverfahren (vgl. z.B. Lenz-Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl. 2006, RdNr. 11 zu Art. 234, m.w.N.). Allerdings sind Verletzungen von Gemeinschaftsrecht im konkreten Einzelfall von den nationalen Gerichten zu prüfen. Ein Zulassungsgrund ergibt sich jedoch auch hieraus nicht. Der Kläger deutet zwar an, im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) könne das Gebot der Inländergleichbehandlung bzw. das Verbot (auch mittelbarer und versteckter) Diskriminierungen verletzt sein (vgl. dazu näher Lenz-Borchardt, a.a.O., RdNrn. 4 und 5 zu Art. 43). Für den konkreten Fall trägt der Kläger diesbezüglich aber keine Anhaltspunkte vor, so dass nicht zu erkennen ist, woraus sich hier besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollten.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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