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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 07.1674
Rechtsgebiete: BBiG, GG, BGB


Vorschriften:

BBiG § 46 Abs. 1 a.F.
GG Art. 3 Abs. 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.1674

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Prüfung zum Industriemeister (BBiG);

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23. April 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 3. Juli 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger erstrebt die Aufhebung eines negativen Prüfungsbescheids sowie die erneute Zulassung zur mündlichen Ergänzungsprüfung im Fach "Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten" im Rahmen seiner zweiten Wiederholungsprüfung zum Industriemeister - Fachrichtung Metall. Er macht einen Verfahrensfehler aufgrund eines verspäteten Prüfungsbeginns und die Unverwertbarkeit des Ergebnisses dieser Prüfung geltend, die letztlich zu der Feststellung des endgültigen Nichtbestehens der Prüfung ohne weitere Wiederholungsmöglichkeit geführt hat (Bescheid der Beklagten vom 13.2.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11.5.2006). Seine zum Verwaltungsgericht erhobene Verpflichtungsklage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 23.4.2007).

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegt.

Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein, dieses habe übersehen, dass der Kläger nahezu eineinhalb Stunden auf den Beginn seiner Prüfung habe warten müssen, ohne dass ein geeignetes Warte- oder Vorbereitungszimmer zur Verfügung gestanden habe. Diese unzumutbar lange Wartezeit habe bei ihm zu hoher Nervosität und zu einem starken Leistungs- und Konzentrationsabfall geführt und stelle einen erheblichen Verfahrensfehler dar, der zu einer Unverwertbarkeit des Prüfungsergebnisses führe. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits mehr als eine Stunde Anfahrtszeit zum Prüfungsort gehabt habe. Der Kläger habe sofort nach Beendigung der mündlichen Prüfung moniert, dass er durch den verspäteten Prüfungsbeginn sowohl in seiner Konzentration als auch in seiner Vorbereitung erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Ein verspätetes Berufen auf die Prüfungsuntauglichkeit liege nicht vor, da es bei einem derartigen Verfahrensfehler keine Missbrauchsmöglichkeit in Bezug auf die Prüfung gebe.

Dieser Vortrag rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Hinsichtlich der in der Antragsbegründung enthaltenen Sachverhaltsschilderung weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass diese von den bisherigen Angaben des Klägers über die Länge der Wartezeit vor der mündlichen Prüfung abweicht. So hat er in seinem Widerspruch vom 21. Februar 2006 noch von einer einstündigen Wartezeit und in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 23. April 2007 von einer Wartezeit von 65 Minuten gesprochen (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23.4.2007 S. 2 und Urteilsabdruck S. 9). Auch soweit in der Antragsbegründung behauptet wird, der Kläger habe die erhebliche Verspätung und die damit für ihn verbundenen Leistungseinschränkungen sofort nach Beendigung der mündlichen Prüfung moniert, ist dem entgegen zu halten, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt hat, dass er gegenüber der Prüfungskommission weder während der Prüfung noch nach Beendigung der Prüfung die Verspätung gerügt, sondern erst nach Bekanntgabe des negativen Prüfungsergebnisses durch die Prüfungskommission beim Leiter des Referats Prüfungswesen vorgesprochen und auf den verspäteten Prüfungsbeginn hingewiesen habe (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht S. 3/4 und Urteilsabdruck S. 2/3 sowie S. 10/11). Der Kläger trägt nichts dafür vor, um die abweichenden Angaben nachvollziehbar zu machen, so dass sich hieraus für den Verwaltungsgerichtshof keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergeben können. Ausgehend von den durch die Beweiskraft des gerichtlichen Protokolls vom 23. April 2007 nachgewiesenen Aussagen des Klägers (vgl. § 415 ZPO) bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der um ca. eine Stunde verspätete Prüfungsbeginn mit angeblich daraus resultierenden Leistungseinschränkungen des Klägers keinen Verfahrensfehler darstellt, der das Prüfungsergebnis unverwertbar machen würde, weil der Kläger den von ihm behaupteten Mangel nicht rechtzeitig gerügt hat.

Zwar ist es richtig, dass das Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) die Prüfungsbehörden gerade bei berufsbezogenen Prüfungen dazu verpflichten, dafür zu sorgen, dass für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen gelten (vgl. BVerwG vom 6.9.1995 BVerwGE 99, 172 m.w.N.), und zwar bei offensichtlichen Mängeln des Prüfungsverfahrens auch ohne ausdrückliche Rüge. Davon ist das Verwaltungsgericht ausgegangen. Es ist jedoch zu der Bewertung gelangt, dass eine Verzögerung im Prüfungsablauf von ca. 60 Minuten nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass die Leistungsfähigkeit von Prüflingen wesentlich beeinträchtigt wird (Urteilsabdruck S. 9). Diese Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die dieses sowohl aus allgemeinen Erwägungen als auch aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalls gewonnen hat, greift der Kläger nicht mit schlüssigen Argumenten an; denn weder das Fehlen eines Warte- oder Vorbereitungszimmers, noch der Umstand, dass der Kläger zusätzlich eine Stunde Fahrtzeit bis zum Prüfungsort hatte, was allein in seiner Sphäre liegt, stellen die Bewertung des Verwaltungsgerichts in Frage, zumal auch andere Prüflinge in derselben Situation wie der Kläger die Prüfung ohne Beanstandung abgelegt haben. Insoweit muss davon ausgegangen werden, dass es für die Prüfer nicht offensichtlich war, dass für den Kläger aufgrund der Wartezeit eine unzumutbare Prüfungssituation vorgelegen hat, in der sie selbst von sich aus für Abhilfe hätten sorgen müssen (vgl. BVerwG vom 11.8.1993 BVerwGE 94, 64 m.w.N.).

In solchen Situationen ist es vielmehr Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch die besonderen Umstände erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls unverzüglich die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Andernfalls würde er unter Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) durch Wiederholung der Prüfung eine weitere, den Mitprüflingen nicht zustehende Prüfungschance gewinnen. Er hat nach dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BVerwG vom 17.1.1969 BVerwGE 31, 190) eine Pflicht zur Mitwirkung im Prüfungsverfahren, insbesondere zur rechtzeitigen Geltendmachung krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit oder von sonstigen die Prüfungsfähigkeit mindernden Umständen (vgl. BVerwG vom 12.11.1992 NVwZ-RR 1993, 188 m.w.N.). Seiner Mitwirkungspflicht hat der Prüfling unverzüglich nachzukommen, d.h. zu dem frühest möglichen Zeitpunkt, zu dem dies von ihm nach den konkreten Umständen - auch im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG - in zumutbarer Weise erwartet werden kann (vgl. BVerwG vom 7.10.1988 BVerwGE 80, 282, vom 13.5.1998 BVerwGE 106, 369). Diese Grundsätze gelten auf Grund ihrer Ableitung aus dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben auch für Fortbildungsprüfungen nach dem Berufsbildungsgesetz, auch ohne dass deren Geltung dort besonders angeordnet ist.

Diese ihm obliegende Pflicht zur unverzüglichen Rüge hat der Kläger, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, vorliegend verletzt. Er hat weder während der mündlichen Prüfung noch im unmittelbaren Anschluss an die Prüfung geltend gemacht, dass die Wartezeit ihn beeinträchtigt hat. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger die Verspätung und die daraus (angeblich) entstandenen Folgen für seine Prüfungsfähigkeit spätestens vor Bekanntgabe des negativen Prüfungsergebnisses gegenüber dem Prüfungsausschuss hätte rügen und seinen Rücktritt von der Prüfung hätte erklären müssen, ist nicht zu beanstanden. Es ist nichts vorgetragen, dass ihm dies nicht zumutbar gewesen wäre. Indem der Kläger an der mündlichen Prüfung trotz Kenntnis der Wartezeit und möglicher daraus resultierender Beschwerden teilnahm, hat er sich entschieden, eine mögliche bestehende Prüfungsunfähigkeit zu Gunsten der Absolvierung der Prüfung zurückzustellen. Er hat daran anschließend die weitere in seiner Risikosphäre liegende Entscheidung getroffen, es vorzuziehen, sich auch noch das Prüfungsergebnis bekannt geben zu lassen. Hierin liegt die vom Kläger bestrittene Missbrauchsgefahr; diese ist - wie oben ausgeführt - darin zu sehen, dass er mit einer solchen Verhaltensweise gegebenenfalls unter Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren durch Wiederholung der Prüfung eine weitere, den Mitprüflingen nicht zustehende Prüfungschance gewinnen könnte. Demgemäß ist es nach der Rechtsprechung ein besonders starkes Indiz für einen Missbrauch, wenn ein Prüfling mit der Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit gewartet hat, bis ihm das Scheitern der Prüfung bekannt gegeben worden ist (vgl. BVerwG vom 12.11.1992 NVwZ-RR 1993 188).

Soweit der Kläger zusätzlich in seiner Antragsbegründung auf sein weiteres Vorbringen im ersten Rechtszug verweist, genügt dies nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung (vgl. BayVGH vom 18.1.2008 - Az. 22 ZB 07.15 m.w.N.).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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