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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: 22 ZB 07.214
Rechtsgebiete: GG, WHG, BayWG


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 20 Abs. 3
WHG § 18 Abs. 2
WHG § 18 b Abs. 1 Satz 2
WHG § 28 Abs. 1
BayWG Art. 41 e Abs. 1
BayWG Art. 41 e Abs. 2
BayWG Art. 42
BayWG Art. 54
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.214

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Unterlassung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Dezember 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 26. Juni 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Eigentümer der landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück FlNr. 1979/2 und des östlich daran anschließenden Wiesengrundstücks FlNr. 1984, jeweils der Gemarkung Ottending. An der Nordseite der beiden Grundstücke entlang verläuft die Kreisstraße DGF 43. Nördlich dieser Straße befindet sich ein Entwässerungsgraben (sog. nördlicher Vorfluter), der die Ortschaft Ottending Richtung Osten entwässert und sich in der Nähe der Einmündung der Kreisstraße DGF 43 in die aus Richtung Südwesten herankommende Staatsstraße 2125 mit einem weiteren Graben (sog. südlicher Vorfluter) vereinigt, der westlich dieser Staatsstraße verläuft. Das Grundstück FlNr. 1979/2 grenzt an seiner Westseite an die Dorfstraße von Ottending, die eine Verbindung zwischen der Staatsstraße 2125 und der Kreisstraße DGF 43 darstellt. Diese Dorfstraße überquert in der Nähe ihrer Einmündung in die Staatsstraße den südlichen Vorfluter. In ihr befindet sich seit Jahrzehnten ein Regenwasserkanal, der ursprünglich ausschließlich der Straßenentwässerung diente, jetzt aber auch der Aufnahme des gesammelten Niederschlagswassers von angrenzenden bebauten Grundstücken dient. Er mündet nördlich der Kreisstraße DGF 43 in den nördlichen Vorfluter.

In der Vergangenheit sind die Grundstücke des Klägers wiederholt überschwemmt worden (u.a. am 2.6.1999, 20./21.3.2002, 13./14.1.2004). Es handelte sich um Starkregenereignisse, bei denen der in der Dorfstraße verlegte Regenwasserkanal nicht in der Lage war, das aus dem Außenbereich zufließende Wasser abzuführen, und es zu einem Überstau kam.

Der Kläger erhob am 31. Mai 2005 Klagen zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg mit den Anträgen,

1. die Beklagte zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Zufuhr von Oberflächenwasser aus der öffentlichen Entwässerungsanlage bei Starkregenereignissen auf die Grundstücke FlNrn. 1979/2 und 1984 der Gemarkung Ottending zu unterbinden,

2. festzustellen, dass die Oberflächenentwässerung der Beklagten im Bereich der klägerischen Grundstücke nach den anerkannten Regeln der Technik sanierungsbedürftig ist.

Das Verwaltungsgericht wies die Klagen ab (Urteil vom 11.12.2006).

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt.

Er macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Außerdem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Dem Kläger stehe ein sog. Folgenbeseitigungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Grundstücke des Klägers würden durch das von der Beklagten betriebene Rohrnetz, vermittelt über die Ortsstraße in Ottending, in rechtswidriger Weise beeinträchtigt. Kanalsystem und Vorfluter seien sanierungsbedürftig. Sie müssten größer dimensioniert werden, um das aus dem Außenbereich zufließende Wasser auch bei Starkregenereignissen abzuführen, oder es müssten die Außenbereichszuflüsse ferngehalten werden. Die Überstauhäufigkeit müsse reduziert werden. Beim südlichen Vorfluter habe die Beklagte ihre Gewässerausbaupflicht verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die insoweit maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) lassen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht hervortreten. Dies gilt für die Leistungsklage wie auch für die Feststellungsklage. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann begründet, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. zuletzt BVerfG vom 26.3.2007 - Az. 1 BvR 2228/02). Daran fehlt es hier.

a) Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen, die eine künftige Beeinträchtigung seiner Grundstücke durch die Zufuhr von Oberflächenwasser aus der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Beklagten bei Starkregenereignissen unterbinden sollen, auf den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. insbesondere Urteil vom 4.4.2005 - Az. 22 B 01.247, bestätigt durch BVerwG vom 11.1.2006 - Az. 7 B 53.05) ist zwar anerkannt, dass der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch unter bestimmten Voraussetzungen als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, wenn ein Bürger von einer Gemeinde Hochwasserschutz für seine Grundstücke begehrt. Dieser gewohnheitsrechtlich anerkannte und durch Richterrecht geprägte Anspruch, der letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und auf der Abwehrfunktion der Grundrechte beruht, hat u.a. zur Voraussetzung, dass durch einen hoheitlichen Eingriff ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt und dadurch ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. dazu auch BVerwG vom 26.8.1993, BVerwGE 94, 100/104). Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt auf die Wiederherstellung des Zustands, der im Zeitpunkt vor Beginn des Eingriffs bestand; er dient nicht dem allgemeinen Ausgleich von Schäden, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln - etwa auch in Form pflichtwidrigen Unterlassens - verursacht worden sind (BVerwG vom 21.9.2000, DVBl 2001, 726/731 f.). Den Darlegungen des Klägers lässt sich kein schlüssiges Konzept für das Vorliegen eines derartigen Anspruchs entnehmen.

Das Verwaltungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass die Grundstücke des Klägers in der Vergangenheit wiederholt überschwemmt worden sind und dass es aus der Sicht des Klägers zweckmäßig wäre, auch außerhalb der Ortschaft Ottending Maßnahmen der Regenrückhaltung zu treffen. Es hat die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Grundstückseigentums des Klägers aber nicht auf einen hoheitlichen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zurückgeführt. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nicht, dass ein derartiger hoheitlicher Eingriff der Beklagten vorliegen könnte. Er hat zwar vorgetragen, dass ohne das Rohrleitungsnetz der Beklagten und ohne die westlich des Grundstücks FlNr. 1979/2 vorbeiführende Dorfstraße dieses Grundstück nicht in dem Umfang wie derzeit durch Hochwasser bedroht werden würde. Er hat ausgeführt, dass das klägerische Grundstück wegen des alljährlich wiederkehrenden Einstaus auf der Dorfstraße der Gefahr ausgesetzt sei, einmal jährlich überschwemmt zu werden (S. 6, S. 8 der Antragsbegründung). Dass in diesen jahrzehntelang zurückliegenden Maßnahmen der nunmehr anspruchsbegründende hoheitliche Eingriff liegen könnte, legt der Kläger aber nicht dar. Dass diese Maßnahmen seinerzeit rechtmäßig getroffen worden sind, "wie es im ländlichen Bereich und in einer Dorfgemeinschaft oftmals üblich war" (vgl. Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Preuß vom 15.9.2003, S. 5), stellt der Kläger nicht in Frage. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers zielt auch nicht auf die Wiederherstellung des Zustands, der im Zeitpunkt vor der Durchführung dieser Maßnahmen bestand. Im Übrigen hat der Kläger auch keine konkreten Hinweise dafür gegeben, dass sich die Überschwemmungsgefahr für die klägerischen Grundstücke dadurch erhöht haben könnte.

Der Kläger macht sinngemäß geltend, die Beklagte habe es unterlassen, das Entwässerungssystem in Ottending an die allgemein anerkannten Regeln der Technik anzupassen; er beruft sich insofern sinngemäß auf § 18 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 i.V.m. § 7 a Abs. 3 WHG sowie Art. 41 e Abs. 1 und 2 BayWG. Das Verwaltungsgericht ist dieser Argumentation bereits im Ansatz nicht gefolgt. Seinen Überlegungen zufolge ist es nicht der Sinn der genannten Vorschriften, dass die Gemeinden im Rahmen ihrer für die Niederschlagswasserbeseitigungen geschaffenen öffentlichen Einrichtungen auch Vorkehrungen im Hinblick auf andere wasserwirtschaftliche Probleme treffen müssten, deren Lösung zwar im öffentlichen Interesse liegen könnte, aber mit den durch die Bereitstellung der gemeindlichen Entwässerungseinrichtung zu vermittelnden Vorteilen nichts mehr zu tun habe (S. 7 f. des angefochtenen Urteils). Auf der Grundlage dieser rechtlichen Prämissen hat das Verwaltungsgericht keinen Anlass zu Beanstandungen bei der öffentlichen Entwässerungseinrichtung von Ottending gesehen. Auf diese Auslegung der genannten Vorschriften durch das Verwaltungsgericht ist der Kläger in der Antragsbegründung nicht eingegangen. Abgesehen davon würde ein Unterlassen objektivrechtlich gebotenen Handelns für die Erfüllung der Voraussetzungen eines Folgenbeseitigungsanspruchs nicht ausreichen.

Der Kläger erinnert zwar zutreffend daran, dass eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht (§ 28 Abs. 1 WHG, Art. 42 BayWG) ausnahmsweise die vorgegebene Grundstückssituation schwer und unerträglich beeinträchtigen könne (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, RdNr. 56 zu § 28, m.w.N.) und so zu einem Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Grundstückseigentum führen könne. Im Regelfall ist die Gewässerunterhaltungspflicht aber (nur) gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen (vgl. BVerwG vom 14.12.1973, BVerwGE 44, 235/238; BayVGH vom 25.11.1996 - Az. 22 B 96.547, bestätigt durch BVerwG vom 25.2.1997 - Az. 11 B 5.97) und kann so auch nicht zu Rechtsansprüchen Einzelner gegenüber einer unterhaltungspflichtigen Gemeinde führen. Im vorliegenden Fall trägt der Kläger keine Hinweise dafür vor, dass die Beklagte ihre Gewässerunterhaltungspflicht verletzt haben könnte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hatte der Kläger eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht durch die Beklagte bereits ausdrücklich verneint.

Der Kläger macht des Weiteren eine Ausbaupflichtverletzung hinsichtlich des südlichen Vorfluters geltend (vgl. Art. 54 BayWG). Sein Vortrag lässt aber nicht erkennen, dass die Rechtsvorausssetzungen für eine solche Verpflichtung gemäß Art. 54 BayWG gegeben sein könnten; er befasst sich mit dieser Frage nicht. Die Gewässerausbaupflicht als solche ist zudem (nur) gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen und begründet keine Rechtsansprüche gegenüber der ausbaupflichtigen Gemeinde, wie der Gesetzeswortlaut klar zum Ausdruck bringt (vgl. dazu Sieder/Zeitler, BayWG, RdNr. 13 zu Art. 54). Dass hier die Voraussetzungen für einen eventuell anzuerkennenden Ausnahmefall gegeben sein könnten, deutet der Kläger nicht an. Es ist daher von folgendem Grundsatz auszugehen: Ein Grundstückseigentümer muss sich insbesondere die Lage seines Grundstücks in einem überschwemmungsgefährdeten Bereich als die Grundstückssituation prägendes Merkmal entgegenhalten lassen. Er kann dann keinen optimalen Hochwasserschutz verlangen, wie er in früheren Jahren auch nie bestanden hat (vgl. BayVGH vom 4.4.2005 - Az. 22 B 01.247). Dies gilt auch dann, wenn eine Klimaveränderung z.B. zu mehr Starkregenereignissen führen sollte.

b) Hinsichtlich der Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig fehlt es bereits an einer Darlegung von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO fehle. Der Kläger setzt sich damit in seinem Zulassungsantrag nicht auseinander. Sein Vorbringen bezieht sich lediglich auf die Nützlichkeit der begehrten Feststellung für den Kläger.

2. Die darüber hinaus geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass auch die Klärungsfähigkeit der bezeichneten Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren, also ihre Entscheidungserheblichkeit wenigstens ansatzweise dargelegt wird. Daran fehlt es hier. Dazu hätte angesichts der Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs und angesichts der Ausführungen des Verwaltungsgerichts Anlass bestanden.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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