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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.04.2009
Aktenzeichen: 22 ZB 07.819
Rechtsgebiete: AbwAG, AbwV, BayAbwAG


Vorschriften:

AbwAG § 1
AbwAG § 4 Abs. 4
AbwV § 6 Abs. 1
BayAbwAG Art. 14
1. Der Eintritt der Bestandskraft eines Festsetzungsbescheids, mit dem die zuständige Behörde trotz Kenntnis von einer die Erhöhung der Schadeinheiten rechtfertigenden Überschreitung der Überwachungswerte die Abwasserabgabe zu niedrig festgesetzt hat, hindert in der Regel nicht die spätere Nacherhebung der Abwasserabgabe in der richtigen Höhe.

2. Art. 14 Abs. 1 Nr. 4 b BayAbwAG begründet keinen verfahrensrechtlichen Schutz vor späteren Erhöhungen der Abwasserabgabe.

3. Ein Abwasserabgabenbescheid begründet in der Regel als ausschließlich belastender Verwaltungsakt kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Ausschluss von Nacherhebungen.

4. Auch erhebliche Überschreitungen von Überwachungswerten infolge eines unverschuldeten Störfalls sind bei der Festsetzung der Abwasserabgabe zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung).


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.819

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abwasserabgabe;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. Februar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 23. April 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 281.786,12 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Zwischen den Parteien ist die Höhe der von der Klägerin als Betreiberin einer Kläranlage zu entrichtenden Abwasserabgabe für das Jahr 2004 strittig.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 änderte das zuständige Landratsamt eine 1992 erteilte gehobene wasserrechtliche Erlaubnis auf Antrag der Klägerin dahingehend ab, dass der für das Einleiten von behandeltem Abwasser einzuhaltende Wert für chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) auf 25 mg/l herabgesetzt wurde. Die Abwasserabgabe wurde ab dem Jahr 2004 auf jährlich 252.963,72 Euro festgesetzt. Nach den Bescheidsgründen entfällt auf den Parameter CSB keine Abgabepflicht.

Mit Bescheid vom 22. März 2005 wurde die Abwasserabgabe für das Jahr 2004 auf 231.015,30 Euro verringert, da im ersten Quartal 2004 niedriger erklärte Werte für Phosphor und Stickstoff nachgewiesen worden seien.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 wurde die Klägerin verpflichtet, eine erhöhte Abwasserabgabe für 2004 zu entrichten, die auf 652.539,16 Euro festgesetzt wurde. Nachdem für das Jahr 2004 bereits eine Abgabe in Höhe von 231.015,30 Euro entrichtet worden sei, sei noch eine Nachzahlung in Höhe von 421.523,86 Euro zu leisten. Die Erhöhung wurde damit begründet, dass nach Messungen des Wasserwirtschaftsamts (WWA) im Jahr 2004 der festgesetzte CSB-Überwachungswert zweimal und der Überwachungswert für Phosphor einmal nicht eingehalten worden sei. Aufgrund des eingelegten Widerspruchs wurde mit Änderungsbescheid vom 14. Februar 2006 die mit Bescheid vom 11. Juli 2005 erhöhte Abwasserabgabe auf 498.334,72 Euro festgesetzt und der Differenzbetrag zurückerstattet. Die Herabsetzung wurde damit begründet, dass der Parameter Phosphor als nicht überschritten gelte und wegen einer lediglich einmaligen Überschreitung des CSB-Überwachungswerts (am 31.8.2004 war nach einem Störfall mit Ausfall der Sauerstoffbelebung vom WWA ein CSB-Wert von 59 mg/l gemessen worden) ein geringerer Erhöhungsfaktor anzusetzen sei.

Im Übrigen blieb der Widerspruch erfolglos, ebenso die Klage. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5 VwGO) vorliegt.

1. Die dargelegten Gründe führen zu keinen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1.1 Entgegen der Auffassung der Klägerin hindert der Eintritt der Bestandskraft des Festsetzungsbescheids vom 22. März 2005, mit dem die Abwasserabgabe für das Jahr 2004 gegenüber dem Bescheid vom 29. Oktober 2003 verringert wurde, nicht eine Nacherhebung der Abwasserabgabe bis zur tatsächlich entstandenen Höhe.

1.1.1 Materielles Abwasserabgabenrecht steht dieser Nacherhebung nicht entgegen.

Die Frage, ob der Eintritt der Bestandskraft des Abgabebescheids vom 22. März 2005 das Abgabeschuldverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem beendet hat und damit eine Nacherhebung ausschließt, ist nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht zu beantworten (BVerwG vom 6.6.1975 BVerwGE 48, 271; vom 18.3.1988 BVerwGE 49, 163), hier also nach den Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes.

Die Abwasserabgabe ist für das Einleiten von Abwasser zu entrichten, sie wird durch die Länder erhoben (§ 1 AbwAG). Die Erhebung dieser Sonderabgabe, die sich nach der Schädlichkeit des Abwassers richtet (§ 3 AbwAG), liegt nicht im behördlichen Ermessen. Aufgrund dieser bundesrechtlichen Regelung entsteht schon mit dem Einleiten das gesetzliche Abgabenschuldverhältnis (Kotulla, AbwAG, 1. Aufl. 2005, RdNr. 2 der Einführung und RdNr. 2 zu § 1; Zöllner in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG und AbwAG, Stand August 2008, RdNr. 7 zu § 1 AbwAG; Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl. 2006, RdNrn. 103 bis 105 zu § 1); durch den Abwasserabgabenfestsetzungsbescheid wird das Schuldverhältnis lediglich konkretisiert. Grundlage der Abgabenermittlung sind dabei zunächst die Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheids (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG, sog. "Bescheidslösung", vgl. Köhler/Meyer a.a.O., RdNr. 32 zu § 4). Bei festgestellten Überschreitungen von der Abgabenberechnung zugrunde zu legenden Überwachungswerten ist die Zahl der Schadeinheiten zu erhöhen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG), was zur Abgabenerhöhung führt. Die endgültige Abgabenhöhe hängt letztlich von den Ergebnissen der Überwachung ab (Zöllner a.a.O., RdNr. 34 zu § 4 AbwAG), was aber weder gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot, noch gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit nach dem Rechtsstaatsprinzip verstößt (BVerwG vom 20.8.1997 BVerwGE 105, 144). Damit ist die Abwasserabgabe materiell-rechtlich grundsätzlich in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erheben.

1.1.2 Auch verfahrensrechtliche Bestimmungen des Abwasserabgabenrechts stehen der strittigen Nacherhebung nicht entgegen.

Das Abwasserabgabengesetz hat in seinem 4. Abschnitt bestimmte Verfahrensregelungen getroffen, die das Festsetzungsverfahren aber nicht abschließend regeln. Insofern ist es dem Landesgesetzgeber vorbehalten, das Verfahren näher auszugestalten (Art. 83, Art. 84 Abs. 1 GG in der bis 31.8.2006 geltenden Fassung, Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG n.F.). Entsprechende Regelungen wurden im Bayerischen Gesetz zur Ausführung des Abwasserabgabengesetzes (vom 21.8.1981, GVBl. S. 344, in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.2003, GVBl. S. 730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.12.2006, GVBl. S. 1007 - BayAbwAG) getroffen. Für das Festsetzungsverfahren verweist Art. 14 BayAbwAG weitgehend auf die Abgabenordnung. Dies führt aber nicht zu einem verfahrensrechtlichen Schutz der Klägerin vor Nacherhebungen.

Denn über Art. 14 Abs. 1 Nr. 4 b BayAbwAG wird gerade nicht auf die Bestimmungen zur Bestandskraft eines Steuerbescheids (§§ 172 bis 177 AO) verwiesen, die - auch - dem Schutz des Steuerpflichtigen vor Steuernacherhebungen dienen. In der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 9/6725, S. 13) wird hierzu ausgeführt, die Regelungen über die Bestandskraft in §§ 172 bis 177 AO wichen in vielerlei Hinsicht von den sonst für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften ab. Die Abwasserabgabe bemesse sich nach den Bezugswerten nach § 4 AbwAG (Bescheidsprinzip). Sowohl diese Bezugswerte als auch die Abgabe seien entsprechend den tatsächlichen Messergebnissen nachzukorrigieren (Koppelung mit dem Messprinzip). Eine Verstärkung der Bestandskraft - wie in der Abgabenordnung - sei deshalb nicht angezeigt.

Dies macht deutlich, dass der Landesgesetzgeber einem Abgabepflichtigen gerade keinen Schutz vor späteren Erhöhungen der Abwasserabgabe einräumen wollte, was ihm bundesrechtlich möglicherweise sogar verwehrt wäre (vgl. BVerwG vom 18.3.1988 BVerwGE 79, 163). Eine Nacherhebung ist damit bis zur materiell-rechtlich richtigen Höhe der Abwasserabgabe möglich, jedenfalls solange noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (vgl. Art. 14 Abs. 1 Nr. 4 c BayAbwAG, §§ 169 bis 171 AO).

Auch ein Vergleich mit anderen Abgaberegelungen zeigt, dass der Gesetzgeber häufig eine Nacherhebung zugelassen hat oder sogar fordert. Insbesondere im Kommunalabgabenrecht sind Abgaben, die durch bestandskräftigen Bescheid zu niedrig festgesetzt wurden, bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung nachzufordern (vgl. BVerwG vom 18.3.1988 a.a.O. vom 7.7.1989 BVerwGE 82, 215; vom 26.1.1996 KStZ 1997, 77, jeweils zu Erschließungsbeiträgen; OVG NRW vom 1.10.1990 NVwZ-RR 1992, 94 zu Vergnügungssteuern; OVG LSA vom 18.5.2005 Az. 4 M 701/04 <in juris> zu Herstellungsbeiträgen für leitungsgebundene Einrichtungen; BayVGH vom 26.11.2008 Az. 6 CS 08.1957 <in juris> zu Straßenausbaubeiträgen).

Damit ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund § 4 Abs. 4 AbwAG eine Erhöhung der festgesetzten Abwasserabgabe bzw. der Zahl der Schadeinheiten vorzunehmen ist, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Ergibt die behördliche Überwachung, dass ein der Abgabenberechnung zugrunde zu legender Überwachungswert im Veranlagungszeitraum (im vorliegenden Fall ist nur noch eine Überschreitung des mit Bescheid vom 29.10.2003 für das Jahr 2004 festgesetzten chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) von 25 mg/l von Bedeutung) nicht eingehalten ist und auch nicht als eingehalten gilt, so wird die Zahl der Schadeinheiten erhöht, wodurch sich entsprechend auch die Abwasserabgabe erhöht.

1.1.3 Die Klägerin kann sich auch nicht auf durch Verwaltungsakt begründeten Vertrauensschutz dahingehend berufen, zu keinen höheren Abwasserabgaben, als im Bescheid vom 22. März 2005 festgesetzt, herangezogen zu werden.

Grundsätzlich kann zwar auch ein nach seinem Tenor belastender Bescheid ein geeigneter Gegenstand für verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein (BVerwG vom 12.7.1968 BVerwGE 30, 132; vom 15.4.1983 BVerwGE 67, 129). Ein solches Vertrauen setzt jedoch außer einer adäquaten Vertrauensbetätigung des Betroffenen die Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbetätigung voraus (BVerwG vom 18.3.1988 a.a.O.). Daran fehlt es hier. Das Zulassungsvorbringen macht schon nicht deutlich, welche Vertrauensbetätigung im Hinblick auf den Bescheid vom 22. März 2005 erfolgte, also welche Vermögensdisposition in dem Vertrauen darauf getroffen wurden, zu keiner höheren Abgabe als den dort festgesetzten 231.015,30 Euro herangezogen zu werden. Jedenfalls wäre eine derartige Vertrauensbetätigung nicht schutzwürdig. Denn nicht jeder belastende Verwaltungsakt ist schon aus der Natur der Sache tragfähig für den - ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigenden -Gegenschluss, dass von dem Betroffenen mehr als dies nicht verlangt werden solle; im Gegenteil ist ein solcher Schluss in der Regel nicht gerechtfertigt, so dass besondere Umstände hinzutreten müssen, wenn er sich (zumal aus verfassungsrechtlichen Gründen) dennoch rechtfertigen soll (BVerwG vom 15.4.1983 a.a.O. und vom 18.3.1988 a.a.O.). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Vorliegend ergibt sich weder aus dem Bescheidstenor noch aus den Bescheidsgründen, dass das Landratsamt gegenüber der Klägerin eine abschließende Festsetzung unter Ausschluss eventueller Nacherhebungen treffen wollte. Vielmehr wies das Landratsamt die Klägerin schon mit Schreiben vom 15. November 2004 darauf hin, dass eine Erhöhung der Abwasserabgabe aufgrund der wegen des Störfalls erhöhten Werte zwingend und ausnahmslos zu erfolgen habe. Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit von Art. 48 oder Art. 49 BayVwVfG konnte damit bei der Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend entstehen, dass sie zu keinen über den Bescheid vom 22. März 2005 hinausgehenden Abwasserabgaben herangezogen werden würde. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Festsetzung im Bescheid vom 22. März 2005 kein auch begünstigender Verwaltungsakt, vielmehr ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Er begründet eine Zahlungspflicht der Klägerin ohne Anhaltspunkte dafür, dass keine höhere Abwasserabgabe gefordert werden solle.

1.2 Die Einwände gegen die Höhe der mit Bescheid vom 11. Juli 2005 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 14. Februar 2006 festgesetzten Abwasserabgabe greifen nicht durch. Das Zulassungsvorbringen greift insbesondere die Heranziehung der Messung des Wasserwirtschaftsamts vom 31. August 2004 für die Festsetzung der Abwasserabgabe an. Die erhebliche Überschreitung sei aufgrund außerhalb des Betriebs liegender Umstände erfolgt, eine Messung hätte in Kenntnis dieser Betriebsstörung nicht durchgeführt werden dürfen, jedenfalls hätte dieses Überwachungsergebnis nicht für das gesamte Kalenderjahr berücksichtigt werden dürfen.

Entgegen dieser Auffassung ist in der Rechtsprechung abschließend geklärt, dass auch die Überschreitung der zulässigen Werte bei Störfällen für die Berechnung der Abwasserabgabe zu berücksichtigen ist (BVerwG vom 20.8.1997 BVerwGE 105, 144; BayVGH vom 19.2.1999 Az. 22 ZB 97.1961). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass Störfälle zu erheblichen Überschreitungen der Überwachungswerte und damit zu einer starken Erhöhung der Abwasserabgabe führen können und sie auch möglicherweise nicht vom Abgabepflichtigen verschuldet worden sind, hat der Gesetzgeber im Regelungssystem des § 4 Abs. 4 AbwAG die Abgabenrelevanz sog. "Ausreißer" durch Störfälle in von Verfassungs wegen nicht zu beanstandender Weise grundsätzlich in Kauf genommen, zumal § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG auf die Problematik von Störfällen insoweit Rücksicht nimmt, als von einer Erhöhung dann abgesehen wird, wenn ein Überwachungswert - trotz tatsächlicher Überschreitung -"als eingehalten gilt" (vgl. § 6 Abs. 1 AbwV).

Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich eine einmalige Überschreitung - soweit sie nicht ohnehin nach § 6 Abs. 1 AbwV keine Berücksichtigung findet - für den gesamten Veranlagungszeitraum eines Kalenderjahrs (§ 4 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 AbwAG) auswirkt. Auch insoweit hat sich der Gesetzgeber bewusst für harte finanzielle Folgen bei der Überschreitung der Überwachungswerte entschieden (BVerwG vom 15.4.2008 BayVBl 2008, 570).

Sonstige Einwände gegen die Berechnung der Abwasserabgabe enthält das Zulassungsvorbringen nicht. Soweit es die Verfassungswidrigkeit des Abwasserabgabengesetzes rügt, ist das Vorbringen zu unsubstantiiert, um (entgegen BVerwG vom 20.8.1997 a.a.O.) die Verfassungsmäßigkeit des Abwasserabgabengesetzes und insbesondere seine Erhöhungsregelung in § 4 Abs. 4 AbwAG in Zweifel zu ziehen.

2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwGO) sind nach Vorstehendem ebenfalls nicht zu erkennen. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 1997 (BVerwGE 105, 144) ist insbesondere grundsätzlich geklärt, dass sog. Ausreißer infolge von Störfällen dem Kläranlagenbetreiber zurechenbar sind; dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um betriebsinterne Störfälle oder - wie das Zulassungsvorbringen offenbar zugrunde legt - außerhalb des eigentlichen Betriebsablaufs auftretende besondere Ereignisse handelt. Der Betreiber soll dazu bewogen werden, weitgehende Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen zu treffen. Mit der genannten Entscheidung ist ebenfalls geklärt, dass die Berücksichtigung eines den Überwachungswert übersteigenden Überwachungsergebnisses nicht im Ermessen der die Abgabe festsetzenden Behörde steht, vielmehr die Überschreitung im Rahmen der gesetzlichen Regelung (insbesondere des § 6 Abs. 1 AbwV) bei der Festsetzung der Abwasserabgabe zu berücksichtigen ist.

Die weitere als von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung angesehene Frage, ob § 4 Abs. 4 AbwAG zur Aufhebung und Ersetzung von Abwasserabgabenbescheiden berechtige, durch die Abwasserabgaben festgesetzt worden sind, ohne Überwachungswerte übersteigende Überwachungsergebnisse zu berücksichtigen, geht an der klaren gesetzlichen Regelung vorbei. Die Regelung des § 4 Abs. 4 AbwAG fordert eindeutig, dass eine Überschreitung von Überwachungswerten zu berücksichtigen ist, soweit nicht die Einhaltungsfiktion des § 6 Abs. 1 AbwV eingreift.

3. Auch die vorgetragenen Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor. Es bedurfte keiner weiteren Sachaufklärung, zu welchem Zeitpunkt das die Abwasserabgabe festsetzende Landratsamt Kenntnis welcher Überschreitungen von Überwachungswerten hatte. Da die Klägerin nach vorstehenden Ausführungen keinen Vertrauensschutz hinsichtlich der Nacherhebung von Abwasserabgaben geltend machen kann, die Abwasserabgabe vielmehr in den Grenzen der Festsetzungsverjährung in der richtigen Höhe nachzuerheben ist, bleibt der Zeitpunkt der Kenntnis einer Überschreitung von Überwachungswerten ohne Bedeutung.

Ebenso war der Frage nach den Ursachen der Betriebsstörung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter nachzugehen. Der Klägerin ist im Rahmen der Regelung des § 4 Abs. 4 AbwG i.V. mit § 6 Abs. 1 AbwV jede relevante Überschreitung unabhängig von ihrer konkreten Ursache zuzurechnen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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