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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 08.2549
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 35 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 08.2549

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Gewerbeuntersagung;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. Juli 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 23. Oktober 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO) vorliegen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

1.1. Die Klägerin macht zunächst geltend, die Prognose, sie sei gewerberechtlich unzuverlässig, sei unrichtig, da nur auf ihr Verhalten in der Vergangenheit abgestellt und nicht berücksichtigt worden sei, dass sie im Zeitraum vom 31. Januar 2007 bis 15. Mai 2008 erhebliche Zahlungen an das Finanzamt und an die AOK geleistet und dadurch insbesondere ihre Steuerschulden erheblich reduziert habe. Dies belege, dass sie trotz ihrer Schulden an einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeite, so dass eine negative konkrete Gefahrprognose für die Zukunft schon im Zeitpunkt des Bescheidserlasses (15. November 2007) nicht gerechtfertigt gewesen sei. Darüber hinaus habe sie seit März 2008 fünf Aufträge mit einer Nettoauftragssumme von 351.000 Euro erhalten, was eine weitere absolut positive Entwicklung darstelle.

Dieser Vortrag kann ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die langjährigen hohen Steuerschulden der Klägerin und ihre mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in zwei eidesstattlichen Versicherungen vom 15. März 2006 und 6. Juli 2007 ihren Ausdruck gefunden hat, zu Recht die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin bejaht. Zwar ist es richtig, dass die Feststellung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit mit der Zukunftsprognose weiterer Verstöße verbunden sein muss (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, RdNr. 32 zu § 35, m.w.N.). Insoweit stünde der Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit entgegen, wenn im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Bescheidserlasses am 15. November 2007 verlässliche Anzeichen einer Besserung vorhanden gewesen wären. Dies war jedoch nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat dargelegt, dass die Klägerin über lange Jahre hinweg und unmittelbar vor Bescheidserlass Steuerschulden in Höhe von ca. 90.000 Euro gehabt hat, also die von ihr geleisteten Beträge offensichtlich zu keiner erheblichen Minderung der Verbindlichkeiten geführt haben (Urteilsabdruck S. 2, 6/7). Es weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin, obwohl sie hierfür fünf Jahre Zeit gehabt hat, weder Ratenzahlungsvereinbarungen noch eigene Sanierungskonzepte vorgelegt hat. Verlässliche Anzeichen einer Besserung ergeben sich nicht schon aus Sanierungsbemühungen, hierfür ist vielmehr die Vorlage eines tragfähigen Sanierungskonzepts zu verlangen (vgl. BVerwG vom 5.3.1997 GewArch 1997, 244). Soweit die Klägerin auf eine positive Entwicklung im Jahre 2008 Bezug nimmt, konnte dies bezogen auf die Entwicklung der Steuerschulden nicht bestätigt werden (vgl. Urteilsabdruck S. 6). Im Übrigen wären solche (nachträglichen) Änderungen im Hinblick auf den vorliegend maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Bescheidserlasses nur im Rahmen eines Antrags der Klägerin in einem Wiedergestattungsverfahren zu würdigen (BVerwG vom 2.2.1982 BVerwGE 65, 1).

1.2. Des Weiteren wendet die Klägerin ein, dass jedenfalls die erweiterte Gewerbeuntersagung als rechtswidrig anzusehen sei. Es lägen besondere Umstände vor, die es vorliegend als ausgeschlossen erscheinen ließen, dass die Klägerin in Zukunft ein anderes Gewerbe ausübe. Sie sei Journalistin von Beruf und übe diesen Beruf auch aus. Umstände, die einen gegenteiligen Schluss zuließen, seien vom Beklagten nicht substantiiert und nachvollziehbar dargetan; es werde nur dieses oder jenes unterstellt. Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere Gewerbe sei demgemäß ermessensfehlerhaft. Im Übrigen seien die im Bescheid vom 15. November 2007 angestellten Ermessenserwägungen so pauschal und formelhaft, dass die erst im Verwaltungsgerichtsverfahren nachgeschobenen, erstmals konkret auf die Klägerin bezogenen Ermessenserwägungen nicht i.S. von § 114 Satz 2 VwGO als zulässige Ergänzung der angestellten Erwägungen, sondern als unzulässiges Nachschieben gewertet werden müsse.

Auch dieser Einwand kann Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht begründen. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte seine Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 14. Juli 2008 (Bl. 84 ff. der Akten des Verwaltungsgerichts) im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO ergänzt und damit konkret und in ausreichender Weise dargetan hat, aus welchen Erwägungen und aufgrund welcher Tatsachen von einem Ausweichen der Klägerin auf andere Gewerbe auszugehen sei (Urteilsabdruck S. 7). Eine spätere Ergänzung einer Ermessensbegründung des Verwaltungsakts noch während des Prozesses ist nach der Rechtsprechung zulässig, wenn die nachträglich von der Behörde angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, der Verwaltungsakt durch sie in seinem Wesen nicht geändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 87 zu § 114 m.w.N). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben; der Umstand, dass die Erwägungen im Bescheid ursprünglich sehr allgemein gehalten waren, führt nicht etwa dazu, dass sich der Verwaltungsakt nun in seinem Wesen geändert hätte, vielmehr verdeutlichen die konkret auf die Klägerin bezogenen Erwägungen nur die getroffene Entscheidung (vgl. Rennert, a.a.O., RdNr. 89 zu § 114).

Die nachgeschobenen Erwägungen, auf die das Verwaltungsgericht durch seinen Verweis auf den streitigen Bescheid gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug nimmt, rechtfertigen die Prognose, dass eine anderweitige Gewerbeausübung durch die Klägerin ausreichend wahrscheinlich und daher die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung erforderlich ist. Der Beklagte verweist im Schriftsatz vom 14. Juli 2008 darauf, dass die Klägerin - obwohl Journalistin von Beruf - neben dem untersagten Gewerbe "Serviceleistungen für Veranstaltungen aller Art, insbesondere Reitturnierservice und Verkauf und Verleih von Hindernissen und Hindernisdekorationen", das sie in ihrer Wohnung in der Gemeinde H*************-******* ausübt, in der Vergangenheit weitere Betriebe geführt hat. Dabei handelt es sich nicht, wie die Klägerin vorträgt, um bloße Unterstellungen, sondern um Tatsachen, die der Beklagte unter Verweis auf seine Akten belegt hat. Für den Betrieb "D** **************"mit den Tätigkeitsfeldern "Groß- und Einzelhandel mit Reitsportartikeln, Dienstleistungen für den Pferdesport, Hindernisbau, Reitplatzbau, Bautenschutz" in G********* (Gemeinde B**********) liegt eine Gewerbeanmeldung der Klägerin vom 9. Oktober 2000 vor (Bl. 33 der Akten). Außerdem führte die Klägerin dort (jedenfalls) im Jahre 2002 unter derselben Adresse einen Betrieb namens "R****** *****", wie sich aus einem Schreiben der s****** BKK, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, vom 6. Dezember 2002 (Bl. 2 der Akten) ergibt, und zwar ohne einen solchen unter diesem Namen angemeldet zu haben. Daneben trat die Klägerin als Inhaberin der Firma "D**** ********" mit Sitz in der Gemeinde H************ auf, welche ebenfalls nicht angemeldet war (Bl. 70 f., 74, 79 der Akten). Soweit in der Antragsbegründung behauptet wird, die Klägerin habe in H************ nie ein nicht angemeldetes Gewerbe namens "D**** ********" betrieben, ist dies durch den Akteninhalt eindeutig widerlegt; insbesondere hat die Klägerin selbst in dem von ihr unterschriebenen Vermögensverzeichnis vom 10. Dezember 2005 diese Firma als eine ihrer Einzelfirmen benannt (Bl. 60 der Akten). Insgesamt liegt damit auf der Hand, dass der Vortrag in der Antragsbegründung, die Klägerin habe immer nur einen einzigen Gewerbebetrieb innegehabt, nicht den Tatsachen entspricht; jedenfalls ist die Klägerin im Geschäftsverkehr als Inhaberin mehrerer Firmen an mehreren Standorten aufgetreten, auch wenn diese jeweils mit Pferdesport zu tun hatten. Soweit der Beklagte Vermutungen in Bezug auf weitere Firmen, insbesondere solche ihres Lebensgefährten, angestellt hat, hat er diese Überlegungen als Vermutungen gekennzeichnet und nur ergänzend zu den tatsächlich belegten Gewerbeausübungen angeführt. Im Übrigen basieren auch diese Vermutungen auf konkreten Verdachtsmomenten, insbesondere auf zahlreichen Gläubigeranfragen wegen Forderungen gegen eine Firma "D**** ********" in H************, Eching bzw. Erfurt (Bl. 79 ff., 98 der Akten), die von der Klägerin bzw. deren Lebensgefährten (oder dessen Mutter) betrieben werden soll. Nach der Rechtsprechung ist es für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Gewerbeausübung nicht erforderlich, dass positive Anhaltspunkte hierfür gegeben sind; vielmehr kann es bereits ausreichen, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende ein anderes Gewerbe in Zukunft ausübt (vgl. BVerwG vom 2.2.1982 Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 38; vom 11.9.1992 GewArch 1995, 116 m.w.N.). Insoweit würden auch nur einzelne der genannten Feststellungen den Schluss rechtfertigen, dass eine andere Gewerbeausübung der Klägerin nach Untersagung des an ihrem Wohnort ausgeübten Gewerbes hinreichend wahrscheinlich ist.

2. Auch die Rüge der Klägerin, es liege ein Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V. mit § 86 Abs. 1 VwGO vor, weil das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen und nur bloßen Behauptungen des Beklagten gefolgt sei, kann nicht zur Zulassung der Berufung führen.

Der Verfahrensverstoß wird darin gesehen, dass das Verwaltungsgericht den von der Klägerin schriftsätzlich angebotenen Beweis zur Vernehmung des Lebensgefährten der Klägerin als Zeugen dafür, sie habe nur einen einzigen Gewerbebetrieb innegehabt, insbesondere in H************ kein nicht angemeldetes Gewerbe betrieben und nie eine Firma unter der Bezeichnung "D**** ********" geführt, nicht erhoben hat. Wie oben ausgeführt, liegen von der Klägerin unterzeichnete Schriftstücke vor, in denen sie sinngemäß erklärt hat, sie betreibe seit dem Jahr 2000 verschiedene Firmen an verschiedenen Standorten, und zwar insbesondere die Firma "D**** ********" in H************. Nachdem nicht dargetan ist, dass die in den Akten befindlichen Schriftstücke nicht echt seien, ist nicht ersichtlich, inwieweit einer gegenteiligen Zeugenaussage des Lebensgefährten der Klägerin ein Beweiswert zukommen könnte, der die vom Beklagten angestellte Prognose, es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen der Klägerin auf ein anderes Gewerbe, entkräften könnte. Jedenfalls hat die Klägerin bei dieser Ausgangslage (vgl. zur Beweiskraft privater Urkunden § 416 ZPO) nicht hinreichend dargelegt, inwieweit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem gerügten Verstoß beruhen könnte bzw. sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung aufdrängen musste.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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