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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.10.2009
Aktenzeichen: 22 ZB 08.756
Rechtsgebiete: FTG, GO


Vorschriften:

FTG Art. 3
FTG Art. 5
GO Art. 109 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 08.756

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung einer Befreiung nach Art. 5 FTG;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. Februar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 9. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. Februar 2008 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer fachaufsichtlichen Weisung an die Klägerin, eine erteilte Befreiung von den Beschränkungen für öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen an einem Totensonntag zurückzunehmen.

Im Stadtteil A******** der Klägerin wird Kirchweih traditionell am letzten Novemberwochenende gefeiert. Seit etwa 15 Jahren wird vom Vereinsring A******** am Kirchweihsamstag ein sog. Beatabend veranstaltet. Da am 25. November 2007 Kirchweih und Totensonntag zusammenfielen, beantragte der Vereinsring eine Befreiung vom Verbot des Art. 3 Feiertagsgesetz (FTG), wonach öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen u.a. am Totensonntag nur dann erlaubt sind, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist, um den Beatabend bis in die Morgenstunden des Totensonntags durchführen zu können.

Mit Bescheid vom 13. November 2007 erteilte die Klägerin dem Vereinsring eine Befreiung dahingehend, dass musikalische Darbietungen am 25. November 2007 (dem Totensonntag) längstens bis 2.00 Uhr, der Ausschank und die Veranstaltung insgesamt längstens bis 3.00 Uhr andauern dürften. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Durchführung eines Beatabends nur bis 24.00 Uhr sei nicht realisierbar; der Vereinsring sei dringend auf Einnahmen durch die Veranstaltung angewiesen, um die Unterhaltung der für die dörfliche Gemeinschaft dringend notwendigen Veranstaltungshalle zu gewährleisten.

Mit Bescheid vom 20. November 2007 forderte das Landratsamt M************ die Klägerin zur Rücknahme der erteilten Befreiung auf. Gewichtige und schutzwürdige öffentliche oder private Interessen für ein Abweichen von den Schutzvorschriften des Feiertagsgesetzes lägen nicht vor. Wirtschaftliche Belange stellten keinen Grund für eine Befreiung dar. Die Rücknahme der Befreiung sei wegen der Beeinträchtigung des Charakters eines stillen Tages geboten. Die Weisung sei zur Herstellung rechtmäßiger Zustände erforderlich; ein einheitlicher Vollzug der Regelungen des Feiertagsgesetzes liege im öffentlichen Interesse an einem gleichen Verwaltungsvollzug in Bayern.

Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 20. Februar 2008 abgewiesen. Das Verwaltungsgericht Würzburg bejahte das berechtigte Interesse der Klägerin an einem Fortsetzungsfeststellungsantrag, wegen Erledigung der Hauptsache für künftige Veranstaltungen eine Klärung der Rechtsfrage zu erreichen. So würde die A********** Kirchweih 2012, 2017 und in weiteren Jahren erneut auf den Totensonntag fallen. In der Sache wurde die fachaufsichtliche Weisung als rechtmäßig beurteilt.

Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO) vorliegt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Zulassungsvorbringen stellt weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage (BVerfG vom 21.1.2009 NVwZ 2009, 515). Dabei kann offen bleiben, ob die Klage bereits als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen, weil Klagebefugnis oder berechtigtes Interesse zu verneinen gewesen wären.

Das Verwaltungsgericht hat die fachaufsichtliche Weisung des Landratsamts, die nach Art. 5 FTG erteilte Befreiung zurückzunehmen, für rechtmäßig gehalten, weil kein wichtiger Grund für eine Befreiung vorliege. Weder das wirtschaftliche Interesse des Veranstalters an Einnahmen noch die bisherige Tradition dieser Veranstaltung, die schon seit langen Jahren immer an dem Kirchweihsamstag der A********** Kirchweih am letzten Novemberwochenende stattgefunden habe, stellten einen wichtigen Grund für eine Befreiung dar.

Die Begründung des Zulassungsantrags führt hierzu aus, es gehe nicht nur um ein wirtschaftliches Interesses des Vereinsrings A******** als Veranstalter, vielmehr diene die Veranstaltung auch der Förderung der dörflichen Gemeinschaft. Die Traditionsveransstaltung habe bisher immer an einem Samstag stattgefunden. Manche Jugendlichen müssten samstags arbeiten. Wegen der Durchführung mit ehrenamtlichen Kräften sei eine Vorverlegung auf den Freitagabend organisatorisch schwierig. Ein vorzeitiger Abbruch um 24.00 Uhr komme wegen des zu erwartenden Unverständnisses der Besucher hierfür nicht in Betracht. Für eine fachaufsichtliche Weisung erforderliche Gemeinwohlgründe lägen nicht vor.

Dieses Vorbringen vermag die angegriffene Entscheidung nicht in Zweifel zu ziehen.

1.1 Der Totensonntag ist als stiller Tag gesetzlich geschützt; an stillen Tagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FTG). Für die dem Vereinsring A******** erteilte Befreiung zur Durchführung seiner Tanzveranstaltung bis in die Morgenstunden des Totensonntags lagen keine wichtigen Gründe im Einzelfall vor (Art. 5 FTG).

Es mag sein, dass schwerwiegende wirtschaftliche Gründe für eine Befreiung von den Verboten des Art. 3 FTG sprechen können. Welche Gründe aber wirtschaftlich derart gewichtig wären, um eine Befreiung zu rechtfertigen, kann hier dahingestellt bleiben. Denn das Zulassungsvorbringen trägt keine über die allgemeine wirtschaftliche Gewinnerzielungsabsicht hinausgehenden Gründe vor. Es lässt sich nicht nachvollziehen, warum eine Beendigung der Tanzveranstaltung gegen 24.00 Uhr - also drei Stunden früher als vom Veranstalter beantragt - zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führt, die den Bestand des Vereinsrings in Frage stellen könnten. Zudem führt der Vereinsring noch weitere vergleichbare Veranstaltungen außerhalb des Kirchweihfests durch. Alternativ kann die für Kirchweih geplante Veranstaltung ohne erhebliche Einnahmeausfälle an einem anderen Wochenende oder Wochentag durchgeführt werden. Auch die angeführten organisatorischen Schwierigkeiten überzeugen nicht. Der Zeitpunkt eines Zusammenfallens der traditionellen Kirchweih an dem letzten Novemberwochenende mit dem Totensonntag als gesetzlich geschütztem stillen Tag (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FTG) ist kalendarisch feststehend und über Jahre im Voraus bekannt. Hierauf kann sich die Organisation der Festveranstaltung lange im Voraus einstellen.

1.2 Auch sonstige wichtige Gründe liegen hier nicht vor. Für die Durchführung der Tanzveranstaltung bis in die Morgenstunden des Totensonntags sprechen weder besondere traditionelle Gründe noch die vorgetragene Förderung der dörflichen Gemeinschaft.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, ist der sog. Beatabend einem traditionellen Kirchweihtanz nicht so ähnlich, dass er sinnvollerweise nur am Vorabend des Kirchweihsonntags durchgeführt werden kann. Eine derartige Tanzveranstaltung ohne besonderen Bezug zum hergebrachten Kirchweihfest könnte auch an einem anderen Samstag vor oder nach dem Kirchweihwochenende veranstaltet werden, an dem die Beschränkungen des Totensonntags als geschütztem stillen Tag nicht eingreifen. Auch eine Vorverlegung auf den Freitag des Kirchweihwochenendes würde wohl für eine Vielzahl von Besuchern keine wesentliche Erschwernis bedeuten. Diesen wäre es ansonsten auch zumutbar, die Veranstaltung schon früher zu verlassen, um eine ausreichende Nachtruhe zu genießen. Aus dem Zulassungsvorbringen wird nicht ersichtlich, warum bei Durchführung an einem anderen Tag als bisher oder bei einer zeitlichen Beschränkung der Veranstaltung auf 24.00 Uhr der Zusammenhalt der dörflichen Gemeinschaft beeinträchtigt würde. Entscheidend ist für die dörfliche Gemeinschaft, also die Bürger und ihre örtlichen Vereine, ob diese Veranstaltung überhaupt stattfindet, nicht aber an welchem konkreten Tag.

1.3 Dem Zulassungsvorbringen ist auch nicht darin zu folgen, dass für eine fachaufsichtliche Weisung erforderliche Gründe des Gemeinwohls (Art. 109 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GO) nicht vorlägen, da es auch in der Vergangenheit nie zu einer Gemeinwohlbeeinträchtigung gekommen sei.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, das Gemeinwohl erfordere eine fachaufsichtliche Weisung. Die für eine fachaufsichtliche Weisung erforderlichen Gemeinwohlgründe können dem angegriffenen Bescheid selbst entnommen werden. Dort wird ausgeführt, der ernste Charakter des Totensonntags solle im gesamten Landkreis gewahrt werden; der einheitliche Vollzug der Regelungen des Feiertagsgesetzes liege im öffentlichen Interesse an einem gleichen Verwaltungsvollzug in Bayern. Der angestrebte gleichmäßige und einheitliche Gesetzesvollzug rechtfertigt aber gerade im übertragenen Wirkungskreis (Art. 11 Abs. 3, Art. 83 Abs. 4 Satz 3 BV, Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 58 GO) ein fachaufsichtliches Einschreiten gegenüber Gemeinden, um eigentlich staatliche Aufgaben im ganzen Land nach einigermaßen einheitlichen Kriterien zu erfüllen (Hölzl/Hien/Bauer, Gemeindeordnung u.a., Stand Juli 2002, Nr. II.2. zu Art. 109 GO; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Stand November 2008, RdNr. 23 zu Art. 109 GO). Das Zulassungsvorbringen gibt keinen Anlass, im vorliegenden Fall hiervon abzuweichen.

2. Es sind auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) dargelegt worden. Es kann nicht angenommen werden, der ernste Charakter des Totensonntags als stiller Tag werde durch Veranstaltungen nicht beeinträchtigt, die in die ersten Stunden des beginnenden Gedenktags hineinreichten, weil kirchliche Veranstaltungen erst am Vormittag stattfänden. Ein Vergleich mit den anderen Regelungen des Feiertagsgesetzes zeigt, dass der Gesetzgeber sich bewusst für den Schutz des gesamten Totensonntags wie auch der meisten anderen stillen Tage entschieden hat. Zum einen wurde (nur) der Heilige Abend erst ab 14.00 Uhr als stiller Tag festgesetzt, zum anderen wurden hier keine zeitlich gestaffelten Regelungen wie beim Schutz der Sonn- und Feiertage in Art. 2 Abs. 2 FTG (für die ortsübliche Zeit eines Hauptgottesdienstes) getroffen. Der hieraus im Gegenschluss zu entnehmende Wille des Gesetzgebers zu einem ganztägigem Schutz der stillen Tage (ausser Heiligabend, s.o.) würde unterlaufen werden, wenn - wie vom Zulassungsvorbringen offenbar beabsichtigt - generell in die frühen Morgenstunden des Totensonntags hineinreichende Unterhaltungsveranstaltungen zugelassen würden.

3. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund fordert insbesondere eine über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache. Diese legt das Zulassungsvorbringen nicht dar. Es stellt lediglich auf das sich wiederholende kalendarische Zusammentreffen von Totensonntag und örtlichem Kirchweihfest ab. Ein zeitliches Zusammentreffen vergleichbarer Veranstaltungen mit dem Totensonntag auch in anderen Gemeinden, das eine Befreiung erfordern würde, ist nicht erläutert. Der Verweis auf abweichende Regelungen zum Schutz stiller Tage in anderen Bundesländern ist rechtlich unerheblich. Die Festsetzung der gesetzlichen Feiertage ist Sache des Landesgesetzgebers, der bei der Abwägung der zahlreichen im Feiertagsrecht zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ein Auswahlrecht hinsichtlich der Zahl der Feiertage und in Wahrung der Sinngebung kirchlicher Feiertage eine Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Intensität des Feiertagsschutzes hat (BayVerfGH vom 25.2.1982 VerfGH 35, 10; vom 15.1.1996 VerfGH 49, 1/5). Für die Anwendung verfassungsgemäßen bayerischen Landesrechts ist es irrelevant, ob und welche anderen Regelungen die Gesetzgeber in anderen Ländern getroffen haben. Ein sinngemäß geltend gemachter Anspruch auf Gleichbehandlung im Vergleich zu den Vorschriften anderer Länder zum Feiertagschutz scheidet aus, da Gleichbehandlung immer nur im Hoheitsgebiet des jeweiligen Gesetzgebers geltend gemacht werden kann. Der Landesgesetzgeber ist an den Gleichheitssatz nur für seinen Rechtsetzungsbereich gebunden und nicht verpflichtet, zur Wahrung des Gleichheitssatzes seine Regelungen denjenigen anderer Normgeber anzupassen (BayVerfGH vom 24.7.1995 VerfGH 48, 87/96; vom 20.9.2005 VerfGH 58, 196/205). Auch für die Rechtsanwendung kann damit nicht im Wege erweiternder Auslegung auf anders ausgestaltete gesetzliche Regelungen eines anderen Normgebers zurückgegriffen werden.

Dass im Jahr 2012 erneut der Totensonntag mit dem letzten Novemberwochenende und damit der A********** Kirchweih zusammenfällt, führt zu keiner grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Nr. 22.5 Streitwertkatalog 2004, § 63 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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