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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.06.2006
Aktenzeichen: 24 C 06.794
Rechtsgebiete: VV RVG


Vorschriften:

VV RVG Nr. 1002
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

24 C 06.794

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung;

hier: Beschwerde des Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. März 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon ohne mündliche Verhandlung am 12. Juni 2006 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer war in dem ausländerrechtlichen Verfahren, das vor dem Verwaltungsgericht Augsburg gegen den Freistaat Bayern geführt wurde, als beigeordneter Anwalt für die Klägerin tätig. Das gerichtliche Verfahren erledigte sich dadurch, dass die Stadt Ulm der Klägerin auf Antrag des Beschwerdeführers eine Aufenthaltserlaubnis erteilte. Aufgrund der beiderseitigen Erledigungserklärungen stellte das Verwaltungsgericht Augsburg das Verfahren ein und hob die Kosten des Verfahrens gegeneinander auf.

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 7. Februar 2006 setzte der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts Augsburg die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung fest. Die geltend gemachte 1,0-Erledigungsgebühr gemäß VV 1002 lehnte er ab.

Die dagegen eingelegte Erinnerung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg, Einzelrichter, vom 22. März 2006 zurückgewiesen. Die geltend gemachte Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Die durch die von der Stadt Ulm erteilte Aufenthaltserlaubnis eingetretene Erledigung sei außerhalb des beim Verwaltungsgericht Augsburg anhängigen Klageverfahrens eingetreten. Eine anwaltschaftliche Tätigkeit, die zur Erledigung nicht wesentlich beitrage, reiche zur Entstehung der Gebühr nicht aus. Der Antrag bei der Stadt Ulm stelle keine Mitursache außerhalb des gerichtlichen Verfahrens für die Erledigung dar. Der Beschwerdeführer habe gegenüber der Stadt Ulm sogar zum Ausdruck gebracht, dass eine außergerichtliche Einigung gerade nicht erfolgen solle, vielmehr sollte die gerichtliche Entscheidung (beim Verwaltungsgericht Augsburg) abgewartet werden. Die Mitwirkung des Beschwerdeführers habe sich auf die bloße Antragstellung beschränkt, weitere Bemühungen zur außergerichtlichen Einigung, die über das Vorbringen im Prozess hinausgingen, seien nicht erkennbar.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Die Antragstellung sei "conditio sine qua non" für die Erledigung des Rechtsstreits gewesen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Streit mit dem Freistaat Bayern habe sich im Wege der überholenden Kausalität dadurch erledigt, dass nach dem Umzug der früheren Mandantin des Beschwerdeführers eine andere Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Die Mithilfe des Beschwerdeführers in dem zweiten Verfahren habe sich darauf beschränkt, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu stellen. Dies sei eine Tätigkeit, die in aller Regel von den Ausländern selber vorgenommen werde und die keine besondere anwaltschaftliche Qualifikation verlange.

II.

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Gemäß § 33 Abs. 8, § 56 Abs. 2 RVG entscheidet über die Beschwerde der Einzelrichter, da die angefochtene Entscheidung ebenfalls von einem Einzelrichter erlassen wurde.

Der im Klageverfahren beigeordnete Beschwerdeführer ist selbst zur Erinnerung bzw. Beschwerde berechtigt. Die Beschwerdesumme von 200 Euro (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) ist erreicht, da ausgehend von einem Streitwert von 5.000 Euro bei einem Erfolg der Beschwerde eine zusätzliche Gebühr von 219 Euro (VV 1002, 1003) anfallen würde.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Erinnerung im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen hat.

Die Erledigungsgebühr, die der Beschwerdeführer geltend macht, ist nicht angefallen. Die Gebühr nach VV 1002 (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG) entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Diese seit dem 1. Juli 2004 geltende und hier anzuwendende Vorschrift (§ 61 Abs. 1 RVG) - sie entspricht dem früheren § 24 BRAGO - soll das Bemühen des Anwalts um außergerichtliche Erledigung der Sache honorieren (Gerold/Schmidt/ v.Eicken/Madert, BRAGO, 12. Aufl., Anm. 7 zu § 24). Die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr, die nur anfällt, wenn sich die Angelegenheit durch Zurücknahme oder Änderung des Verwaltungsakts erledigt (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, a.a.O., Anm. 8 zu § 24). Der Tatbestand des VV 1002 ist nicht erfüllt, da der mit der Klage angefochtene Bescheid nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch die Stadt Ulm zwar gegenstandslos, aber nicht vom Beklagten aufgehoben oder geändert wurde. Eine Erledigungsgebühr entsteht nicht, wenn sich ein Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gegen die bisher zuständige Ausländerbehörde dadurch erledigt, dass die nunmehr zuständige Ausländerbehörde die begehrte Erlaubnis erteilt (OVG Hamburg vom 16.11.1993, NVwZ-RR 1994, 621 - zu § 24 BRAGO).

Die Erledigungsgebühr des VV 1002 ist auch deshalb nicht verdient, weil der Beschwerdeführer keinen besonderen Beitrag mit der Zielrichtung geleistet hat, dass die Sache außergerichtlich erledigt wird. Zwar genügt ein Tätigwerden des Rechtsanwalts in Richtung auf den später erzielten Erfolg, ohne dass es darauf ankommt, worin dieses Tätigwerden besteht (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., Anm. 11 zu VV 1002 mit weiteren Hinweisen auf die zum früheren Recht ergangene Rechtsprechung; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, a.a.O.). Es dürfen - dem Zweck des Gesetzes entsprechend - keine zu hohen Anforderungen an die Art der anwaltlichen Tätigkeit gestellt werden. Eine Mitwirkung in diesem Sinne kann deshalb auch ein bloßer Antrag sein, selbst wenn dieser keine besonderen rechtlichen Schwierigkeit bereitet und auch nicht qualifiziert begründet wird. Es kommt nämlich nicht auf die Qualität der Mitwirkung, sondern auf deren Erfolg, also die - nicht nur unwesentliche - (Mit-) Ursächlichkeit für die Erledigung an.

Der Anwalt muss bei seiner anwaltlichen Tätigkeit aber über den Erfolg hinaus die außergerichtliche Erledigung bezweckt haben. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es trifft zwar zu, dass der vom Beschwerdeführer bei der Stadt Ulm für seine Mandantin gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die notwendige Voraussetzung ("conditio sine qua non") dafür war, dass die Aufenthaltserlaubnis von der Stadt Ulm erteilt wurde. Mit dem Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei der Stadt Ulm bezweckte der Beschwerdeführer jedoch nicht, den Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht außergerichtlich zu beenden. Das kam im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 26. September 2005 an die Stadt Ulm deutlich zum Ausdruck: "Der Antrag muss nicht vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg in der Hauptsache entschieden werden, nachdem das dortige Gericht angekündigt hat, frühzeitig zu terminieren." Dieser Hinweis auf den bevorstehenden Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht Augsburg sollte erkennbar so verstanden werden, dass der Beschwerdeführer eine frühere Entscheidung der Stadt Ulm nicht erwartete, sondern der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zeitlich den Vorrang geben wollte. Wäre die Stadt Ulm der Anregung des Beschwerdeführers gefolgt, hätte sie über den Antrag nicht vor dem Verwaltungsgericht entschieden, sondern die gerichtliche Entscheidung abgewartet. Dass die Stadt Ulm vor dem Verwaltungsgericht tätig wurde, geht somit nicht auf das Bemühen des Beschwerdeführers um eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht zurück. Der Rechtstreit vor dem Verwaltungsgericht hat sich nicht wegen der Mitwirkung des Beschwerdeführers außergerichtlich erledigt, sondern trotz seines eher entgegengesetzten Wirkens. Da die Erledigungsgebühr ein Anreiz für den Anwalt sein soll, an einer außergerichtlichen Erledigung eines Rechtsstreits mitzuwirken (vgl. Hartmann, a.a.O., Anm. 1 zu VV 1002), ist für die Anregung des Beschwerdeführers, erst die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuwarten, nach VV 1002 keine zusätzliche Gebühr gerechtfertigt. Diese Auslegung des VV 1002 ist nicht willkürlich, sondern entspricht dessen Sinn und Wortlaut; entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers geht der Anwendungsbereich der Vorschrift bei der hier vertretenen Auslegung auch nicht gegen Null.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Ende der Entscheidung

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