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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 25 CS 05.295
Rechtsgebiete: VwGO, TierSchG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
TierSchG § 16 a Satz 2 Nr. 2
1. Die Anordnung auf der Grundlage des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG, Tiere ihrem Halter fortzunehmen und auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterzubringen, regelt die Kostentragungspflicht bereits dem Grunde nach.

2. Ein die Höhe dieser Kostentragungspflicht festsetzender Leistungsbescheid ist als Anforderung öffentlicher Kosten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

25 CS 05.295

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Tierschutz/Unterbringungskosten (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 25. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz

ohne mündliche Verhandlung am 9. Juni 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2005 wird aufgehoben. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 812,97 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Der Bescheid vom 25. November 2004, mit dem der Antragsteller aufgefordert worden ist, die Kosten für die anderweitige pflegliche Unterbringung seiner aus Tierschutzgründen weggenommenen Pferde in Höhe von 3.251,88 Euro zu erstatten, ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Überwiegende private Interessen des Antragstellers, bis zu einer endgültigen Entscheidung von der sofortigen Zahlungspflicht verschont zu bleiben, sind nicht ersichtlich. Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die angedrohte Zwangsvollstreckung ist daher entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als unbegründet abzulehnen.

1. Gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheids vom 25. November 2004, gegen den der Antragsteller fristgerecht Widerspruch erhoben hat, bestehen keine Bedenken. Rechtsgrundlage ist § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG. Nach dieser Vorschrift kann ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes erheblich vernachlässigt ist, dem Halter fortgenommen und solange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich untergebracht werden, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sichergestellt ist. Die sofortige Wegnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung des Fohlens und der Mutterstute des Antragstellers auf seine Kosten wegen nicht artgerechter Haltung hat die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 8. April 2004 verfügt. Dieser Bescheid ist zwar noch nicht bestandskräftig, aber mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig. Das hat der Senat bereits in einem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entschieden (Beschluss vom 3.6.2004 Az. 25 CS 04.1363 und 1364). Daran wird festgehalten. Die Zahlungspflicht des Antragstellers steht somit dem Grunde nach sofort vollziehbar fest. Der streitgegenständliche Bescheid vom 25. November 2004 konkretisiert diese Kostenerstattungspflicht auf der Grundlage des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG lediglich noch in der Höhe. Die Antragsgegnerin hat entsprechende Rechnungen beigefügt, die den geforderten Gesamtbetrag von 3.251,88 Euro ergeben. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat insoweit auch keine substantiierten Einwendungen erhoben.

2. Der Bescheid vom 25. November 2004 ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch kraft Gesetzes sofort vollziehbar, weil er die Anforderung von Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO beinhaltet. Der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers ist daher als Antrag auszulegen, die ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, um die angedrohte Zwangsvollstreckung vorerst abzuwenden.

Die anderweitige pflegliche Unterbringung der dem Antragsteller weggenommenen Pferde war keine Vollstreckungsmaßnahme in Gestalt einer Ersatzvornahme. Dazu hätte dem Antragsteller zuvor ein entsprechendes Handeln unter Fristsetzung und Zwangsmittelandrohung aufgegeben worden sein müssen. Dies war nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen Verwaltungsakt der Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG, der der Behörde ein unmittelbares Eingreifen zum Schutz der betroffenen Tiere ermöglicht. Die Vorschrift regelt auch ausdrücklich die Kostentragungspflicht des Halters für die anderweitige Unterbringung ("auf dessen Kosten") und ist somit eine eigene Anspruchsgrundlage und Befugnisnorm zur Festlegung derartiger Erstattungsforderungen.

Die auf dieser Grundlage geltend gemachte Erstattung der verauslagten Kosten durch die Antragsgegnerin stellt sich als Anforderung von Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO dar, so dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Zu diesen Kosten zählen grundsätzlich Gebühren, soweit sie nicht als öffentliche Abgaben zu qualifizieren sind, und Auslagen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, RdNr. 62 zu § 80). Auslagen sind auch die anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge (vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Kostengesetz). Im vorliegenden Fall sind für die anderweitige Unterbringung der Pferde des Antragstellers Aufwendungen dritter Personen entstanden, die die Antragsgegnerin durch die ihrem Bescheid beigefügten Rechnungen dokumentiert und auch verauslagt hat. Es gibt keinen stichhaltigen Grund, die Geltendmachung dieser Kosten durch Leistungsbescheid nicht als Anforderung von Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO einzustufen. Schon nach dem Wortlaut drängt sich diese Schlussfolgerung auf. Zwar dienen solche Kosten weniger der Deckung des Finanzbedarfs wie etwa öffentliche Abgaben. Der Ausgleich dieser Aufwendungen, für die die Antragsgegnerin in Vorlage getreten ist, unterfällt aber ebenfalls dem Regelungszweck des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, der sicherstellen soll, dass der öffentlichen Hand zustehende Geldforderungen dieser zur Gewährleistung ihrer Handlungsfähigkeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben - auch im Rahmen des Tierschutzgesetzes - und Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung unverzüglich zufließen, ohne durch Rechtsstreitigkeiten aufgeschoben zu werden. Für eine engere Auslegung des Kostenbegriffs im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz (so auch BayVGH vom 15.11.1993 Az. 22 CS 93.1481, NVwZ-RR 1994, 471 und vom 27.6.1994 Az. 20 CS 94.1270, NVwZ-RR 1994, 618).

Die vom Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogenen Vorschriften des Art. 9 Kommunalabgabengesetz (KAG) und § 28 Abs. 3 Satz 3 Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) betreffen andere Sachverhalte. In beiden Fällen besorgen die zuständigen Behörden im Grunde fremde Angelegenheiten, indem sie zugunsten des Grundstückseigentümers eine Hausanschlussleitung verlegen (Art. 9 KAG) oder notwendige Maßnahmen auf Bundeswasserstraßen selbst ausführen, wenn die verantwortliche Person nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, wobei dann die Kosten, die durch die unmittelbare Ausführung entstehen, dem Verantwortlichen auferlegt werden können (§ 28 Abs. 3 Satz 3 WaStrG). Die anderweitige pflegliche Unterbringung nicht ordnungsgemäß gehaltener Tiere nach § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ist dagegen keine Angelegenheit des Tierhalters, die die zuständige Behörde für diesen besorgt. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen Verwaltungsakt, den die Behörde zur unmittelbaren Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß dem Tierschutzgesetz erlässt und vollzieht.

3. Da nach alldem keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 25. November 2004 bestehen und auch weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die sofortige Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 analog), ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Januar 2005 aufzuheben und der Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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