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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 26 C 04.939
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG a.F. § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG a.F. § 14 Abs. 1
GKG a.F. § 14 Abs. 2
GKG i.d.F. d. KostRMoG vom 05.05.2004 § 52 Abs. 1 Satz 1
GKG i.d.F. d. KostRMoG vom 05.05.2004 § 47 Abs. 1
GKG i.d.F. d. KostRMoG vom 05.05.2004 § 47 Abs. 2
Klagt der Bauherr gegen einen Bescheid, durch den auf den Widerspruch Drittbetroffener die ihm erteilte Baugenehmigung aufgehoben wird, so ist der Streitwert nicht in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (nunmehr § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG i.d.F. des KostRMoG vom 5.5.2004 BGBl I S. 718) durch den Wert des Interesses der Drittbetroffenen an der Aufhebung der Baugenehmigung begrenzt (a.A. 20. Senat des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, Beschluss vom 18.9.2002 - 20 C 02.1735 BayVBl. 2003, 636).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

26 C 04.939

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Teilanfechtung des Widerspruchsbescheids;

hier: Beschwerde der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2 und 3 gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 17. 03.2004

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof,26. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Renk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Roßkopf, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Fießelmann,

ohne mündliche Verhandlung am 30. September 2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 17. März 2004 wird der Streitwert auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, ein Speditionsbetrieb, begehrte mit ihrer Klage die teilweise Aufhebung von verschärfenden Nebenbestimmungen zu einem Bauvorbescheid (nächtlicher Immissionsrichtwert 39 statt 43 dB (A), Beschränkung der Anzahl der zulässigen LKW An- und Abfahrten zur Nachtzeit auf lediglich 10), die durch den angefochtenen Widerspruchsbescheid zugunsten der Beigeladenen festgesetzt worden waren. Bei diesen Begrenzungen könne sie die geplante Spedition in der vorgesehenen Größenordnung nicht wettbewerbsgerecht betreiben.

Aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 17. März 2004 ein, überbürdete die Kosten zu je 1/3 auf die Klägerin, den Beklagten und die Beigeladenen zu 2 und 3 (letztere als Gesamtschuldner), die als Nachbarn einen Antrag auf Klageabweisung gestellt hatten. Den Streitwert setzte es mit der Begründung auf 7.500,-- Euro fest, dass nach der Rechtsprechung eines Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 18.9.2002 - 20 C 02.1735 BayVBl. 2003, 636) bei einer Klage des Bauherrn gegen einen Bescheid, durch den auf den Widerspruch Drittbetroffener die ihm erteilte Baugenehmigung aufgehoben wird, der Streitwert in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG durch den Wert des Interesses der Drittbetroffenen an der Aufhebung der Baugenehmigung begrenzt sei. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass für die drei Grundstücke der Beigeladenen jeweils ein Streitwert von ca. 5000 Euro maßgeblich sei, der bei dem Vorbescheidsverfahren entsprechend Nr. 7.2 des Streitwertkatalogs zu halbieren sei.

Mit der Beschwerde beantragen die Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2 und 3,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und den Streitwert auf 30.000,00 Euro festzusetzen.

Sie machen geltend, dass das Verwaltungsgericht im Nachbarstreitverfahren der Beigeladenen zu 4 und 5 (**** / Freistaat Bayern Az. B2 S 04.177 und B 2 K 03.921) eine befürchtete Wertminderung ihres Wohngrundstücks von 20.000 Euro angenommen habe und dies der Streitwertbemessung zu Grunde gelegt habe. Bei Ansatz dieser Wertminderung je Drittbetroffenen ergebe sich unter Berücksichtigung der Halbierung aufgrund des Vorbescheidsverfahrens der beantragte Streitwert.

Der Beklagte widersetzt sich dem Antrag und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf das Verfahren 26 C 04.953, in dem der beschließende Senat den vom Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Beigeladenen zu 2 und 3 gegen den Bauvorbescheid der Streitwertbemessung zugrunde gelegten (halbierten und überschlägig auf 5000 Euro umgerechneten) Regelwert von 10.000 DM bei Nachbarstreitigkeiten bestätigt hat (Beschluss vom 7.07.2004).

II.

Die Streitwertbeschwerde ist zulässig. Die vor dem 1. Juli 2004 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 25 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 3 GKG a.F. (anzuwenden gemäß § 72 KostRMoG vom 5.5.2004 BGBl I S. 718) statthaft. Die Beschwerdeführer sind als Rechtsanwälte nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO (anzuwenden gemäß § 61 Abs. 1 RVG) befugt, die Beschwerde im eigenen Namen einzulegen.

Sie hat Erfolg.

Ausgangspunkt für die Berechnung des Streitwerts ist - wovon im Grundsatz auch das Verwaltungsgericht ausgeht - die sich für die Klägerin aus ihrem Antrag ergebende Bedeutung der Sache (§ 13 Abs. 1 Satz 1 a.F.; nunmehr § 52 Abs. 1 GKG). Im vorliegenden Fall ist dies das (wirtschaftliche) Interesse der Klägerin am Erfolg der Klage, d.h. an der Aufhebung der im Widerspruchsbescheid getroffenen, gegenüber dem Vorbescheid verschärften Auflagen für den von ihr geplanten Speditionsbetrieb. Nach dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl 1996, 605), den der Senat in ständiger Praxis als Anhaltspunkt heranzieht, können bei "sonstigen Anlagen" (Nr. 7.1.7), zu denen auch eine Spedition gehört, alternativ ein Bruchteil der Rohbaukosten, die Bodenwertsteigerung oder das wirtschaftliche Interesse (Jahresnutzwert) für die Streitwertbemessung herangezogen werden. Bei einer gewerblichen Anlage steht naturgemäß das wirtschaftliche Interesse des Betreibers im Vordergrund, so dass hier regelmäßig von einem Jahresnutzwert auszugehen ist. Die Klägerin hat in der Klagebegründung dargelegt, dass sie unter den verschärften Nebenbestimmungen die geplante Spedition in der vorgesehenen Größenordnung nicht wettbewerbsgerecht betreiben könne und bei Aufrechterhaltung der Betriebsbeschränkungen aus wirtschaftlichen Gründen von dem Vorhaben Abstand nehmen müsse. Bei vorsichtiger Schätzung nimmt der Senat deshalb an, dass dieser jedenfalls nicht unter der Höhe des vom Beschwerdeführer beantragten Streitwerts liegt.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und des 20. Senats des Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.9.2002 - 20 C 02.1735 BayVBl. 2003, 636) ist hier der Streitwert nicht in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 2 GKG a.F. (nunmehr § 47 Abs. 2 GKG) auf das Interesse der drittbetroffenen Beigeladenen zu begrenzen. Richtig ist zwar, dass nach dieser Regelung der Streitwert im Berufungsverfahren dann, wenn der Bauherr gegen die die Baugenehmigung aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berufung einlegt, sich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 a.F.; § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG n.F. ), dieser jedoch begrenzt wird durch das Interesse der Drittbetroffenen, da dieses Interesse für den Streitwert der ersten Instanz maßgeblich war (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.; § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F.). Dabei wird regelmäßig das Interesse des oder der Drittbetroffenen (Nachbarn) als geringer anzusetzen sein als das Interesse des Bauherrn (vgl. 7.6.1 des Streitwertkatalogs).

Eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (bzw. § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F.) auf die vorliegende Fallgestaltung (Bauherrnklage gegen einen zugunsten des Nachbarn ergangenen Widerspruchsbescheid) wird weder durch den Wortlaut noch durch den Sinn des Gesetzes und auch nicht durch die Betrachtung des Streitgegenstands nahe gelegt.

Der Wortlaut ist eindeutig. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. bemisst sich der nach Ermessen zu bestimmende Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Maßgeblich ist allein die sich aus seinem Antrag für den Kläger ergebenden Bedeutung der Sache, nicht dagegen ein anderer Umstand wie der Umfang der Sache, die Mühewaltung des Gerichts oder die wirtschaftlichen Verhältnisse anderer Beteiligter (ebenso Hartmann, Kostenrecht, 33. Aufl.RNr. 3 zu § 14 GKG),

Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens, das sich an einen dem Widerspruch Drittbetroffener gegen die Baugenehmigung stattgegebenen Bescheid anschließt, ist zwar nicht der Anspruch des Bauherrn auf Baugenehmigung, sondern nur die (engere) Frage, ob die erteilte Baugenehmigung subjektive Rechte der Drittbetroffenen verletzt. Der Streitwert im Sinne von § 13 Abs. 1 GKG a.F. (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG n.F.). ist aber nicht auf diesen (prozessualen) Streitgegenstand bezogen, sondern darauf, welchen (wirtschaftlichen) Wert dieser für den Kläger hat. Maßgeblich ist also in jedem Fall der Streitwertbemessung die Bedeutung des Sache für den jeweiligen Kläger. Eine Begrenzung erfolgt insoweit kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur im Rechtsmittelverfahren (§ 14 Abs. 2 GKG a.F.; § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F.), in dem sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt. Der Streitwert wird hierbei zu dessen Schutz durch den Streitwert (bzw. bezeichnet als "Wert des Streitgegenstandes") der ersten Instanz begrenzt (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.; nunmehr § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG). Im Verfahren erster Instanz ist nach Auffassung des beschließenden Senats (die entsprechend einer internen Umfrage von den übrigen Bausenaten des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs - mit Ausnahme des 20. Senats, der aus Gründen der "Systemgerechtigkeit" an seiner bisherigen Auffassung festhalten möchte - geteilt wird) eine derartige Begrenzung gesetzlich nicht vorgesehen. Dem Gesetzgeber zu unterstellen, er hätte in § 13 Abs. 1 GKG a.F. (nunmehr § 52 Abs. 1 GKG) eine Begrenzung des Streitwerts zu Gunsten eines Drittbetroffenen unbewusst übersehen, ist in Hinblick darauf, dass bereits im folgenden § 14 Abs. 2 GKG a.F (nunmehr § 47 Abs. 2 GKG) eine solche Regelung getroffen wurde, fern liegend. Eine Begrenzung des Streitwerts zugunsten Drittbetroffener ist im Klageverfahren des Bauherrn auch nicht geboten, um "ungereimte" Ergebnisse zu vermeiden. Die Streitsituation ist nämlich - entgegen der Auffassung des 20. Senats - nicht völlig vergleichbar mit derjenigen nach § 14 GKG a.F. . Ein im Klageverfahren 1. Instanz Beigeladener ist vor einem zu hohen Prozessrisiko insofern geschützt, als er ohne Antragstellung nicht mit den Kosten belastet werden darf (§ 154 Abs. 3 VwGO). Er kann also trotz möglicher hoher Streitwerte einer Bauherrenklage an dem Prozess teilnehmen, ohne dass dies für ihn zwangsläufig unüberwindbare wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Folge hätte. Da eine Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen nur von seiner materiellen Beschwer, nicht aber von seiner Antragstellung abhängt, ergibt sich auch insoweit kein mittelbarer Zwang zur Antragstellung im ersten Rechtszug.

Ob eine Begrenzung auf das Interesse des Rechtsmittelführers (in Hinblick auf verfassungsmäßig gebotenen effektiven Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) überhaupt geboten und durch § 14 Abs. 2 GKG a.F. gewährleistet ist, wenn der Drittbetroffene gezwungen ist, ein Rechtsmittel mit möglicher nachteiliger Kostenfolge einzulegen, um die Rechtskraft eines für ihn ungünstigen Urteils abzuwenden, ohne unüberschaubare wirtschaftliche Schwierigkeiten befürchten zu müssen, braucht hier nicht entschieden zu werden (bejahend: HessVGH vom 8.8.1989 BRS 49 Nr. 179; verneinend BVerwG vom 9.11.1989 BayVBl 1989, 286; vom 1.8.2001 Buchholz 360 § 14 GKG Nr 6).

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG a.F.).



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