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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 16.07.2007
Aktenzeichen: 4 B 06.1953
Rechtsgebiete: VwGO, GO, EWS


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1
VwGO § 101 Abs. 2
GO Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
EWS § 1 Abs. 3
EWS § 4
EWS § 5
EWS § 8a
Die Anordnung, ein Grundstück an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen, ist auch dann rechtmäßig, wenn der Anschlussnehmer im Fall der Druckentwässerung nach der Entwässerungssatzung verpflichtet ist, die erforderliche Stromzuführung zur Pumpstation auf eigene Kosten herzustellen und die anfallenden Stromkosten zu tragen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 B 06.1953

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anschluss- und Benutzungszwang;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 1. Juni 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

ohne mündliche Verhandlung am 16. Juli 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 1. Juni 2006 wird in Ziffer I. Satz 1 aufgehoben. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten sich um die Verpflichtung des Klägers, sein Grundstück an die gemeindliche Entwässerungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen.

Die Beklagte betreibt im Ortsteil R******** eine am 6. Dezember 2000 abgenommene Entwässerungsanlage im Form der Druckentwässerung. Das Grundstück des Klägers, das derzeit über eine Drei-Kammer-Grube entwässert wird, grenzt an eine Verkehrsfläche, in der der Druckabwasserkanal verlegt ist. Auf dem klägerischen Grundstück sind ein Pumpenschacht mit Pumpe nebst Steuerungseinheit sowie die erforderlichen Rohrleitungen verlegt. Nach § 1 Abs. 3 der Entwässerungssatzung der Beklagten (EWS) gehören zur Entwässerungsanlage der Gemeinde auch die Grundstücksanschlüsse bis zur Grenze der anzuschließenden Grundstücke (Satz 1). Bei Druckentwässerungsnetzen gehören auch die Anschlussleitungen auf dem Grundstück bis zum Pumpenschacht einschließlich Pumpenschacht, Pumpe und Steuerung zu der öffentlichen Entwässerungsanlage (Satz 2). In Ergänzung hierzu bestimmt § 8 a Abs. 4 EWS, dass alle vor der Pumpstation befindlichen Entwässerungsanlagen einschließlich der Stromführung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehören. Diese sind vom Anschlussnehmer zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten (Satz 2).

Mit Bescheid vom 14. April 2004 verpflichtete die Beklagte den Kläger, sein Grundstück an die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt anzuschließen und das anfallende Wasser nach Maßgabe der Entwässerungssatzung einzuleiten und bis spätestens 19. Mai 2004 seine Grundstücksentwässerungsanlage funktionsfähig herzustellen (1), nach Abnahme der Grundstücksentwässerungsanlage durch Bedienstete der Beklagten das auf dem Grundstück anfallende Abwasser nach Maßgabe der Entwässerungssatzung in die öffentliche Entwässerungsanlage einzuleiten (2) und seine Drei-Kammer-Grube von diesem Zeitpunkt an außer Betrieb zu setzen und den darin befindlichen Fäkalschlamm und Restwasser bei einer zentralen Kläranlage abzuliefern (3). Die Zuwiderhandlung gegen den Anschluss- und Benutzungszwang werde als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße nach § 20 EWS belegt. Außerdem sei die Beklagte nach § 21 EWS zur Ersatzvornahme berechtigt (4). Der Bescheid ist im wesentlichen darauf gestützt, dass die Entwässerungsanlage der Stadt einschließlich der von ihr herzustellenden Anschlüsse betriebsbereit sei, so dass für den Kläger Anschlussrecht und Anschlusspflicht nach § 5 EWS bestehe. Trotz Aufforderung habe der Kläger es versäumt, die Stromzuführung zur Steuereinheit herzustellen. Die Abwassereinleitung über die private Kläreinrichtung und der unterbliebene Anschluss an die gemeindliche Entwässerungsanlage liefen dem öffentlichen Interesse zuwider.

Der vom Kläger gegen den Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts Pfaffenhofen vom 13. Dezember 2004 zurückgewiesen. Der Anschluss des klägerischen Grundstücks sei tatsächlich und rechtlich möglich; für den Anschluss und die Benutzung sprechende Gründe des öffentlichen Wohls lägen vor. Die nach der Entwässerungssatzung bestehende Verpflichtung des Klägers, auf seine Kosten den Stromanschluss für die Steuereinheit und die Pumpe zu erstellen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Als Ausgleich dafür entfielen die Kosten für die Anschlussleitung und den Schacht. Hinzu komme wegen des erhöhten Wartungsaufwands und der beim Betrieb anfallenden Stromkosten ein Abschlag für die Einleitungsgebühren in Höhe von 15% nach der Beitrags- und Gebührensatzung. Der Kläger sei jederzeit in der Lage, die Stromversorgung herzustellen.

Am 8. Januar 2005 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, den Bescheid der Stadt G. vom 14. April 2004 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Pfaffenhofen vom 13. Dezember 2004 aufzuheben und die Stadt G. zu verpflichten, den öffentlichen Teil der Entwässerungsanlage für ihn unverzüglich und ohne Kosten nutzbar zu machen und ihn von künftigen Wartungsverpflichtungen freizustellen.

Mit Urteil vom 1. Juni 2006 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten sowie den Widerspruchsbescheid auf und wies die Klage im Übrigen ab. Soweit der Kläger die Freistellung von künftigen Wartungsverpflichtungen begehre, sei die Klage unzulässig; im Übrigen sei sie zum Teil begründet. Der Kläger unterliege nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang, denn sein Grundstück sei nicht im Sinne der EWS erschlossen. Erschlossensein setze die Möglichkeit des tatsächlichen Anschlusses voraus. Die Gemeinde könne die Anschlussleitungen auf dem privaten Grundstück zwar zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung erklären, jedoch liege in einem solchen Fall die Erschließung erst dann vor, wenn die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen in all ihren Betriebsteilen insgesamt betriebsfertig erstellt sei. Die Anlage müsse funktionsfähig sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Ohne Strom könnten Pumpe und Steuerungsanlage nicht funktionieren. Da das Herstellen der Stromzufuhr dem Kläger übertragen sei, sei das Funktionieren der Anlage tatsächlich und rechtlich nicht gesichert. Eine entsprechende rechtliche Verpflichtung des Klägers könne nämlich nicht auf § 8 a Abs. 4 Satz 3 EWS gestützt werden, da diese Vorschrift nichtig sei. Öffentliche Entwässerungseinrichtungen könnten nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes nur durch Gebühren und Beiträge finanziert werden. Das Gesetz erlaube aber nicht, dem Anschlussnehmer Naturalleistungen wie etwa das Herstellen der Stromleitung und die Stromlieferung aufzuerlegen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Für den Kläger bestehe nach § 5 Abs. 1 EWS Anschluss- und Benutzungszwang. Grundsätzlich bestehe Anschlusszwang für solche Grundstücke, die durch den Kanal erschlossen würden. Das Erschlossensein eines Grundstücks hänge nicht davon ab, ob der Grundstücksanschluss bereits bestehe. Daher sei rechtlich unerheblich, inwieweit nach der Entwässerungssatzung Grundstücksanschlüsse und Anschlussleitungen Bestandteil der öffentlichen Entwässerungsanlage seien. Die Verpflichtung des Anschlussnehmers, die erforderliche Stromzufuhr zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten, stehe der Anschlusspflicht nicht entgegen, denn auch ohne Stromzuführung sei die Entwässerungsanlage funktionstüchtig erstellt. § 8 a Abs. 4 EWS sei rechtlich unbedenklich. Der Gemeinde stehe es frei, Pumpe, Pumpenschacht und Steuerung zur öffentlichen Entwässerungsanlage zu erklären und dem Grundstückseigentümer die Herstellung und den Betrieb der Stromleitung aufzuerlegen. Die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes stünden dem nicht entgegen. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung, dass die Satzung eine im Kommunalabgabengesetz nicht vorgesehene Finanzierungsart vorschreibe, sei unzutreffend. Die Stromzufuhr gehöre nicht zum öffentlichen Entwässerungssystem, so dass sich die Frage der Refinanzierung gar nicht stelle.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts München vom 1. Juni 2006 wird insoweit aufgehoben, als der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2004 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 13. Dezember 2004 aufgehoben wurden.

II. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Der anwaltschaftlich nicht vertretene Kläger stellt keinen Antrag, widerspricht aber der Rechtsansicht der Beklagten. Ein Anschluss seines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung sei tatsächlich nicht möglich. Es fehle die erforderliche Stromzuleitung und es liege darüber hinaus eine zu gering dimensionierte Hausanschlussleitung vor. Schon heute, d.h. ohne Stromabgabe für die Pumpe, sei die Stromversorgung in seinem Haus wegen Überlastung nicht immer gewährleistet. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden, dass § 8 a EWS nichtig sei.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Der anwaltschaftlich nicht vertretene Kläger konnte die Erklärung rechtswirksam abgeben, da diese nicht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO dem Anwaltszwang unterliegt (BverwG vom 8.11.2005 -10.B 45.05 <juris> Tz. &; vom 24.2.1961 DVBl 1961, 518).

Das Verfahren hat sich noch nicht durch Zeitablauf erledigt, auch wenn der in Ziffer I. des Bescheids genannte Termin (19.5.2004) bereits verstrichen ist, denn der Bescheid zielt ersichtlich auf eine Dauerverpflichtung des Klägers ab.

Mit Blick auf die teilweise Klageabweisung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens allein die Rechtmäßigkeit des vom Verwaltungsgericht aufgehobenen Bescheids der Beklagten vom 14. April 2004. Die Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage auch insoweit, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sind § 5 und § 21 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerung der Stadt Geisenfeld (Entwässerungssatzung - EWS) vom 21. Mai 1999 in der Fassung der Änderungssatzung vom 3. Oktober 2003. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EWS sind die Grundstückseigentümer, die nach § 4 zum Anschluss berechtigt sind, verpflichtet, bebaute Grundstücke an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen (Anschlusszwang); dabei setzt das Anschlussrecht voraus, dass das betroffene Grundstück durch einen Kanal erschlossen wird (§ 4 Abs. 2 EWS). Allerdings besteht ein Anschlusszwang dann nicht, wenn der Anschluss tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EWS). Auf den angeschlossenen Grundstücken ist im Umfang des Benutzungsrechts alles Abwasser nach Maßgabe der §§ 14 bis 17 EWS in die öffentliche Entwässerungsanlage einzuleiten (§ 5 Abs. 5 EWS). Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EWS wird von der Verpflichtung zum Anschluss- und Benutzungszwang ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist.

Diese satzungsrechtlichen Bestimmungen finden ihre gesetzliche Ermächtigung in Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO und begegnen inhaltlich keinen Bedenken. Die Abwasserbeseitigung gehört zu den von der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis zu erfüllenden Aufgaben (Art. 41 b BayWG). Gründe des öffentlichen Wohls i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO rechtfertigen angesichts der auf der Hand liegenden deutlich höheren Reinigungsleistung einer zentralen Kläranlage im Vergleich zu dezentralen Hauskläranlagen die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs an eine gemeindliche Entwässerungseinrichtung. Die Rechtsgrundlage zur satzungsrechtlichen Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs stellt eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die satzungsmäßige Anordnung sowie deren Konkretisierung durch Verwaltungsakt aktualisiert nur die generell auf dem Grundeigentum liegende Belastung (BayVGH vom 16.12.2004 - 4 ZB 04.2110). Mit Blick auf die Pflicht des Normgebers, zwischen der Verfügungsbefugnis des Eigentümers und der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) einen gerechten Ausgleich unter anderem unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu finden, ist der Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich einer öffentlichen Entwässerungseinrichtung nicht zu beanstanden, wenn für atypische Einzelfälle eine Befreiungsmöglichkeit besteht (BayVGH vom 24.7.1997 BayVBl 1998, 721/722). Allein der Betrieb einer privaten Entwässerungsanlage auf dem Grundstück vermittelt jedoch keinen Befreiungsanspruch (BayVGH vom 24.7.1997 a.a.O.; BVerwG vom 19.12.1997 BayVBl 1998, 602 f.).

Der streitgegenständlichen Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Grundstück des Klägers werde (noch) nicht durch die öffentliche Entwässerungsanlage der Beklagten erschlossen. Erschlossen ist ein Grundstück durch eine leitungsgebundene Einrichtung in der Regel dann, wenn die rechtliche oder tatsächliche Inanspruchnahme möglich ist. Das ist in der Regel anzunehmen, wenn der in der öffentlichen Straße verlegte Kanal bis zur Höhe der Grundstücksgrenze heranreicht (BayVGH vom 13.2.1996 GK 196, 184 m.w.N.; Beschluss vom 19.12.2005 - 23 CS 05.3212; vom 4.10.2001 BayVBl 2002, 148; Schieder/Happ, KAG, RdNr. 108 zu Art. 5). Nach diesem Maßstab ist das klägerische Grundstück durch die Entwässerungseinrichtung der Beklagten tatsächlich erschlossen, denn unstreitig verläuft die gemeindliche Druckentwässerungsleitung durch die öffentliche Straße, an die das Grundstück des Klägers unmittelbar grenzt.

Die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Entwässerung mittels Druckleitungssystems und die damit verbundenen Anschlussmaßnahmen für den einzelnen Grundstückseigentümer, stehen dem angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang nicht entgegen.

Vorliegend hat die Beklagte sich entschlossen, den Ortsteil Rottenegg durch eine zentrale Entwässerungsanlage aus Gründen des öffentlichen Wohls wie zum Beispiel höhere Reinigungsleistung, Schutz des Grundwassers und anderes mehr zu erschließen. Ihre Entscheidung zugunsten eines Druckentwässerungssystems für diesen Ortsteil und damit gegen eine Entwässerung durch Freispiegelkanäle liegt im weiten Gestaltungsermessen der Gemeinde; sie ist insbesondere nicht verpflichtet, ein technisches Entwässerungssystem durchgängig für alle Gemeindeteile zu wählen. Entscheidend sind vielmehr die von ihr zu bewertenden örtlichen Gegebenheiten, wie etwa die Entfernung zum "zentralen" Ort oder die besonderen Untergrundverhältnisse. Gerade bei weiter entfernt gelegenen Ortsteilen und schwierigen topografischen Verhältnissen bietet sich häufig das Druckentwässerungssystem als wirtschaftliche Alternative an (Senatsbeschluss vom 9.1.2006 BayVBl 2007, 49/50; OVG Lüneburg vom 25.6.1997 NVwZ 1999, 566/567; OVG NRW vom 25.7.2006 KStZ 2007, 33/34; vom 18.6.1997 NWVBl 1998, 154/155; Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Rz. 516; Koch, KStZ 1997, 229).

Dem angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang stehen die konkreten Anschlussbedingungen für die durch die Druckleitung erschlossenen Grundstücke nicht entgegen. Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die in der Entwässerungssatzung der Beklagten vorgesehene Herstellungsverpflichtung nebst Kostentragung in Bezug auf den technischen Anschluss des Grundstücks nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EWS gehören bei Druckentwässerungsnetzen die Anschlussleitungen auf dem Grundstück bis zum Pumpenschacht einschließlich Pumpenschacht, Pumpe und Steuerung zur öffentlichen Entwässerungsanlage. Nach § 8a Abs. 2 EWS sind danach bei der Herstellung des Anschlusses durch die Stadt Pumpenschacht einschließlich Pumpe, Anschlussleitung zwischen Pumpenschacht und Grundstücksgrenze bis zu einer Länge von 2 m und ein Steuerungskasten auf den jeweils anzuschließenden Grundstücken von der Stadt auf ihre Kosten zu errichten. Nach Maßgabe von § 8a Abs. 4 EWS sind alle vor der Pumpstation befindlichen Entwässerungsanlagen einschließlich der Stromzuführung vom Berechtigten zu errichten.

Es bedarf vorliegend keiner Prüfung, ob die von der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Satz 2 und § 8a Abs. 2 EWS tatsächlich errichteten Anlageteile nicht auch auf den privaten Anschlussnehmer hätten übertragen werden können (siehe dazu OVG NRW vom 25.7.2006, a.a.O; OVG Lüneburg vom 25.6.1997,aaO, S. 568), denn jedenfalls setzt die Verpflichtung des Grundstückseigentümers, auf seine Kosten für die Stromzuführung zu sorgen, d.h. diese zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten dem Anschluss- und Benutzungszwang nicht entgegen.

Tatsächlich ist der Anschluss möglich, wenn das Grundstück an einen betriebsbereiten öffentlichen Kanal angeschlossen werden kann. Beim Druckentwässerungssystem ist die Möglichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme gegeben, wenn der öffentliche Straßensammelkanal betriebsfertig hergestellt ist, ohne dass es auf das Vorhandensein einer öffentlichen Druckpumpanlage ankommt (OVG NRW vom 25.7.2006, aaO, S.33; Driehaus/Dietzelt, § 8 Rdnr. 542). Das Grundstück des Klägers ist, wie bereits dargelegt, durch die in der öffentlichen Straße verlaufenden Druckleitung, die am 6.12. 2000 abgenommen worden ist, erschlossen, der Kläger hat grundsätzlich die Möglichkeit, diese betriebsbereite und funktionsfähige Entwässerungsleitung in Anspruch zu nehmen. Unüberwindliche technische Hindernisse stehen dem Anschluss nicht entgegen. Da es nur auf die Möglichkeit des Anschlusses ankommt, gilt für das Erschlossensein bei der Druckleitung nichts anderes als bei einem Freispiegelkanal. Beide Entwässerungseinrichtungen sind geeignet, das anfallende Abwasser zur Kläranlage zu transportieren (vgl. OVG NRW vom 25.7.2007, a.a.O., S. 34).

Vorliegend hat die Beklagte sich entschieden, auf eigene Kosten auf dem Grundstück des Klägers die Pumpstation zu errichten und zum Bestandteil der öffentlichen Entwässerungsanlage zu erklären. Auch dieser Anlagenteil ist betriebsfertig erstellt; ein Anschluss ist mithin möglich. Der Umstand, dass die betriebsbereite Druckpumpenanlage tatsächlich nicht ohne Stromzufuhr betrieben werden kann, steht der Anschlussmöglichkeit in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegen. Dies betrifft vielmehr die Frage, ob der Grundstückseigentümer verpflichtet werden kann, die Stromleitung herzustellen und die Stromkosten ab Anschlussnahme zu tragen. Dies ist entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts der Fall. Die dem Anschlussnehmer insoweit aufgebürdeten Verpflichtungen sind mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Kommunalabgabengesetz vereinbar. Die Ansicht, mit diesen Verpflichtungen würden vom Anschlussnehmer Naturalleistungen gefordert, die dem Kommunalabgabengesetz fremd seien, verkennt, dass es vorliegend allein um die Anschlusskosten geht, die für das einzelne Grundstück anfallen und die je nach den individuellen Grundstücksverhältnissen unterschiedlich hoch und vom Grundstückseigentümer zu tragen sind. Ist zum Beispiel bei der Entwässerung in einen Freispiegelkanal wegen der besonderen Lage des Grundstücks eine Hebeanlage erforderlich, unterliegt es keinem rechtlichen Zweifel, dass die entsprechenden Aufwendungen vom Grundstückseigentümer zu tragen sind, soweit die öffentliche Entwässerungsanlage technisch einwandfrei ist (Senatsurteil vom 25.7.1990 - 4 B 88.181; Driehaus/Dietzelt, § 8 Rdnr. 540;). Übertragen auf den Fall der Druckentwässerung bedeutet dies, dass dem einzelnen Grundstückseigentümer ohne Verstoß gegen das KAG auferlegt werden darf, die für die Herstellung des Anschlusses notwendige Stromleitung herzustellen und auf seine Kosten zu betreiben. Dies dient allein der Entwässerung seines Grundstücks und nicht dem Betrieb der Gesamtanlage. Dem Grundstückseigentümer werden also keine Verpflichtungen und Kosten auferlegt, die von der Gemeinde zu tragen wären. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde Pumpstation, Pumpe und Steuerungsanlage zur Entlastung der Grundstückseigentümer zum Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage erklärt hat. Unabhängig von dieser rechtlichen Qualifizierung dienen diese Anlageteile allein der Entwässerung des privaten Grundstücks; sie sind nicht unverzichtbarer Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung , denn diese ist auch ohne die genannten Anlagenteile funktionsfähig (vgl. OVG NRW vom 18.6.1997, a.a.O., S. 155; vom 2.7.1997 - 22 A 1331/96 [juris] Tz. 7).

Art. 8a Abs. 4 EWS ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die anfallenden Anschlusskosten sind durch das gewählte technische System bedingt; die unterschiedlichen technischen Systeme sind ihrerseits wegen der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten und des Kostenaufwands gewählt worden. Sie tragen der Situationsgebundenheit der Grundstücke Rechnung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei der Druckentwässerung das Erfordernis zusätzlicher Kontrollschächte, die bei Entwässerung mittels Freispiegelkanal anfallen, entfällt (OVG NRW vom 25.7.2006,aaO, S. 34; vom 19.1.1998, KStZ 1998, 153/154; Driehaus/Dietzelt, § 8 Rdnr. 542). Da im Ortsteil R. die Pumpanlagen auf Kosten der Gemeinde errichtet worden sind und nur die Herstellung der Stromzufuhr und deren Betrieb anfallen, hat die Beklagte ohnehin den kostenintensiveren Teil übernommen. Eine nicht mehr vertretbare Belastung der Anschlussnehmer in den Ortsteilen, die durch Druckleitung erschlossen werden, ist nicht ersichtlich. Die Verpflichtung zum Herstellen der Stromzuführung und Tragen der laufenden Stromkosten sind nicht unzumutbar. Hinsichtlich der Höhe der anfallenden Stromkosten fehlt ein substantiierter Vortrag, dass diese unzumutbar seien. Selbst wenn man die vom OVG NRW angenommenen jährlichen Stromkosten in Höhe von 10 bis 20 Euro verdoppeln würde (OVG NRW vom 25.7.2006, aaO, S. 34), bewegen sie sich in einer Größenordnung, die weit von der Grenze der Zumutbarkeit entfernt ist. Herstellungskosten und Betriebskosten sind im Vergleich zum Grundstückswert nicht unzumutbar und haben keine erdrosselnde Wirkung.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass seine Elektroleitungen wegen der Vielzahl von Elektrogeräten häufig überlastet und daher die zusätzliche Stromversorgung bei Anschluss an die Entwässerungseinrichtung nicht mehr verkraftbar sei, handelt es sich um Umstände, die durch seine private Entscheidung bedingt sind. Es liegt allein in seinem persönlichen Interesse, die Stromversorgung technisch so zu dimensionieren, dass Haushaltsgeräte und Anschluss an die Entwässerung einwandfrei funktionieren. Dass dies technisch möglich ist, ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben des Energieversorgungsunternehmens vom 26. Juni 2007. Da es den Beteiligten erkennbar darum geht, ob vorliegend der Anschluss- und Benutzungszwang dem Grunde nach gerechtfertigt ist, bedarf der genannte Gesichtspunkt keiner weiteren Vertiefung.

2. Da der in Ziffer I. und II. des Bescheids vom 14. April 2004 angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang rechtmäßig ist, begegnet auch die Verpflichtung zur Außerbetriebsetzung der bisherigen 3-Kammer-Grube als Folgeentscheidung keinen rechtlichen Bedenken. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine private Entwässerungsanlage grundsätzlich nicht mehr benutzt werden darf, wenn die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis - und Verpflichtung - zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung Gebrauch gemacht hat (BayVGH vom 24.7.1997 , aaO, S.722).

Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids, in der auf die Möglichkeit einer Geldbuße und die Möglichkeit der Ersatzvornahme hingewiesen wird, ist nicht zu beanstanden. Wie sich aus der Formulierung im Tenor und aus den Bescheidsgründen ergibt, sollte insoweit noch keine Androhung ausgesprochen, sondern nur ein Hinweis auf die Rechtslage nach der EWS gegeben werden, falls der Kläger der Anschluss- und Benutzungspflicht nicht entspricht. Auch wenn diesem Teil des Bescheids keine Regelungswirkung zukommt, ist er rechtlich unschädlich.

3. Dem Kläger waren gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen aufzuerlegen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt (§ 51 Abs. 2, § 47 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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