Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 4 B 08.1591
Rechtsgebiete: KAG, AO, BGB


Vorschriften:

KAG Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b
AO § 124 Abs. 1
AO § 122 Abs. 1 S. 1
BGB § 130
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 B 08.1591

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abfallgebühren;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. September 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Greve-Decker, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Januar 2009

am 22. Januar 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. September 2006 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens ********** ** in *********, welches mit einem Wohnhaus bebaut ist. Dort war der Kläger bis 15. März 2007 durchgehend mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet, bis die Stadt ********* ihn von Amts wegen dort abgemeldet hat.

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren durch den Beklagten.

Der Beklagte stellte sein System zur Erhebung von Abfallgebühren im Landkreis ********* zum 1. Januar 1996 vom sog. Markensystem auf das Bescheidsystem um. Im Rahmen dieser Umstellung wurden die anschlusspflichtigen Grundstücke auf der Grundlage der von den jeweiligen Anschlusspflichtigen ausgefüllten Erfassungsbögen erstmalig mit Abfallgefäßen durch den Beklagten ausgestattet - zuvor hatten die Grundstückseigentümer die Abfalltonnen selbst zu beschaffen. Grundstücken, für die kein vollständig ausgefüllter Erfassungsbogen vorlag, wurde das kleinste Gefäß (60 l Tonne) zugeteilt.

Nach den Aufzeichnungen des Beklagten wurde am 16. Januar 1997 für das Grundstück ********** ** eine 60 l Restmülltonne ausgeliefert und am Eingang des Grundstücks abgestellt.

In einem seit 1996 mit dem Beklagten ausschließlich unter der *********** Adresse geführten Schriftwechsel vertrat der Kläger den Standpunkt, sein Anwesen benötige keine Restmülltonne und sei nicht anschlusspflichtig. Es sei nun mal so, dass allenfalls vernachlässigbare Mengen Restmüll anfielen. Tatsache sei auch, dass der Beklagte keinerlei Leistung erbracht habe.

Mit Schreiben vom 17. März 1997 an die Adresse ********** ** in ********* teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass eine Zwangsveranlagung durchgeführt und das kleinstmögliche Behältnis zugeteilt und auch geliefert worden sei. Die vom Kläger begehrte Befreiung von der Anschlusspflicht werde abgelehnt, da nach der Lebenserfahrung auch bei umweltbewusster Lebensführung auf bewohnten Grundstücken Abfälle regelmäßig anfielen.

Mit Schreiben vom 20. März 1997 widersprach der Kläger dieser Rechtsauffassung; der Beklagte setze sich nach wie vor nicht damit auseinander, dass hier nicht von einem im Wesentlichen wie jedes andere genutzten Anwesen auszugehen sei.

Nachdem ein für das Jahr 1996 erlassener Abfallgebührenbescheid vom 27. November 1996 auf den Widerspruch des Klägers hin mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 13. Juni 1997 mit der Begründung aufgehoben worden war, das Grundstück des Klägers unterliege zwar dem Anschlusszwang an die Abfallentsorgung, mangels Zuteilung eines Müllgefäßes im Jahr 1996 liege aber noch keine die Gebührenerhebung rechtfertigende Nutzung vor, teilte der Beklagte dem Kläger - wiederum unter der Adresse ********** ** in ********* - mit Schreiben vom 16. Juli 1997 mit, er sei ab Februar 1997 zur Zahlung von Abfallentsorgungsgebühren verpflichtet, nachdem ihm nunmehr am 16. Januar 1997 eine Restmülltonne geliefert worden sei; in den nächsten Tagen werde ein Gebührenbescheid für 1997 übersandt werden. Hierauf erwiderte der Kläger, es sei keine Mülltonne geliefert worden, es bestehe nach wie vor keine Anschlusspflicht und es sei auch keine Leistung erbracht worden.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1997 setzte der Beklagte für das Jahr 1997 eine Abfallentsorgungsgebühr in Höhe von 310,75 DM (11 Monate zu je 28,25 DM) fest.

Mit Bescheid vom 28. Januar 1998 erhob er für das Jahr 1998 und die Folgejahre eine Gebühr von jeweils 249 DM (12 Monate zu je 20,75 DM). Beide genannten Bescheide wurden an die Adresse ********** ** in ********* übersandt.

Der Kläger sandte eine Kopie des letztgenannten Bescheides zurück (Eingang beim Beklagten: 5.2.1998) mit dem Vermerk, gegen einen solchen Bescheid liege bereits ein Einspruch beim Beklagten vor. Er werde hiermit wiederholt.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2001 setzte der Beklagte dann eine Gebühr in Höhe von 294 DM für das Jahr 2001 (6 Monate zu je 20,75 DM; ab Juli je 28,25 DM) und mit Bescheid vom 14. Januar 2002 für das Jahr 2002 und die Folgejahre in Höhe von 172,80 Euro fest. Auch diese Bescheide wurden an die Adresse ********** ** in ********* gerichtet.

Gegen eine auf Antrag des Beklagten vom 20. April 2004 erfolgte Eintragung einer Zwangssicherungshypothek für rückständige Forderungen zu Lasten des klägerischen Grundstücks ließ der Kläger beim Amtsgericht ********* beantragen, die Unzulässigkeit dieser Eintragung festzustellen. Durch Zufall habe er hiervon erfahren, ohne jemals zuvor eine Rechnung oder Mahnung des Beklagten für die Abfallgebühren erhalten zu haben. Im Übrigen führte der Kläger aus, es falle schlicht kein Abfall an, weshalb vom Beklagten auch keine Leistung erbracht werde; er habe auch keine Abfalltonne erhalten. Seit der Entscheidung der Regierung von Oberbayern zu Gunsten des Klägers sei ihm zu keinem Zeitpunkt ein Gebührenbescheid mehr zugegangen. Die Bescheide vom 28. Januar 1998 und vom 14. Januar 2002 seien ihm erstmals im jetzigen Verfahren vorgelegt worden. Das Verfahren, das an das Verwaltungsgericht München verwiesen worden war, wurde eingestellt, nachdem der Beklagte den Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek zurückgenommen hatte.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2005 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Widerspruch gegen die Gebührenbescheide vom 28. Januar 1998, 29. Mai 2001 und 14. Januar 2002. Mit Schreiben vom 18. März 2005 ließ der Kläger auch gegen den Gebührenbescheid vom 23. Juli 1997 Widerspruch erheben und die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Diesen Bescheid habe er erstmals bei seiner Akteneinsicht am 10. März 2005 zur Kenntnis genommen.

Die Regierung von Oberbayern wies mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2005 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 23. Juli 1997, 29. Mai 2001 und 14. Januar 2002 als unzulässig, da verfristet, zurück. Die bloße Behauptung des Klägers, die Bescheide seien ihm nicht zugegangen, reiche unter den gegebenen Umständen nicht aus. Der gegen den Bescheid vom 28. Januar 1998 fristgerecht erhobene Widerspruch sei dagegen unbegründet. Mit Zuteilung der Restmülltonne am 16. Januar 1997 sei das Grundstück des Klägers ordnungsgemäß an die Abfallentsorgung angeschlossen. Das bewohnte Hausgrundstück des Klägers sei anschlusspflichtig.

Die mit Schriftsatz vom 9. September 2005 beim Verwaltungsgericht München erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 1998 und insoweit auch der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 4. August 2005 aufgehoben wurde. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht führte in seinem Urteil vom 14. September 2006 dazu aus, die Gebührenbescheide vom 23. Juli 1997, 29. Mai 2001 und 14. Januar 2002 seien unanfechtbar. Zwar stehe der jeweilige Zeitpunkt der Bekanntgabe nicht fest; das Gericht habe jedoch keinen Zweifel daran, dass die Bescheide tatsächlich erstellt und vom Beklagten durch die Post an den Kläger übermittelt worden seien. Für die Aufgabe zur Post könne der Beklagte zwar keinen Nachweis erbringen, da er entsprechend der bei massenweise gefertigten Gebührenbescheiden allgemein üblichen Praxis wegen des unverhältnismäßigen Aufwands keine Postaufgabevermerke erstellen lasse. In der Regel lasse die Rechtsprechung in solchen Fällen grundsätzlich ein schlichtes Bestreiten des Bekanntgabeadressaten hinsichtlich des Zugangs genügen, d.h. im Zweifel habe die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Dies gelte jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn bei einer Gesamtbetrachtung aller vorgetragenen und aus den Akten ersichtlichen Umstände nach den Regeln der freien Beweiswürdigung anhand von Indizien nichts dafür spreche, dass der Sachvortrag des Bescheidadressaten der Wahrheit entspreche. So verhalte es sich im vorliegenden Fall: Bereits die Behauptung des Klägers, alle vier streitgegenständlichen Bescheide nicht erhalten zu haben, sei nachweislich falsch, da er gegen den Bescheid vom 28. Januar 1998 beim Beklagten am 5. Februar 1998 Widerspruch eingelegt habe. Die gesamte Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Beklagten sei bis zur Feststellung der Anschlusspflicht des klägerischen Grundstücks ausnahmslos über die *********** Adresse abgewickelt worden. Lediglich eine Mahnung des Beklagten vom 21. Juli 1997 sei mit dem von der Post angebrachten Vermerk "Annahme verweigert" an den Beklagten zurückgegangen. Eine Rücksendung von Schreiben des Beklagten mit dem Vermerk "unbekannt" sei nach Aktenlage nicht erfolgt. Die Behauptung des Klägers, er habe seit 1997 bis heute unter seiner *********** Anschrift keine ihn betreffende Post mehr zugestellt erhalten, sei daher von vornherein nicht glaubhaft. Auch die Äußerung des Klägers, seit 1997 existiere am streitgegenständlichen Anwesen "kein Briefkasten für den Kläger" mehr, habe dieser in der mündlichen Verhandlung insoweit relativieren müssen, dass zwar ein Briefkasten vorhanden sei, der jedoch seit 1997 nicht mehr mit einem Namensschild versehen sei. Nach alledem sei davon auszugehen, dass die genannten Bescheide dem Kläger in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Bescheidsdatum zugegangen seien. Somit seien die erst viele Jahre später dagegen erhobenen Widersprüche verspätet.

Der als einziger der vier streitgegenständlichen Bescheide fristgerecht angefochtene Gebührenbescheid vom 28. Januar 1998 sei dagegen rechtswidrig, da es bis heute an einer bestandskräftigen oder zumindest vollziehbaren Feststellung über die Anschlusspflicht des klägerischen Grundstücks an die Entsorgungseinrichtung des Beklagten fehle.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger das erstinstanzliche Vorbringen und lässt ergänzend ausführen, das Grundstück ********** ** in ********* werde gerade nicht zu Wohnzwecken genutzt. Daher falle hier kein Abfall an. Nach Erinnerung des Klägers habe er den Gebührenbescheid vom Januar 1998 im Büro der Stadt ********* erhalten. Es bleibe auch dabei, dass für den Kläger kein Briefkasten vorhanden sei. An dem am Anwesen vorhandenen Briefkasten sei kein Namensschild angebracht. Es sei auch unstreitig, dass tatsächlich keine Abfallentsorgung durch den Beklagten erfolgt sei. Eine Restmülltonne sei, wie bereits dargelegt, nicht zur Verfügung gestellt worden. Ein Bescheid des Beklagten vom 16. Januar 2007, wonach der Anschluss- und Benutzungszwang für 2007 festgesetzt werden sollte, sei anlässlich der mündlichen Verhandlung am 13. November 2008 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München zurückgenommen worden. Das Verwaltungsgericht habe hier festgestellt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Objekt nicht wohne und insgesamt kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. September 2006 die Bescheide des Beklagten vom 23. Juli 1997, 29. Mai 2001 und 14. Januar 2002 sowie den Widerspruch der Regierung von Oberbayern vom 4. August 2005 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es die Klage abgewiesen hatte. Es sei belegt, dass der Kläger bis Juli 1997 mit dem Beklagten ausschließlich unter seiner *********** Adresse korrespondiert habe. Auf alle Schreiben des Beklagten habe der Kläger unmittelbar reagiert. Erst nachdem ihm ein Gebührenbescheid für 1997 angekündigt worden sei, sei der Kläger angeblich unter dieser Adresse nicht mehr postalisch erreichbar gewesen. Interessant sei jedoch, dass der Kläger den ebenfalls dorthin adressierten Gebührenbescheid von Januar 1998 gleichwohl erhalten und dagegen Widerspruch eingelegt habe. Der Kläger habe im Übrigen eine eventuelle Anschriftenänderung dem Beklagten bekannt geben müssen, nachdem er seine grundsätzliche Anschlussverpflichtung gekannt habe. Nachdem der Kläger von Amts wegen durch die Stadt ********* mit Wirkung vom 15. März 2007 abgemeldet worden sei, habe der Beklagte den Kläger auch "abfalltechnisch abgemeldet". Die Abfallbeseitigungsgebühr sei nur noch bis Ende März 2007 berechnet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vom Beklagten vorgelegte Aktenheftung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die (noch) streitgegenständlichen Bescheide vom 23. Juli 1997, vom 29. Mai 2001 und vom 14. Januar 2002 infolge nicht fristgerechter Widerspruchseinlegung bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden sind.

1. Mit dem Verwaltungsgericht hat auch der Verwaltungsgerichtshof keinen Zweifel daran, dass die genannten Bescheide vom Beklagten jeweils im Rahmen einer Massenbescheiderstellung an ca. 27.000 Adressen tatsächlich gefertigt und durch die Post versandt wurden. Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts und macht sie sich zu eigen (§ 130 b Satz 2 VwGO). Das Vorbringen des Klägers hierzu enthält keine Anhaltspunkte für Zweifel an der tatsächlichen Erstellung und Versendung gerade der ihn betreffenden Bescheide.

2. Es ist auch davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten dem Kläger in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Bescheidsdatum zugegangen sind.

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG i.V.m. § 124 Abs. 1 AO wird ein Abgabenbescheid gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Für die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist nicht der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Empfänger von dem in Frage stehenden Schriftstück Kenntnis nimmt, sondern analog § 130 BGB der Zeitpunkt, in dem das Schriftstück in seinen Machtbereich gelangt und er bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Schreiben entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird, bei einem einfachen Brief also der Einwurf in den Briefkasten des Empfängers erfolgt ist (vgl. BayVGH vom 26.11.1998 Az. 23 B 97.101 m.w.N.). Davon ist hier auszugehen.

Zwar greift die gesetzliche Bekanntgabevermutung dann nicht ein, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, zutrifft (vgl. OVG NRW vom 28.11.1995, Az. 15 A 72/93, NWVBl 1996, 233; vom 1.4.2003, Az. NVwZ 2004, 120). In diesem Fall hat die Behörde gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b KAG i.V.m. § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen. Solche Zweifel bestehen hier aber nicht. Soweit der Kläger den Zugang bestreitet, reicht dies aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht aus. Zwar bedarf es in der Regel keiner weiteren Substantiierung, wenn der Empfänger eines mit einfacher Post übermittelten Beitragsbescheides behauptet, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Denn anders als bei der Behauptung eines späteren Zugangszeitpunkts bleibt dem Betroffenen, wenn der in Frage stehende Verwaltungsakt überhaupt nicht zugegangen ist, grundsätzlich nichts anderes übrig, als den Zugang zu bestreiten.

Im vorliegenden Fall reicht jedoch die Behauptung des Klägers, die streitgegenständlichen Bescheide nicht erhalten zu haben, angesichts der Verfahrensgeschichte und des seitens des Verwaltungsgerichts zu Recht hervorgehobenen Umstandes, dass der Kläger gleich drei Bescheide des Beklagten nicht erhalten haben will, nicht aus, um im konkreten Fall berechtigte Zweifel am Zugang der Bescheide zu wecken.

Nachweislich hat der Kläger umfangreich und für einen längeren Zeitraum bis Mitte 1997 unter - ausschließlicher - Angabe seiner *********** Adresse mit dem Beklagten korrespondiert. Bis Mitte Juli 1997 hat der Kläger auf alle an diese Adresse gerichteten Schreiben des Beklagten zeitnah reagiert. Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb den Kläger unter dieser Adresse ab diesem Zeitpunkt plötzlich keine Post mehr erreicht haben sollte, ist nicht ersichtlich. Entscheidende Änderungen der tatsächlichen Umstände hat der Kläger dafür nicht dargetan. So hat er vorgetragen, das Anwesen ********** ** in ********* sei seit 1990 "schlichtweg nicht zu Wohnzwecken genutzt" worden. Lediglich zur Vermeidung des Verfalls des Anwesens werde es "in Betrieb gehalten" (z.B. im Hinblick auf die Heizung). Aus diesem Grunde sei seit 1990 auch kein Abfall angefallen.

Offensichtlich hat der Umstand, dass der Kläger sich in der ********** ** - nach eigener Angabe - noch nie zu Wohnzwecken aufgehalten hat, in der Vergangenheit kein Zugangshindernis dargestellt, denn die an diese Adresse versandten Schreiben haben den Kläger jeweils erreicht. Der von ihm hervorgehobene Umstand, "für ihn" sei am Anwesen ********** ** seit Mitte 1997 kein Briefkasten mehr vorhanden gewesen, führt nicht dazu, das Bestreiten des Zugangs in der erforderlichen Weise zu substantiieren. Denn zum einen hat der Kläger nachweislich noch die Annahme einer an diese Adresse versandten Mahnung des Beklagten vom 21. Juli 1997 verweigert; zum anderen ist ihm auch offensichtlich der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 1998 unter der Adresse ********** ** in ********* zugegangen, gegen den er dann am 5. Februar 1998 Widerspruch eingelegt hatte. Nachdem er zunächst behauptet hatte, auch diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, trug er zuletzt vor, er habe ihn "im Büro der Stadt *********" erhalten. Dies ist jedoch unglaubwürdig und entbehrt jeder Grundlage. Dieser Vortrag ist vielmehr als nachträglicher Versuch zu werten, den Umstand zu erklären, dass der Kläger diesen Bescheid entgegen seiner ursprünglichen Einlassung nachweislich erhalten hat, nachdem das Verwaltungsgericht dies im Rahmen des Indizienbeweises gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers gewertet hatte. Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass dieser Bescheid jemals bei der Stadtverwaltung gewesen sein könnte. Der Beklagte ist von der Stadtverwaltung rechtlich unabhängig und versendet seine Bescheide jeweils direkt an die betroffenen Bürger.

Auch die Behauptung des Klägers, die Post werfe Sendungen nicht in einen Briefkasten ohne Namensschild, entspricht nicht der Lebenserfahrung - im Übrigen hätten die Bescheide vom 29. Mai 2001 und 14. Januar 2002 in diesem Fall als unzustellbar an den Beklagten zurückgehen müssen.

Nach alledem fehlt es an einem qualifizierten Bestreiten des Klägers hinsichtlich des Zugangs der streitgegenständlichen Bescheide, so dass kein Zweifel an deren Zugang im Sinne von § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO besteht.

3. Aber selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehen wollte, ein einfaches Bestreiten des Zugangs würde trotz der oben geschilderten Umstände für das Wecken von Zweifeln im Sinne der genannten Vorschrift genügen, käme man zu keinem anderen Ergebnis. In diesem Fall läge die Beweispflicht für den Zugang zwar gemäß § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO grundsätzlich beim Beklagten. Allerdings liegt hier eine besondere Konstellation vor, in der der Zugang der Bescheide nach § 242 BGB fingiert würde, so dass eine Beweisführung durch den Beklagten in diesem Einzelfall entbehrlich wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:

Die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im öffentlichen Recht ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (vgl. BVerwG vom 22.4.2004 Az. 6 B 8.04 in juris RdNr. 4 m.w.N.). Nach diesem Grundsatz muss sich der Kläger so behandeln lassen, als hätten ihn die streitgegenständlichen Bescheide jeweils zeitnah nach ihrer Erstellung erreicht.

Zwar besteht keine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen zu treffen. Im Einzelfall kann sich jedoch aus einer besonderen Rechtsbeziehung zwischen dem Erklärenden und dem Adressaten ergeben, dass dieser sich zum Empfang von Erklärungen bereithalten und bei einem schuldhaften Verstoß gegen jene Vorsorgepflicht nach den Rechtsgrundsätzen der §§ 162, 242 BGB so behandeln lassen muss, als sei ihm die Erklärung wie im Fall seines pflichtgemäßen Verhaltens zugegangen.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestand eine solche besondere Rechtsbeziehung. Diese ergab sich daraus, dass der Kläger als Grundstückseigentümer im Kreisgebiet nach § 5 der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten (AbfWS) dem Anschlusszwang an die vom Beklagten betriebene öffentliche Abfallentsorgung unterlag. Dies musste dem Kläger auch spätestens nach Erhalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 13. Juni 1997 bewusst sein, in dem dies ausdrücklich festgestellt worden war. Nach § 6 der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten sind die anschlusspflichtigen Grundstückseigentümer im Kreisgebiet verpflichtet, dem Beklagten für jedes anschlusspflichtige Grundstück die für die Abfallentsorgung und die Gebührenberechnung wesentlichen Umstände mitzuteilen. Hierzu gehört selbstverständlich auch die Angabe der Anschrift, unter der der Gebührenschuldner erreichbar ist. Der Kläger hat sich nach unbestrittener Angabe des Beklagten bei ihm ausschließlich unter der Anschrift "********** **, ***** *********" angemeldet und bis Mitte 1997 auch ausschließlich unter dieser Anschrift mit diesem korrespondiert. Aufgrund der Ankündigung des Beklagten im Schreiben vom 16. Juli 1997 (auf das der Kläger mit Schreiben vom 20.7.1997 reagierte) war dem Kläger bekannt, dass ihm in naher Zukunft ein Gebührenbescheid für das Jahr 1997 unter der *********** Adresse übermittelt werden würde. Für den Fall, dass der Kläger tatsächlich ab Mitte 1997 für längere Zeit an der *********** Adresse nicht mehr erreichbar gewesen sein sollte, hätte er angesichts der geschilderten Umstände besondere Zustellvorkehrungen treffen müssen (entsprechende Mitteilung an den Beklagten, Nachsendeantrag bei der Post etc.). Dass er dies unterlassen hat, begründet zumindest einen Pflichtverstoß des Klägers (§ 6 Abs. 1 S. 2 AbfWS). In Fällen, in denen - wie hier - die ordnungsgemäße Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes durch die Verletzung einer Obliegenheit des Empfängers vereitelt worden ist, ist der Empfänger so zu behandeln, als ob der Verwaltungsakt zugegangen wäre (vgl. Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, RdNr. 18 zu § 130). Dies muss erst recht gelten, wenn der Empfänger - wie hier wohl der Kläger - durch aktives Tun (etwa Entfernung des Namensschildes vom Briefkasten) die Möglichkeit einer Zustellung zu verhindern sucht.

Nach alledem kann sich der Kläger auf den Mangel der ordnungsgemäßen Bekanntgabe der streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten nicht berufen, da er die Zustellung der Bescheide unter Verstoß gegen seine in der Abfallwirtschaftsatzung des Beklagten niedergelegten Melde- und Mitwirkungspflichten schuldhaft vereitelt hat (vgl. BVerwG vom 29.6.1990 BVerwGE 85, 213).

4. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglos eingelegten Berufung zu tragen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 914 € festgesetzt (§§ 47, 52 As. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück