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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 05.04.2004
Aktenzeichen: 4 B 99.2146
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 3 Abs. 6
KrW-/AbfG § 15
Zur Abfallgebührenpflicht des Straßenbaulastträgers für die Entsorgung des "wilden Mülls" von Straßen außerhalb geschlossener Ortslagen
4 B 99 2146

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Abfallgebühren;

hier: Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Mai 1999,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dillmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. März 2004

am 5. April 2004

folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Mai 1999 geändert.

Die Klagen werden in vollem Umfang abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der klagende Freistaat Bayern wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren durch den beklagten Landkreis für die Entsorgung von "wildem Müll" aus dem Bereich von Bundes- und Staatsstraßen außerhalb von Ortschaften.

1. Das Straßenbauamt Ansbach, die für Bundes- und Staatsstraßen im Gebiet des Beklagten zuständige Straßenbaubehörde des Klägers, lässt die im Straßenbereich außerhalb von Ortschaften verstreut vorgefundenen Abfälle in ständiger Praxis durch seine Bediensteten zusammentragen. In der Zeit von Februar 1997 bis März 1998 fielen etwa 25 Tonnen an solchem "wilden Müll" an. Diese Abfälle wurden auf das Betriebsgelände verbracht und in Containern bereitgestellt. Von dort wurden sie im Auftrag des Beklagten, des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, abgeholt und entsorgt. Der Beklagte zog das Straßenbauamt für diesen Zeitraum mit insgesamt 14 Bescheiden zu Gebühren für die Entleerung von Müllgroßbehältern und Zuschlägen für Transportkosten von insgesamt 16.203,74 DM heran (Gebührenbescheide vom 23.4.1997, 13.6.1997 <2>, 18.6.1997 <2>, 30.7.1997, 15.9.1997 <2>, 20.10.1997, 23.10.1997, 25.2.1998 <2>, 30.3.1998 <2>). Die Regierung von Mittelfranken wies die hiergegen gerichteten Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1998 als unbegründet zurück.

2. Der Kläger hat daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und zuletzt beantragt, die Gebührenbescheide und den Widerspruchsbescheid aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den auf die Bescheide hin bereits geleisteten Betrag von 16.203,74 DM zurück zu bezahlen. Er hat geltend gemacht, dass er als Träger der Straßenbaulast nicht Besitzer des "wilden Mülls" auf den öffentlichen Straßen geworden sei. Denn er dürfe die Straßenflächen dem Zutritt der Allgemeinheit wegen des Gemeingebrauchs nicht entziehen und könne deshalb das illegale Abladen von Abfall nicht wirksam verhindern. Damit sei er nicht zum Zusammentragen der Abfälle verpflichtet, sondern müsse lediglich die Beseitigung des Mülls durch den Beklagten dulden. Dennoch habe er bislang das Zusammentragen als freiwillige Leistung zur Entlastung der beseitigungspflichtigen Körperschaft übernommen. Das dürfe aber nicht zu einer Gebührenpflicht führen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Mai 1999 den Beklagten verurteilt, an den Kläger 16.203,74 DM zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:

Die gegen die Gebührenbescheide gerichteten Anfechtungsklagen seien unbegründet. Bei dem von unbekannten Dritten weggeworfenen "wilden Müll" handele es sich ausschließlich um Restmüll, für den der Beklagte entsorgungspflichtig sei. Die Regelung in der Gebührensatzung des Beklagten, wonach der Benutzer der Abfallentsorgungseinrichtung Gebührenschuldner sei, müsse in Einklang mit den abfallwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Umfang der Abfallüberlassungspflichten verstanden werden. Den Kläger könne demnach eine Überlassungs- und damit Gebührenpflicht nur treffen, wenn er mit Blick auf sein Eigentum an den Straßengrundstücken als Besitzer dieser Abfälle anzusehen wäre. Das sei zwar grundsätzlich bei isolierter Betrachtung der Straßengrundstücke nicht der Fall. Denn dem Kläger fehle trotz seines Eigentums ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft, weil die Straßen der Allgemeinheit rechtlich und tatsächlich frei zugänglich seien. Das entbinde ihn von seiner abfallrechtlichen Verantwortlichkeit, die auch nicht durch Rückgriff auf andere Rechtsbereiche wie das Straßenrecht erweitert werden dürfe. Die Verantwortlichkeit treffe vielmehr den Beklagten als entsorgungspflichtige Körperschaft, die den "wilden Müll" an Stelle des Grundstückseigentümers mithin gebührenfrei zusammentragen und entsorgen müsse. Der Kläger sei jedoch ausnahmsweise dadurch Abfallbesitzer geworden, dass er den Abfall freiwillig habe einsammeln und abgeben lassen. Dadurch habe er die tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Die anschließende Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanlage des Beklagten im Holsystem oder durch Selbstanlieferung der Abfälle löse ausnahmsweise eine Gebührenpflicht aus.

Die Klage sei aber insoweit begründet, als der Kläger vom Beklagten die Rückzahlung der auf die Gebührenbescheide geleisteten Beträge verlange. Dieser Erstattungsanspruch ergebe sich aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Kläger habe mit dem Einsammeln des "wilden Mülls" auf seinen Straßengrundstücken objektiv ein fremdes Geschäft, nämlich das des Beklagten, geführt. Das sei ihm auch bewusst gewesen und habe im objektiven Interesse des Beklagten gelegen.

3. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte - nach ihrer Zulassung durch den Verwaltungsgerichtshof - jeweils Berufung eingelegt.

Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gebührenrückzahlung. Er ist der Ansicht, dass die Reinigung der Straßen und die Müllentsorgung ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich des Straßenbaulastträgers falle, der demnach mit dem Zusammentragen des "wilden Mülls" ausschließlich ein eigenes Geschäft wahrgenommen habe. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Grundsatz, wonach derjenige, der das Betreten seines Grundstücks durch die Allgemeinheit hinzunehmen gezwungen sei, von der abfallrechtlichen Verantwortlichkeit entbunden werden müsse, ziele insbesondere auf Waldeigentümer, könne aber auf öffentliche Straßengrundstücke nicht übertragen werden. Der Kläger habe durch den Bau und die Widmung der Straßen erst die freie Zugänglichkeit eröffnet und zielgerichtet Verkehr auf diesen Flächen bewirkt. Da mit dem Verkehr typischerweise illegale Müllentsorgung einhergehe, dürfe der Straßenbaulastträger gerade nicht von der abfallrechtlichen Verantwortlichkeit ausgenommen werden. Die "Vermüllung" der Straßenränder erfolge nur deshalb, weil dieser die Straßen gebaut und den Verkehrsteilnehmern zur Verfügung gestellt habe. Zudem falle "wilder Müll" deshalb vermehrt an, weil der Kläger Abfallbehälter an den Parkplätzen abgebaut habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 1999 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger tritt dem entgegen und verteidigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass er ursprünglich nicht Besitzer des "wilden Mülls" gewesen sei. Als fehlerhaft erachtet er allerdings dessen weitere Annahme, er sei durch das Zusammentragen des verstreuten Abfalls und dessen Übergabe an den Beklagten Abfallbesitzer und in Folge dessen auch gebührenpflichtiger Benutzer der Abfallentsorgungseinrichtung geworden. Denn das Zusammentragen des Mülls könne nicht als Teil der für ihn, den Kläger, gerade nicht bestehenden Überlassungspflicht angesehen werden, sondern stelle ein Einsammeln im Sinne der Abfallbeseitigung dar, die allein in den Pflichtenkreis des Beklagten falle. Er habe also ein ausschließlich fremdes Geschäft wahrgenommen. Damit sei allenfalls für den Beklagten Besitz an den Abfällen begründet worden. Eine Gebührenpflicht müsse folglich verneint werden. Ungeachtet dessen seien die angefochtenen Bescheide aber auch dann rechtwidrig, wenn man mit dem Verwaltungsgericht einen Erstattungsanspruch in Höhe der festgesetzten Gebühren bejahe; denn ein Gebührenbescheid, der einen Erstattungsanspruch in gleicher Höhe auslöse, sei rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 1999 teilweise abzuändern sowie die Abfallgebührenbescheide des Beklagten vom 23. April 1997, 13. Juni 1997, 18. Juni 1997, 30. Juli 1997, 15. September 1997, 20. Oktober 1997, 23. Oktober 1997, 25. Februar 1998 und 30. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Mittelfranken vom 29. Mai 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist mit dem Kläger der Ansicht, dass der Straßenbaulastträger zu keinem Zeitpunkt Besitzer des "wilden Mülls" geworden sei und deshalb auch nicht zu Abfallentsorgungsgebühren herangezogen werden dürfe. Es bestehe allein eine originäre Beseitigungspflicht des Beklagten als dem nach Abfallrecht verantwortlichen Entsorgungsträger. Einen eigenen Antrag hat der Vertreter des öffentlichen Interesses nicht gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf von den Beteiligten vorgelegten Aktenheftungen und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers und des Beklagten sind zulässig. In der Sache hat nur diejenige des Beklagten Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklagen gegen die Bescheide, mit denen der Beklagte den Kläger zu Gebühren für die Entsorgung des "wilden Mülls" von Bundes- und Staatsstraßen außerhalb von geschlossenen Ortslagen herangezogen hat, im Ergebnis zu Recht abgewiesen; denn diese Gebührenbescheide sind rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht hätte aber auch die Klage auf (Rück-)Zahlung der bereits entrichteten Gebühren abweisen müssen. Dem Kläger steht nämlich ein entsprechender Ersatz- oder Erstattungsanspruch nicht zu, weil er mit dem Zusammentragen des "wilden Mülls" auf den Straßenflächen ausschließlich im eigenen Aufgabenbereich, nicht aber in dem des Beklagten, tätig geworden ist.

1. Die Gebührenbescheide sind rechtmäßig. Die Gebührenpflicht des Klägers beurteilt sich nach der Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung des Beklagten vom 20. März 1991 (i.d.F. der Änderungssatzung vom 18.12.1996 - AbfGS -). Nach § 2 Abs. 1 AbfGS ist Gebührenschuldner, wer die Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten benutzt. § 2 Abs. 2 AbfGS bestimmt, dass bei der Abfallentsorgung im Bring- und Holsystem der Eigentümer oder der dinglich Nutzungsberechtigte der an die Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossenen Grundstücke als Benutzer gilt (Satz 1). Bei der Verwendung von Restmüllsäcken ist der Erwerber, bei der Selbstanlieferung von Abfällen ist der Anlieferer Benutzer (Satz 2). Die Abfallentsorgungseinrichtung des Landkreises benutzt auch derjenige, dessen unzulässig behandelte, gelagerte oder abgelagerte Abfälle der Landkreis entsorgt (Satz 3). Bei der Auslegung dieser Vorschriften über den Gebührentatbestand und zugleich die Person des Gebührenschuldners sind die abfallrechtlichen Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (vom 27.9.1994 BGBl I S. 2705 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 12.9.1996 BGBl I S. 1354 -KrW-/AbfG-), des Bayerischen Abfallwirtschafts- und Altlastengesetzes (vom 9.8.1996 GVBl S. 396 - BayAbfAlG -) und der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten (vom 26.2.1996 - AWS -) zu berücksichtigen. Denn die dort im Einzelnen ausgestalteten Rechte und Pflichten zum Anschluss an die öffentliche Abfallentsorgungseinrichtung und zur Überlassung der Abfälle an den Beklagten als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 15 KrW-/AbfG, Art. 3 BayAbfAlG) bilden den Rahmen für eine gebührenpflichtige Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung. Eine Gebührenschuld entsteht (jedenfalls) immer dann, wenn die Abfallentsorgungseinrichtung in Ausübung des Anschluss- und Überlassungsrechts oder des Anschluss- und Überlassungszwangs, also bestimmungsgemäß, tatsächlich in Anspruch genommen ("benutzt") wird.

Eine Gebührenschuld des Klägers nach den speziellen Tatbeständen des § 2 Abs. 2 AbfGS scheidet allerdings (wohl) aus. Die Straßengrundstücke sind nicht an die Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten "angeschlossen" im Sinn von Satz 1. Denn auf ihnen fallen Abfälle, die der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten überlassen werden dürfen oder müssen, nur ausnahmsweise - und zwar infolge "illegaler Entsorgung" - an, weshalb der Kläger weder berechtigt noch verpflichtet ist, diese Grundstücke an die Einrichtung anzuschließen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 , § 7 Abs. 1 Satz 2 AWS). Es liegt auch kein Fall der "Selbstanlieferung" im Sinn von Satz 2 (i.V.m. § 18 AWS) vor. Denn die im Straßenbereich zusammengetragenen Abfälle sind - wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof noch einmal bestätigt haben - vom Straßenbauamt nicht unmittelbar zur Abfallentsorgungseinrichtung transportiert, sondern zu seinem Betriebsgelände verbracht worden, wo sie dann ein im Auftrag des Beklagten tätiges Abfuhrunternehmen auf Abruf abgeholt hat. Die Abfälle sind damit vom Beklagten in einem "atypischen" Holsystem beim Kläger (auf dem Betriebsgelände des Straßenbauamtes) eingesammelt und befördert worden. Dementsprechend wurde in den Gebührenbescheiden jeweils ein - für sich unproblematischer und auch unstrittiger - Zuschlag für Transportkosten nach § 4 Abs. 5 Satz 2 AbfGS festgesetzt, der im Falle der Selbstanlieferung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Es kann dahin stehen, ob bei diesem besonderen Geschehensablauf der Gebührentatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 1 AbfGS dadurch erfüllt ist, dass die Abfälle durch das Zusammentragen und Verbringen auf das Betriebsgelände dort (!) angefallen sind und dieses (anders als die Straßengrundstücke) an die Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen ist. Denn die Abfälle sind schon zuvor in den abfallrechtlichen und damit auch gebührenrechtlichen Verantwortungsbereich des Klägers gefallen: Dieser war nämlich als Abfallbesitzer nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AWS berechtigt und nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AWS verpflichtet, (bereits) den auf den Straßen verstreuten Müll der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten in geeigneter Weise zu überlassen (vgl. zur "Arbeitsteilung" zwischen überlassungspflichtigem Abfallbesitzer und entsorgungspflichtiger Körperschaft etwa BVerwG vom 11.12.1997 BVerwGE 106, 43/45, 48); mit der tatsächlichen Überlassung der Abfälle zur Entsorgung hat der Kläger die Einrichtung des Beklagten gebührenpflichtig nach § 2 Abs. 1 AbfGS "benutzt". Der Kläger ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Besitzer (auch und bereits) derjenigen Abfälle, die auf Bundes- und Staatsstraßen außerhalb geschlossener Ortslagen von Dritten weggeworfen worden sind und dort verstreut herumliegen.

Abfallbesitzer ist jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat (§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG). Die tatsächliche Sachherrschaft des Klägers ergibt sich hinsichtlich der Staatsstraßen aus seiner Stellung als Träger der Straßenbaulast - und damit regelmäßig auch als Eigentümer - (vgl. Art 41 Satz 1 Nr. 1, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG), hinsichtlich der Bundesstraßen aus deren Verwaltung im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 2 GG). Beide Umstände vermitteln dem Kläger nach der Verkehrsauffassung jedenfalls eine dem Eigentümer sonstiger Grundstücke vergleichbare Zugriffsmöglichkeit auf den im Straßenbereich befindlichen Müll, die ihn rechtlich und tatsächlich in die Lage versetzt, diese Abfälle der öffentlichen Entsorgung zuzuführen. Der Abfallbesitz setzt keinen Besitzbegründungswillen voraus. Deshalb ist es unerheblich, dass der Müll von Dritten unerlaubt weggeworfen und der Kläger ohne oder gegen seinen Willen Besitzer geworden ist (BVerwG vom 11.12.1997 BVerwGE 106, 43/45f., 49).

Die tatsächliche Sachherrschaft des Klägers entfällt auch nicht mit Blick auf den straßenrechtlichen Gemeingebrauch (für Staatsstraßen: Art. 14 BayStrWG, für Bundesstraßen: § 7 FStrG). Nach ständiger Rechtsprechung ist das erforderliche Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft allerdings für den Eigentümer eines Grundstücks ausgeschlossen, "wenn er mit seinem Grundstück durch Betretungsrechte der Allgemeinheit in Pflicht genommen wird" (BVerwG vom 8.5.2003 BayVBl 2004, 151) oder - verallgemeinernd - "wenn sich die tatsächliche Herrschaftsbeziehung dieser Person zu den Abfällen nicht von derjenigen beliebiger anderer Personen unterscheidet" (BVerwG vom 11.12.1997 BVerwGE 106, 43/46). Aus diesem Grund ist anerkannt, dass das Zusammentragen von in Wald und Flur fortgeworfenen Abfällen wegen der gesetzlich gewährleisteten freien Zugänglichkeit dieser Grundstücke mangels Abfallbesitzes nicht Sache der Land- und Forstwirte ist, sondern zu der den öffentlich-rechtlichen Körperschaften obliegenden Entsorgungspflicht gehört. Ein vergleichbares allgemeines Betretungsrecht, das den Abfallbesitz des Klägers entfallen ließe, besteht an den Straßen indes nicht (in diese Richtung BVerwG vom 21.12.1998 BayVBl 1999, 281; aA wohl OVG SH vom 9.7.1996 Az. 4 L 17/96 <juris>).

Die genannte Rechtsprechung will nicht zuletzt mit Blick auf die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums und die Grenzen seiner Inhaltsbestimmung (Art. 14 GG) solchen Fallgestaltungen Rechnung tragen, in denen die Rechtsordnung im öffentlichen Interesse dem Eigentümer die freie Zugänglichkeit seines Grundstücks auferlegt. In diesen Fällen erscheint es unangemessen, den Eigentümer auch noch mit den an den Abfallbesitz anknüpfenden Pflichten zu belasten. Diese auf die Vermeidung eines unzumutbaren "doppelten" Opfers gerichteten Erwägungen können dem Kläger als Träger der Straßenbaulast bzw. dessen Beauftragten schon im Ansatz nicht zugute kommen: Zum einen ist der Freistaat Bayern mit Blick auf Art. 14 GG nicht grundrechtsfähig, weshalb die hinter der genannten Rechtsprechung stehende grundrechtstypische Gefährdungslage gar nicht vorliegt. Zum anderen umfasst der Gemeingebrauch an Straßen kein allgemeines, gänzlich zweckfreies Betretungsrecht, sondern nur ein Benutzungsrecht im - freilich weiten - Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr (vgl. Art. 14 Abs. 1 BayStrWG, § 7 Abs. 1 FStrG). Insbesondere aber sind diese verkehrsbezogenen Benutzungsrechte gerade vom Träger der Straßenbaulast oder zumindest mit dessen Zustimmung durch die Widmung der Straße gezielt begründet worden. Damit gibt es auf seiner Seite kein ihm im Interesse der Allgemeinheit auferlegtes Sonderopfer, dem durch die Verneinung des Abfallbesitzes Rechnung getragen werden müsste. Vielmehr hat der Freistaat Bayern als Träger öffentlicher Gewalt auf den Straßengrundstücken öffentlichen Verkehr eröffnet und muss damit als Kehrseite seiner straßenrechtlichen Zuständigkeit die Verantwortlichkeit in abfallrechtlicher Hinsicht übernehmen. Das gilt umso mehr, als die Abfälle wohl nahezu ausschließlich von Straßenbenutzern stammen dürften, also von denjenigen Personen, deren "Zutritt" durch die Widmung gezielt herbeigeführt worden ist. Eine Sonderregelung, die die übliche Aufgabenverteilung zwischen dem Abfallbesitzer einerseits und dem öffentlichen Entsorgungsträger andererseits durchbrechen könnte, besteht im hier betroffenen Bereich der Straßen außerhalb von geschlossenen Ortslagen nicht. Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer praxisfremden Aufgabenverteilung zwischen den Beteiligten, denn das Zusammentragen der Abfälle im Straßenbereich ist schon bislang von den Bediensteten des Straßenbauamtes tatsächlich gleichsam nebenbei und rechtlich nicht hinterfragt "miterledigt" worden.

Die Heranziehung des Klägers ist auch nicht aus anderen Gesichtspunkten zu beanstanden. Der Freistaat Bayern ist von der Entrichtung der Abfallentsorgungsgebühren nicht ausgenommen. Vorrangig vor dem Kläger stehen zwar auch diejenigen Personen in abfallrechtlicher Verantwortung, die den Müll in unzulässiger Weise weggeworfen haben: Sie sind nach Art. 31 Abs. 1 BayAbfAlG zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verpflichtet; entsorgt der Beklagte die Abfälle, so sind sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 AbfGS (ebenfalls) Benutzer seiner Abfallentsorgungseinrichtung und damit Gebührenschuldner. Da sie aber unbekannt geblieben sind, durfte der Beklagte den Kläger in Anspruch nehmen. Die Berechnung der Gebühren lässt keinen Fehler erkennen.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der auf die rechtmäßigen Gebührenbescheide bereits geleisteten Beträge. Die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs liegen nicht vor. Der Kläger hat - wie oben dargelegt - mit dem Zusammentragen des "wilden Mülls" im Straßenbereich ein ausschließlich eigenes Geschäft im Rahmen der ihm obliegenden abfallrechtlichen Überlassungspflichten wahrgenommen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.284,84 Euro - das entspricht 16.203,74 DM - festgesetzt. (§ 14, § 13 Abs. 2, § 73 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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