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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.10.2005
Aktenzeichen: 4 BV 04.1306
Rechtsgebiete: KAG, EStG


Vorschriften:

KAG Art. 6
EStG § 16 Abs. 3 Satz 1
Auch der Betriebsaufgabegewinn (hier: Aufgabe der Nutzung eines Fremdenverkehrsheims) unterliegt der Fremdenverkehrsbeitragspflicht.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 BV 04.1306

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Fremdenverkehrsbeitrag;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann

ohne mündliche Verhandlung am 10. Oktober 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 3. Februar 2004 wird abgeändert. Die Klage wird vollumfänglich abgewiesen.

II. Die Klägerin zu 1) trägt die Hälfte, die Kläger zu 2) und 3) tragen je ein Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Kern der gerichtlichen Auseinandersetzung ist die Fremdenverkehrsbeitragspflicht des Gewinns aus der Aufgabe eines Fremdenverkehrsbetriebs.

Die Kläger sind Erben der im Dezember 1998 verstorbenen Erblasserin, die ein Fremdenverkehrsheim im lnnenstadtbereich des Beklagten betrieben hatte. Der Betrieb wurde mit Wirkung zum 1. Juni 1998 abgemeldet.

Nach Mitteilung des Finanzamts wurde ein Betriebsaufgabegewinn von 352.871,00 DM sowie ein Betriebsverlust für das Jahr 1998 in Höhe von 1.120,00 DM festgesetzt. Der Bescheid des Finanzamtes ist nicht bestandskräftig; strittig ist die Frage, ob der Betriebsaufgabegewinn der Erblasserin oder den Erben zuzurechnen sei. Im Jahr 1998 lag ein steuerbarer Umsatz von 2.871'00 DM vor.

Mit getrennten Bescheiden vom 19. September 2002 setzte der Beklagte den Fremdenverkehrsbeitrag im Jahr 1998 für die Erbengemeinschaft auf 6.474,51 Euro sowie die die einzelnen Kläger treffenden Anteile (Klägerin zu 1: 2.156,47 Euro; Kläger zu 2 und 3: 1.078,23 Euro) fest; zugrunde gelegt wurde ein steuerpflichtiger Gewinn i.H.v. 179.847,43 Euro, ein Vorteilssatz von 90 v.H. und ein Beitragssatz von 4 v.H.

Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen wies die Widersprüche der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2003 zurück. Der Beklagte habe den Fremdenverkehrsbeitrag für den Aufgabegewinn für die Erbengemeinschaft insgesamt ermittelt und dann die Kläger als Teilschuldner entsprechend ihrer Erbanteile zur Entrichtung eines anteiligen Beitrages herangezogen. Die Veranlagung des Aufgabegewinns sei rechtmäßig, da der steuerbare Gewinn maßgeblich sei. Die Tatsache, dass der Aufgabegewinn seine Ursache auch in der Wertsteigerung des Betriebes in den vergangenen Jahren habe, führe zu keinem anderen Ergebnis.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. Februar 2004 die - nur im Hinblick auf den in die Beitragsbemessung eingeflossenen Betriebsaufgabegewinn - angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten insoweit zur Rückzahlung nebst Zinsen verurteilt; hinsichtlich der einen Zinssatz von 6 v.H. übersteigenden Zinsforderungen hat es die Klage abgewiesen. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass die Erblasserin dem Grunde nach beitragspflichtig gewesen sei. Zwar knüpfe der Beitragsmaßstab in § 2 Abs. 2 FBS des Beklagten am einkommensteuer- bzw. körperschaftssteuerpflichtigen Gewinn an, zu dem grundsätzlich auch der Betriebsaufgabegewinn zähle. Zusätzliche Voraussetzung der Berücksichtigung für den Fremdenverkehrsbeitrag sei jedoch, dass der steuerrechtliche Gewinn unmittelbar oder mittelbar durch den Fremdenverkehr erwachsen sei. Anders als beim Verkauf eines vom Erwerber weiterbetriebenen Hotels fehle es im vorliegenden Fall durch den betriebsaufgabebedingten Übergang des Betriebsvermögens in das Privatvermögen an einem Geschäft mit Dritten, so dass kein mittelbarer Vorteil ersichtlich sei.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar abzuändern und die Klage, soweit ihr stattgegeben wurde, abzuweisen.

Er führt zur Begründung aus, dass sich die Steuerpflicht des Betriebsaufgabegewinns aus § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG ergebe, wonach als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs gelte. Der Versuch des Verwaltungsgerichts, den mittelbaren Vorteil danach abzugrenzen, ob der ehemalige Betriebsinhaber noch unmittelbare Geschäfte mit Dritten tätige, erweise sich nicht als zielführend; denn weder bei der Veräußerung noch bei der Aufgabe des Betriebs greife diese Voraussetzung. In beiden Fällen könne es vielmehr dadurch zu einer Minderung der Beitragsschuld kommen, dass Betriebsausgaben wie die AfA steuermindernd geltend gemacht wurden.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Betriebsaufgabegewinn erwachse weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Fremdenverkehr. Der Begriff des mittelbaren Vorteils bedürfe der Einschränkung, da ansonsten eine Abgrenzung zu fremdenverkehrsfremden Rechtsgeschäften nicht mehr möglich sei. In der Abkehr vom Fremdenverkehr liege gerade kein unmittelbarer Vorteil, so dass sich daraus auch kein abschöpfungsfähiger mittelbarer Vorteil ergeben könne.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten, über die der Senat gem. § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entscheiden kann, ist begründet; denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Daher war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Nach § 1 Abs. 1 der auf Art. 6 KAG gestützten Satzung über die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (Fremdenverkehrsbeitragssatzung des Beklagten vom 30.11.1978 i.d.F. der Änderungssatzung vom 29.10.1980 - FBS) erhebt der Beklagte von allen selbständig tätigen natürlichen oder juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag. Gemäß § 2 Abs. 1 FBS wird durch den Beitrag der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb des Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar erwächst, abgegolten. Zur Bestimmung des Vorteils dienen gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 FBS der einkommen- oder körperschaftssteuerpflichtige Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres. Zu dem einkommensteuerpflichtigen Gewinn gehört gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (hier i.d.F. des Art. 8 Nr. 10 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20.12.1996, BGBl. I S. 2049) auch der Veräußerungsgewinn; gemäß Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs.

Darauf aufbauend hat das Verwaltungsgericht - im Ansatz zutreffend - die fremdenverkehrsbeitragsrechtliche Rechtfertigung dieser Verknüpfung mit dem Steuerrecht hinterfragt und geprüft, ob der Betriebsaufgabegewinn (un-)mittelbar durch den Fremdenverkehr erwachsen ist. Das hat es unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2000 (Az. 4 ZB 99.961, BayVBl. 2001, 405 = NVwZ-RR 2001, 788) zur fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns bei Verkauf eines Hotels verneint: Anders als in Fällen der Veräußerung und Fortsetzung des Betriebs durch den Käufer, der Geschäfte mit Fremden tätigen wird, fehle es im vorliegenden Fall der Betriebsaufgabe an einem Geschäft mit einem Dritten, der unmittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehe, so dass kein mittelbarer Vorteil abgeleitet werden könne. Dem folgt der Senat nicht; denn die Fokussierung auf den mittelbaren Vorteil geht am Problem vorbei.

Die Berücksichtigung des Betriebsaufgabegewinns bei der Bemessung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils rechtfertigt sich vielmehr aus der Überlegung, dass damit die stillen Reserven der unter dem Begriff "Fremdenverkehrsheim" zusammengefassten abnutzbaren Wirtschaftsgüter realisiert werden. Infolge der jährlichen Absetzung für Abnutzung (AfA) der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als periodengerechte Verteilung des Aufwands bzw. Berücksichtigung des Wertverzehrs bei mehrjährig nutzbaren Wirtschaftsgütern können sich stille Reserven als unversteuerte Gewinne bilden. Diese werden bei Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen realisiert und § 16 EStG dient im Ansatz dazu, die Versteuerung der stillen Reserven sicherzustellen (Wacker in: L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl. 2003, § 16 Rdnr. 6 f. m.w.N.). Die unabhängig vom tatsächlichen Wertverzehr durchzuführende AfA auf der einen und das Korrektiv der Besteuerung aufgetretener stiller Reserven auf der anderen Seite bilden eine einzelne Veranlagungszeiträume übergreifende Gewinnermittlungsmethode; deren Elemente können (und brauchen) auch mit Blick auf den Zweck des Fremdenverkehrsbeitrags nicht voneinander getrennt (zu) werden. Nachdem die den Gewinn im jeweiligen Veranlagungszeitraum mindernde AfA auch auf die Quantifizierung des - bei Betrieb eines Fremdenverkehrsheims unmittelbaren - Vorteils i.S. des 6 Abs. 2 KAG durchschlägt, erweist sich die Berücksichtigung des Betriebsaufgabegewinns lediglich als periodenübergreifendes Korrektiv. Zeitliche Gewinnverschiebungen ändern aber nichts daran, dass der Gewinn unmittelbar aus Geschäften mit Fremden erwachsen ist, so dass sich die fremdenverkehrsbeitragsrechtliche Einbeziehung auch des Betriebsaufgabegewinns als gerechtfertigt erweist (BayVGH, B.v. 24.1.2005 - 4 ZB 04.2044).

Die Begründung der bereits erwähnte Entscheidung des Senats vom 1. Dezember 2000 zur fremdenverkehrsbeitragsrechtlichen Relevanz auch des Veräußerungsgewinns, die prospektiv an der zukünftigen Fremdenverkehrsnutzung durch den Erwerber anknüpft und daraus einen mittelbaren Vorteil des Veräußerers ableitet, steht dem nicht entgegen. Die auf diesem Wege selbständig begründbare Fremdenverkehrsbeitragspflicht des Veräußerungsgewinns ist keine abschließende Argumentation, die im Falle der Betriebsaufgabe den Gegenschluss zu rechtfertigen vermag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.312,94 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 GKG, § 72 GKG in der bis zum 30.6.2004 geltenden Fassung).

Ende der Entscheidung

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