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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 4 CE 05.1512
Rechtsgebiete: GO, GG, Richtlinie 2000/43/EG


Vorschriften:

GG Art. 1
GG Art. 3 Abs. 3
GO Art. 21
Richtlinie 2000/43/EG Art. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 CE 05.1512

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Untersagung einer Veranstaltung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 08. Juni 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann,

ohne mündliche Verhandlung am 9. Juni 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die im Zoo der Stadt Augsburg geplante Durchführung der Veranstaltung "African Village".

Die "Zoologischer Garten Augsburg GmbH" (im Folgenden: Zoo-GmbH), deren Gesellschaftsanteile zu 99,25 v.H. von der Antragsgegnerin gehalten werden, beabsichtigt vom 9. bis 12. Juni 2005 die Durchführung einer Veranstaltung unter dem Motto "African Village" auf dem Gelände des Zoos. Bei dieser Veranstaltung sollen über das gesamte Gelände des zoologischen Gartens verstreut u.a. afrikanische Künstler auftreten, afrikanisches Kunsthandwerk und landestypische Speisen zum Verkauf angeboten sowie Hilfsprojekte präsentiert werden.

Der Antragsteller, ein in Berlin lebender kamerunischer Staatsangehöriger, begehrt mit beim Verwaltungsgericht am 6. Juni 2005 eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zoo-GmbH anzuweisen, vorläufig die Durchführung der Veranstaltung "African Village" zu Untertassen. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass er sich an dem von ihm geplanten Besuch des Augsburger Zoos am 9. Juni 2005 auf Grund der von der Veranstaltung ausgehenden diskriminierenden Wirkung gehindert sehe. Er sei Angehöriger des kamerunischen Volkes der Sawa, das in besonderem Maße unter den Kolonialpraktiken der Deutschen gelitten habe. Viele Angehörige dieses Volkes seien gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschleppt worden, um bei sog. "Völkerschauen" gezeigt zu werden. Die von der Zoo-GmbH geplante Veranstaltung knüpfe an die "Völkerschauen" an und stelle eine Reproduktion kolonialer Blickverhältnisse dar, in denen schwarze Menschen als exotische Objekte in einem dörflichen Setting betrachten werden könnten. Dem Antragsteller drohe seitens der Antragsgegnerin im Rahmen der Ausgestaltung ihrer öffentlichen Einrichtung eine Ehrverletzung in Form einer Diskriminierung sowie eine Verletzung der Menschenwürde, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie des Gleichheitsgrundsatzes. Es werde im Zoo ein von Entwürdigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen, da durch das Setting "Weiße Deutsche schauen sich schwarze Afrikaner an" eine Situation erzeugt werde, die insbesondere auf Grund des historischen Kontextes für den Antragsteller unerträglich und entwürdigend sei. Dieser werde aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe mit den Teilnehmern und der gezeigten Kultur identifiziert; dieser Bezug werde von den übrigen Besuchern über die Hautfarbe unmittelbar hergestellt. Auf eine entsprechende Diskriminierungsabsicht der Veranstalter komme es nicht an; auch lasse die Zustimmung der mitwirkenden afrikanischen Menschen die Würdeverletzung nicht entfallen. Eine Ungleichbehandlung sei darin zu sehen, dass ein Kulturaustausch mit sog. "Afrikanischer Kultur" im Zoo stattfinden solle, dort aber niemals ein Kulturaustausch mit einem nichtkolonialen Land stattfinden könne. Bei der Ungleichbehandlung werde auf Eigenschaften des Antragstellers wie Rasse, Abstammung und Herkunft abgestellt, da "afrikanische" Kultur dargeboten werde. Durch die Präsentation ausschließlich schwarzer Menschen würden schwarze Besucher auf Grund der Verbindung mit den dargestellten Schwarzen im Vergleich zu weißen Besuchern ungleich behandelt, da sie in ihrer Würde verletzt würden; weiße Besucher hingegen könnten sich das Schauspiel ohne persönliche Betroffenheit anschauen. Durch die Programmgestaltung werde der Antragsteller am Zugang zur öffentlichen Einrichtung gehindert, da er bei deren Benutzung einer unmittelbaren Diskriminierung ausgesetzt wäre, die ihm den Besuch faktisch unmöglich mache; das begründe einen öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruch. Die geplante Veranstaltung stelle zudem eine Diskriminierung beim Zugang zu Dienstleistungen im Sinn von Art. 3 Abs. 1 h) i.V.m. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/43/EG dar.

Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und weist auf formale Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags hin, da die Zoo-GmbH eine juristische Person des Privatrechts sei und damit wohl selbst Prozessgegner sein müsse. Jedenfalls könne dem Antrag kein Anordnungsanspruch entnommen werden. Die Behauptung des Antragstellers, ihm werde der Zugang zum zoologischen Garten faktisch verwehrt, weil ihn die Durchführung der Veranstaltung "African Village" diskriminiere, sei schlichtweg unsinnig und könne nur darauf beruhen, dass er die Einzelheiten der Veranstaltung nicht kenne. Der Zoo gebe durch diese Veranstaltung einer Reihe von (auch) afrikanischen Künstlern die Möglichkeit, ihre künstlerischen und kunsthandwerklichen Erzeugnisse anzubieten. Es gehe keinesfalls um eine Zurschaustellung von Afrikanern, sondern um ein kulturelles Angebot, das in anderen Städten großen Erfolg gehabt habe und das in Augsburg nur deshalb im Zoo stattfinde, weil dieser der größte Publikumsmagnet der Stadt sei und den Mitwirkenden eine besonders gute Basis biete. Es handle sich keinesfalls um den Versuch, die Zootiere und die Künstler auf eine Ebene als Schauobjekt zu stellen, was sich auch daran zeige, dass sich Hilfsorganisationen mit dieser Veranstaltung identifizierten.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 8. Juni 2005 abgelehnt. Der Antrag sei nur insoweit zulässig, als das geltend gemachte Unterlassungsbegehren den vom Antragsteller avisierten Besuchstag (9.6.2005) betreffe. Die Antragsgegnerin sei als Inhaberin von 99,25 v.H. der Gesellschaftsanteile der Zoo-GmbH und Trägerin der öffentlichen Einrichtung der richtige Antragsgegner. Der Antragsteller habe ihr gegenüber einen Anordnungsgrund, nicht aber einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. In summarischer Prüfung besitze er - bezogen auf den 9. Juni 2005 - keinen Anspruch auf Zulassung zu dem als öffentliche Einrichtung betriebenen zoologischen Garten, der ihm gleichzeitig den geltend gemachten Unterlassungsanspruch vermittele. Die Frage der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses sei grundsätzlich getrennt von der eigentlichen Zulassungsentscheidung zu betrachten. Der Zulassungsanspruch beinhalte keinen absoluten Rechtsgüterschutz bei Benutzung der öffentlichen Einrichtung. Sowohl der als Unterlassungsbegehren formulierte Antrag als auch die mangelnde Geltendmachung der Zugangsverweigerung zum Zoo mache deutlich, dass das Antragsbegehren nicht auf die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung abziele. Daher sei auch die Antidiskriminierungsrichtlinie nicht eröffnet, weil diese nur den unmittelbaren Zugang zu Dienstleistungen/Einrichtungen regele. Auch ein auf sicherheitsbehördliches Einschreiten gerichteter Anspruch sei nicht hinreichend substantiiert dargetan. Bei der insoweit veranlassten objektiven Betrachtung durch einen unbefangenen Beobachter bestünden auch unter besonderer Berücksichtigung des Veranstaltungsortes keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Veranstaltung diskriminierenden Charakter aufweise. Die gegenteiligen Wertungen des Antragstellers fänden keinen Anhalt in den tatsächlichen Gegebenheiten und könnten als individuell-subjektive Sichtweise den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht rechtfertigen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Er beantragt,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 8. Juni 2005 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Zoologischer Garten Augsburg GmbH, vertreten durch Frau Dr. B.J., anzuweisen, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Durchführung der Veranstaltung "African Village" zu unterlassen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen; darüber hinaus macht er geltend, dass einer seiner Angehörigen selbst in einer sog. "Völkerschau" während des Nationalsozialismus zum Objekt degradiert worden sei. Auf das weitere Vorbringen wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat auf der Grundlage der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) weder das Bestehen eines Anordnungsgrundes noch eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

1. Zur Überzeugung des Senats ist der geltend gemachte Anordnungsgrund der drohenden Vereitelung einer Rechtsposition des Antragstellers nicht glaubhaft. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Absicht des in Berlin ansässigen Antragstellers, gerade am 9. Juni 2005 den Augsburger Zoo besuchen zu wollen, vorgeschoben ist, um die von der Antragstellerseite beschriebene Konfliktsituation überhaupt erst akut werden zu lassen. Damit wird der subjektivrechtlich orientierte verwaltungsrechtliche Rechtsschutz instrumentalisiert, um die Durchführung einer von der Antragstellerseite missbilligten Veranstaltung einer gerichtlichen Entscheidung zuzuführen, obwohl die konstruierte Konfliktsituation für den Antragsteller ohne weiteres als vermeidbar erscheint.

2. Auch das Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist nicht glaubhaft. Anders als das Verwaltungsgericht ist der beschließende Senat der Ansicht, dass der geltend gemachte Anordnungsanspruch in einem aus der Widmung des Zoos als öffentlicher Einrichtung abzuleitenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch (vergleichbar dem auf Gemeindeangehörige beschränkten Art. 21 Abs. 1 GO) wurzelt. Es sind Fallkonstellationen denkbar, in denen eine prohibitiv wirkende Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses auf die erste Ebene des Zulassungsanspruchs durchschlägt und diesen konterkariert. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch der Auffassung, dass eine derartige Situation hier nicht vorliegt.

Der Antragsteller befürchtet eine der Antragsgegnerin zuzurechnende Diskriminierung, da er als Mensch schwarzer Hautfarbe und Staatsangehöriger einer ehemaligen deutschen Kolonie entwürdigt werde, wenn eine sog. "afrikanische Kulturveranstaltung", die in der Art und Weise den früheren "Völkerschauen" gleiche, in einem Zoo stattfinde. Im Moment seiner Anwesenheit werde er selbst belästigt, da von den übrigen (weißen) Besuchern der Bezug zwischen ihm und den Beteiligten über die Hautfarbe unmittelbar hergestellt werde.

Selbst wenn man - wie die Antragstellerseite fordert - die Antidiskriminierungsrichtlinie (Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. L 180, 22) gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h zugrunde legt (Zugang zu Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen) und das Anordnungsbegehren am Prüfungsmaßstab der Belästigung i.S. des Art. 2 Abs. 3 als Unterfall der Diskriminierung misst, ist dieser primär von den nationalen Gerichten zu beurteilende Tatbestand (vgl. Präambel Nr. 15 der genannten Richtlinie) nicht erfüllt. Belästigungen gemäß Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie sind als unerwünschte Verhaltensweisen definiert, die im Zusammenhang mit der Rasse oder der ethnischen Herkunft einer Person stehen und bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt oder ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Antragstellerseite ist zuzugeben, dass eine subjektive Absicht der Diskriminierung seitens der öffentlichen Hand nicht erforderlich ist und eine ggf. vorliegende Diskriminierung auch allein durch die Zustimmung der Mitbeteiligten nicht entfallen würde.

Eine Belästigung wegen Rasse oder ethnischer Herkunft in dem dargelegten Sinn setzt voraus, dass die von der öffentlichen Hand zu verantwortende Maßnahme in ihrer objektiven Interpretation und Finalität an die genannten Merkmale anknüpft und - vereinfacht ausgedrückt - ein negatives Milieu schafft. Ob dieses Umfeld besteht, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerseite keine Frage der wissenschaftlichen Erkenntnis, der öffentlichen Meinung oder individueller Einschätzung, sondern obliegt der wertenden gerichtlichen Beurteilung anhand eines objektiven Maßstabs. Im übrigen ergeben sich aus Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 3 GG jedenfalls keine strengeren Maßstäbe.

Die von der Antragstellerseite vorgetragenen Wirkungen der angegriffenen Veranstaltung erschließen sich bei diesem, dem Bereich der Folklore zuzurechnenden Ereignis nicht gleichsam aus sich heraus. Eine kulturelle Veranstaltung der hier vorliegenden Art ist nach heute allgemein anzutreffendem Verständnis vielmehr ein Beitrag zu Toleranz und gegenseitiger Achtung, indem ein anderer Kulturkreis vorgestellt und seine Besonderheiten handwerklicher, kulinarischer und musischer Art werbend der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Das verkennt auch die Antragstellerseite nicht, sondern ihre Befürchtungen speisen sich erst aus dem historischen Kontext der sog. "Völkerschauen" als Produkt der Kolonialzeit und dem Zoo als gewähltem Veranstaltungsort. Dass ein derartiger Kontext von der Antragsgegnerin bewusst in diskriminierender Absicht gewählt wurde, ist nicht erkennbar. Um dennoch eine Belästigung als Diskriminierung im vorliegenden Fall annehmen zu können, ist jedoch ein vermittelnder Zwischenschritt notwendig, nämlich dass die übrigen Veranstaltungsbesucher die von der Antragstellerseite befürchteten Rückschlüsse ziehen und das negative Milieu erst schaffen. Das liegt aber zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs eher fern. Die von der Antragstellerseite in den Raum gestellten, erst über die historischen Zusammenhänge vermittelten Assoziationen sind zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber sie erweisen sich weder als zwingend noch drängen sie sich geradezu auf. Auch bei Sensibilität für historische Bezüge ist nicht zu erkennen, dass der positive, kulturfördernde Charakter der Veranstaltung durch die von der Antragstellerseite geschilderten Zusammenhänge im Sinne einer Diskriminierung pervertiert würde. Die Auswahl des Veranstaltungsorts erweist sich daher als Geschmacksfrage, die der gerichtlichen Beurteilung entzogen ist.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 47 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG; bei dem vorliegend geltend gemachten Benutzungsanspruch erscheint im Anordnungsverfahren mit Blick auf die Vorwegnahme der Hauptsache der Auffangwert angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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