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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2007
Aktenzeichen: 4 N 05.3049
Rechtsgebiete: KAG, Satzung für die Erhebung eines Kurbeitrages


Vorschriften:

KAG Art. 7
Satzung für die Erhebung eines Kurbeitrages in der Stadt Tegernsee vom 31. Mai 2006
Die Berechtigung einer Gemeinde, Kurbeiträge zu erheben, folgt aus ihrer staatlichen Anerkennung als Kur- oder Erholungsort. Auf die Frage, ob die Anerkennungsvoraussetzungen (noch) vorliegen, kommt es nicht an.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 N 05.3049

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamerklärung der Satzung der Stadt ********* über die Erhebung eines Kurbeitrages vom 31. Mai 2006;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Juni 2007

am 22. Juni 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Kurbeitragssatzung der Stadt Tegernsee (Antragsgegnerin).

Die Antragsgegnerin ist als heilklimatischer Kurort anerkannt (bestätigt durch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. April 1975). Sie erhebt einen Kurbeitrag von Personen, die sich zu Kur- und Erholungszwecken im Kurgebiet der Stadt Tegernsee aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinne des Melderechts zu haben, und denen die Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten wird. Grundlage hierfür ist die Satzung für die Erhebung eines Kurbeitrages in der Stadt Tegernsee (Kurbeitragssatzung), die von der Antragsgegnerin in regelmäßigen Abständen unter Aufhebung der Vorgängersatzung vollständig neu erlassen wird. Seit dem 1. Dezember 2006 gilt die vom Stadtrat am 30. Mai 2006 beschlossene, am 31. Mai 2006 vom ersten Bürgermeister ausgefertigte und am 29. Juni 2006 bekannt gegebene Kurbeitragssatzung.

Der Antragsteller ist Inhaber einer Zweitwohnung in der Stadt Tegernsee und wird von der Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 2, § 5 der Kurbeitragssatzung zu einem pauschalen Kurbeitrag herangezogen. Mit seinem am 17. November 2005 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrag hat er sich gegen die damals geltende Kurbeitragssatzung vom 7. Dezember 2004 gewandt. Zur Begründung macht er geltend, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Kurbeitrags nicht vorlägen. Art. 7 KAG verlange, dass die beitragserhebende Gemeinde als Kurort anerkannt sei und dass der jeweilige Anerkennungstatbestand noch fortbestehe. An letzterem fehle es. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als heilklimatischer Kurort nach § 8 AnerkV würden schon seit Jahren nicht mehr erfüllt. In ihrem überwiegenden Stadtgebiet sei die Antragsgegnerin mit Blick auf die Bundesstrasse B 307 "ein bewohnter Lärmschutzwall mit ganz erheblichen Benzin- und Feinstaubemissionen". Zudem fehle es an den für die Anerkennung erforderlichen Kureinrichtungen, weshalb auch kein kurbeitragsfähiger Aufwand entstehen könne. Die Antragsgegnerin sei ein Fremdenverkehrs-, aber kein Kurort. Die Kurbeitragssatzung sei daher nichtig.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung seinen Normenkontrollantrag mit Blick auf die neu in Kraft getretene Satzung geändert und beantragt nunmehr,

die Satzung der Stadt Tegernsee für die Erhebung eines Kurbeitrags vom 31. Mai 2006 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, dass die lufthygienische Situation erst kürzlich mit dem Ergebnis überprüft worden sei, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als heilklimatischer Kurort weiterhin vorlägen. Entgegen der Behauptung des Antragstellers seien im Kurgebiet leistungsfähige Einrichtungen zur Klimaanwendung im Rahmen von ambulanten und stationären Kuren vorhanden; es sei geplant, das Angebot zu erweitern. Allein für den Betrieb der (näher bezeichneten) Anlagen, Einrichtungen und Veranstaltungen sei in den Jahren 2005 und 2006 ein nicht durch besondere Entgelte, darunter den Kurbeitrag, gedecktes Defizit von jeweils über 750.000 Euro entstanden, das aus allgemeinen Haushaltsmitteln habe gedeckt werden müssen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hat mitgeteilt, dass aus Sicht der Regierung von Oberbayern keine Anhaltspunkte vorlägen, zum jetzigen Zeitpunkt das Prädikat "Heilklimatischer Kurort" in Frage zu stellen. Er erachtet die Ablehnung des Normenkontrollantrags für rechtens.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der (geänderte) Normenkontrollantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die zur Prüfung gestellte Kurbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2006, in Kraft seit dem 1. Dezember 2006, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Antragsgegnerin berechtigt, einen Kurbeitrag zu erheben.

Nach Art. 7 Abs. 1 KAG können Gemeinden, die ganz oder teilweise als (u.a.) heilklimatischer Kurort anerkannt sind, im Rahmen der Anerkennung zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, einen Beitrag erheben. Die Antragsgegnerin zählt zum Kreis der danach erhebungsberechtigten Gemeinden:

Die Antragsgegnerin ist als heilklimatischer Kurort "anerkannt". Der Einwand des Antragstellers, die Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 5 KAG in Verbindung mit der Verordnung über die Anerkennung als Kur- oder Erholungsort und über die Errichtung des Bayerischen Fachausschusses für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen (AnerkV) vom 17. September 1991 (GVBl S. 343) lägen nicht mehr vor, verfehlt den gesetzlichen Maßstab. Art. 7 Abs. 1 KAG knüpft die Erhebungsberechtigung allein an die Anerkennung. Solange eine Gemeinde anerkannt ist, ist sie berechtigt, Kurbeiträge zu erheben; diese Berechtigung verliert sie erst mit der Aufhebung der Anerkennung. Dafür spricht nicht nur der Gesetzeswortlaut, der die Berechtigung allen Gemeinden zuspricht, "die ... anerkannt sind", und nicht etwa zusätzlich auf das (Fort-)Bestehen der materiellen Anforderungen für die Anerkennung abstellt. Auch die systematische und teleologische Auslegung bestätigen dieses Verständnis. Denn die Verleihung des Prädikats "heilklimatischer Kurort" ist gesondert in Art. 7 Abs. 5 KAG und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung im Einzelnen normiert, wobei das Gesetz neben den materiellen Anerkennungsvoraussetzungen (Art. 7 Abs. 5 Satz 2 KAG, §§ 2, 8 AnerkV) ein besonderes, formalisiertes Verfahren vorsieht. So ist für die Anerkennung das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie und für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 KAG), wobei vor der Entscheidung über die Anerkennung oder deren Aufhebung der unabhängige Bayerische Fachausschuss für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen gutachtlich zu hören ist (vgl. Art. 7 Abs. 5 Satz 4 KAG, §§ 15 ff. AnerkV). Die Anerkennung und deren Aufhebung sind im Staatsanzeiger bekannt zu machen (vgl. § 13 AnerkV). Bei der Anerkennung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der unmittelbare Rechtswirkungen nur gegenüber der Gemeinde entfaltet und diese zur Erhebung eines Kurbeitrags berechtigt (nicht verpflichtet). Diese Berechtigung folgt allein aus der Existenz einer - wirksamen (Art. 43 BayVwVfG) - Anerkennung, die auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten und als gegebener "Tatbestand" zugrunde zu legen ist. Demnach kann der betroffene Beitragspflichtige eine Kurbeitragssatzung erfolgreich nur mit dem Argument angreifen, es liege keine Anerkennung vor, nicht aber mit Einwand, die Anerkennung sei zu Unrecht ausgesprochen worden oder müsse aufgehoben werden. Entgegen der Befürchtung des Antragstellers wird damit keineswegs der Grundsatz "einmal Kurort, immer Kurort" festgeschrieben; denn das Gesetz hält mit der Möglichkeit, die Anerkennung befristet zu erteilen, mit - anfänglichen oder nachträglichen - Auflagen zu versehen (vgl. § 12 AnerkV) oder aber gegebenenfalls aufzuheben, hinreichende Instrumente bereit, um den Fortbestand der jeweiligen Anerkennungsvoraussetzungen sicherzustellen.

Der Antragsgegnerin war noch vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes durch Schreiben des Bayerischen Fachausschusses für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen vom 10. Dezember 1970 der Charakter als heilklimatischer Kurort zuerkannt worden. Dieses Prädikat ist durch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 14. April 1974 nach der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 7 KAG (in der ursprünglichen Fassung vom 26.3.1974, GVBl S. 109) bestätigt worden und gilt mit den Wirkungen einer Anerkennung nach Art. 7 Abs. 5 KAG bis heute fort.

Die Antragsgegnerin betreibt auch "Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen", für die ihr ein beitragsfähiger Aufwand im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Halbsatz 2 KAG entsteht. Sie hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Juni 2007 im Einzelnen aufgelistet, welche Einrichtungen vorgehalten und welche Veranstaltungen durchgeführt werden, und plausibel dargelegt, dass ihr allein aus den Betriebskosten ein nicht durch Kurbeiträge oder andere Abgaben bzw. Entgelte gedecktes Defizit in erheblichem Ausmaß entsteht. Dem hält der Antragsteller nichts entgegen, was Zweifel an der Berechtigung der Antragsgegnerin zur Erhebung eines Kurbeitrags begründen könnte. Der vom Antragsteller vermisste Nachweis, dass die Antragstellerin über "grundsätzlich umfassende, verschiedenartige, leistungsfähige Einrichtungen zur ortsspezifischen Anwendung des Klimas im Rahmen von ambulanten und stationären Kuren" verfügt (Schriftsatz vom 29.11.2006, S. 7), ist im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 KAG unerheblich. Derartige Einrichtungen sind Voraussetzung für die Anerkennung als heilklimatischer Kurort (§ 8 Nr. 3 AnerkV), begrenzen aber nicht den kurbeitragsfähigen Aufwand. Art. 7 Abs. 1 KAG berechtigt die Gemeinde nicht nur zur Deckung des Aufwandes für "echte" Kureinrichtungen, sondern umfasst - in zweifacher Hinsicht darüber hinausgehend - den Aufwand sowohl für Einrichtungen als auch Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen. Dazu zählen neben den eigentlichen Bade- und Kureinrichtungen etwa auch Spazier- und Wanderwege, Ruhebänke, Liegewiesen, Aufenthalts- und Gesellschaftsräume, Sport- und Unterhaltungsanlagen sowie Konzerte, Vortrags- und Theaterveranstaltungen, soweit sie überwiegend für Ortsfremde vorgehalten werden (vgl. Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nr. 4.5.4.1.2; Engelbrecht in: Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, RdNr. 10 zu Art. 7; Hürholz in Thimet/Nöth/Hürholz, Kommunalabgabenrecht in Bayern, Teil IV, Art. 7 Frage 3 Nr. 3). Das pauschale, auch nicht ansatzweise begründete Bestreiten eines Aufwandes der Antragsgegnerin für derartige Einrichtungen oder Veranstaltungen löst keine Aufklärungspflicht des Gerichts gleichsam ins Blaue hinein aus. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin den Begriff des kurbeitragsfähigen Aufwands verkannt und zu hoch angesetzt haben könnte.

Die einzelnen Bestimmungen der angegriffenen Kurbeitragssatzung entsprechen, was der Antragsteller auch nicht in Zweifel zieht, den gesetzlichen Anforderungen. Der Normenkontrollantrag muss demnach ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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