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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 4 N 05.779
Rechtsgebiete: VwGO, GO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
GO Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GO Art. 37 Abs. 1 Satz 2
1. Richtlinien des Gemeinderates i.S. von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO mit Höchstbeträgen zur Abgrenzung der vom ersten Bürgermeister in eigener Zuständigkeit zu erledigenden Geschäfte der laufenden Verwaltung (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO) sind verbindlich und unterliegen als Rechtsvorschriften der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle.

2. Kompetenzrichtlinien, die der Gemeinderat in Ausübung des ihm durch Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO eingeräumten Beurteilungsspielraums aufstellt, wirken konstitutiv und sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

4 N 05.779 In der Normenkontrollsache

wegen Geschäftsordnung des Gemeinderats;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Februar 2006

am 16. Februar 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller, der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderates, mit der die Höchstsummen im Rahmen seiner Bewirtschaftungsbefugnis von Haushaltsmitteln herabgesetzt worden sind.

1. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin, einer kreisangehörigen Gemeinde mit circa 4.900 Einwohnern und einem durchschnittlichen Haushaltsvolumen von 6,2 Millionen Euro, beschloss am 4. Juni 2002 die Geschäftsordnung für die Amtsperiode von 2002 bis 2008. Die Geschäftsordnung vom 6. Juni 2002 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 13

Einzelne Aufgaben

(1) Der erste Bürgermeister erledigt in eigener Zuständigkeit

1. ... [Wortlaut entspricht Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO],

2. ... [Wortlaut entspricht Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GO]

3. ... [Wortlaut entspricht Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO]

4. die ihm vom Gemeinderat nach Art. 37 Abs. 2 Satz 2 GO übertragenen Angelegenheiten,

5. Entscheidungen über die Beförderung, Abordnung, die Versetzung oder Ruhestandsversetzung von Beamten sowie die Entscheidung über die Einstellung, Höhergruppierung und Entlassung von Angestellten und von Arbeitern, soweit sie vom Gemeinderat dem ersten Bürgermeister übertragen worden sind,

6. dringliche Anordnungen und unaufschiebbare Geschäfte (Art. 37 Abs. 3 GO),

7. die Aufgaben als Vorsitzender des Verwaltungsrates selbständiger Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts (Art. 90 Abs. 3 Satz 2 GO),

8. die Vertretung der Gemeinde in Unternehmen in Privatrechtsform (Art. 93 Abs. 1 GO)

(2) Zu den Aufgaben des ersten Bürgermeisters gehören insbesondere auch:

1. in Personalangelegenheiten:

a) der Vollzug zwingender gesetzlicher oder tarifrechtlicher Vorschriften,

b) die Genehmigung von Nebentätigkeiten.

2. in Haushalts- und Finanzangelegenheiten:

a) die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln im Vollzug zwingender Rechtsvorschriften und im Rahmen von Richtlinien des Gemeinderats, in denen die Leistungen nach Voraussetzungen und Höhe festgelegt sind; im übrigen bis zu einen Betrag von 10.000 € im Einzelfall,

b) der Erlass, die Niederschlagung, die Stundung und die Aussetzung der Vollziehung von Abgaben, insbesondere von Steuern, Beiträgen und Gebühren sowie von sonstigen Forderungen bis zu folgenden Beträgen im Einzelfall:

- Erlass 300 €

- Niederschlagung 300 €

- Stundung in unbegrenzter Höhe bis zu drei Monaten

- Aussetzung der Vollziehung in unbegrenzter Höhe bis zu drei Monaten

c) die Entscheidung über überplanmäßige Ausgaben bis einen Betrag von 5.000 € und über außerplanmäßige Ausgaben bis zu einem Betrag von 5.000 € im Einzelfall, soweit sie unabweisbar sind und die Deckung gewährleistet ist (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 GO),

d) die Gewährung von Zuschüssen, auch in der Formen unentgeltlicher Nutzungsüberlassung von Räumen, an Vereine und Verbände bis einen Betrag von 500 € je Einzelfall.

3. im Grundstücksangelegenheiten:

der Abschluss von Miet- und Pachtverträgen, wenn die Gegenleistung 2500 € nicht übersteigt und die Verträge nicht auf mehr als 10 Jahre unkündbar abgeschlossen werden,

4. den allgemeinen Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten:

Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, soweit sie nicht dem Gemeinderat vorbehalten sind (§§ 2, 3), insbesondere Staatsangehörigkeits- und Personenstandswesen, Meldewesen, Wahlrecht und Statistik, Gesundheits- und Veterinärwesen, öffentliches Versicherungswesen, Lastenausgleich.

5. in Bauangelegenheiten

a) die Abgabe der Erklärung der Gemeinde nach Art. 64 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c bzw. die Mitteilung nach Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBO,

b) die Erklärung sowie die Mitteilung nach Art. 65 Abs. 2 BayBO,

c) die Stellungnahme nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 BayBO bzw. - soweit erforderlich - die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB für Vorhaben geringer Schwierigkeit nach Art. 2 Abs. 4 Satz 1 BayBO im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB oder eines vorhabensbezogen Bebauungsplans nach § 30 Abs. 2 BauGB, soweit das Vorhaben ohne Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB zulässig ist,

d) die Erteilung von Negativzeugnissen nach §§ 20 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB.

(3) Bei wiederkehrenden Leistungen ist für die Bemessung von Wertgrenzen nach Abs. 2 der Zeitraum maßgeblich, für den die rechtliche Bindung bestehen soll; ist dieser Zeitraum nicht bestimmbar, so ist der zehnfache Jahresbetrag einzusetzen.

(4) Soweit die Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 nicht unter Art. 37 Abs. 1 Satz 1 GO fallen, werden Sie hiermit dem ersten Bürgermeister gemäß Art. 37 Abs. 2, Art. 43 Abs. 2 GO zur selbstständigen Erledigung übertragen.

2. Am 25. Mai 2004 beschloss der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung mit 10 gegen 6 Stimmen eine Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Buchstaben a und c der Geschäftsordnung. Die Befugnis des ersten Bürgermeisters zur Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln wurde von 10.000 Euro auf 3.000 Euro, bei überplanmäßigen Ausgaben von 5.000 Euro auf 3.000 Euro und bei außerplanmäßigen Ausgaben von 5.000 Euro auf 1.500 Euro abgesenkt. Nach dem Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung wurde der zugrunde liegende fraktionsübergreifende Antrag darauf gestützt, dass der Gemeinderat von den Entscheidungen des Antragstellers im Rahmen der Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln nur in geringem Umfang informiert worden sei. Es solle dem Gemeinderat vorbehalten bleiben, über die neu festgelegten Beträge mit zu entscheiden; auch andere Gemeinden hätten niedrigere Beträge festgelegt. In der vorhergehenden Periode habe die Grenze bei 4.000 DM gelegen.

Das Landratsamt ******** hat den Beschluss des Gemeinderates auf Ersuchen des Antragstellers rechtsaufsichtlich überprüft und mit Schreiben vom 1. Juli 2004 mitgeteilt, dass keine Anhaltspunkte für eine Beanstandung und Aufhebung bestünden. Der Gemeinderat habe durch Geschäftsordnung im Rahmen seiner Organisationshoheit die Kompetenzabgrenzung zwischen dem ersten Bürgermeister und dem Gemeinderat vorgenommen. Der formell wirksame Beschluss überschreite inhaltlich nicht die Grenzen des insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums. Ein Bewirtschaftungsbetrag von 10.000 Euro überschreite bei einer Gemeinde mit rund 4.500 Einwohnern den Kompetenzbereich des ersten Bürgermeisters im Rahmen der laufenden Angelegenheiten, so dass insoweit eine Übertragung nach Art. 37 Abs. 2 GO vorgelegen habe. Demgegenüber liege ein Bewirtschaftungsbetrag in Höhe von 3.000 Euro landkreisweit bei Gemeinden gleicher Größenordnung auf unterstem Niveau, unterschreite jedoch nicht den Beurteilungsspielraum des Gemeinderates. Das Landratsamt empfahl dem Gemeindrat jedoch, die Neuregelung nochmals auf ihre Angemessenheit zu überprüfen.

Der erste Bürgermeister hat den Beschluss am 12. Juli 2004 ausgefertigt und die Änderung der Geschäftsordnung den Gemeinderäten zusammen mit der Einladung zur nächsten Gemeinderatssitzung zugesandt; die Änderung der Geschäftsordnung ist gem. Art. 2 mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten.

3. Mit am 24. März 2005 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz haben die Bevollmächtigten des Antragstellers einen Normenkontrollantrag gegen die Änderung der Geschäftsordnung gestellt. Der Antrag sei zulässig; denn der Antragsteller werde in seinen subjektiven Rechten verletzt. Zwar werde der Festlegung von Wertgrenzen für die kommunale Bewirtschaftungsbefugnis zwischen erstem Bürgermeister und Gemeinderat grundsätzlich nur begrenzte Wirkung im Sinne eines wichtigen Anhaltspunktes beigemessen. Die angegriffene Änderung der Geschäftsordnung sprenge jedoch die gesetzlich vorgezeichnete Zuständigkeitsverteilung, so dass den Richtlinien konstitutive Wirkung zukomme. Der Antrag sei auch begründet, da die offensichtlich ermessensfehlerhafte Festlegung den Beurteilungsspielraum des Gemeinderates überschreite. Die vom Bayerischen Gemeindetag vorgeschlagene Mindestgrenze von 1,00 Euro je Einwohner (hier: 0,60 Euro) bzw. 1 v.T. des Haushaltsvolumens (hier: 6.200,00 Euro) werde deutlich verfehlt. Damit werde der Antragsteller daran gehindert, den Geschäften der laufenden Verwaltung nachzugehen und damit in seiner eigenen Zuständigkeit beschränkt. Darüber hinaus beruhe die Absenkung der Bewirtschaftungsbefugnis auf offensichtlich sachwidrigen Motiven; ihr wohne die unausgesprochene Unterstellung inne, dass der Antragsteller in seiner Amtszeit unwirtschaftlich gehandelt habe, so dass eine stärkere Kontrolle erforderlich sei. Indessen treffe genau das Gegenteil zu; denn die Gemeinde stehe hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und sparsamen Haushaltsführung an erster Stelle unter vergleichbaren Gemeinden. Überdies habe der Antragsteller in mehr als siebenundzwanzig Jahren als Bürgermeister die ihm zustehende Bewirtschaftungsbefugnis über 10.000 Euro niemals überschritten. Seine kommunalverfassungsrechtliche Stellung werde durch die willkürliche Beschränkung der Bewirtschaftungsmittel erheblich verletzt.

Der Antragsteller beantragt zuletzt,

die Neufassung des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 Buchstaben a) und c) durch Art. 1 der ersten Änderung der Geschäftsordnung für den Gemeinderat G******** vom 12. Juli 2004 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Änderung der Geschäftsordnung begegne weder formellen noch inhaltlichen Bedenken; denn der Gemeinderat habe den Begriff der laufenden Angelegenheiten für die Verhältnisse der Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei konkretisiert. Zwar lägen die Beträge an der unteren Grenze des für das Ermessen eröffneten Bereichs, jedoch werde der Kernbereich des Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO nicht beschnitten. Dem Geschäftsordnungsmuster des Bayerischen Gemeindetags und den darin enthaltenen Berechnungsvorschlägen komme lediglich die Bedeutung einer Entscheidungshilfe zu; keinesfalls werde dadurch der Begriff der laufenden Angelegenheiten verbindlich abgegrenzt.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, hält den Normenkontrollantrag aber für unbegründet.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag, die Neufassung des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 Buchstaben a) und c) durch Art. 1 der Ersten Änderung der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2004 für unwirksam zu erklären, hat keinen Erfolg.

I.

Der Antrag ist statthaft und auch im übrigen zulässig.

1. Die angegriffene Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderates unterliegt mit der umstrittenen Absenkung der Wertgrenzen für die Bestimmung der eigenen Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters in Haushalts- und Finanzangelegenheiten der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle; denn bei diesen Richtlinien i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO handelt es sich um Rechtsvorschriften gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO.

Nach der Rechtsprechung zählen Bestimmungen der Geschäftsordnung eines kommunalen Vertretungsorgans jedenfalls dann zu den normenkontrollfähigen Rechtsvorschriften, wenn sie - trotz ihres Charakters als bloße Innenrechtssätze - in abstrakt-genereller Weise gemeindeinterne Rechtsbeziehungen regeln (BVerwG, B.v. 15.9.1987 - 7 N 1.87, DVBl. 1988, 790 f.; BayVGH, B.v. 17.1.1989 - 4 C 88.1823, BayVBl. 1990, 53 f.; U.v. 23.3.1994 - 4 N 92.3580, BayVBl. 1994, 530 f.). In Richtlinien enthaltene Beträge zur Abgrenzung der Organkompetenzen von erstem Bürgermeister und Gemeinderat dienen im Haushalts- und Finanzbereich der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO). Eine Richtlinie zur Definition der Schnittstelle gemeindeinterner Zuständigkeiten erfüllt die an eine Rechtsvorschrift gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO zu stellenden Anforderungen; denn sie bestimmt gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters zur autonomen Willensbildung in verbindlicher Weise. Dazu hat der Senat erwogen:

a) Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO kann der Gemeinderat für die laufenden Angelegenheiten nach Satz 1 Nr. 1, die nicht unter Nummern 2 und 3 fallen, Richtlinien aufstellen. Diese können sich neben der Art und Weise der Aufgabenerfüllung auch mit der Abgrenzung der laufenden Angelegenheiten befassen. Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur misst Kompetenzaussagen in derartigen Richtlinien keine konstitutive Bedeutung bei. Ausgehend von der zutreffenden Charakterisierung des Tatbestandsmerkmals der "laufenden Angelegenheiten" i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO als unbestimmter Rechtsbegriff wird auf dessen vollumfängliche gerichtliche Kontrolle auch dann geschlossen, wenn der Gemeinderat Wertobergrenzen in einer Richtlinie bestimmt hat. Diese Ansicht wird damit begründet, dass die gesetzlich durch Art. 29 und 37 GO festlegten Zuständigkeitsbereiche des Gemeinderates und des ersten Bürgermeisters durch Richtlinien des Gemeinderats weder eingeschränkt noch erweitert werden könnten. Da Richtlinien auf der Beurteilung der Organisation der Gemeindeverwaltung sowie der sonstigen maßgeblichen Verhältnisse der Kommune durch den Gemeinderat beruhten, spreche aber dann, wenn sie im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde erlassen worden seien, die Vermutung dafür, dass die Zuordnung bestimmter Geschäfte zu den laufenden Angelegenheiten als präzisere und praktikable Kompetenzregelung zu keiner Verlagerung der Zuständigkeit zwischen den beiden Hauptorganen der Gemeinde führe (BayObLG, B.v. 28.2.1974 - BReg. 2 Z 69/73, BayVBl. 1973, 313/314; B.v. 21.10.1974 - BReg. 2 Z 24/74, BayVBl. 1974, 706/707; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 37 GO Rdnr. 8 f.; Prandl/Zimmermann, Art. 37 GO, Anm. 6; Knemeyer, Bayer. Kommunalrecht, 10. Aufl. 2000, Rdnr. 250 f.; schwankend Widtmann/Grasser, Art. 37 GO Rdnr. 7: einerseits "gewisse konstitutive Wirkung" und andererseits auf die Auslegung des Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO beschränkte Kompetenz; unentschieden Schulz/Wachsmuth/Zwick, Art. 37 GO, Anm. 2.1.1.1.: Richtlinien lediglich als Hilfestellung, jedoch Bindung des ersten Bürgermeisters an Wertobergrenzen).

Diesem Ansatz grundsätzlich folgend wird von anderer Seite herausgestellt, dass die Richtlinien gerade von dem Gremium aufgestellt werden, das mit den Verhältnissen in der Gemeinde am besten vertraut sei und aufgrund demokratischer Legitimation die Verantwortung für dieses Gemeinwesen trage. Deshalb sei die in den Richtlinien getroffene Abgrenzung ein ganz entscheidender Anhaltspunkt für die auch objektiv richtige Zuständigkeitsverteilung. Auch im Hinblick auf die Rechtsklarheit wäre es wenig verständlich, wenn die Gerichte eine hiervon abweichende "Feineinstufung" vornehmen wollten (so Hölzl/Hien/Bauer, Art. 37 GO, Erl. II. 2.).

Über diesen Appell zu richterlicher Zurückhaltung hinaus sieht eine Mindermeinung in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO die Ermächtigung des Gemeinderates zur Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums, die gerichtlich lediglich auf Vertretbarkeit zu überprüfen sei. Im Falle verständiger, kompetenter und damit vertretbarer Inanspruchnahme des Beurteilungsspielraums durch den Gemeinderat binde die in der Richtlinie vorgenommene Kompetenzabgrenzung den ersten Bürgermeister (Obermayer, BayVBl. 1968, 271 f.; Steiner in Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl. 1996, Teil C Kommunalrecht, Rdnr. 42).

b) Der erkennende Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Für sie sprechen der historische Auslegungsbefund (aa), ihre dogmatische Konsequenz (bb) sowie die Maximen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (cc).

aa) Die Gesetzesbegründung der Staatsregierung zur Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 (BayBS I S. 461) bezeichnet den Gemeinderat als

"... das mit umfassenden Befugnissen ausgestattete kollegiale Vertretungsorgan der Gemeinde. ... Er vereinigt in seiner Zuständigkeit sowohl die rechtsetzenden wie die verwaltenden Funktionen der Gemeinde. Er erledigt nicht nur die Aufgaben des eigenen, sondern - soweit dies nach der Natur der Sache möglich ist - auch die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Allerdings kann der Gemeinderat aus begreiflichen Gründen nicht über alle Gemeindeangelegenheiten selbst entscheiden. Er wird, da er nicht ständig versammelt ist, die Entscheidung zum Teil beschließenden Ausschüssen (Art. 33 Abs. 2) überlassen. Für gewisse Angelegenheiten ist durch das Gesetz selbst die Zuständigkeit des Bürgermeisters (Art. 38) begründet." (Bayer. Landtag, 2. Legislaturperiode, Beilage 1140 S. 33 zu Art. 31 GO).

Korrespondierend dazu enthält die Entwurfsbegründung zu Art. 38 (später Art. 37 GO) folgende Aussagen zur Kompetenz des ersten Bürgermeisters:

"Die zahlreichen einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung (Abs. 1 Satz 1), die den weitaus überwiegenden Teil der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit ausmachen, kann der Gemeinderat nicht selbst erledigen oder durch Ausschüsse erledigen lassen. Diese Geschäfte gehören herkömmlicherweise (Art. 17 Abs. 1 Satz 5 GemO v. 1927) zur Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters und der ihm beigegebenen Gemeindebediensteten." (a.a.O. S. 35).

Die ursprüngliche Fassung des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO gründet auf den genannten Gesetzentwurf und enthielt folgende Bestimmung:

Art. 38

Einfache und dringliche Geschäfte; Dienstaufsicht

(1) Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung kann der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit besorgen. Der Gemeinderat kann hierfür Richtlinien aufstellen.

(2) und (3) ...

Der an die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Satz 5 GemO 1927 anknüpfende, mit den Richtlinien aber Neuland betretende Entwurf wurde damit begründet, dass es Sache des Gemeinderates sei, "... durch Aufstellung allgemeiner Richtlinien (Satz 2) und ggf. durch besondere Überwachung im Einzelfall (Art. 31 Abs. 3) Vorsorge zu treffen, daß nicht etwa der Bürgermeister wichtige, dem Gemeinderat vorbehaltene Angelegenheiten willkürlich an sich zieht." (a.a.O. S. 35). Auf die Übernahme einer Delegationsmöglichkeit von Geschäften des Gemeinrates an den Bürgermeister nach dem Vorbild des Art. 17 Abs. 1 Satz 6 GemO 1927 wurde bewusst verzichtet, um dem Gemeinderat "die Möglichkeit einer dem demokratischen Gedanken widersprechenden, mehr oder minder weitgehenden Selbstentmündigung zu nehmen." Schließlich betont die Entwurfsbegründung das dem Gemeinderat "in allen Fällen" zustehende Überwachungsrecht, das "dem gewählten Vertretungskörper die nötige Einflußnahme auch auf die laufende Verwaltung sichert und selbstherrliche Tendenzen des Bürgermeisters und der ihm beigegebenen Gemeindebediensteten ausschließt." (a.a.O. S. 33 zu Art. 31 Abs. 3). Diese Tendenz wurde im Gesetzgebungsverfahren noch verstärkt, indem auf Anregung des Rechts- und Verfassungsausschusses die fakultative Kompetenz zur Aufstellung von Richtlinien in eine obligatorische Regelung umgewandelt wurde ("Der Gemeinderat stellt hierfür Richtlinien auf."; Bayer. Landtag, 2. Legislaturperiode, Beilage 1965 S. 13). Diese Fassung erlangte dann als Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO Gesetzeskraft.

Die Vorschrift wurde im Änderungsgesetz vom 26. Oktober 1962 (GVBl. S. 269) neu gefasst, durch das "Vorschriften über die monokratische Verwaltung in Angelegenheiten der Verteidigung und der ... Staatssicherheit und über die Geheimhaltung solcher Angelegenheiten in die Gemeindeordnung aufgenommen wurden." (Bayerischer Landtag, 4. Legislaturperiode, Beilage 3029 S. 2). In der Begründung des Gesetzentwurfs kommt zum Ausdruck, dass die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters nur soweit als notwendig erweitert werde, um bundesrechtliche Eingriffe in die Kommunalverfassung zu verhindern (a.a.O. S. 3). Der Einleitungssatz des Art. 37 Abs. 1 GO entspricht der heutigen Fassung; die nunmehr fakultativ ausgestaltete Richtlinienkompetenz des Gemeinderates wurde hinsichtlich der neu eingefügten Materien des Art. 37 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 GO ausgeschlossen, für die der erste Bürgermeister "schlechthin zuständig" sei (a.a.O. S. 4). Der Bayer. Senat betonte in seiner Stellungnahme, dass Einschränkungen der Zuständigkeit der gesetzlichen Verwaltungsgremien auf das notwendigste beschränkt werden sollten. Mangels sachlicher Entscheidungsbefugnis der Gemeinden in den nunmehr dem Bürgermeister zugewiesenen Angelegenheiten bestehe für eine kollegiale Beratung und Beschlussfassung jedoch kein Bedürfnis (Bayer. Senat, 8. Tagungsperiode, Anlage 31).

Die heutige Fassung des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO beruht auf § 6 des Gesetzes vom 27. Oktober 1970 (GVBl. S. 469), der auch die Delegationsmöglichkeit des Art. 37 Abs. 2 GO - noch beschränkt auf Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises - schuf; diese Einschränkung entfiel erst durch das Änderungsgesetz vom 20. Juli 1982 (GVBl. S. 471).

Die Gesetzesmaterialien belegen hinsichtlich der Willensbildungskompetenzen die ursprünglich im Kern nur subsidiär angelegte Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters als monokratischem Organ gegenüber dem Gemeinderat, wie sie auch in Art. 29 GO zum Ausdruck kommt. Trotz seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation wurden dem ersten Bürgermeister Entscheidungen nur in dem Umfang zugewiesen, in dem das Kollegialorgan aus praktischen Gründen nicht selbst zu entscheiden vermochte. Wohl durch die Eindrücke und Erfahrungen der Vergangenheit geprägt, hat der Gesetzgeber den ersten Bürgermeister nicht mit originären Entscheidungskompetenzen ausgestattet, sondern ihm insoweit nur eine komplementäre Funktion im Verhältnis zum Gemeinderat zugemessen. Hinsichtlich der hinzugekommenen Kompetenzfelder (Verteidigung, Wehrersatzwesen, Schutz der Zivilbevölkerung sowie geheimhaltungsbedürftige Angelegenheiten; Art. 37 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 GO) wurde seine Stellung angesichts übergeordneter Interessen an einem effektiven Vollzug sowie der Geheimhaltung sektoral gestärkt; damit war aber kein Kompetenzverlust des Gemeinderates im allgemeinen Bereich verbunden. Der erst später erfolgte Ausbau der Delegationsbefugnis des Gemeinderates (Art. 37 Abs. 2 GO) markiert keine Tendenzwende; denn diese Möglichkeit der Kompetenzverschiebung liegt sowohl bei der Eröffnung als auch mit dem Recht zum jederzeitigen Widerruf allein in der Hand des Gemeinderates. Nach der Konzeption des Gesetzgebers sollen Richtlinien gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO an der Schnittstelle der Zuständigkeit des Gemeinderats und des ersten Bürgermeisters dem Kollegialorgan einen wirksamen Schutz vor einem (schleichenden) Kompetenzverlust bieten.

Mit dieser in den Materialien deutlich zum Ausdruck kommenden Schutzfunktion der Kompetenzrichtlinien ist die herrschende Auffassung einer rein deklaratorischen Wirkung bei der Formulierung von Wertobergrenzen nicht zu vereinbaren. Der in hohem Maße unbestimmte Rechtsbegriff der laufenden Angelegenheiten i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO besitzt in der kommunalen Praxis nur bedingte Steuerungskraft. Die nicht zu vermeidende Unschärfe bei der Abgrenzung der Organzuständigkeit im konkreten Einzelfall vermag Übergriffe des monokratischen Organs, dessen Amtsinhaber im Gegensatz zu einem nur in Sitzungen beschlussfähigen Kollegialorgan ständig handlungsfähig ist und als Spitze der Gemeindeverwaltung über einen Informationsvorsprung verfügt, nicht wirksam zu verhindern. Entschließt sich daher der Gemeinderat zu einer auf die Verhältnisse der Kommune bezogenen Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der laufenden Angelegenheiten, ist diese normkonkretisierende Richtlinie rechtlich verbindlich. Die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung "Richtlinie" spricht vor dem Hintergrund der allgemeinen Rechtsquellenlehre nicht gegen diese Annahme; denn die Rechtsform einer Satzung ist nach bayerischem Verständnis üblicherweise dem untergesetzlichen Außenrecht vorbehalten. Für eine unverbindliche, im politischen Raum verbleibende Äußerung des Gemeinderates zu den Kompetenzen des ersten Bürgermeisters wäre keine gesetzliche Grundlage notwendig gewesen. Würde man den Kompetenzrichtlinien nur norminterpretierende Bedeutung beimessen, liefe die Regelung des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO leer und könnte den ihr zugedachten Schutzzweck nicht erfüllen.

bb) Die Auffassung, Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO eröffne dem Gemeinderat einen Beurteilungsspielraum zur Normkonkretisierung des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO mit verbindlicher Wirkung vermeidet dogmatische Brüche. Die von der herrschenden Auffassung angenommene "Vermutung" für eine objektiv richtige Kompetenzverteilung durch Richtlinien belegt, dass auch von ihren Vertretern zumindest eine schwache Bindungswirkung der Wertobergrenzen als sinnvoll und praxisgerecht erachtet wird. Diesem Anliegen kann aber nicht über die Annahme einer Vermutung Rechnung getragen werden; denn die Entscheidung über die Organkompetenz betrifft eine Rechtsfrage. Eine Bindungswirkung vermag nur die Qualifikation der durch Richtlinie festgelegten Wertgrenze als Rechtsvorschrift auszulösen. Hat der Gemeinderat keine Kompetenzrichtlinien erlassen, unterliegt der unbestimmte Rechtsbegriff der laufenden Angelegenheiten in Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. zuletzt BayVGH, U.v. 21.12.2004 - 8 B 03.1404, VGH n.F. 58, 38/41 m.w.N.; unausgesprochen auch U.v. 31.3.2003 - 4 B 00.2823, VGH n.F. 56, 98/100 ff.).

Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO weist mithin dem Gemeinderat einen Spielraum zu, den unbestimmten Rechtsbegriff mit Blick auf die Verhältnisse in der Gemeinde zu konkretisieren und ermächtigt insoweit zu politischer Gestaltung. Diese Normkonkretisierung ist - in den durch Art. 37 GO vorgegebenen Grenzen - sowohl für die Organe untereinander als auch nach außen verbindlich. Die Kernthese der herrschenden Auffassung, Richtlinien könnten die gesetzlichen Vorgaben des Art. 37 GO nicht überwinden, erweist sich demzufolge nicht als Frage ihrer Rechtswirkung, sondern ihrer Rechtmäßigkeit.

cc) Schließlich sprechen für die Annahme bindender Wirkung von Kompetenzrichtlinien auch die Maximen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Von der Rechtsprechung zum bayerischen Kommunalrecht wird zum Schutz der Gemeinden einmütig vertreten, dass die in Art. 38 Abs. 1 GO niedergelegte Außenvertretungskompetenz des ersten Bürgermeisters nicht dessen Vertretungsmacht zur Vornahme zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte beinhalte; diese richte sich nach Art. 37 GO (BayVerfGH, E.v. 29.2.1972 - Vf. 85-V-70, VerfGH 25, 27/43; BayObLG, B.v. 7.11.1972 - Breg. 2 Z 65/72, BayVBl. 1973, 131; B.v. 28.2.1974 - BReg. 2 Z 69/73, a.a.O.; B.v. 21.10.1974 - BReg. 2 Z 24/74, a.a.O.; U.v. 21.7.1997 - 1Z RR 558/95, NVwZ-RR 1998, 510/512; BayVGH, U.v. 20.9.1950 - Nr. 3 V 58, VGH n.F. 13, 120/123; U.v. 24.7.2001 - 1 N 00.1574 <juris>; anders für die Wirksamkeit einer Prozessvollmacht BVerwG, B.v. 28.8.1989 - 7 B 192.88). Auf der Grundlage dieser nicht unbestrittenen Auffassung (vgl. Hölzl/Hien/Bauer, Art. 38 GO, Erl. 2. a m.w.N.; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 38 GO Rdnr. 3) besteht wegen der nach außen durchschlagenden Fehlerfolge mangelnder Organkompetenz des ohne einen (notwendigen) Beschluss des Kollegialorgans handelnden ersten Bürgermeisters ein besonderes Bedürfnis, die Kompetenzabgrenzung vorhersehbar zu gestalten. Ansonsten können erst Gerichte ggf. Jahre später die (schwebende) Unwirksamkeit eines von dem ersten Bürgermeister vorgenommenen Rechtsgeschäfts verbindlich feststellen. Die Annahme der konstitutiven Wirkung von Richtlinien mit Wertobergrenzen vermag an dieser Stelle einen für die Praxis bedeutsamen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit zu leisten.

2. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags sind gegeben. Der erste Bürgermeister ist antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO). Aufgrund des ihm durch Wahl verliehenen Amtes betrifft die Konkretisierung der von ihm in eigener Zuständigkeit zu erledigenden laufenden Angelegenheiten (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO) gleichzeitig die mit seinem Amt verbundene organschaftliche Rechtsstellung. Mit der Rüge der fehlerhaften Zuständigkeitsbeschränkung durch den Gemeinderat hat er in ausreichender Weise geltend gemacht, durch die geänderte Richtlinie möglicherweise in seinen Organrechten verletzt zu sein. Der fristgerechte Normenkontrollantrag ist auch zutreffend gegen die Gemeinde gerichtet worden; diese muss sich die vom Gemeinderat in der Geschäftsordnung erlassene Richtlinie nach dem in § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsträgerprinzip auch in Fällen von Organstreitigkeiten zurechnen lassen (so BayVGH, U.v. 23.3.1994 - 4 N 92.3580 a.a.O. ohne weitere Problematisierung; VGH Mannheim, U.v. 24.6.2002 - 1 S 896/00, NVwZ-RR 2003, 56/57 m.w.N.).

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Die Änderung der Geschäftsordnung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Beschlussfassung, Ausfertigung und Bekanntmachung lassen keine Mängel erkennen. Materiellrechtlich beruhen die geänderten Wertobergrenzen zur Bewirtschaftungsbefugnis der Haushaltsmittel durch den ersten Bürgermeister auf Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO; die Richtlinie konnte in die Geschäftsordnung integriert werden. Die konkrete Wertfestlegung ist auch inhaltlich unter Berücksichtigung der insoweit eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte nicht zu beanstanden.

Wie bereits ausführlich dargelegt, weist der Gesetzgeber in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO dem Gemeinderat einen Beurteilungsspielraum zu, den unbestimmten Rechtsbegriff der laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO), mit Blick auf die Verhältnisse in der jeweiligen Kommune zu konkretisieren. Aufgrund seiner hervorgehobenen Stellung in der bayerischen Kommunalverfassung besitzt der Gemeinderat als Hauptorgan die Befugnis zur konstitutiven und verbindlichen Feinjustierung der Schnittstelle zwischen den Organkompetenzen des Kollegial- und des monokratischen Organs. Die Richtlinie als ausgeübte politische Gestaltungskompetenz unterliegt - mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG unbedenklich - nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung.

Die dem Gemeinderat durch Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO eröffnete Bestimmung der Zuständigkeit zur abschließenden Willensbildung wird - abgesehen von speziellen Regelungen - im Bereich des Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO in erster Linie nur durch Funktionsgesichtspunkte beschränkt. Wie aus der historischen Auslegung ersichtlich, sind dem ersten Bürgermeister durch die laufenden Angelegenheiten keine Kompetenzen als Gegengewicht zum Gemeinderat zugewiesen; die Zuständigkeit des monokratischen Organs und der Gemeindeverwaltung dient in diesem Bereich vielmehr der Aufrechterhaltung von Verwaltungsfunktionen. Der erste Bürgermeister hat hier im Verhältnis zum Gemeinderat - mit Ausnahme der Beanstandungspflicht des Art. 59 Abs. 2 GO - keine autonome Stellung in einem System von "checks and balances", sondern die Kompetenzverteilung unterliegt primär pragmatischen Überlegungen.

Ob Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO dem ersten Bürgermeister dennoch einen Kernbereich an Zuständigkeiten für laufende Angelegenheiten zuweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Selbst wenn man die Frage bejahen wollte, würde die in Streit stehende Richtlinie nicht in einen derartigen Kernbereich eingreifen, geschweige denn ihn aushöhlen. Insoweit sind die dem ersten Bürgermeister durch die Geschäftsordnung im Bereich der laufenden Angelegenheiten insgesamt zugewiesenen Kompetenzen in den Blick zu nehmen. Dabei ergibt sich kein so tief greifender Kompetenzverlust für den Antragsteller, dass - wie es sein Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung formuliert hat - "nur noch die Hülse der Funktion" übrig bliebe, aber die Verwaltungstätigkeit praktisch unmöglich gemacht würde. In Zeiten knapperer öffentlicher Mittel erscheint ein erweiterter Mitwirkungsvorbehalt des Gemeinderates nicht von vornherein unangemessen und die in der mündlichen Verhandlung diskutierten Beispiele belegen eine dem Amt des ersten Bürgermeisters in jedem Fall noch adäquate Kompetenzausstattung im Bereich der laufenden Angelegenheiten.

Angesichts der Konkretisierungsfunktion der Richtlinien mit Blick auf die Verhältnisse in der jeweiligen Gemeinde sind die von der Antragstellerseite vorgelegten Wertobergrenzen anderer Gemeinden rechtlich nicht weiter von Bedeutung. Die Perspektive der Prüfung bestimmt sich vom Standpunkt der Gemeinde aus (vgl. BayVGH, U.v. 5.3.1957 - Nr. 150 IV 54, VGH n.F. 10, 64/67). Auch der Anlass für die Änderung der Geschäftsordnung unterliegt, da es sich um politisch zu bewertende Umstände handelt, nicht der gerichtlichen Überprüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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